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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.10.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187810200
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18781020
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18781020
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-10
- Tag1878-10-20
- Monat1878-10
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.10.1878
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M-lioOP» ft».1-1 7« r. 8. Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Redattto« »irt LrprdtNo» JvhanniSgasie »S. »P»ch«!k>»>r» der Lrtaltto»: vormittags 10—12 Uhr. Nachmittags 4—S Uhr. Sme der für die nächst- de Nummer bestimmten rate au Wochentagen bis Nachmittags, an Sonn- > -einagen früh dis '/,d Uhr. »n> Filiale» fSr Zus. ^uuahmr: to Llcmm, Universttütsstr. 22, I»«uiS Lösche. Ikatharillcnstr 18,p. nur bis '/,3 Uhr- Witziger Ja-MM Anzeiger. Organ für Politik, Localgefchichte, Handels- nnd GeschästSvnkrhr. Metz-Auflage 15.500. At>o»armkat»prri» viettelj.a'/.Mk., iacl. Brinaerlohn L ML, durch die Post bezogen k ML Jede einzelne Nummer 25 Pf- Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen ohne Postbefvrderung ZV ML mit Postbefvrderung 4b ML Zufkratr ügesp. Petitzeile 2ü Pf. Großer« -schristen laut unserem PreiSvrrzrichniß. — Tabellarischer Latz nach höherem Tarif. Lcclamru »ater »km LrdatttouiOktch die Spaltzeile 40 Pf. Inserate sind stets an d. «lPiSttte» zu senden. - Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pr»eirum«-r»u«lo oder durch Postvorschutz. 293. Tonntag den 20. Oktober 1878. 72. Jahrgang. 8.-1tch,5 ili.U0.7Lk Oeffmtliche Sitzung der Stadwerordneten Mittwoch, a« iS. Oktober ». e. «tentz» '/.? Uhr i« «aale de, I. Bürgerschule. Tagesordnung: Gutachten deS verfaffungSauSschuffe» über den Entwurf einer neuen Geschäftsordnung für daS Collegium. Bekanntmachung. Herr Banquier «. Sehfferth hier hat zur Erinnerung daran, daß Leipzigs Bürgerschaft eS war, welche auS eigener Kraft und ohne fremde Unterstützung den ersten großen Schienenweg Deutschland- eröffnet?, der Leipzig-Dre-dener Eisenbahn ein Denkmal errichtet und der Stadt übergeben. Nachdem wir diese- an der Soetbeftraße hier aufgestellte Denkmal übernommen haben, bringen wir die- hiermit unter dem AuSdrucke unsere- herzlichsten Danke- für diesen neuen Beweis opferfreudigen Bürgerfinne- zur öffentlichen Kenntniß. Leidig, am 17. October 1878. De, «ath der «tadt Leipzig. vr. Tröndlin. Mefferschmidt. Bekanntmachung. Nachdem die in unserer Bekanntmachung vom LS. Juni d. I. al- verloren angezeigten beiden Lager scheine Nr. 10007 und 11114 nicht eingeliefert worden, haben wir heute Duplicat - Lagerscheine ausgestellt und erklären die beiden alten Lagerscheine hiermit für erloschen und unwirksam. Leipzig, den 18. October 1378. Lagerhof der «ladt Lechzig. Gether. Aufforderung. Die am 11. Mai 1849 verstorbene Frau Emilie verw. SerichtSdirector Winkler geb. Pöppig, hat in ihrem letzten Willen ein Vermächtniß von 4000 »L mit der Bestimmung gestiftet, das; die Zinsen daoon an unbemittelte «tttweu zweier hiesigen «dvocaten oder GertchtSdirectoren je fünf Jahre lang ausgezahlt werde« sollen. Die eine Hälfte der Zinsen dieser Winkler-Püppig'schen Stiftung ist auf die fünf Jahre 1879 bis mit 1883 anderweit durch den BerfafsunqSauSschuß deS Stadtverordneten-Collegium- zu vergeben ES ergeht daher an diejenigen Frauen, welche darauf Anspruch machen können und wollen, die Auf forderung, ihre Anmeldungen bis zum 15. November d. I. im Geschäftszimmer der Stadtverordneten (Katharinenftraße Nr. 29, 2. Etage) anzubringen. Die bisherigen «utznietzertnnen können keine weitere Berücksichtigung staden. Leipzig, am 9. October 1878. Der verfaffuugsausschutz der Stadtverordneten. vr. Schill. Logis-Vermiethung. Die Wohnung deS verstorbenen Herrn Professor vr. Sermann in der S. Etage des llutversitatS- Grundstücks an der Soethestraße Nr. 7, aus 5 Zimmern, «lkoven, Stiche und übrigem Zubehör bestehend wird ,um 1. April 1879 miethfrei. Diejenigen Herren Professoren her Universität, welche aus diese Wohnung zu reflectiren gesonnen, werden hiermit ersucht, sich deshalb mit dem NniversitätS-Rentamte in Vernehmung setzen zu wollen. Leipzig, am 16. October 1878. UniversitätS-Nentamt. Graf. ». 6l. ». tt M.0.I>1/Z w.v.pl/4 77 m-0.p1/1 7t I. 1. 1. k. ?. k. lv-I/7 g S w.O.pl/17« iw. 0»>!k Lpl/1 7^ Dritte Lesung -es Socialistengesehes. * Berlin. 18. October. Heute, an dem Tage, wo vor 65 Jahren nach schwerem Kampfe dem Unter drücker und Feinde Deutschlands auf den Schlacht feldern ringS um Leipzig der entscheidende Schlag beigebracht wurde, hat im Reichstage die entscheidende Wendung zum Wenigsten ihren Anfang genommen, welche nach menschlicher Voraussetzung dazu beittagen wird, daß wir von dem bösen innern Feind, der das junge deutsche Reich bedroht, befreit werden. Der fterchStag trat mit der heutigen Sitzung in die dritte und endgültige Lesung des SocialistengesetzeS ein und eS ist, wenn die Abstimmung auch erst brS zum 8. 3 gelangen konnte, die Arbeit doch um ein gute- Stück gefördert. ES konnte nicht verhindert werden, daß die Gegner deS Gesetzes auch in der dritten Lesung noch auf die Generaldebatte zurückgreifen und ihren dem Anschein nach sehr heftigen Schmerzen und Beklem mungen Ausdruck zu geben versuchen würden. Man nimmt indeffen nunmehr ganz allgemein an, daß der langen Reden End« gekommen ist und morgen die Berathung weit rascher und glatter von Eiatten gehen wird, so daß die bestimmte Hoffnung besteht, das Gesetz, mit Ablauf der Woche fettig zu stellen, und die Mitglieder deS Reichstages nicht nötbig haben werden, in der nächsten Woche noch in Berlin zu verbleiben. Der Telegraph hat die erfreuliche Botschaft längst verbreitet, daß der' Appell des Fürsten-Reichskanzler an den PatrrotiSmuS und die Mäßigung der drei großen reich-treuen Fraktionen einen günstigen Erfolg gehabt hat. Sestern haben sich die Führer der Deutsch- konservativen, der deutschen ReichSpartei und der Nativ nalliberalen die Hände gereicht und einen Pact ge schlossen, nach welchem auf der Basis gegenseitiger Nach giebigkeit nunmehr der feste Wille der Majorität deS Hause-, daS Socialistengesttz zuStandezu bringen, seinen äußeren Ausdruck gefunden hat. Kurz vor Beginn der heutigen Plenarsitzung wurden die gedruckten Lompromißvorschläge zur Vertheilung gebracht, nach denen diejenigen Paragraphen deS Gesetze- ihre ge setzliche Gestalt erhalten werden, über welche bei der zweiten Lesung eine Einigung zu erzielen nicht mög lich gewesen war. Die Sprache der klerikalen und fortschrittlichen Blätter, welche eS gern gesehen haben würden, wenn der Reichstag abermals die gegen die Ausschreitungen der Eocialdemokratie gerichtete Vor lage abgelehnt hätte, klingt beute sehr refignirt, sie geben ihre Sache verloren und Einige unter ihnen wählen schon insofern das bessere Theil. als sie gute Miene zu dem für sie bösen Spiel zu machen suchen. DaS Schlußdrama der großen parlamentarischen Schlacht hat daS im Verlaufe der so langwierigen »weiten Lesung allmälig abhanden gekommene Interesse de- Publicum- wieder aufgefrischt. Heute konnte iauf sämmtlichen Tribünen de- Hause- that- sächlich kein Apfel zur Erde und der allergrößte Thei der Zuhörer harrte bis zu dem in die sechste Nach- mittaqstunde