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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188206027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18820602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18820602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1882
- Monat1882-06
- Tag1882-06-02
- Monat1882-06
- Jahr1882
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1882
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Erscheint täglich früh «V, Uhr. Nr-artioa >nd Lk»e-Ui«» Johanne-gaff« SS. Sprecht»«»»« -er NrLacti»«. vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag» 5—6 Uhr. Kür »«, »M«b« rm.el-n-r-r M-»»«cr>,„ «« .« ^»1 v«i>»tNch. Annah«« »er für »te »üchftf»l<r«»« Nummer Üeftt«»trn Inserate m, rsochentage» bi« S Uhr Nachmittaa«. an Sonn« nn» Festtagen früh bt«Uhr. 3n den Filialen für Inf.-Lnnah«e Ltto Klemm, Universstütrstraße 21. Louis Lösche, Katharinenstrabe IS, p. «nr bis Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. Auflage L7,SOl». Adonimnratsprris viertelj. 4 V, incl. vrmoerlolm b Mk,. dmch dir Post bezogen 6 Shf. Jede einzelne Nummer 25 Pf. Bcleg^emplar 10 Pf. Gebühren für Extrabei. löge» «hur Postbejörvcrung 30 Mk. Mit Postbesörderuog 48 tit. Inserate Sgespaltene Petitze <le SV Pf. Gröbere Schrillen laut nnjeri,» Preis, verzeichn! ß. ' Tabellarischer Lay »iw HShe.i:m Tarif. Lulamen unter den Nrdaitionsjlrich die Spaltzeilc 50 Pf. Jcherat, sind sters an die v> 1>edttio» zn senden. — Stabalt wird nictr gegebere. Zahlung praeoum'-r.m»» oder durch Post» »achnahmc. ^-153. Freitag dm 2. Juni 1882. 76. Jahrgang.' Amüicher Theil.! die a« S. Juni 1882 vorrnnehaeende Berufs» zählang betreffe«-. In Folge de« ReichSgesetzeS vom 13. Februar 1882 ist im deutschen Reiche 'am 5. Juni d. I. eine allgemeine Be rufszählung vorzunehmcn, welche sich auf den Stand der MitlernachtSstunde vom 4. zum b. Juni bezieht und alle ott-anwesende» sowie die vorübergehend abwesenden Personen die landwirthskbafliichen und die gewerblichen Betriebe umfaßt. Wie frühere Volkszählungen wird auch diese Erhebung im Wesentlichen mit Hilfe freiwilliger Zähler aus allen Siändm der hiesigen Einwohner bewirkt werden. Diese Zähler sind zu vorschriftsmäßiger und gewissenhafter Wahr« »chmung ihre« Amte- verpflichtet worden und durch den Be sitz der von unserem statistischen Bürec.u auSgegebenen mit dem Namen de- Zähler« versehenen und abgestcmpellcn For- mularmappen legilimirt. Die Zähler werden in der Zeit veni 1. bi- zum 4. Juni d. I. jeder Haushaltung und jeder alleinlebenden, nickt an einer anderen Haushaltung Theil nehmenden selbstständigen Person eine HauShallungSUste (X.) und eine Anleitung zur Ausfüllung der Zählsormulare (6.) auShändigen, sowie jedem selbstständigen Gcwcrbtrcibenden, sofern derselbe in seinem Gewerbe noch andere Personen oder ein Triebwerk verwendet, eine Gewerbckarte (1i.) und zwar kann, wenn Wohnung und GeschästSlocal sich nicht in dem selben Grundstück befindet, eine Gewerbekarte in der Wohnung u«d eine solche im GeschästSlocal. Jeder Haushaltungsvorstand und jeder Gewerbtreibende der vorbezeichneten Art, weicher am 4. Juni Nachm. 2 Uhr noch nickt in den Besitz der nöthigen Formulare gelangt sein sollte, hat bei Vermeidung einer Geldstrafe von 5 ^ bi- 5. Juni Vormittags vor 12 Uhr Formulare in unserem statistischen Bureau (Stadthaus, Obstmarkt 3, II.), welchem wir die Ausführung der Zählung übertragen haben, abzu» hole». Di« Zählbogen und Gewerbekarten sind nach Maaßgabe der aus denselben ersichtlichen Instructionen und nach der An leitung (6) auSzufülleu, durch Unterschrift zu b«. sckeinigen und vom S. Juni Mittag» 12 Uhr an zum dlbholea bereit zu hatten. Sollten dieselben bis ».Juni Abends nicht abgehvlt worden sein, so sind dicsctben bei Ver meidung der oben angedrohten Strafe am 7. Juni an das statistische Büreau zu finden. Die Zähler werden die Listen am 5. Juni Nachmittags bezw. am 6. Juni Vormittag« abholen und an Ort und Stelle auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen. Zu diesem Zwecke sind die Listen!von dem H»auShaltungS- vorstaade oder dessen Vertreter womöglich persönlich, nicht aber durch die Dienstboten, innerhalb der Wohnungen bezw. Keschästslocale