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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1873
- Erscheinungsdatum
- 1873-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187310219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18731021
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18731021
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1873
- Monat1873-10
- Tag1873-10-21
- Monat1873-10
- Jahr1873
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1873
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Erscheint täglich früh 6»/, Uhr. RkNictlon on« trpkdliio» Johannisgaffe 3Z. keraruw. Nedattrur Fr. tziltlner. Sprechstunde d. Redaction ivcrmitlog» vvn 1l—Uhr «achmttta-« ron 4—L Uhr. «lnnahme der für die nächst- laiaende Nummer dcstimmtcn Inserate an Wochentagen bis 3Nt>r Nachmittags, an -o»n- »nd Festtagen früh bis ',9 Uhr. Filiale für Znsrratruanaahmr: ktto Llemm, UniversitätSstr. 22, Louis Lüsche, Hainstr. 21, patt. Taaclilall Anzeiger. AmMaü M Königl. BczirkßgcriW und dcS Rath» der Stadt SciW. «i»sl»,e U,0«». ^»„nrmkntoprr« viettcljLhrlich 1 Thlr. lk Aar., incl. Bringerlohn 1 Thlr. Jede einzelne Nummer 2'/» Ngr. Belegexemplar I Ngr. Gebühren für Extrabeilagen ohne Postbrsvrderung 11 Tblr. mit Postbrsvrderung 14 Thlr. Inserate «qrspalteneBourgoivzeile l'/.Ngr. Größere Schriften laut unserem PreiSvcrzeichniß. Lcclamra unter d. «tkiaclioatch'ch die Spaltzeil« 2 Ngr. M 29 t. Dienstag den 21. Oktober. 1873. Jubelfeier -es 19. Oktobers 1873 im Schützenhause. A Lekyig, 20. Oktober. Der «0. Jahre-taa der Erstürmung und Errettung Leipzig- nach der Völkerschlacht, der zugleich der 59. de- Be« stehen- de- Verein- zur Feier de- 19. Oktober- ist, wurde gestern Abend in den Sälen de- Schützenhauses mit Festact und Fest tafel, an welchen beiden SolennitLten auch ein reicher Damenfior Theil nahm, sehr würdig be gangen. Der 260 Mitglieder zählende Verein war durch eine Festversammlung von anderthalb, hundert Theilnehmern vertreten; die ganze Feier trug einen sehr animtrten Charakter. Unter den Gästen de- Verein» waren zunächst drei würdige veti.rauen der Freiheitskriege zu bemerken: zwei frühere sächsische Schützen (einer — Logenschließer 8. Müller — sogar au- dem Jahre 1809, dem Jahre der Errichtung der Trupve) und ein 1810 eingetretener sächsischer Husar, der während der Schlacht Or.donnanz de- General» Graf -rukowiecki war, Zimmermann Joh. Gott srird Fritzsche (Rcudnitzer Straße 20). von hiesigen Ehrengästen sei ReichS-Oberhan dc'.»gericht«rath vr. Voigt genannt, welcher sich gestern Abend al- Mitglied aufnehmen ließ, von auswärtigen und fremden ein verwandter de- russifchcn Oberst Baron Rosen, der 1813 hier unter dem Generalgouvernement des Fürsten Rcpain al- Direktor der russisch kaiserlichen polnischen Krieg-Polizei funairte, Baron An dreas Rosen au» Charkow, der bekannte Dekadrist, der hier seine hochinteressanten Me moiren veröffentlicht hat. Der Fest- und Redeact vollzog sich im Neben saale der erste« Etage de- Schützenhanse-, ein- geleitet durch den Gesang de- Kvrnerschen Tchlachtgebet» „Hör' un». Allmächtiger". Die Festrede hielt der Vorsitzende de» Bereiu- vorstande», Bibliothekar und Oberlehrer vr. Robert Naumann. In der dem Redner eigenen gemüthvollen und finnigen Weise ward