sich hinziehenden Ende der Sitzung mit »lebhafter Spannung aus. Auch der Reichstag selbst r I yieS eine fast vollzählige Besetzung auf, und wir be- «erkten selbst den sächsischen Abgeordneten tzchaffrath, der in Rücksicht auf die schwere . ...»»Erkrankung seines EohneS anfänglich der r»-L.15br litten Lesung hatte fern bleiben wollen. Pie Debatte über 8- 1 deS Gesetze- wurde von dem ÄS ultramontanen Heißsporn bekannten Abgeordneten ». Schorlemer-Alst eröffnet, der sich in den letzten Zähren die besondere Aufgabe gesetzt zu haben schien, an dem Fürsten vi-marck sich zu reiben. Die Rede de- westfälischen Freiherrn gestaltete sich natürlich auch heute zu einer großen Culturkampftede, die eine Menge Sachen in Betrachtung zog, welche wahrlich nicht zu dem vorliegenden Beruthung-gegenstande ge hörten. Der Präsident übte jedoch die größte Conni- vrn, und man muß anerkennen, daß Freiherr von kchorlemer sich beute, im Gegensatz zu seinem Gesin- «rngSqenoffen Windthorft, in fernen Ausdrücken streng rn den Grenzen deS parlamentarischen Anstan- -de- hielt. Am schlimmsten kamen in der Rede die kr.-x.Wk > Freimaurer weg, von denen der EentrumSredner be hauptete, daß sie ein ganz ungehörige- Privilegium insofern aenöffen, alS sie trotz ihrer auf Geheim haltung verübenden Organisation doch nirgend- wm Gesetz und von der Polizei belästigt würden Ruch an dem Abgeordneten Bamberger rieb sic, Freiherr von Echoriemer, der jenen wieder in die »türm- und Drangperiode von 1848 zurücksührte v» su.»e. und irgend eine alte Scharteke au-gegraben hatte, welche beweisen sollte, daß Bamberger damals so iemlich dieselbe Gesinnung gehabt, welche heute die Socialdemokraten an den Tag legen. Wir müssen indeffen conftatiren, daß ein solcher Brauch vom Reichstage immer mehr alS ein abgenutztes Manöver angesehen wird und keinen Eindruck mehr hervor- )ttngt. Ter Abg Bamberger ließ übrigens den öieb nicht ruhig sitzen, sondern zog durch eine recht glückliche persönliche Bemerkung die Lacher auf seine Seite. Nach Schorlemer sprach der Führer )er deutschen ReichSpartei, der Abg. von Kar- )orff, welcher in einer recht sympathischen Weise die Gesichtspunkte darlegte, von denen auS erne Partei den Compromiß zum Zustandekommen >eS Gesetzes beigetreten ist und sich sodann einige recht glückliche und triftige Bemerkungen über den Infug gestattete, der mit der frivolen Bemerkung von den Oppositionsparteien getrieben wird, das Gesetz ei nur zum Scheine gegen die Eocialdemokratie ge achtet, m Wirklichkeit solle eS dazu dienen, der ge- arnmten bürgerlichen Freiheit an den Kragen zu gehen. Einige Bewegung entstand im Hause, alS der Prä- ident dem Abgeordneten Liebknecht nach dem Abgeordneten v. Kardorff daS Wort ettheilte. Dieser Häuptling der Eocialdemokratie hatte bi- jetzt, mit AuS- rahme einiger persönlichen Bemerkungen, noch nicht eine Empfindungen über die den Reich-tag beschäfti gende, ihm so nahe liegende Frage zu erkennen gegeben und eS sollte also die Mitheilung sich erfüllen, daß Herr Liebknecht seine Redekraft blS in die letzte Ent scheidungsstunde aufgespart habe. Wer nun eine recht geistreiche oder wilde, packende Rede von dem Soldaten der Revolution", wie er einst zur Zeit des HochverrathSproceffeS in Leipzig von dem Staatsan- walt, wenn wir nicht ganz irren, genannt wurde, er wartete, der hatte sich gründlich getäuscht. Der Lieb- knecht'sche Speech war ein sehr wenig fesselndes Durcheinander von socialdemokratischen Redensarten » l» Vorwärts und von monotonen, ja im höchsten Grade langweiligen Erzählungen von ,,Mordgeschich- ten", die früher einmal dem Fürsten Br-marck passirt sein sollen, die aber zum allergrößten Theile schon