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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 18.08.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19000818024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1900081802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19000818
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1900081802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1900
- Monat1900-08
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Freitag-Abendausgabe für Dresden und Umgebung. LerugrgedM: Kierteliiibrll» , M. eo M,. dm» di- Volt » Mi. 7S Pig. Li« .Dresdner Nachrichten" ericheinen lialtch warm»«! die Beeieher in Dresden und der nächsten Umaebmi». wo die Lutraanna durch eigene Boten oder rvmmM-mär- ertolgt. erhalt« da» Blatt an Wochentagen, di« nicht auf Sonn- oder kfeiertage folgen, io »wet TheilauSgaden «den»» und Morgen» jugeftellt, 8ür Rückgabe eingesandter Schrtlt- ickcke leine Verbindlichkeit. Serntvrechanfchlub: »ort I »r. tl n. Lr. ,0SS. Lelegramm-Sdretl«: »nchrichtnn »r,«d,n. Kmeigen. Lack. Die rlnualn»- von «nSnbi«»« ertolgt io der LauvtaeschaftSftelle und den Nedenannabmestell« in Dresden bi« Nachmittag« sUNr Emm- und iia-rtag» nur Martenftnche » von N bis '/U llbr Die l ivaltige <8omd- ' geile ica. « Silbe«) tb Pfg., Ln- " kuudiauugcn aus derPrivaticite Keile S> Pia.: die sivaltiae Leile oü> .Eingesandt" oder auf reynein- « M,. > tag« I- de». 2 ivaltige Grunddeilen so. « be». « und so Big. oach besonderem Dank. Belegblätter werden mit lo Ug berechnet. -^6/^, ^ </s,^s/r/^s/r Luvst /risokisr kermanoirts ^v88lvIIvllK von >Vnknnn^8-KinriektrmKvii. 2 Vee8äsn, Viotoi-iLZle. 20. 8p62i3,1ität: Uov«e«-Mbvl. Julius Lödlvr L Vo Nr. 226. MB: Peking entsetzt. Neueste Trahtberichte. Hoffmchrichtcn. Gedenktag Verleger-Versammlung. .Stumme van Portici". an Vionville. Wilder Mann—Moritzbucg, Schwerhörige Kinder. Sonnabend, 18. Anglist 1906. mit der peinlichsten Gewissenhaftigkeit auch jeder Schein vermieden wird, als könnte Deutschland eigensüchtige chauvinistische Pläne gegenüber China verfolgen, durch die ein lavales Zusammenwirken mit Frankreich und Russland erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht würde. Einstweilen muh mm die Bestätigung der Nachricht über den Entsatz von Peking mit näheren Einzelheiten abgcwartet werden. Tann wird die civilisirte Welt den tapferen Schaaren, die den hartbedrängten Fremden in Peking so rasche Hilfe gebracht haben, begeistert zujubeln und in dem vollberech tigten Triumphgefühl über einen so glücklichen glänzenden Ausgang des ersten Stadiums des Krieges für einen Augenblick die schweren Zukunftssorgen vergessen. Des Weiteren wird über die Lage in China gemeldet: Paris. Eine Note der „Agencc Havas" besagt: I» Beantwortung einer erneute» Mitthcilung Lr-Hung-Tschang's er klärte der Minister des Aeusiern Delcassö. die Entschließungen der Negierung könnlen erst abgeändert werden, wenn die Befreiung der Gesandten vollendete Thatsache wäre. London. Tie britischen Transportschiffe, die nach dem Norden nbgcgangc» waren, wurden von einem Torpedozerstörer zurückgerusen und sind nach Wniung zurückgetclirt. — Ein chine sisches Blatt in Kanton berichtet, daß der Tartarengeneral in Gemäßheit des Beschls cincs kaiserlichen Edikts in Kanton von Haus zu Haus eine Untersuchung vornehnien und in allen.Häusern, in welche» eingeborene