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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187810115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18781011
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18781011
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-10
- Tag1878-10-11
- Monat1878-10
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1878
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Grfthrlrtt tSgllch früh «»/. Uhr. >«ö»k-O> m» Tv«svt»> JcharurtSgaff« 5L. -M-ch-WSe» Ser Le-attt»« Borüttttag- 10—N Uhr. Nachmittag- 4—- Uhr. der für die nächst- Nnmmrr besttnnntrn RN «ochentageu ttS <n Soua- Mrde, /Matt, stk I»L L«ah»e: Ott» »Km«. Lttvnfitätsstr. rr. ««chr 18.P. MpMerLagMM Anzeiger. OMN für Politik, Lvlalgeschichtt, Handels Md Grschjstsvrrkchr. rv»«»k»n,tmttt, viertelt. 4»/-M.. wcl. Vnooerlohu b DL. durch die Post bqegeu « DL Jede einzelne Stummer r» Pt. Belegeremplar 10 W. Gebühre» für Extrabeijageo ohne Pestbesörderung L« M. mit Popdefürdcrung 4L Ml )»ser«1r ügesp. Petitzeü« Lu Pk. »r-ßerr Schriften lmtt rmserou prrlsoerzeichrckß —TabetlarftSer Sah »ach höhere» Tarft Uikt«ae» mUer de» tk»attt««-rü» di« «pattzeile 40 Pf. Inserate find stet- an d. ErprdtN«, »u senden. — Rabatt »trd mchc gegeben Zahlung pr»«>vllm«r»aäi oder durck 284. Freitag den 11. Oktober 1878. 72. Jahrgang Die zweite Lesung -es Socialisteu- Gesrhrs. * vrrttn, 8. Oktober. In dem Augenblicke, wo wir diesen Bericht niederschreiben, stehen wir noch »nter dem unmittelbaren Eindruck der großen Rede schlacht, welche sich heute in den Stunden von 1t Uhr bis nahe k Uhr Nachmittag- im SiüungS- saale de- deutschen Reich-tageS abspielte. ES scheint, daß, je näher die Entscheidung über die große, gegen wärtig die Ratton beweaende Frage rückt, die Leiden schaften mehr und mehr heftig werden und Diejenigen, deren böse- Gewissen ihnen saat. daß sie möglicher weise oder auch gewiß die Schwere des in Frage Sch grundttcv ehre« GM«» und Hasses gegen stehende und kommende Rechtsordnung der Dinge m Deutschland entledigen wollen. Welche bös artigen und gemeingefährlichen Elemente wir in Deutschland unter den Asftlinten der Socialdemokratte haben, da- hat die heutige Reichstag-Verhandlung klar und deutlich gezeigt. DaS süddeutsche Demo kratenthum und die welfischen Particula- risten schickten ihre vornehmsten Streiter m den Kamps und zeigten sich in ihrer wahren, ungeschmink ten Gestalt; wir wollen hoffen, daß die cynlsche Rück sichtslosigkeit, mit welcher die Redner dieser beiden Parteien ihre Gesinnungen zur Schau trugen, doch seine guten Folgen haben wird. Der EntwickelungS- gang, den Deutschland seit Jahrhunderten genommen, er hat eS eben mit sich gebracht, daß hier und da ein Boden entstanden, auS dem häßliche Giftpilze hervor sprießen, und wir werden eS erst nach und nach er reichen, daß die deutsche Erde von solchen Erschei nungen fr«» wird. Aber eS kann jedenfalls nicht schaden, wenn die reichsfeindlichen Parteien offen und frei mit der Sprache Herausplatzen. Der Andrang zu der Sitzung deS Reichstage- war, wie Ihnen schon der Telegraph gemeldet haben wird, ei« unaeheurer. Vor dem ReichStagSgebäude sam melten sich schon von 9 Uhr ab große Menschenmaffen, so daß die wachthabenden berittenen Schutzmann schaften alle Müh« hatten, die Circulation frei zu halten. Glücklich konnte Derjenige aenannt werden, der sich ein Eintrittöbillet zu verschaffen gewußt hatte. Der Sitzungssaal, d. h. dessen Tribünen, füllten sich von 10 Uhr ab rasch, obgleich programmmäßig erst um 11 Uhr und thatsächllch L0 Minuten nach 11 Uhr die Sitzung ihren Anfang nahm. Wie immer in der letzten Zeit stellte da- schöne Geschlecht