noch einmal ein Rückblick aus die ewig denkwürdige Zeit der Freiheits kriege, die selbst in der unendlich ruhmreiche» Gegenwart wenig von ihrem Glanze verlierende weltgeschichtliche Bedeutung der Völkerschlacht, die Ursen Wurzeln, mit denen der Eultul jener Zeit da- Herz der Nation durchdrungen hat, aevorsen nn» die Gründe diese- eiaenthümlicheu Zuge- im Geiste-- und GemüthSleben unsere» volke- entwickelt. Redner fand die Bedeutung der Völkerschlachterinnerungen in dem Auffchwnug der Geister, in dem ersten Erwachen de» natio nale» Setbstbewaßtsein-, de- erhebenden Gesühl» der Zusammengehörigkeit aller Stämme, in dem Sichselberwiedersiuden der Nation nach schmählicher Vergewaltigung durch den Erbfeind, fand sie aber auch tu ven epochemachenden Folgen jener «roßen Octobertage, den unmittelbaren wie den späteren von einem Geiste wie Freiherr von Stein schon 1813 prophetisch vorau-gesehene» Folgen, in deren langer Kette Redner al- da- jüngste herrlichste Glied die Wiederherstellung de- deut sche« Reich» in einer «och niemal- in der Ge schichte dageweseneu Großartigkeit erblickte. Der Stoff ist lohnend genug, die Eapitel „deutsche vaterland-liebe" und „Eiuhett-be- strebuugen" find in der That durch die Geschichte »er Freiheit-kriege so ergreifend zu illustriren, daß e» nur weniger markiger Züge bedarf, um die Herzen der Hörer höher und höher schlage« r» mache» »nd dieselben mit dem stolzesten Ge fühle zu schwelle«. Redner verstand diese Kunst und wußte mit den einfachsten Mitteln zu wirken. Die große Gegenwart al- die späte reife Krucht einer gewaltigen Vergangenheit erscheinen « lasten, die Erfolge der letzten erschütternden Mkerbewegung de» Kampfe» gegen den unsitt lichen Welschen Uebermuth al- auf den Voraus setzungen der nationalen Wiedergeburt Deutsch, laud» in den Freiheit« kriegen beruhend hinzu- stellen: da- war da- Ziel einer Betrachtung, wie sie durch den Hinblick auf die immer mehr hi»schmelzende Zahl der Augenzeugen und Theil- «hmer jener großen Zeit der Kriege gegen den ersten Napoleon, durch ehrende Erwähnung der in der jüngsten Zeit abgeschiedenen greisen Veteranen, de» letzten LützowerS und Anderer wirksam ein- zckitet worden war. Aach der Festrede folgten Mitt Heilungen all dem Vereine, über da» Cassenwesen, die Denk mäler und die Maßregeln zum Schutze derselben <Rustrlluvg eine- neuen Invaliden al» Hüter de« Napoleonstein-), nachdem der bisherige Irter» „zur großen Armee eingegangen", so- dvm eine- Aufseher- beim MonarchenhÜgel, den wm in der Person de- Wächter- für da» wieder- gestellte Schwarzenberg-Denkmal fand, sowie Echuvg und Justification de- Cassrnbericht-. Der Festtafel verlieh die Anwesenheit der Damen besonder« Reiz, einen Zug gemülhlichen Familienleben», die Teilnahme aber gewandter Sprecher von verschiedener Richtung einen be deutungsvoll ernsten Charakter. Wackere Sänger erfreuten dazwischen durch den Vortrag der ge waltigen Körner-Weber'schen Gesänge (Leier und Schwert), de- Gocthe-Petschke'schen Bunde-liedc-, de-Seidel-Neidhardt'schcn „Den Schönen Heil!" (da» Tenorsolo mit hinreißendem Schmelz ge- suugrn von Herrn Hellmund). In da- Frstprogramm waren ursprünglich (laut gedruckter Vorlage) nur drei Toaste aus genommen : ein Doppeltoast aus Kaiser und König (vr. Naumann), da- deutsche Heer (Professor vr. Fricke, derzeitiger theologischer Decan), endlich auf Leipzig (Advoeat Schrey). Dabei blieb e- aber nicht, die Zahl der Trinksprüche mehrte sich mit der steigenden Fcststimmung, und so toasteten Superintendent vr. Großmann (Grimma) auf de» Verein- neue Mitglieder und de- Verein- neue Aufgaben, Reich-oberhandelS- gericht-rath vr. Ponath ans die Frauen, Ad- vocat Schrey auf Superintendent Troßmanu und Dieser aus Professor vr. Fricke, Letzterer endlich auf Bismarck. vr. Naumann unterließ nicht, gegenüber den Besorgniß erregenden Nachrichten über da» Be, finden de- Lande-Hcrrn in seinem Toast zu Ehren Desselben den patriotischen Ausdruck herzlichster Sympathien und tief empfundener Wünsche ein- zuwcbcn, vr. Fricke aber leitete seinen Toast ans da- Reich-Heer durch einen sehr glücklichen Blick ans den jüngsten Briefwechsel de» Papste- mit des deutschen Kaiser- Majestät, den drohenden Uebermuth de- Römling- nnd die würdige Ab fertigung desselben, ein, indem er den geistigen Feldzug gegen Rom, in welchen die deutschen Regierungen jetzt eiutreten, in seiner gaureu schwe ren Bedeutung für die Ration, für die Interessen de» Fortschritt- darstellte, ihn at» einen zwei ten Hoheustaufenkrieg erscheinen ließ, über dessen Au-gang Gott walten möge. — Auch Advoeat Schrey ließ in seinem Toast aus Leipzig ernste Betrachtungen über die Zukunft unserer Ration mit einfließen, erhob gewissermaßen eine Warnerstimme, um hinzuweisen aus die nicht blo» aus geistigem Gebiete bevorstehende» Kämpfe, aus den tiefen Groll nnd Haß der französischen Na tion, von deren bi» zum Aenßerfien gehenden, selbst in die Stätte, von der die politische Leiden schaft verbannt sein soll, in da- Forum de- Rich ter-, in da- Requisitoke de- öffentlichen Anklä ger» (Proceß Bazaive) etudriugeuden Erbitterung gegen Deutschland sich da-Aergste versehen lasse, unv fand nur in der Pflege der Vaterlandsliebe bei unserer Jugend durch Schule und Hau- die sichersten Bürgschaften der siegreichen Zukunft unsere» Volke». vr. Fricke'» Toast auf Fürst Bi-marck stellte Sonst und Jetzt in Bezug auf Werthschätzung diese» großen Staatsmannes gegenüber. Redner gestand, daß er einst — a« 11. Januar 1864 —selber in der großen Volksversammlung in Hannoder über die schle-wig-holsteinisch« Frag« Bennigsen'» Worten: „Der verhaßteste Mann in Europa ist Gras Bt-marck" innerlich zugestimmt habe, bi» der Erfolg und die Erfahrungen der letzten Jahre die Nation so glänzend Über Da- aufgeklärt habe, wa» sie an dem gewaltigen Manne besitze, „dem geistigen General- feldmarfchall de- Deutschen Reiche»!" (Großer Applaus.) Die letzten Toaste galten den anwesenden drei Veteranen (vr. Naumann), dem Vorstände (Pastor emerit. Gur litt) und den trefflichen Sängern, wclche die Feier durch ihre Vorträge verherrlicht hatten (Advoeat Schrey). Die Tafel, welche in cnltnarischer Hinsicht trefflich au»gerichtet war, ward erst gegen Mit ternacht aufgehoben. Lotterie znn» «efße» de» Beret«» zur Mirforge für die a«s GtrnsnnKalte» Entlassene». Unter den mancherlei Einrichtungen in unserer Stadt, welche die Unterstützung armer und un- glücklicher Menschen, die moralische Hebung Solcher, die von de« Bahnen de- Recht- abze- wichen find, bezwecken, nimmt der Verein zur Unterstützung der au- Strafanstalten Entlassenen