Christen wohnen, eine Tafel befestigen ließ, auf welcher davor gewarnt wird, sich mit diesen einzulaffen. Diese Maßregel macht die Christen thalsächlich vogelfrei. — Ein chinesischer Flüchtling aus Peking berichtet, die Bcamtenkörver- schnftcn seien anscinandcrgctricden worden und ihre Siegel in Ver wahrung des Großen Nathes. Es hat gegenwärtig nicht den An schein, als ob in Peking eine Regierung vorhanden sei. Die reaktionären Elemente seien damit beschäftigt, ihr btntdürstiges Gelüste wider Alle, die als Freunde des Auslandes verdächtig seien, zu stillen. Li-Hung-Tschang habe die Unmöglichkeit seiner Stellung cingeichcii und sich in einer Dentichrist niit der Bitte an den Thron gewandt, man möge einen hervorragenden Staats mann von HMm Rang dazu bestimmen, ihn in seinen Verhand lungen zn unterstützen. London. Die Abendblätter veröffentlichen folgende Tele gramme: Shanghai. 17. August 10 Uhr 15 Minuten Morgens. Hiesige Mandarine erhielten die Nachricht, daß die Knnerin-Wittwe, Prinz Tuan und der kaiserliche Hofstaat mit dem Hnnpttheil de-S Heeres und den Boxen, am 7. August Peking verlassen und sich nach Hsianfu begeben haben. Tie verbündeten Truppen begannen ihre Operationen gegen die Mauern von Peking am 15. August. Sie erwarteten keinen längeren Widerstand. Shanghai. 17. August, 11 Uhr 10 Min. Vonnittags. Die Verbündeten Truppen trafen am 15. August in Peking ein. Man glaubt, daß die Truppen Puanlchikais nach der Provinz Scheust gegangen sind, uni die auf der Flucht befindliche Kaiserin zu schützen. Aernschreib- und Fernsprech-Bcrich te vom 17. August. W ilh elms b öl> e. Der Kaiser hörte heute Vormittag den Bortrag des Chefs des Militärkabinets Generals der Infanterie v. Hahnkc. Fcldmarichall Graf Waldersce und Gräfin Waldersee werden heute Abend cintresscn und im König!. Schlosse Wohnung nehmen. Berlin. Gcneralseldmarschall Graf Waldersce ist heute Mittag tz'V'> Uhr nach Kassel abacreist. Frankfurt a. M. Im Laufe des gestrigen Tages sind der König und der Kronprinz von Griechenland, der Kronprinz von Dänemark und der Prinz von WatcS nebst Tochter Victoria hier cingetrvffcn. Bcuthcn. (Obcuchl.) In Radzionkan brach, angeblich durch Funken eines vorüberfahrenden Eiscnbahnzngcs, Feuer aus. durch welches 85 Häuser und Nebengebäude in Asche gelegt wur den. Sämmtliche Feuerwehren der Umgegend waren in Thätigkeit. Oppeln. Amtlich wird gemeldet: Der Luxuszug Nr. 14 wurde an, 15 August bei der Einfahrt in den Bahnhof Kcmdrziu von einer über das Merkzeichen einer Weiche hinansgehenden Rangirmaschiiic leicht gestreift. Der Materialschaden ist unbedeutend. Personen sind nicht verletzt. Der Verkehr ist nicht gestört worden. Wien. Heute Mittag fand im reich geschmückten Sitzunas iaale des Rathhanics anläßlich des morgigen 70. Geburtstages des Kaisers eine Festsitzung des Gemeinderathes statt, in der der Bürgermeister die Festrede hielt, die mit einem von den Ber sammelten begeistert aufgenommenen dreifachen Hock auf den Kaiser schloß. Die Anwesenden sangen stehend die Volkshpnme, worauf die Sitzung geschlossen wurde. Hierauf erfolgte die Enthüllung der Gedenktafel zur Erinnerung an das Regieruagsjubiläum des Kaisers im Jahre 1898. Wien. Tic Amnestie anläßlich des 70- Geburtstages des KafferS wird sich in Oesterreich auf 56 Verk»«cher, erstrecken, und zwar werden 87 Männer und 19 Weiber begnadigt. Unter de» letzteren befinden