ein starkes Eontingent der Zuhörer. Die Familien der Reich- tag-abgeordneten und der Geheim- und Minifterial räche schienen besonder- stark vertreten zu sein. DaS Hau- selbst zählte, nachdem die üblichen Glockensignale durch die verschiedenen Räume ertönt waren, fast ga, keine Lücke. Der erste Gegenstand der Tage-ordnung, die Er Neuerung der Wahl deS Präsidium- betreffend, wurde ziemlich rasch erledigt. ES war vorauSzusehen, daß da- dermalige Präsidium, um keine Zeit zu ver lieren, durch Akklamation wieder gewählt werden würde. ES ist doch in Jedermann- Erinnerung, daß die Fractwnen der Deutschconservativen und de- EentrumS bei der Präsidentenwahl zu Anfang der Session «ine sehr fühlbare Niederlage erlitten, als sie beide ihre Ansprüche auf Berücksichtigung bei der Wahl nicht durchzusetzen vermochten. Beide Fraktionen gaben heute ihrem Schmerze darüber nochmals Aus druck, indessen dabei blieb eS und eS wurde das alte Präsidium auf Antrag des ältesten Mitgliedes deS Hauses, d«S Aba. v. Bon in, in seinen Aemtern auf dre Dauer der Session bestätigt. Die Debatte über den 8. 1 deS Socia listen- gefetzr- leitete der der deutschconservativen Fraktion angehörend« badische Abgeordnete von Marschall «in, welcher in kräftiger und nicht ungeschickter Weise für die Annahme de- Gesetze- plaidirte. Es hat alle mal Etwa- für sich, wenn ein Redner über ern kräf tige- Organ verfügt, lebhaft und fließend spricht, und dieser Eigenschaften erfreut sich der genannte Ab geordnete. Auf diesen Redner folgte der wohlbekannte Vertreter der Stadt Frankfurt am Main, der wohl- frifirte und parfümirte Demokrat Sonnemann. In mehr als einstündiger Rede wetterte und donnerte der Herausgeber der „Frankfurter Zeitung" gegen da- Gesetz, von dem er wohl eure Vorahnung haben maa. daß eS sich auch über da- gedachte Preß- »rgan entladen könne, welche- sich so oft zum Ver gnügen macht, die Zustände unsere- deutschen Vater land«» in den Staub zu ziehen. Di« socialdemokra tischen Blätter werden gewiß dafür Sorge tragen, daß die Sonnemann'sche Red« ihrem Wortlaute nach bekannt wird, da ein socialdemokratischer Abgeordneter selbst die Sach« seiner Partei nicht besser hätte vertheidigen können, und wir haben nicht nöthig, »n- mit ihrem Inhalte näher zu beschäftigen, klebrigen- erhielt Herr Sonnemann bereit- in der Sitzung selbst den Dank und die Anerkennung der secralatischen Abgeordneten, indem Liebknecht und Genoffen seine Ausführungen oft mit Beifall-- und Zustimmung-rufen begleiteten uud nach der Rede auf >yn lo-eilten und ihm die Hände schüttelten. Ein schöner Bund! Bon Fürst vi-marck, der nach Sonnemann da- Dort ergriff, können wir nur sagen, daß er heute vom Ernste und der Schwere der Sach« vollkommen Abg. ^onnemann gründlich ab und machte einige Mittheilungen über besten Liebäugeln und Verbin dungen mit der französischen Demokratie. Man kann überzeugt sei«, d«ch der Reich-kanzl«r sich auf That behauptete, daß rr sich au- ihr häufig über die Anschauungen der französischen Regierungskrrise eher habe orientiren können, al- sie ihm durch die Be richte der deutschen Botschaft in Pari- übermittelt worden seien. E» ist übrigens schen längst Jeder mann klar gewesen, daß die Haltung der „Frank furter Zeitung" durch und durch antinational ist. Ueberzeugend und wahr ist, waS der Kanzler über die EntwickelungSgeschichte der Socialdemokratte in Deutschland vortrug. Einen überaus tiefen Eindruck im ganzen Hause machte sein mit er hobener Stimme vorgrtragener Appell an die reichStreuen Fraktionen, die Deutschconser vativen, die Deutsche Reich-Partei und die Nationalliberalen, daß sie sich enger an einander schließen und, nebensächliche Differenzen