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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.10.1876
- Erscheinungsdatum
- 1876-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187610046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18761004
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18761004
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1876
- Monat1876-10
- Tag1876-10-04
- Monat1876-10
- Jahr1876
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.10.1876
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»rlcheitt tLzltch trüh 6'/. Uhr. «r»«N-, »»» «uns«»» I»ha«n,»gaff« »». H<mpt-«ed«cteml F,. HLttner tu Reudnitz. Für d posit. Tbeü vrrautworUich vr »raold Vodek tu Seipzig. Douchme »er für dir nächst. f»1arnde R«mmrr besttmmtn, Meraie »« «ochrutageu di« » nj>r Nachmittags, an Sonn- »r^FMagm frÄjbi« '/,v Uhr. n» FUIatr» ftr Las. ^»mchmr: -1- -temm, UawerMtsstr. 21, »«rt« Lischt. Katharioeupr. t 8, p. nur bi« '/,st Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Local gcschichk, HandrlS- und EcschäMkrlcbr. W 278. Mittwoch den 4. Oktober Mek-«oN«8k 14,8LS. a„»«««rr' »prrts viertelt. 4V,Mr< inel. ^rmaerloha d RL, dnrch dir Post bezogen v w?. Jede einzelne Nummer Sk Pst Belegexemplar >0 Pf. Scbllhrcn für Lxtrabenagnr ohne Postbefvrderiing ^ Ät. «it Poftbefvrderiuig Sü Mi. Zifklale tarsp Bouraeoi«z. 20 Pf Ardßere Schriften laut unsere« Preiüverzeichnih — rabellantebr" Satz nach b-brrrm Tarif Lerlamr« unter dem NetaNtoio-rNt die Evaltzrile 40 Pf. Inserate find stets an d. L«»e-t!i.'e zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben ZahlnnaPemmome.'^ucl' oder durch Postvorschub 1876. Bekanntmachung. Die Mitglieder de- RathS und de- Stadtverordneten-CollegiumS werden zu einer Mittwoch, de« 4. Oktober d. I. Abends « Uhr ton Saale der I. Bürgerschule abzuhaltenden gemeinschaftlichen öffentlichen Sitzung hierdurch eingeladen Gegenstände der Tage-ordnung sind: 1) Wahl eme- Bürgermeister- der Stadt Leipzig aus 6 Jahre. 2) Wahl eine- Mitglieds de- KreisauSschusses. Leipzig, am 29 September 1876. vr. Georgi. Bicebürgermeifter. Messerschmidt. Oeffentliche Sitzung der Stadtverordneten heute Mittwoch non 4. Oktober Abends 7 Uhr im Saale der I. Bürgerschule, nach beendeter gemeinschaftlicher Sitzung mit dein Nathscotlegium. Tagesordnung: I. Gutachten de- Ausschüsse- zur Gasanstalt über Herstellung und rcsp. Abänderung der Beleuchtungsanlagen in der Arndt- und Moltkestraße, in der Ringstraße und in ver schiedenen Straßen der Westvorstadt. II. Gutachten des Ockonomie-Ausschusses über Baum-Anpflanzungen aus dem Roß- und Fleischer-Platze. UI. Gutachten des Finanz-Ausschusses über Berwilligung der Mittel zum Ankauf verschie dener Gegenstände auf der Müncdener Kunstgcwcrbe-Ausstellung und deren leihweise Ueberlassung an da- hiesige Kunstgewerbemuseum. Hieraus in nichtöffentlicher Sitzung Vortrag der bei den letzten Berathungcn wiederholt abgc setzten Angelegenheit. Dir Einweihung der I V. Bezirks schule. V—8. Leipzig, 2. Oktober. Wer den Unter schied zwischen Sonst und Jetzt recht schlagend sehen will, der muß sich ein SchulhauS der Neuzeit ansehen. Davon überzeugten wir unS auch heute, als wir der Einweihung der an der Parthe erbauten