sich 16, die wegen Kindesmowes verurtheilt worden waren. Wien. TaS „Vaterland" stellt, gestützt aus Informationen, die ihm ans Rom zngekommen sind. Zeitungsmeldnngen gegenüber fest, daß der Pavst sin den König Humbert keine Messe gelesen hat. Paris. Das ..Echo de Paris" meldet halbamtlich, der Besuch des Kaisers von Rußland sei auf den 15. oder 17. September fest gesetzt. Ter Kaffer werde allein kommen Der „Siecke" bestätigt den Besuch, glaubt aber, der Kaiser werde Anfang September m Paris eintrefsen. Nom. Ta die Arbeiter auf den Reisfeldern bei Molioella in der Provinz Bologna in den Ausstand getreten find, wurden 300 Soldaten zum Enal, der Arbeiter dorthin entsandt. Wie es heißt, werden weitere 2)00 Soldaten bereit geholten. «beutuLS dorthin ubzugehen. Lond o n. Eurer Meldung zufolge, die angeblich ln» dem Konsul von Transvaal in Lourenyo Margues stammt, soll Präsi dent Steijn. während er den Präsidenten Krüger anfzssilchen bemüht war. unterwegs gestorben sein. New-Bork. Bis heute Mittag waren von dem neuen deutsch cimerrkanischen Kabel 321 Seemeilen ausgelegt. Das Wetter ist schön bei glatter ruhiger See. Oertliches und Sächsisches. Dresden. 17. August- —* Se. Majestät der K vnig unternahm gestern gegen Abend von Pillnitz auS eine Pürichfahrt in's Königliche Forstrevier Helsenberg und erlegte daselbst einen starken Rehbock. — Heute Vormittag cmvfing Se. Majestät den Staatsmiuister Dr. v. Sepdcwitz im Schlosse zu Pillnitz zum Vorträge. — Morgen. Sonnabend. Abend gedenkt der Könrg den Festkommers des 1. Sächsischen Grenadiertages in der Turnhalle an der Pernwier- straße zu besuchen. —* Herr Postdirektor Rcichardt in Chemnitz feierte heute sein 50jähriges Dienstjubrläum. Der Jubilar weilt zur Zeit in Tharandt zur Erholung. —* Tic Sozialdemokraten in Leipzig beschlossen mit 183 gegen 80 Stimmen Festhalten an denr Beschlüsse, sich unter der Geltung des Treiklnstcnspstcms an den Landtagswahlen nicht zu betheiliaen. Der Reichstagsabgcordnetc Geher vertrat den ent gegengesetzten Standpunkt. —* Gestern war der Gedenktag der Schlacht bei Bion- ville. Ai» l6. August 1870 wurde dort die erste große Ent scheidungsschlacht unter sehr großen Verlusten geschlagen. Die noch lebenden Mitkämpfer können mit Stolz auf diesen Tag zurück blicken, sind sie cs doch durch ihre an dieiem Tage bewiesene Aus dauer und Tapferkeit gewesen, die den ersten Grimdstein zum Deutschen Reiche mit eingefügt haben. Von den großen Verlusten der deutschen Armee im Feldzüge 1870'71 sprechen folgende Zahlen. Die größten Opfer hatte das Ostpreußische Infanterie-Regiment Nr. 41 mit 1691 Man», eS folgt das 8. Westfälische Infanterie Regiment Dir. 16 mit >691 Mann. Dieses Regiment, das am 16. August im Verein mit den 56ern die Divisionen Eissen »nd Grenicr angriff, wurde fast zertrümmert und nur durch die hclden- mülhige Attacke der ersten Garde-Dragoner vor vollständiger Ver nichtung bewahrt. Es verlor an Tvdten allein 27 Offiziere und 526 Mann. ES folgen: Regiment Nr. 52 mit 1655 Mann. Regi- Pekiug entsetzt! Wolff's Bureau meldet ans Shanghai vom 16. August: Von chinesischer Seite wird aus Tsinanfu aus anscheinend glaub würdiger Quelle gemeldet: Die verbündeten Truppen entsetzten nach ihrem Einzuge in Peking die Gesandtschaften. Die Kaiserin-Wittwe ist aus Peking ver schwunden: über das Verbleiben des Kaisers ist nichts bekannt. Falls diese Meldung den Thatsachen