vergessend, dadurch dem Vaterland« einen großen Dienst erweisen möchten. Fürst BiSmarck sprach damit nur au-, waS so viele Hunderttausend« im Volke denken und wün schen. Hoffentlich werden diese Worte nicht ungehürt verhallen und namentlich nicht in einzelnen Bundes staaten, wo bisher in übelwollenden Kreisen die Nationalliberalen schlimmer angesehen wurden alS die Socialdemokraten. Wenn Fürst Bismarck seinem Wunsche Nachdruck geben will, dann wird er freilich aber auch dafür Sorge tragen müffen, daß eine solche Behandlung, wie sie z. B. bei den letzten Wahlen in der Provinz Hannover zu Gunsten der Welfen von vielen Regierungsbehörden zu Theil geworden, nicht wieder vorkommt. Er wird DaS um so leichter ver anlassen können, al- ihm heute durch die Ausführungen de- welfischen Abgeordneten Grafen Brüel, de- Ver treter- der Stadt Hannover, wieder klar geworden sein wird, web Geistes Kinder die im ehemaligen Königreich Hannover gewählten Particularisten sind. In der Rede de- Abg. Brüel kam eine Stelle vor, die dem nackten VaterlandSverrath huldigt und die jedem ehrlichen, sein Vaterland liebhabenden Deutschen die Echamiöthe auf die Stirn treiben muß. Der Ordnungsruf de- Präsidenten war nur eine ganz ge linde Eorrectur für die Schamlosigkeit deS Abgeord neten für Hannover. ElwrS hart hatte Fürst BiSmarck in seiner Rede die Fortschritt-Partei behandelt, man kann jedoch nicht sagen, daß die Behandlung eine unverdiente gewesen. Thatsächllch ist e- doch so, daß die Reich-- regierung sich m den allermeisten Fällen die Fort- schrtttter al» Feind gegenüber gestellt sieht und daß diese Partei gegenwärtig wieder mit dem Eentrum, den Polen, den Eociasiften rc. an einem Strange zieht. ES ist ja richtig, daß die Fortschritt-Partei dabei von anderen Gründen geleitet wird, aber der Effect ist derselbe. In den Reihen der Fortschrittler herrschte große Erbitterung während und nach der Rede BiSmarck's, und der Abg. Eugen Richter lief umher, bald Eonnernann anspornend, sich Nichts ge fallen zu lasten, bald Bismarck mit Zwischenbemer kungen in die Rede fallen». Der Stimmung der Fortschrittspartei gab der Ab». Hänel, dem übrigens der Reichskanzler gerecht geworden war, Ausdruck. Der Schluß der Sitzung gestaltete sich recht stürmisch. Nachdem noch der würtembergische Abgeordnete von Schmid, ein Mitglied der Deutschen Reichspartei, mit Wärme für Annahme de- Gesetze- gesprochen und dem Abg. bonnemann einige bittere, aber wobldegründete Wahrheiten gesagt hatte, begannen, nachdem ein Antrag auf Vertagung der Sitzung ein gereicht worden war, die persönlichen Bemerkungen, zu denen in der Hauptsache die ausfallenden Be merkungen deS Abg. Sonnemann Anlaß gaben. Herr Sonnemann mußte von dem Reichskanzler sowohl als namentlich auch von dem Aba- vr. Lasker, dem er ganz falsche Aeußerungen in Bezug auf die Ve rschlingen m der Commission in den Mund gelegt, dem Abg. von Kardorff und dem Abg. von Schmied, sehr energische und theilweise auch wenig höfliche Berichtigungen hinnehmen. Als der Abg. Sonnemann sich dagegen verwahren wollte, ge- rieth er unaufhörlich mit dem Präsidenten in Eonflict, der ihn belehren mußte, daß er fort während aus dem Rahmen persönlicher Be merkungen sich herausbewege. Die mit Aplomb vor- grtragenen Betheuerungen Sonnemann'-, die „Frank furter Zeitung" sei ganz unabhängig von ausländi schen bei. französischen Einflüssen, machten wenig Ein druck. Dagegen erregten seine Bemühungen, Reclame für da» genannte Blatt zu machen, indem er eS für nach allen Richtungen hin wohl informirt bezeichnet«, große Heiterkeit. Um Uhr machte sich die Ermüdung im Hause so sehr geltend, daß der Antrag auf Vertagung mit großer Mehrheit