IV. BezirkSschule beiwohnten, mit welcher unsere Stadt eine neue Zierde erhalten hat. Da- ganze Gebäude macht nicht nur von außen einen imposanten Eindruck, sondern zeichnet sich auch durch vortreffliche innere Einrichtungen, durch belle, freundliche und gesunde Räume au-, sc daß eS eine Lust ist, darin umbcrzuwandeln. Zu der um 10 Uhr veranstalteten Feierlich keit hatten sich die Zöglinge der Anstalt, sowie da- Lebrercolleaiuui, Freunde der Schule und Spitzen der Behörden im Schulsaale versammelt. Nachdem einige Berfe auS dem Lied«: Sei Lob und Ebr rc. verklungen waren, betrat zuerst Stadt rath vr. Panitz das Rednerpult. Er wählte zmn Tbema seiner Rede das Wort: „Wer die Hand an den Pflug legt und siebt zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes", welches Wort über jeder Schule sieben solle. ES liege darin eine Mahnung an die Vertreter der Stadt, daß sie daS Schulwesen auch fernerhin als eine der ersten Zierden der Gemeinde betrachten und diesem Grundsatz gemäß nicht müde werden möchten in der Sorge für die Schulen. Auch Vas neue Gebäude lege Zcuaniß ab von den großen Opfern, welcbedic Stadt den Stätten der Volksbildung bringe. Obgleich man eigentlich jetzt nicht so theüer baue wie früher, so sei doch der Aufwand für die Schulen seit zehn Jahren um daS Doppelte gestiegen, und werde wohl noch weiter steigen. Ter Ärund davon sei die Ausdehnung der Stadt. Wenn die Vertreter der Gemeinde die Wichtigkeit der Schulen, den Einfluß dcS Umstandes, daß auch das ärmste Kind gute Schulzucht, guten Unterricht hat, in Erwägung zögen, so würden sie sicherlich die dargebrachten Opfer nicht für zu groß halten. Der Redner warf hierbei einen Blick auf das neue Haus, bei dessen Erbauung gar man cherlei Zwecke im Auge zu behalten waren. Es sollte die Gesundheit der Kinder wahrer, ldahcr die Herstelluna reiner Luft), für die Bewegung derselben sorgen (daher Helle, ge räumige Corridore) und die Unterrichtszwecke för dern (daher besondere UntcrrichtSlocalc, Turnsäle, chemische Lehrzimmer, Zeichensäle :c.). Wenn daS Haus diese Zwecke erfülle, so sei dieS zuerst ein Verdienst de- Architekten Biehweger, dem aufrichtiger Dank gebühre. Dank sei aber auch den Vertretern der Stadt für die gebrachten Opfer zu bringen: man möge nur, wenn der Aufwand sich noch steigern sollte, durch da- Wort: Der die Hand rc. zu neuen Opfern sich crmuthigen lassen. Der Redner fand in dieser Schriftstelle aber auch eine Mahnung für die Lehrenden, die dafür sorgen müßten, daß die inneren Beding»« gen der Schule sich erfüllten. Ein Lehrer brauche Consequenz,und sittliche AuSdauer, wenn er in seinem Amte die reckten Früchte Hervorbringen wolle; die Lehrer des neuen Hauses möcb> ten mit ganzer Hingabe wirken, daß die ge brachten Opfer nicht umsonst seien. Zuletzt wandte er daS Schristwort auch auf die Kinder an, die sich durch eisernen Fleiß, durch gute Ford schritte für die schöne Schule bedanken möchten Hierauf übergab er dem Direktor Urbach daS Gebäude im Namen der Stadt, mit der Bitte, darüber in jeder Hinsicht zu wachen. Nach dem Stadtrath Vr. Panitz ergriff der Schulrath vr. Hemyel im Namen der Regie rung daS Dort. Er ging von den Worten auS: „Der Hoffnung des Vaterland?