zu übergeben. Bei der großen Wichtigkeit, welche die BerusSzäblung sllr die künftige Reichsgesetzgebung haben wird, rechnen wir darauf, daß alle Einwohner unserer Stadt die erforder lichen Angaben vollständig und gewissenhaft machen und auch den Zählern, welche als Organe der Behörde anzusehen sind, das im öffentlichen Interesse übernommene Ehrenamt möglichst erleichtern werden. UebrigenS enthält tz 5 deS ReichSgesetzeS vom 13. Februar 1882 folgende Bestimmung: ..Wer die auf Grund diese- Gesetze- an ihn gerichteten Frage» wissentlich wahrhettSwtdriq beantwortet oder diejenigen Angabe« zu machen verweigert, welch« ihm nach diesem Gesetze und den zur Ausführung desselben erlassenen und bekannt gemachten Vorschriften obliegen, ist mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark zu bestrafen." Leipzig, den 1. Juni 1882. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Haffe. Wegen Betheiligung der Herren Beamten bei der Berufs zählung bleiben die Geschäfte der Sparkasse für Montag, de« S. Jant ». o, au-gesetzt und können die für diesen Tag bei derselben ge kündigten Beträge schon Sonnabend, de» S. Juni e. in Empfang genommen werden Die Geschäfte beim Lelhkanse hingegen er leiden für -lesen Lag keine Unterbrechung. Leipzig, deu 31. Mai »882. DeS Rath» Deputation für Leihhaus und Sparkasse. Vrjranittmachllng. Die Herstellung einer Schlenße HI. Glasse in der Gohliser Straße soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen und Zeichnung für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung. RathhauS. Zimmer Nr. l4 au- und können daselbst eingescben rcsp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Schleuß« tn der Gohliser Straße" derfihen ebendaselbst und zwar bl- zum 12. Juni d. I., Nachmittag- 5 Uhr einzureichen. Leipzig, am 3>. Mai 1882. DeS RathS der Stadt Leipzig Straßenbau-Deputation. Gewcrbrklunmer. Da« hiesige Local-LomtlS für HandseriigkeitSnnterrtcht und Hau«, ßletß Hut die Gewerbekammer zur Theilnobme au einer Sonnabend, den 3. d«.. Vormittags 11 Uhr in der Ceutralhule ftattfindenden Verkommt»««. mit welcher eine An»stel«ng von Arbeiten -u« ver» ichiedeurn Lchülerwerkftätten verbunden ist, eingeladen, wovon die Nitglieder grnauuter Lämmer hierdurch in Lenatniß gesetzt werde«. W Häckel, vors.Herzog. S. Holr-ver-eigerung. IS. Anni er Vormittug« IS Uhr zu ermäßigter Laxe (Bei sommlmi- tm Laubdolzichlag 8, «iemegk an der Sech«) 1) Schutzbez. «teme^ ca. Gtchen », «»Hern 17. Kiefer starte, mittlere und schwache, ro. 100 Stück. I) Schupbez. Göttliche ca. Eiche« 2. «über» 2ö. Os»« rsrä KVLW" ^ ^ K«ni,ltche Lders-rstrrei Zifikertch Lövizliche Rnnstakademie und Kuust- gewerbeschlllc zu Lriprig. I« Lartonsaal« de« ftävttschcu Museums sind auf kurze Zeit die Schü»erarbeiten der hiesigen köuigl. Kuostakademie mid Kunstgewerbeschule ausgestellt. Zum Besuche dieser Ausstellung beehrt sich tm Namen de» Lehrer-TollegiumS hierdurch ergebenst einzuladen. Leipzig, deu 30. Mai 1882. Ter Ltreetar: Nieder. Der Zutritt zu dieser Ausstellung ist unentgeltlich. Geöffnet ist die Ausstellung täglich während der Museumsstunden. Nichtamtlicher Theil. Aus Lonstantlnopel wird der „Pol. Espd." vom 26. Mai geschrieben: Die eghptischeFrage hält den Palast andauernd in Athem. Die Meinungen schwanken und eS stehen einander zwei Parteien gegenüber, deren eine, da schon keine türkischen Kriegsschiffe nach Alexandrien gegangen' sind, zur schleunigen Entsendung eine- ottoinamschcn EommiffarS nach Egypten drängt, wahrend die andere für weitestgehende Eonmvcnz gegenüber den WcstmLchlen cintritt. Ter Sultan neigte vor noch gar nicht firner Zeit einer radikalen Losung der egyp- tischen Frage durch Ersetzung Tewsik PaschaS durch den Prinzen Hal»m zu und letzterer hat sogar, durch den Schimmer von Aussicht geblendet, die letzten Reste seine- Vermögens aufgeopsert, sich eine Partei in Kairo zu verschaffen. Heule ist von dieser Candidatur keine Rede mehr und der Prinz hat sein Geld umsonst anSgcgcbcn. Tewsik Pascha, obscho» sein schwächliches Doppelspiel, da- ihn gleichzeitig bei den Westmächten Hilfe suchen und an ben Sultan und seine Gunst sich klammern laßt, am goldenen Horn nicht minder mißfällt, al» an der Seine und