angenommen wurde. Die Fortsetzung der Debatte findet am Donner-tagvormittag 11 Uhr statt. « » » Berlin, 9. Oktober. Die hochgradige Span nung, mit »elcher der heutigen Debatte über daS Eocia liftengesetz im Reichstage entgegengesehen wurde, ist durch die äußerst lebhaft«, stellenweise sogar stürmisch« Di-cusfion noch übertroffen worden. Die Parieigegensätze platzten in so entschiedener Weise auf einander, wie wir e- in dieser Vertretung de- deutschen Volke- bisher noch nicht erlebt haben. Fürst BiSmarck bildet« selbstverständlich den Mittelpunkt en Gefecht-, wenn er von der „Frankfurter Zeitung' de» parlamentarischen vr und daß er trotz seiner »um Anfang der Debatte die Logen noch nicht hoch, obwohl der Abg. Sonnemann die schnei dendsten Angriffe gegen die Regierung und die rhr zunächst stehenden Parteien richtete. Aber später, und in-besondere bei den persönlichen Bemer kungen, erreichten die Leidenschaften eine Höhe, welch« den Hörer unwillkürlich an die Lonflict-zeit er innerten. Und doch lag da- Schwergewicht der Rede d«S Fürsten BiSmarck in jenen zwei Stellen, wo er die Bitte an die Fraktionen richtete, sich zu verstän digen und eine Coalition <d er Nationalliberalen und der beiden konservativen Parteien im Bunde mit der Regierung) zu bilden, stark genug, alle die Stürme, denen da- Reich au-gesetzt ist, erfolgreich zu bekämpfen Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Appell de- Reichskanzler- an die nationalliberale Partei ein Echo finden wird. Sagte er doch geradezu, daß der Regierung volle deS Reichstag- verschlossen sind und daß sie auf die Nationalliberalen und die beiden konservativen Parteien angewiesen ist. Allerdings erregte eS Heiterkeit, al- der Reichskanzler versichert«, daß er mit der RendStag-auflösung nur einen Aus tausch zwischen den Abgeordneten und Wählern ver mitteln wollte, damit erstere, gestärkt durch die Be rührung mit dem heimischen Boden, wiederkehren. Alnr eben in dieser Versicherung und in anderen lag der Wunsch, sich über die nächsten Ziele der ReichSregierung, einen Kompromiß betreff- der Eom- misfionsbeschlüffe, mit der ausschlaggebenden lnatio- nattiberalen) Partei zu verständigen. Daß ein solcher Compromiß im Augenblick ernstlich vorbereitet wird, geht aus allen Mittheilungen hervor. Wenn auch der Reichskanzler noch einen Druck auSüben »u müffen glaubte, indem er halb nachgiebig, halb drohend sagte: „Vertrauen Sie nicht auf eine ge rechte Ausführung deS Gesetze-, fürchten Sie mich oder die verbündeten Regierungen mehr alS die Eocialdemokraten, so würde ich mich fragen müffen, ob eS nicht Zeit sei, Jemand» m Platz zu machen, der Ihr Vertrauen in höherem Grade besitzt alS ich, oder ich müßte nach anderen Mitteln suchen." Jeden falls steht diese Auslastung mit den im Reichs tage cursirenden Mittheilungen im Zusammenhänge, daß im BuudeSrathe keine Neigung vorherrscht, auf die wichtigsten Beschlüsse der Commission einzugehen, an welchen die Nationalliberalen festzuhalten ent schlossen sind. Die Ansicht der Fraktion geht jeden falls noch dahin, daß seiten» der Regierung bi» jetzt keineswegs die Punkte bezeichnet worden sind, ohne welche sie daS Gesetz nicht auSzusühren vermöchte und deshalb dürfe man trotz der Erkläruna de- Reichs kanzler- nicht annehmen, daß eine Verständigung schwierig oder hier unmöglich sei. Der Boden rst für V, de» Reich-tageS gefunden und di« Kritik, welche heute der Reichskanzler gegv» »re Commissionsbeschlüsse zum 8. 