-'", die über einer Schule in der Nähe von Leipzig ständen, aber eigentlich über jeder Schulthüre stehen könnten. Sie deuteten vor Allem den Grund an, aus dem jede Schule erbaut sei und wenn Fremde vor dem neuen Hause betrachtend stehen blieben und fragten: Wozu dies HauS? so könnte man ihnen kurz antworten: Für die Hoffnung de- Vaterlandes. Auch die Lchrerarbcit liege in diesen Worten. Denn die Entwickelung eines sittlich religiösen Charakters sei es ja, die ein Volk groß und stark mache und die also auch da- Vaterland verlange. Bei jeder Einübung von Fertigkeiten, bei jeder Unterredung, kurz immer solle der Lehrer daran denken, daß er der Zukunft, der Hoffnung des Vaterlandes diene. Eben so liege m jenen Worten ein Einheitspunct für alle Schultugendcn: Gehorsam, Fleiß, Gottesfurcht. Sie alle seien auch Vaterlandstugenden. Wenn die Schule nun alle diese Tugenden, die dem Wissen erst die wahre Weihe, den rechten Adel verliehen, fest in die Gemüther pflanze, wenn sie da- sittliche Band der Unter ordnung des Einzelnen unter das Ganze befestige, wenn sie die Arbeitslust und Arbeitskraft stärke und erhöhe, wenn sie innige Gottesfurcht in allen Schichten der Bevölkerung anbahne — eö seien dies Dinge, durch die schon die Völker vor uns sich emporgeschwungcn hätten — so diene sie da durch nicht bloS dem Augenblicke, sondern der Zukunft, der Hoffnung des Vaterlandes. Schließlich sprach der Redner ans, daß die Schule überhaupt alle ibre Missionen am besten erfüllen werde, wenn sie sich bei jeder Arbeit von dem Gedanken, daß ihr Dienst der Zukunft und dem Latcrlande gehöre, leiten laste, und er schloß seine zeitgemäße Ansprache mit den Worten: DaS walte Gott! An diese Rede schloß sich eine Ansprache des Direktor Urbach. Derselbe wies zuerst aus den Fest- und Freudc-ntag hin, welchen heute die Stadt Leipzig feiere, die ihrem Ehrenkranze ein neues Blatt hinzugefügt habe durch die Erbauung dieser Schule. Nach einem Blick aus Das, was in letzter Zeit für das Schulwesen der Stadt gethan worden 0t, bezeichncte er den Tag auch alS Freudentag für die Kinder, deren Herz sich gewiß gehoben habe, als sie ihre Sehnsucht befriedigt sahen, und in ein eigenes Schulbaus einzieben konnten. Für die Eltern sei der Tag nicht minder erfreulich da sie für ihre Lieblinge die Schule näher hätten und es muffe sich Uberbaupt jeder Bürger, der den Neubau sähe, stolz fühlen, einer (Gemeinde anzugcbören, die so für die Kinder der Armen sorgt. Aber der Tag mabne auch zu ernstem Nachdenken und zur Erwägung der Frage: Wal soll einer Schule höchste- Streben sein? Der Redner beantwortete diese Frage mit den Wor ten: Fürchte Gott und halte seine Gebote und entwarf nun ein lebendiges Bild von der Arbeit der Schule an dm Seelen der Jugend, die zu Gott wohlgefälligen Menschen zu erziehen seien, die neben dem Wissen auch die Krone der Frömmigkeit, der Charakterfestigkeit, Menschen liebe trügen und fest in den Stürmen de- Lebens ständen. Mit einem ergreifenden Gebete schloß Direetor Urbach und das auS bellen Kehlen der Kinder tönende „Gloria" beendete die Feier, die wegen der dabei gehaltenen Redm eine iiberaus erhebcndc und würdige war. Möge den, neuen Hause (das 35 Elasten birgt und ll 0,000 Thlr. kostet: der Segen de- Himmels nicht fehlen; möge