eine hervorragende Stellung ein. Die da- ganze sociale Leben der Gegenwart durchdringenden humanen Anschauungen habe« dazu geführt, in dem Verbrecher nicht mehr einen Menschen zu erblicken, der auf immer von der ehrenwcrthen Gesellschaft au-geschlossen bleiben soll. Der Krei- von Männern, der seiner Zeit zur Gründung de- obgedachlen Verein- zusam men trat, war von der Meinung durchdrungen, daß e» ein Werk wahrer Menschenliebe sein müsse, diejenigen, welche in einer schwache« Stunde der Anfechtung erlegen, nach ihrer Bestrafung in dem Bestreben nach Wiederaufrichlung und Besserung möglichst zu unterstützen. Und e- haben sich di:se zur Mitfahrt gemeldet hatten. Ihre Zahl bc- Männer in ihrer Anschauung nicht getäuscht ge- trug mckt weniger als sich«; c» waren die ^ ^ Herren ktuck. weck. Kunze, Kaufmann Kühne, Kaufmann Reusing, Recht-candisat Broda und der Unterzeichnete, sämmtlich au- Leipzig, sowie der Hofapotheker Häbler an» Altcnbnrg. fanden, die Wirksamkeit de- Verein». wie sie seit einer Reihe von Jahre» vorliegt, bestätigt den außerordentlichen Bortheil und Segen, der darin enthalten ist, wenn dem Sträfling, nachdem er die Hastzelle verlassen, in liebevoller fürsorgender Weise an die Hand gegangen wird. — Diese Fürsorge aber ist dringend nifthig, da, wenn ver au- der Strafanstalt Entlassene für sich allein irgend eine Stellung oser ein Unterkommen sucht, er in der Regel aus die aller größten Bedenken stößt, da man von seinen An erbietungen, in Rücksicht auf sein Vorleben, nicht gern Gebrauch machen will. Und hierin liegt der Schwerpunkt de- Princip», da- den Verein zur Unterstützung entlassener Sträflinge leitet. Die Gemeinsamkeit unbescholtener Bürger ist dazu bestimmt, diejenigen Schwierigkeiten zu be seitigen, die sich dem Wiedereintritt in die mensch liche Gesellschaft Solchen in den Weg stellen, welche eine entehrend« Strafe erleiden mußten. Der Verein hat diesem Ziele seither mit gutem Erfolge nachgestrebt und er a-denkt die- auch in Zukunft in immer weiterer Äu-dehnung thun zu können. Dazu ist freilich dringend nöthig, daß sich ihm die lebendige Theilnahme unserer Mit bürger in immer höherem Maße zuwendet, um dadurch die Mittel zu schaffen, deren der Verein bedarf, wenn seine Bestrebungen den in- Auge ES war noch im letzten Moment zweifelhaft, ob alle 6 Personen einsteigen durften, da möglicher weise der Ballon zu sehr belastet war; doch nach einer kurzen Prüfung feiner Tragfähigkeit, die ihn mehrere Fuß vom Erdboden erheben machte, ertönte au- dem Munde de- Herrn Sivel der Ruf „all rigdt", und nun er klommen auf die ferneren Worte „Lntrer, lckeaswars" alle sechs Passagiere unter den sym pathischen Zurufen des Publicum- die Gonoel, wo sie sich möglichst häu-lich eiozurichten ver suchten. Auf da» Commando „LoS" ließen die Soldaten, welche bi» dahin den Ballon festgc- halten hatten, ihre Stricke sinken, und stolj. gleich einem Aar. erhob sich der Koloß in die Luft. Wir bemüheten un«. die freudigen und stürmischen Zurufe de» Publicum- so viel al« möglich zu erwidern, ich weiß indessen nicht, od man da- Schwenken unserer Hüte noch lange aus der Erdoberfläche bemerkt hat; der Ruf un- ferer Stimmen ist jedenfalls sehr bald nicht mrde gehört worden. Außer der Beobachtung de- Publicum- unter uns, da« wie ein dichter