1 richtete, hat gerade unter der Mehrheit nicht die Ueberzeuqung hervor gerufen, daß ihre Annahme zu einer Cabinettfrage oder gar zur Auflösung dcS Reichstags führen könnte. Allerdings behauptet man, daß die Majorität für die CommissionSbeschlüsse nicht über KO Mitglieder be trägt, wie der Reichskanzler mit der Divifion in sieben Tkeile annimmt. Indessen wird sie immerhin auf 95 Stimmen angeschlagen, wenn nicht etwa die heutigen aufregenden Scenen zwischen dem Reichs kanzler und dem Abgeordneten Sonnemann im Hause ein PluS oder Minus produciren werden. Ein plastische- Bild dieser Vorkommnisse gewährt schon die Lektüre des ParlamentSberichts. Di« Glocke de» Präsidenten, seine häufigen Unterbrechungen und Ordnungsrufe, die stürmischen Zurufe der Abgeord neten, die nervöse Aufgeregtheit de- Reichskanzlers, da- Alles und mehr gestaltete sich gegen den Schluß der Sitzung zu einem Vorgänge, der deshalb von einer so ergenthümlichen Wirkung war, weil nicht die Socialdemokraten an der Debatte Tyeil genommen haben. Dies steht unS noch bevor, und so mögen die Ereignisse de- heutigen Tages nur als Vorspiel des folgenden parlamentarischen Schauspiels gelten. politische Uebersicht. Leipzig, 10. Oktober. DaS gesammte politische Interesse concentrirt sich aus die Verhandlungen de» Reich-tageS, wo gegenwärtig die Waffen gegen die verderben bringende socialistische Propaganda gehämmert werden. Der Kanzler hat recht, er braucht keine „Jndianerklage" anzustimmcn, denn noch beherrschen wir diese „rothe Race". Die Bürgschaft dafür liefern die socialdemokratischen „Kraale" selbst, in in denen eine äußerst lebhafte Bewegung herrscht, gar den RI sei eS, um abzuwiegeln, oder gar Ulkrug zu nehmen. Da werden „Genossenschaft-druckernen „liquidirt", Caffen über die Landesgrenzen geschleppt, AuSwandcrungSprojecte ventilirt, Zeitungen um- getauft, um den Petroleumgeruch zu entfernen, und waS der Heldenthaten etwa mehr find. Die Ratten verlassen eben daS Schiff. Ten Anfang macht die Berliner Centralstelle für Clafsenhaß und Volk-Ver hetzung. Die Allgemeine deutsche Association»- Buchvruckereizu Berlin, in deren Verlag die frech- demagogische „Berliner Freie Presse" er scheint, geht mit der Absicht um, nach Erlaß d«S SocialistengesetzeS Alle- in Sicherheit za bringen. Ein Inserat de- letztgenannten Blatte- beruft die Mitglieder der „Genossenschaft" zu einer außer- ordentlichen Generalversammlung auf Sonntag, 3. November diese- Jahre-. Auf der Tagesord nung derselben steht nur der Antrag de- vorstandrs auf Liquidation de- Geschäft-. V»r»t leqaens! Die socialistischen Führer, jene^vom Schweiße de- Arbeiter- genährten Hetzagitatoren, haben die verschiedensten Vorkehrungen in Bezug auf da- ihre Partei bedrohende Gesetz getroffen. Die Parole soll sein, jeden Widerstand gegen die Gesetze durch Wort, Schrfft oder That schlechterdings zu vermeiden, dagegen soll die Partei innerlich am so fester geeint und organifirt werden Die i» Berlin arbeit-tv- gewordenen oder arbeit-lo- werdenden Socialisten und diejenigen, welche der Polizei al- Socialisten bekannt find — man schätzt ihre Zahl auf 15.000 — sollen Berlin verlassen und namentlich an solchen Orten, wo noch keine socialistische Agitation bestan den hat oder besteht, nöthigenfalü auch un AuS- laude (Belgien, Schweiz) Unterkunft suchen. Für jede neue socialistische Colonie soll ein „be- währter Arbeitergenoffe" al- eine Art von Ober haupt bestellt werden, welchem die Einzelnen Ge horsam zu leisten haben und der durch monatliche Berichte mit einem im Au-lande einznrichtenden Central ComitL in Verbindung bleibt. Die Haupt- thätigkeit dieser „bewährten Arbcitergenoffen" soll darin bestehen, durch Bildung von äußerlich unver fänglichen Orts- und Familienvereinen den Verband der Socialisten untereinander aufrecht zu erhalten und in Form von kleinen F auch socialistische Preßerzeugnifse zuzuführen. AuS Westfalen