hinreichend bekannt waren. Hin und wie der kam einmal eine Kraftftelle vor, welche die Correctur des Präsidenten h-rau-sordette, und ohne einen Ordnungsruf verläßt ja wohl Herr Liebknecht die Rednerbühne nicht; rndefsen der Gesammteindruck seiner heutigen Rede war sehr flau und unbedeutend. Da hatten Hasselmann und Bebel da- HauS doch weit mehr interessirt. Sehr gespannt verfolgte der Reich-tag die Dar legungen deS nächsten Redners, de- Abg. vr. Las ker. Dreser Abgeordnete hat neuerdings und wohl auch nicht ganz mit Unrecht viele Vorwürfe über seine ge schraubte Haltung gegenüber dem Gesetze hinnehmen müssen, um so angenehmer aber waren heute die Freunde de- Gesetze- davon berührt, daß Herr Lasker offen und ehrlich erklärte, er sei zwar nicht davon überzeugt, daß auf dem Boden deS gemeinen Rechtes Dasienige nicht erreicht werden könne, wa- daS dem Reichstage vorliegende Ausnahmegesetz anstrebe, er sehe aber als praktischer Politiker vollständig die große Gefahr ein, die unbedingt in dem Augenblicke vorhanden sei, in welchem Regierung und Reichstag sich nicht über die gesetzgeberischen Maßregeln gegen die Socialdemokratie verständigen könnten, und er möge die Verantwortlichkeit für ein solches Mißlingen der Arbeiten deS Reichstages nicht übernehmen. AuS diesen Gründen der Nothwendigkeit stimme er für da- Gesetz. DaS HauS war nunmehr sichtlich müde, weitere Generaldebatte-Reden zu hören und ein Anttaa auf Schlutz der Debatte hatte eine sehr große Mehr bert für sich. Der Reichstag hatte indeffen seine Rechnung shne — die Polen und den Dänen ge macht. Beim nächsten Paragraphen standen ein polnischer Abgeordneter mit unaussprechlichem Namen und der Bettreter für HaderSleben, der biedere Abgeordnete Kryger, auf der Lauer und sie mußten richtig auch daS Wort erhalten. Jetzt wurde die Situation wenigsten- einigermaßen amüsant. Der Pole hatte sich eine mächtige Rede auSqearbeitet, die indeffen einen großen Fehler hatte» daß sie absolut nicht zu dem Gesetzesparagraphen paßte, zu welchem sie ge halten »erden sollte. Polnische Reden sind nun der Schrecken deS Reichstages, eS mußte daS auch heute der Vertreter für Jnowraclaw erfahren. Weitaus der ** größte Theil der Rede und namentlich die Stellen, welche von der Theilung Polens handelten, erblickten daS Licht der Welt nicht. Viel heiterer gestaltete sich die Sache aber noch, als der Däne Kryger die Mit glieder deS HauseS mit seiner Auffassung über daS Gesetz bekannt machen wollte. Herr Kryger spricht nämlich ein kauderwälsche- Deutsch und er verwechselt fortwährend in drolligster Weise die Begriffe. Die Abgeordneten umstanden in dichten Sckaaren die Tribüne, aber eS konnte Niemand ernst bleiben ange sichts der Art, wie der Abg. Kryger auf der Tribüne berumarbeitete. DaS Beste kam aber noch nach. Bei 8. 2 des Gesetze- verlangte auf- Neue ein polnischer Abgeordneter, Herr von NiegolewSki, daS Wort und er mußte es natürlich nacy der Geschäftsordnung erhalten. Mit einer Stimme, die an Wirkung den Posaunen von Jericho gleich kam, verlangte er, daß nur allein der Reichskanzler und nicht die LandeS- polizeibehörden mit der Ausführung des Gesetzes be trau: würde. Lieber einen Tyrannen, als eine ganze Tyrannei", so donnerte der Bettreter de. Stadt Posen, dessen Redeweise daS HauS in eine sehr ergötzliche Stimmung versetzte. Der Präsident suchte den Rede strom des Abgeordneten etwas zu dämpfen, derselbe ließ sich jedoch so bald nicht irre macken, er blieb dabei, er wolle ÄiSmarck alS Tyrannen haben. Mit diesem Polenstücklein schloß die heutige Sitzung. * » Berlin, 18. October. Der Reich-tag stand heute am Beginn der dritten Lesung de- Socraltsten- gesetzeS vor