Bienen- oder Ameisen gefaßten segen-reichen Erfolg haben sollen. Eine schwärm auSsah, in den auf einmal eine heftige paffend« Gelegenheit, sich dem Liebe-Werke för derlich und nützlich zu zeigen, wird aber jetzt durch di« vom Verein beabsichtigte Lotterie ge boten, über deren üu-führung da- Nähere an der im heutigen Blatte befindlichen Anzeige zu ersehen ist. — Wk verfehlen nicht, auf dicsc- Unternehmeu ganr besonder- aufmerksam zu machen und dasselbe nach allen Richtungen hin aus de- Wärmste zu empfehlen. Eine Lustballonsahrt. * Leipzig, 20. Oktober. Am gestrigen Sonn- lccg hat unsere Stadt wieder da- anregende und imposante Schauspiel einer Luftballon fahrt in großem Maßstabe gehabt. E» hatte am Morgen und noch während der späteren vor Mittagsstun den den Anschein al» ob diese- Mal da- Wetter dem Unternchm n einen Strich durch die Rech nung machen würde, denn graue, dicke Wolken verdüsterten den Horizont, und ein seiner Sprüh regen fiel mit bedenklicher Hartnäckigkeit zur Erde hernieder. Indessen da- alte Wetterglück von Leipzig bewährte sich abermal- und e» behielten Diejenigen Recht, welche Bormittag- 11 Uhr, dem äußersten Zeitpuact, wo mit den vorderer- 1 nagen zur Aufsteigung begonnen werden mußte, mit dem Wtrlh im Pfaffendorfer Hose, Herrn Pinkert, und dem Lustschiffer Herrn Sivel sich entschieden: „Frisch drauf lo»!" Für Herrn Pin kert iu-brsondere, auf dem die materielle Verant wortlichkeit de» Unternehmen» lastete, war die» gewiß kein leichter Entschluß. Die Füllung de- Riescnballon- „Koloß" wurde aus der Wiese de» Pfaffendorfer Hose- bewerk stelligt. Seine außerordentliche Größe gestattete nicht, daß jene Operation wieder, wie e- im vorigen Jahre geschehen, dicht neben der Gasan stalt vollzogen werden konnte; der Trau-port von dort »ach dem Festplatze würde ein zu schwieriger aewesen fein. Bald nach 11 Uhr waren die Leitung-rohre gelegt und die gewaltige Ga-mage. welcde in ihrer Totalität etwa 120, "00 Cubikfuß betrug, begann in den Ballon einzuströmen. Nach etwa zwei Stunden erhob sich die Hülle bereit- zu solcher Au«dehnung, daß die riesigen Dimensionen de- Ballon- klar er kenntlich wurden; von jetzt ab ging die Füllung ziemlich rasch, immer mächtiger blähte sich der Riefe auf, so daß er genau zur festgesetzten Stunde zu seiner Reise bereit stand. Inzwischen hatte sich da» Publicum in großer Zahl einge funden, und ich glaube nicht zu irren, wenn ich die auf der abgegrenzten Wiese de- Pfaffendorfer Hofe» allein anwesenden Zuschauer aus mehrere Taufende berechne. Um 3 Uhr, eine halbe Stunde vor der Ab- fahrt, gab Herr Sivel, welcher mit der Ruhe und Sicherheit eine» erprobten Fachmannes da» Klcinste selbst ordnete, Befehl, die Gondel an den Ballon zu hängen; die Gondel besteht au- einem stattlichen Korbe von festem Weidengeflecbt, in welche» die nach der Ballonhülle laufenden starken Leinen eingesügt find, und sie macht auf den Beschauer einen vurchau» soliden Eindruck. Diesen Eindruck bringt überhaupt jede Einzelheit de» Riesenfahrzeuge- hervor, und ich glaube e» al» bestimmte Behauptung au-sprechen zu dürfen, daß demselben nach menschlicher Berechnung ein Unfall nicht zustoßen kann. Erst ganz kurz vor der Abfahrt wurde authen tisch bekannt, wer und w!e viel Paffagiere sich Bewegung gerathen, war meine