wird gerne ugblättern denselben det, daß die dortige» socialdemokratischen Blätter hauptsächlich die Frage mV« der Auswanderung en masss nach de» Ber einigten Staaten von Nordamerika nud nach Kleinasien, und zwar meisten- in befür wortender Weise ventiliren. Auf der „Rothen Erde" ist nian für die Auswanderung gewissermaßen begeistert und sollen die einleitenden Schritte zu deren Ausführung im vollsten Zuge sein. Viel leicht entschließt man sich dazu, jenseits der große» „Lache" den Aukunst-staat praktisch in- Leben z» rufen. Eine Berliner Corrrspondenz meldete, daß e>» feierlicher Schluß de- Reichstages durch den Kronprinzen stattfinden werde. Diese Nach richt ist — so melden die Osficivfen — falsch. Da der Kronprinz auS naheliegenden Gründen sich der feierlichen Eröffnung enthielt, wird a»ch ein feierlicher Schluß de- Reich-tageS nicht stattfiudcn. Der Erzbischof von Bamberg reiste in Be gleitung mehrerer Kleriker nach Rom. Derselbe hatte Unterredungen mit dem Nunti«- Masel la und dem bayerischen Minister Lutz. Die „Polit. Corresp." bringt au- Kou- stantinopel Mittheilungen über die Entstehung der letzten türkischen Circularnote. Na<p denselben bestätige e- sich, daß in den Kreiseu der Pforte auf die Erhaltung der guten Beziehungen zu Oesterreich nach wie vor großes Gewicht gelegt werde Der Vertreter der Pforte in Wien sei angewiesen worden, sich in diesem Sinne auS- zusprechen und sei die-, wie eine Bemerkung der Redaction der „Polit. Corresp." bestätigt, auch tbatsäcklich geschehen. Nicht- desto weniger sei e- Thatsache, daß m Konstantinopel innerhalb und außerhalb d«S PalaiS de- Sultan- eine Agitation gegen Oesterreich unterhalten «erde. Diese Agitation habe durch die politischen Vor gänge in Ungarn einen weiteren mächtigen Im- puls erkalten und sei bereit- aus dem Puncte au gelangt, sogar Eventualitäten in Ungarn in den Bereich ihrer Hoffnungen und Berechnungen zu ziehen, welche auf die Okkupation BoSnienS «m Sinne der türkischen Wünsche reagiren könnten Unter dem Emsluffe dieses JdeenkreiseS sei die Circularnote entstanden mit der notorischen Tendenz, der ungarischen Opposition eine neue Handhabe zur Agitation gegen die Okkupation zu liefern. Au- Bukarst wird gemeldet, die osficielle Be sitzergreifung von Bessarabien durch dieRussen sei auf den l3. Oktober festgesetzt. Die Engländer befinden sich den Afghanen gegenüber in in einer keine-weg- beneidenSwerthen Lage. Der „Standard" meldet auS Allah abad: In Folge dcS Erscheinen- und der drohenden Hal tung einer starken afghanischen Truppenabtheilnng in der Nähe von Iamrud ist die Besatzung uw 7 Regimenter Infanterie und 3 Batterien ver- stärkt worden. Der Commavdant, General Roß. tras Vorbereitungen, den unteren Theil de- Passe- zu forciren und AlimuSjid anzugreifeu, al- er den Befehl erhielt, weitere Verstärkungen abzu warten, damit mau auch nicht dem geringsten Echec sich auSsetze. Au- Pari» wird vom 8. Oktober gemeldet: In dem heute abgehaltenen Ministerrathe Unterzeichnete der Marschall Mac Mahon die Dekrete Über die Senatswahlen, welche am 5. Januar, und der Delegirtenwahlen, welche a» 27. Oktober stattsinden. Gleichzeitig wurde der osficielle Schluß der Weltausstellung auf den IO November festgesetzt. Der Prinz von Wale- trifft etwa am 18. d. hier ein. — Der russische Finanzminister Greigh befindet sich hier, um mit Finanzmännern wegen Emission einer neuen An leihe zu verhandeln. — River- Wilson ist auf der Durchreise hier eingetroffen. Eine definitiv« Verständigung zwischen England und Frank- reich betreff- der Arrangement-im eghptiscdcn Ministerin« ist »och nicht hergestrllt Angesicht
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