einer vollzogenen Thatsache, welcher der ganzen weiteren Berathung so ziemlich alles prak tische Interesse nimmt. Mit den von den National- liberalen und den beiden conservativen Frac- tionen gemeinsam eingebrachten Eompromißanträgen Anträge, welche m allen Puncten der bezeichneten Basis für die definitive Entscheidung entsprechen — ist natürlich die stillschweigende Bedingung verbunden, daß neue Amendement- von principieller Tragweite seiten- dieser drei Fractionen weder eingebracht noch unterstützt werden. Das schließliche Schicksal des Ge setzes stand also noch vor Beginn der Berathung fest. Die heutige Generaldebatte hatte, soweit Red ner der Parteien, welche daS Gesetz zu Stande bringen entschlossen sind, an ihr iheilnahmen, Bedeutung eurer Motivirung der Abstimmung. In der SpecialdiScusfion wurden noch dre ersten Paragraphen erledigt. Bei 8- 1 stellten die Lbgg. v. Magdzinski und Kryger-Hader-lrben die Geduld des HauseS mit ihren polnischen resp. dänischen Schmerzen auf die Probe. AuS dem Fol genden ist demerkenSwerth, daß betreffs der einge schriebenen HülfScassen der Beschluß der zweiten Lesung, wonach auf drese Lassen im Falle deS 8- 1, Abs. 2, der 8. 29 deS Hülfscassrngesetze- An wendung finden soll, beibehalten wurde. In der DiScussion wurde übrigens von allen Seiten aner kannt, daß dieser Frage eine politische Bedeutung nicht beiwohne. * * * Sitzungsbericht. ^Berlin, 18. October. Zur Ergänzung unserer gestrigen Telegramme. Schluß der Rede deS Herrn v. Kardorff: Meine Hatten, bei dem Fort schritt der Wissenschaft, bezüglich der Eonstruction de- VersicherungswesenS. von Arbeiterpension-- und Unter- stützungscaffen werden wir sicher zu einem Resultat der Gesetzgebung kommen. Ich laste die Frage ganz offen, ob irgend wie von Seiten des Staat- oder der Communen einzutreten ist, ob «S zweckmäßig ist, directe Unterstützungen zu geben, aber da- ist, glaub« ich, richtig, daß die Gesetzgebung einen Schritt thun kann, um solch« Versicherungs-Gesellschaften zu er möglichen, und dadurch den arbeitenden Eiaffen eine wirksame Hülfe zu gewähren. Der Herr Abgeordnete Richter sollte doch diese Bestrebungen, nicht, wie er neulich gethan, Heuchelei und unfruchtbare Bestrebungen nennen. Seme Partei hat eben so wenig wie eine andere daS ausschließliche Privilegium der Sorg« für die arbeitenden Claffen. Dieses Recht müssen alle Parteien deS Hauses beanspruchen. Meine Herren, sollte es unS gelingen, zum inneren Frieden zu kommen, und namentlich den schweren Eultur- kampf zu schließen, an dem wir Jahre lang gelitten haben, und durch den unsere deutsche Entwickelung nach ieder Richtung gestört ist, sollte eS dann ge lingen, dem deutschen Tewerbefleiß, dem Handwer der Landwittbschaft und Industrie wi der neuen Leben einzuflößen, dann wird auch sicher die Zeit die »urückkebren, wo Religiosität und Sitte, Achtung vor stecht und Gesetz, Treue gegen Kaiser und Reich, Liebe zur Heimath und zum Vaterlande auch in die kreise wieder einkehren werden, denen diese Begriffe heute durch die socialdemokratische Agitation abhanden gekommen zu sein scheinen und es wird der Moment da sein, wo wir daS Gesetz außer Kraft erklären können, dessen Votiruna heute für uns eine ge wichtige Nothwendigkeit ist. (Lebhafter Beifall rechtS). Abg. Liebknecht: Wenn auch die Würfel der Entscheidung bereit- gefallen find, will ich doch meiner politischen Pflicht genügen, den Ursprung der Vorlage nochmals zu beleuchten. Schon eine halbe Stunde nach dem ersten Attentat kam aus Friedrichruhe daS Tele gramm deS Fürsten BiSmarck hier an: AuSnahme- maßregeln gegen die Socialdemokraten! Niemand wußte, ob der Thäter ein Socialdemokrat war — aber der