die dort auszuftreuendc Saat ausgehen zun, Ruhme für unsere Stadt, zum Segen für die Menschheit. Altes Theater. Leipzüz, 3. Oktober. DaS zweiactige Lustspiel „Die Gefangenen der Czarin", frei nach Bayard, ist eme dramatisirte Anekdote, welche hier und dort wieder aus der Bühne ausgeiveckt wird, um einir Darstellerin Gelegenheit zu geben, die SemiramiS deS Nordens vorzuführen. Die Pointe dieser Anekdote besteht darin, daß die kzarewna mit einem ihrer Gefangenen, den sie Ur den Herzog von Kurland hält, ein Liebes- verhaltniß anspinnt, als sie aber erfährt, daß der unge Mann nicht der Herzog ist. die- Verhältnis; unerschrocken weiter fortfctzt Die Darstellerin der Rolle, welche auch Frl. Ziegler in ihr Gastspiel repertoire ausgenommen hat, findet Gelegenheit zu den liebenswürdigsten Koketterien. Die Cza- rewna überrascht, wo man Ausbrüche der Ent rüstung über die Kühnheit des jungen Manne- er wartet hätte, durch die gewinnendste Freundlichkeit. Eine kokette und verliebte Kaiserin zu spielen, hat für eine Darstellerin jedenfalls großen Reiz, da sie durch ein iwpcratorisches Air in daö Liebesspiel eine willkommene Abwechslung bringen kann. Frl. Western brachte die Verliebtheit und Koketterie der Czarcwna, sowie alle Ueberraschungen, denen sie preisgegeben ist, wirksam zur Anschauung; für daß Gebieterische und Majestätische dagegen sehllen ihr die imposanten Mittel. Dem bornirtcn Polizeiminister Graf Valoss, der aufgeblasen gegenüber den Untergebenen, kriechend gegenüber der Kaiserin ist, gab Herr Eichen w ä l v komische Züge, ohne ihn zur Caricatur zu machen. Den Aleris Razimowsky spielte Herr Senger mit Frische und Jovialität und männlicher Tapferkeit der Gesinnung. Herr Häuscler führte den Major Petrow angemeffen durch; dagegen traf Frl. Hartmann als „Feodora" nicht den muntern Ton, der an einzelnen Stellen der Rolle erforderlich ist, wie überhaupt ihre Leistung etwas blaß und farbloS war. Hierin sccundirte ihr Herr Rub alS Lieutenant Iwan, der sich aber mit der Bedeutungslosigkeit der Rolle entschuldigen konnte. Den Famulus Edmund in dem darauf folgenden beliebten Lustspiel: „Die H o cb z e i l s r e i s e" von Benedix spielte er dagegen ganz ergötzlich, wie überhaupt die Darstellung dieses Stückes im Ganzen den Intentionen des AutorS entsprach. Otto Lambert de- Herrn Johannes war jeder Zoll ein Professor; nur müßte vielleicht die äußere Erscheinung um eine Nuance jünger und liebenswürdiger sein. Frl. Krössing spielte die Antonie recht lebendig, allerdings drohte diese Antonie eine gefährliche Ehefrau zu werden. Frl. Krössing hat einen etwas zu scharfen Ton für die weiblichen Ideale der bürgerlichen Komödie eines Bencdir. Herr Tietz (Hahncnsporn) hatte seinen Stiefelputzer mit drastischen Zügen ausgcstattet und Frau Schu bert war als Guste durchgreifender als sic neu lich als Herzogin von Pommern war. Heute Fürstin, morgen Kaminerjungfer, eine „Rollen- wanderunq", die an Kühnheit den Träumen der indischen «Lcelenwandernng nicht nachsteht. Man merkt es, daß die Zeit der „Fächer" an der deutschen Biibnc vorüber ist. Rudolf Gottschall. Central-Halle. Der allabendlich mit gewähltem Publicum in allen seinen Räumen gefüllte große Saal der Cenlralhalle liefert auch diese Messe