Beobachtung m den nächsten Minuten nach der Aufsteigung den vier Mitreisenden gewidmet, welche zum ersten Male an einer Lnftreife Theil nahmen. Ich wollte weitere- Material zur Widerlegung der im Publicum stark verbreiteten Ansicht sammeln, daß man bei der Aufsteigung im Luftballon von Schwindel oder sonstiger Uebelkeit befallen werden könne, und e» ist mk Da- auch vollständig ge langen. Alle vier Personen, darunter der über 60 Jahre alte Herr au- Alteubnrg, zeigten nicht im Geringsten, daß sie unruhig oder ängstlich wurden, un» sie gaben sich mit großer Lebhaftig keit, die aber lediglich au- freudigen Empfin dungen hervorging, der Betrachtung de- wunder vollen Panorama hin Ich habe bereit» im vorigen Jahre Gelegen heit gehabt, den herrlichen Anblick zu schildern, den unsere Stadt Leipzig mit ihrer wälderreichen Umgebung, dem Roscntyal, den Borstadtdörfcrn und dem in fast zahllose Wasserarme gegliederten Flutznetze hoch oben au» der Lust darbietet Ich habe damals bemerkt, daß die Fever diesen An blick in seiner bezaubernden Schönheit vollständig nicht zu schildern vermag, und ich verzichte auch heute darauf, diese Ausgabe zu löse«. Ich kann nur sagen, daß Alles vor Nuem liegt wie eine Zaubererscheinung. Die Straßen «ud Plätze, die Häuser rücken zusammen, daß man fie gleich nird- lrchem Spielzeug mit der Hand erfassen möchte. Der Anblick der Stadt und de- Roseulhale« wurde gestern namentlich dadurch noch gehoben, daß sich von West au- die goldenen Sonnen- strahlen darüber verbreiteten, während von Ost und Süd dunkle Wolkenmaffen ihren Reflex äußerten. Während wir in den ersten Minuten langsam gestiegen waren, begann von 3 Uhr 4L Minuten die Lufwärt-bcwegung eine raschere zu werden. Die Luftregion, in der wir un- befanden, war ganz ruhig, wir merkten unsere Fortbewegung thatsächlich nur an den Instrumenten und den immer kleiner werdenden Umrissen der Erdfläche. Wir bemerkten deutlich, daß, al- der Ballon Über die Stadt hinweg gesegelt war, wobei wir tu»- gesammt einzelne größere Gebäude noch zu fixiren vermochten, wir dann die Richtung auf Stötteritz und Liebertwolkwitz einschlugen, welche Orte eine, der Paffagiere mit Hülfe de- Fernrohre» deutlich zu erkennen erklärte. Ein außerordentlicher Bortheil der gestrigen Luftreise, den meine vorjährige Aufsteigung mcht bot, bestand in der über alle Borstellung ge- wattigen Erscheinung der Wolkenfchichten, al- wir diese paffirt hatten Die Wolken lagerten sich in dem ganzen fernen Umkreise von Rordost bis Svdwcst gleich einem ungeheuren Ei-- und Schneemeer, da- den Zuschauer in der That in den Glauben versetzte, er sei in den Hochalpen Und um dieser Erscheinung vollend- den Eindruck der Wirklichkeit zu geben, ragten einzelne Wolken gleich hohen Gipfeln hervor, welche von der ganz rctn strahlenden Sonne röthlich be leuchtet wurden. Wir haben Alle mit freudigem Auge lange Zeit auf diese- großartige Natur- schauspiel h,»geschaut. Die Widerspiegelung de« Ballon- in den Wolken scheint, wenn solche am Horizont vorhanden sind, nicht selten zu sein, denn wir haben sie gestern drei Mal beobachten können. Der Ballon gegenüber, der sich, so lange er sichtbar war, mit sortbrwegte, erschien wie ein neckender Kobold, jeder Annäherung sorgfältig
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