entspricht, verändert sich mit einem Schlage das politisch-militärische Bild in China wesentlich; ob diese Veränderung aber nothwendig zu einem baldigen Friedensschlüsse beitragen wird oder ob nicht vielleicht die Hauptschwicrigkeiten erst jetzt beginnen, ist eine offene Frage. Zunächst wird alle Welt darüber einig sein, daß die verbündeten Truppen mit dem so rasch dnrchgeführtcu Entsätze Pekings eine militärische Leistung ersten Ranges vollbracht haben. Die Stücke der internationalen Strcitkräfte, die gegen Peking vorgedrungen sind, dürfte aus 18—20.000 Man» mit 60 bis 70 Feldgeschützen zu beziffern sein. Im Ganzen standen in der zweiten Augustwoche im Peihothale nach Abrechnung von Verlusten und sonstigen Abgängen ungefähr 30.000 Mann niit 114 Geschützen zvr Verfügung; hiervon mußten jedoch mindestens 10—12,000 Mann nebst einer entsprechenden Anzahl von Geschützen in Tientsin und Taku, sowie aus der Etappenstraße nach Peking zurückgelaffen weiden, um die Opcrationsbasis Tientsin für alle Fälle sicher zu stellen. Was will diese im Verhältniß doch immer nur geringfügige Streitmacht gegen die unendliche numerische Ilcberlegenheit der Chinesen besagen? Wenn trotzdem die Haupt stadt des himmlischen Reiches von einer so kleinen Streitmacht durch einen bloßen Handstreich genommen werden konnte (imincr die Zuverlässigkeit der Meldung vorausgesetzt), so beweist das die Kraft der moralischen Wirkung, die das geschlossene Vorgehen der Mächte aus die Chinesen ausgcübt hat. Wird die bisher zur Schau getragene Einigkeit der Mächte fort- dauern 7 Davon hängt die Weitcrcntwickelung der gesammte» Lage in Ostasien in erster Linie ab. Zum Unglück hat cS den Anschein, als ob England und Amerika mit jedem Tage mehr gewillt seien, eine egoistische Sonderpolitik auf Kosten der übrigen Mächte zu lrcibcn. Was in den letzten Tagen über die zweideutige Haltung dieser beiden Mächte dnrchgesickert ist, kann nur die schwersten Be denken zeitigen und gicbt Anlaß zur Beunruhigung weiter Kreise über die Gestaltung der nächsten Zukunft. Um so nöthiger ist aber die Vereinigung einer achtunggebietenden deutschen Streit macht an Ort und Stelle, um die Verurthcilung Deutschlands zur Rolle des Aschenbrödels im Rathe der Mächte zn verhindern. Sollte auch Graf Waldersce zu einen, aktiven militärischen Ein greifen keine Gelegenheit mehr finden, so ist es doch von außer ordentlicher Wichtigkeit für die gelammten deutschen Interessen in Ostasicn, daß sich dort ein deutscher Feldherr bcsindct, der mili tärisches und diplomatisches Geschick vereinigt und als solcher hin längliche Gewähr dafür bietet, daß die richtigen Wege i» Ost- asien deutscherseits nicht verlassen werden. Jedenfalls ist die größte Mäßigung und Besonnenheit auf Seiten des deutschen Oberstkommandircndcn sowohl wie der deutschen Diplo matie das oberste Erfordernis, der gegenwärtigen Lage, die augenscheinlich voller Unsicherheit und Gefahren ist, die für Deutschland unbedingt die Befolgung des Grundsatzes erfordern: „Snavitsr in moclv. tortiter in io". „Energisch in der Sache, aber milde in der Form". Dabei gilt es vor Allem, daß Kunst «nd Wissenschaft. Im König!. Hosovernhausc ging gestern Anbcr's „Stumme von Portici" in der gewohnten guten Dar stellung : Herr Anthes—Masauiello, Herr Ncbuichka—Pietro, Herr Gießen—Alfons, Frl. Grinialdi—Fenella in Scene. Die Nolle der Elvira war dagegen