sprechendes Zeugniß, wie sehr daS hier Gebotene wohlver diente Anerkennung findet. Und in der That hat die Direktion fortdauernd Sorge getragen, eine Auswahl von Unterhaltungen und Genüssen herbei- zuführen, wie sie packender, spannender und be friedigender «och kein früheres Programm auf weisen konnte, Alles von melodischen Klängen umwoben, durch welche die HauScapelle MatthicS sich fortwährend mit neuen Ehren schmückt. Wir sahen die letzte Montaasvorstellung, welche zwar eben auch mit reichem Beifall aufgcnommene Ab wechselung bot, namentlich aber durch daS erst malige Auftreten deS Japanesen Kotaki alS Affenmensch, dem man mit gespannter Er wartung entgegen gesehen hatte, AlleS in die stauncndste Verwunderung setzte. Zeigte Herr Kotaki schon aus dem Drahtseile, wo er in schwindelnder Höhe wie ein Vogel schwebte, eine Behendigkeit, Kühnheit und Sicherheit, welche seine halSbrecvcnde Wanderung ohne alle Besorgnis; vor einem Unfall mit ansehen ließ, so vergegenwärtigte er in seiner Darstellung eines Affen die komischen Manieren und Gewohnheiten dieser Darwinschen Bettersckaft mit einer LebcnSwahrheit, die kaum den Unterschied zwischen Original und Copie erkennbar machte. und wobei der Künstler eine Gliedergeschmeidigkcit, Sprungkrast und Klettcr kunst zur Schau brachte, die, um geglaubt zu werden, man sehen muß. — Frau Rapp» über raschle die animirte Zuhörerschaft wieder durch neue lebende Bilder, diese von Aesthetik, Formen schönheit, Schalkheit und reizender Koketterie ge tragenen Gruppen, welche, ohne Sinnlichkeit zu wecken, nur die edleren Empfindungen erregen und in der Bewunderung vereinigter Kunst und Natur die erhebendsten Schöpfungen plastische« Verständnisse- zur Geltung bringen. Wer« die Blumenspenderin. Diana und die ruhende Jagd, nach dem Gemälde von Giovanni Polli, das Urtheil deS Paris nach einem antiken Relief, der Raub des Hylas durch die Nnmphcn und endlich der von jungfräulichem Stillleben durchglühte Sommcrinorgen bei der Müblcngrotte mit den badenden Mädchen, — wo, fragen wir, gäbe cs ein warmes Menschenherz, daS nicht von diesen reizenden Darstellungen oer Scheeren-Amazoncn getroffen und zum wärmsten Beifall hingerissen würde? — Herr Alves da Silva, der unvcr gleichliche Handflötist, überraschte ebenfalls durch neue Produktionen. Wie cS möglich ist, nur mit den Lippen und angelegten Fingern die reinsten Flötentöne bervorzubrinczen und zum seelenvollcn Vorträge zu gestalten, ist fast unbegreiflich, berubt aber, wie wir aus eigener Anschauung in Folge einer Wette versichern können, aus keiner Täuschung! Wie dieses Flöten-Adagio zündete, bcwic-S die lautlose Stille im Saale, indem Alles den ergreifenden Klängen lauschte. — Der Salon - Jongleur Herr Ordci mit seinen zwölf tanzenden Tellern schloß sich dem Ganzen in würdiger Weise an, und wir gestehen, Besseres selbst von den berühmten indischen Jong leurs Gebrüder Waljan, welche vcvige Ostermesie in der Centralhallc so reichen Ruhm ernteten, nicht gesehen zu haben. — Was endlich die seit Kurzem austretenden Teusel betrisst, so ist der Centralhallc zu deren Gewinnung ebenfalls Glück zu wünschen. Zwei unheimlich schlanke, schlangen- artig und spinnenbeinig huschende und dämonisch mit Händen und Füßen