Beschluß war bereits gefaßt, der Social demokratie den Attentäter an die Rockschöße zu hängen. Zch bin mit Hödel nur einmal in Berührung ge- ommen, nämlich alS er, weil er gegen uns für die Etöcker'sche Pattei aaititte, von unserer Pattei aus geschlossen werden sollt«. Später bin ich bei einem reiwilligen Verhör vor dem Untersuchungsrichter eine »albe Stunde mit Hödel zusammen gewesen. Der Lindruck, den er machte, war dcr eine- durchaus blöden, AeifteS gestörten Menschen. Es ist sehr zu bedauern, daß man Herrn Professor Vircbow den Schädel des Verbrechers nicht zur Untersuchung überlasten hat, eS würde sich herausgestellt haben, daß man das Henkerbeil wieder erweckt hatte, um einen Wahnsinnigen yinzurickten! Der Präsident unterbricht den Redner und er- lätt eine solche nachträgliche Kritik eine- richterlichen IttheilSspruchS für parlamentarisch unzulässig. Abg. Liebknecht (fottfabrend): Trotz jenes mehr- ach erwähnten ofsiciellen TelearammeS habe (man nicht ein Atom eines Beweises für die Schuld seiner Pattei an den Attentaten erbringen können; auch di« letzten Publikationen des „Tageblattes" hätten ssich durchaus alS apokrvvh und lügenhaft erwiesen; daS Verlangen, den Urheber jener Depesche zu nennen und die Protokolle de- Nobrling-ProceffeS zu veröffent lichen, se» unerfüllt geblieben. Möge man den Schlag führen gegen die Socialdemokratie, aber verläumde man nicht eine halbe Million deutscher Reichsbürger und Wähler alS Meuchelmörder. Die Auslösung )eS Reichstage- sei nur erfolgt, weil man von der künstlich erzeugten Aufregung und Verhetzung deS Volkes erhoffen zu können glaubte, waS von dem gesunden Sinne deS Volks nicht erlangt werden konnte: eine dem Reichskanzler gesügige Mehrheit für seine Wirthschaftspolitik! Furcht und Angst haben von Ihnen (zu den Nationallrberalen) erlangt, waS Sie unter normalen Verhältnissen nicht bewilligt hätten, die Furcht ist Ihnen in die Glieder gefahren, und — (der Präsident ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur Ordnuna.) Derselbe fahrt sott: DaS Beispiel von Frankreich beweise, wobin man mit Ausnahmegesetzen komme; den noch habe, wie der Abg. Bamberger ganz richtig auSgefühtt, daS deutsche Bürgettbum auS Furcht vor dem rothen Gespenst daS Opfer seiner eigenen Freiheit gebracht. Redner kommt nun auf die Bebel'sche Enthüllung zurück, die er in. Wesentlichen als durchaus wahr bestätigt. Kur» nachdem er (Redner- August 1862 in die Redaction der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" eingetretcn war, sei ihm. der biS dahin nur für die auswärtigen Angelegenheiten gearbeitet hatte, das Anerbieten gemacht, oder vielmebr ihm völlig crte disuelu- gegeben worden, die sociale Frage ganz nach seinem Dafürhalten, also sociallftisch und communistisch zu behandeln. Nack wiederholter Weigerung, dies zu thun und so dem Fürsten BiS marck dienstbar zu werden in seinem Kampfe gegen die Fortschrittspartei, sei seine Ausweisung erfolgt, nachdem noch durch ein adeliges Fräulein bei seiner Frau der Versuch gemacht worden war, dieselbe für seine Pläne zu gewinnen. Ferner sei auch 1866 zur Unterstützung der An- nexronSpolitik am Maine verbreitet worden, Fürst BGmarck habe den Antrag auf Einführung deS all- ««>»»«« Wahlrechts beim Bundestag nur einge- bracht, am den Deutschen Bund »u sprengen (Ab- aeoetzneter Windthorft: Hört, hört!), und diejenigen Regierungen, die sich diesem Projekt widerseben soll ten. müßten durch die Gewalt deS LolkcS, deS Pro letariat» gestürzt werden. (Hört, hört! im Ccmrum.) Zum Beweise seiner ferneren Behauptung, daß nach 1866 die Politik des Fürsten BiSmarck auf die feste
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