aushilfsweise von einem Gast, Frl. Rita Newmann vom Lübecker Stadttheater, vertreten. Die ffuigc Dame gab sich mit der wenig dankbaren Partie viel Mühe »nd bot sicht lich ihr Bestes, das indes; zu einer bemerlensiverthen Leistung nicht ausreichte. Jedenfalls hat Frl. Newmann nichts verdorben und das ist. wenn die Umstände eines solchen PerleacnheitS-Gast- wieles in Betracht gezogen werden, auch ein Verdienst. Hätte Frl. Newmann die unglückliche Prinzessin weniger phlegmatisch dargestellt und die Reinheit der Tongebung bester gewahrt, so wäre vielleicht auch der Erfolg ein stärkerer geworden. So aber mußte der Gast sich niit einer sogenannten freundlichen Ausnahme begnügen. 4* Unter den Neucinstudirnnaen des König l. Hosschau- spieIs. die für die kommende Saison geplant sind, befindet sich erfreulicher Weise auch Otto Lndwlg's „E rbsör sl c r". Das ergreifende Drama, das neben des Dichters „Maccnbäcrn" zu den besten dramatischen Arbeiten Otto Ludwig's gehört, war früher Repertoirstück unserer Hofbühne und ist erst seit Porth's Rücktritt in Dresden nicht inehr gegeben worden. i* Ans Anlaß des 50,ädrigen Doktorjubiläums des Herrn Dr. Phil. Heinrich Eduard BrockhauS wurde dem Jubilar von der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig gestern in verbind lichster Weise das Iubeldiplom übermittelt. Ferner sandte der Rath dem Jubilar ein Schreiben, in dem die Glückwünsche zmn goldenen Doktoriubiläum zum Ausdruck gebracht worden sind. Schwerhörige Kinder. Von K. Brauckmann (Direktor der Lehr- und Erziehungsanstalt für Schwerhörige und Ertaubte zu W.-Jena i. Thür.) In neuerer Zeit sind von Ohrenärzten mehrfach Gehör- prüfungen der Schulkinder vorgenoinmen worden. Dabei hat sich «geben, daß bis 25 Prozent derselben nicht normal höre». In den Berichten der betreffenden Aerzte wird u. Sk. hcrvor- gehoben. daß in sehr vielen Fällen weder die Kinder selbst, noch deren Eltern und Lehrer um die vorhandene Schwerhörigkeit wußten. Im Jahre 1893 schied man in Plauen i. V. aus den dortigen Volksschule» 88 Kinder aus, um sic den Hilssklassen für Schwachsinnige zuzilfuhren. Nach ärztlichem Befunde befanden sich unter diesen Kindern 9 schwerhörige. In derselben Stadt schied man 1894 zu dem gleichen Zweck A) andere Kinder aus. Der Arzt fand unter diesen wieder 9 Schwerhörige. Seitens der Schule waren diese Kinder als ,,ungenügend bildungsfähig", „geistig minderwccthig", „gedächtnißschwach". „blöde", „verzögert in der Entwickelung" bezeichnet, — keines, soweit das aus dem mir vorliegenden Bericht ersichtlich, als schwerhörig. Der be treffende Arzt betitelt seine» sonst sehr ausgezeichneten Bericht: Ergebnisse ärztlicher Untersuchung schwachsinniger Kinder. In jüngster Zeit halten die Ohrenärzte mehr und mehr ihren Einzug auch in die Taubstuin inenanstaiten. Dabei finden sich unter den sogenannten Taubstummen neben einzelnen Kindern, die ganze Sätze durch s Ohr wahrnehmen, ca. 20 Prozent mit Worl- gchör und außer diesen noch 10 bis 11 Prozent mit Vvkalgehvr. Im Jahre 1894 erössnete Schreiber dieses eine Lehr- und Erziehungsanstalt für schwerhörige und tanbgewordenc Knaben und Mädchen. Es wurden ibm in den ersten Jahren 18—20jährige, nachher 8—18jährige Kinder zugefüürt. Die verschiedenartigsten Bildnngsversuche waren mit dielen Kindern gemacht: sic hatten jahrelang die Volksschule oder Schulen für geistig Zurückgebliebene besucht, hatten