manipulirende Gestalte», an die Höllcnaeister Auerhahn und Pcrlickcperlucke der Volköpoesie erinnernd, vergegenwärtigten in jedenfalls ganz höllenwahrcr Darstellung eine heitere und neckische Familienscene aus dem Reiche deS Gottseibeiuns, wobei jedoch des Teufels run zelige Grvßlnutter, alS Dritte im Bunde, durch ein jugendliches, reizend, liebliches Teufelchcn ersetzt war. gewandt, keck, zierlich, und ganz dazu ange- than, den Aufentbalt irr der Hölle doch nicht jo schrecklich erscheinen zu lasten, wie inan dieS von mancher Seite den Leuten glaubhaft machen möchte. Die pbantastisch-groteöke Mimik dieses teuflischen Kleeblatts übersteigt allen Glauben, — man muß auch bier sich durch eigene A nschauung über wagen, zu welchen eminenten Zugeständnissen der Glieder- bau de- menschlichen Körpers gebracht werden kann! lind dabei ist AlleS so zierlich und bereut, so überraschend und bocbkoiiiisch! Daß unter solchen Umständen der Beifallssturm kein Ende nehmen wollte und die beiden Teufel mit ihrem allerliebsten Höllcnkirrde immer und immer wieder gerufen wurden, konnte nicht Wunder nehme». Es dürste wohl nicmalö eine Hölle aufgetha,» worden sein, welche mebr Anziebungskrasl «ruf die Menschheit ausgeübt bätte, als bier; gewiß ist aber auch noch keine TeuselSgrsellschast mit solch gewinnenden Eigenschaften und einem so hübschen Tcuselchen dagcwesen, wie sie dcö Abends in der Centralballe zuin Vorschein kommt. O M Aus Stadt und Band. * Aus drr Provinz, 2 Oktober. Man kann gewiß ein Freund jugendlicher Fröhlichkeit sein und doch das wüste Biertrinken, wie cs in manchen studentischcii Kreisen gepflegt wird, ernstlich beklagen. Was das Bedauerlichste ist: der studentische „Sau fco mm ent", ein trauriges Ucberbleibjcl deutscher Trunksucht auS den Zeilen de- 16. und 17. Jahrhundert-, hat sich auch auf da- jüngere Geschlecht unserer Gvmnasien und Real schulen sortgepflanzt, wo er noch weit Verderb, sicher wirkt a!s aus den Universitäten, weil er in den noch jungen Gemüthern schon so frühzeitig die Keime deS Cvleren verwüstet. Da sieht mal. jetzt vielfach in Schülcrbänden ein kleine- Büch lein. betitelt „Leipziger Bicrcc mmenl", 3. Auflage, Celle und Leipzig. Literarische Anstatt. August Schulze 1870, Preis 1 .F" Man kann unmöglich annehmcn, daß deutsche Studenten au der Veröffentlichung dieses Machwerkes betheiligt sind; es ist wahrscheinlich nur eine buchhäudlerische Speculation, welche namentlich auf die Kauflust der unreifen Schülerwclt rechnet, da diese leider an dem Studentenlebcn zunächst nur die Auswüchse deS jugendlichen KraftgesühleS de wundert und diese» „Biercom ment" mit seinen Regeln über daS Vor- und Nachtrinken, den Bicrskandal, daS Biergericht, die Bierstrasen rc re. als daS Evangelium des wahren Studenlei - thumö betrachtet. Welche Früchte dieser „Bier com me nt" trägt, davon weiß iede höhere Schule zu erzählen. — Hierbei muß noch ei> e bedauerliche Lückc.unserer Gesetzgebung zur Spract e gebracht werden. Leider giebt cö gcwifsenlc e Wirthe genug, welche sich nicht schämen, un rer>c Schüler von lt—10 Jahren in ihrem Locale zu dulden und ihrem Nachäffcn des studentischen Sauscomment Vorschub zu leisten. Nun aiebl
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