Hauslehrer gehabt oder in ausgedehntem Maße Privatunterricht genossen, waren privatim von Taubstummenlehrern oder mit größter Aufopferung von ihren Angehörigen unterrichtet und — keines dieser Kinder konnte hinsichtlich des Svrachverständ- ntsses und der Sprachfertigkeit mit einem normal veranlagten 6jährigen vollhörigcn Kinde konkurriren: nur in einzelnen Fällen beherrschte» sie in ihrem Wissen und Können die Stoffe der beiden ersten Schuljahre. Hier sei gleich bemerkt, daß diese Kinder sich alS geistig, normal, zum Tlieil als gut und sehr gut befähigt er wiesen. Noch kein Zögling wurde mir zngesührt. der in seiner Entwickelung den Stand eingenommen hätte, den er trotz Schwer hörigkeit hätte einnchmcn können. AuS diesen und zahlreichen anderen Thatsachen ergiebt sich, daß schwerhörige Kinder trotz normaler, selbst guter und sehr guter geistiger Veranlagung bis bcctte in Deutschland, dem Lande der Schulen (in anderen Ländern steht eS nicht bester), sprachlich und geistig verkümmern, gleichviel ob sie Kinder armer oder bemittelter Eltern sind. Es ergiebt sich weiter, daß diese Kinder unter Verkennung nnd falscher Behand lung, unter verkehrten Methoden sehr zu leiden haben und so schließlich auch an ihrer Charakter-Entwickelung Schaden nehmen, daß ihnen die goldenen Jahre der Jugend, die Jahre der Ent wickelung. auf unverantwortliche Weise verdorben und sic znm Thcil inn ihr ganzes Lcbensglück betrogen werden. Daß in minder gebildeten Kreisen 'chwerhöng ziemlich gleichbedeutend mir dumm ist. mag sich leicht erklären, daß aber von Seiten der Aerzte und Lehrer solche Kinder nicht selten als schwachsinnig und blödsinnig bezeichnet werden, mag mehr auffallcn. ist mir aber gleichwohl er klärlich aus Thatsachen, die hier außer Erörterung bleiben mögen. Wer die Lage des schwerhörigen Kindes verstehen will, der muß sich klar werden 1. über die verschiedenartige), Defekte, welche das Gehörorgan treffe» können. 2. über das Verhalten des defekten Gehörorgans gegenüber der akustischen Welt, 8. über die Bedeut ung des GebörsinncS für die geistige und sprachliche Entwickelung. 1. überliste Bedeutung der Faktoren geistiger Entwickelung, welche durch Schädigungen des Gehörorgans in ihrer Wirksamkeit zum Theil oder völlig, lahm gelegt weroen. Es ist dies in besonders hervorragendem Maße die Sprache.*) Wie man weiß, setzt sich die akustische Erscheimmgswelt zusammen aus starken und schwachen, hohen nnd tiefen, langen und kurzen Schällen, deren jeder eine eigene Klangfarbe hat. Die Klangfarbe ist bedingt durch die ver schiedenen mitschwingevden Obcrtöne. Je nach der Schädigung nun. die ein Gehörorgan erlitten, zeigt es ein verschiedenes Ver halten gegenüber der tönenden Welt. Zunächst denkt man bei der Schwerhörigkeit nur an eine gmduclle Herabsetzung des Hörvermögens, derzufolge es nur ein« Verstärkung «eines Inten sitätSzuwachses) der Schälle bedürfte, um diese dem kranken Gehör organ wahrnehmbar zu machen. Es treten aber die verschieden artigsten Erscheinungen auf. So habe ich einen Schüler, der nur diejenigen Töne vernimmt, welche vom dreigcstrichcncn o an auf- ') Eine ausführliche Erörterung dieser einschlägigen Fragen giebt meine Sch,ist: Die im kindlichen Aller auftrclende Schwerhörigkeit und ihre pädagogische Würdigung. Nebst einem Anhang: Das rrtcmdtc Kind. Leipzig lSS«.
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