Themse, ist in seiner Vice- königSeigenscbast heute weder von hier aus. neck von den Westmächte» auS bedroht, da man ihn nicht zu ersetzen weiß mid die Verlegenheiten einer ScdiSvacanz in Kairo beider seits scheut. Wenn man ihm nicht in Kairo selbst deu Stubl vor die Thür fitzt, ist seine Stellung nicht bedroht. ES muß wohl nicht erst gesagt werden, daß die wach senden Verlegenheiten in Egypten hier mit Gcnugthuung begrüßt werden, wie man Venn auch im Patasle kaum ganz unschuldig in Betreff derselben sein dürfte. Die Entsendung der englisch-französischen EScadre und der Widerstand der Weltmächte gegen eine türkische Intervention haben eben den Sultan, der darin eine Mißachtung seiner SouverainetätSrechte sieht, mit großer Erbitterung erfüllt, die durch die beschwichti genden Erklärungen der Botschafter der Wcstinächke eher gestei gert als gemildert wurde. Ter Sultan war daher auch ent schlossen, die schneidige diplomakischeEampagne, welche die Pforte eröffnet hatte, fortsctzen zu lassen. Als man aber aus der Pforte von den anderen Machten tröstliche Zusicherungen erhielt, daß auch von dieser Seite her die Außerachtlassung der Sonveränetät der Pforte mißbilligt werde und daß eine übereinstimmende Kundgebung der Cabincte in diesem Sinne bevorstehe, zu der die Erwiderung aus die Notifikation der Westmächte von der Flollencntsct'.dulig den Anlaß bieten werde, beruhigte sich die Stimmung so weil, daß man dem Rathe, die Situation nicht zu verwickeln und den West»,ächten den eingcleitctcn Wiedereintritt inS europäische Concert nicht zu erschweren, Folge gab und sich offener Schritte zur Durchkreuzung der Action der Wcstmächte seither enthielt. DaS wird aber wohl kein Hindernis; gewesen sein, in Eghplen eine um so cisrigere ver deckte THLtigtcit zu entfalte», u»i> man darf getrost aiiuesimen. daß man in Konstantinopel nicht eher an einen Stillstand denkt, als bis die Souverainetät deS Sultans durch zweifel lose Thatsachen anerkannt ist. An dem schlicßlichen Erfolge zweifelt man in türkischen Kreisen auch nicht einen Augenblick lang und auch in nicht türkischen Kreisen herrscht die Uebcr- zeugung, daß die Stellung der Westmäcbte nicht aufrecht zu Hallen sei »nd daß dieselben» soll ihnen die Situation in Egypten nicht unheilvoll über die Köpfe wachsen, zu weit reichenden Eoncessionen an daS gekränkte SouveraiiictätS- gefüht deS SuttanS sich werden vergehen müssen. Auch Spanien und seine Diplomatie, so wenig ihr Name bisher genannt wurde, spielen eine Nolle in der egyp- tischeu Frage. AlS vor geraumer Zeit die ersten Symptome der letzteren austauchleu und man hier noch drückende Zweifel hegte, ob Europa eine Bclhätigung der türkischen SouvcrL- netät zulasten werde, warf die Umgebung dcö Sullau» die Idee aus, daß die convenabelste Lösung für Europa und die Türkei die einer Occupatio» durch Spanien wäre, durch welche auch da- Gleichgewicht zwischen den rivalisirendcn Westmächten am besten gewahrt würde. Vertrauliche Svndi- rungrn ergaben. daß England für da» Projcct zu gewinnen wäre. Frankreich ihm aber entschieden widerstrebe. Nickt- desto weniger ließ nian hier den Gedanken noch nicht gänzlich fallen. Die vollständige Emignng der West mächte zum Ausschlüsse der Pforte, welche die erste und, wie cS scheint, schon halb Überwundene Phase der acut ge wordenen egyptiscken Frage bildete, hat dem Gedanken hier ansang- ncueNahrung zugefübrt. da man die spanische Inter vention allenfalls als Gegenkarte auSspielen konnte. Auch heule steht sie noch nicht außer all«r und jeder Combinalion der hiesigen diplomatischen Kreise, wenn auch nur mehr in Form einer eventuellen Cooperation, die sich die Pforte seitens Spanien» immerhin noch am liebsten gefallen ließe. Es handelt sich auch in diesem Falle um eine jener Cornbinatiouen, wie sie jetzt vielfach auftauchen, häufig nur, um sofort wieder bei Seite geschoben zu werden. So viet von Ernst scheint ihr aber gleichwohl mne zu wohueu, daß sie immerhin er wähnt zu werden verdient. Leipzig. 2. Juni 1882. Die Presse aller Parteien beschäftigt sich niehr, al- unse Erachten- iu den thatsäcklichen Verhältnissen einsliveilen gründet ist, mit der Eventualität eine- grundsü liche» Wechsel» in der Regierung-Politik. 5 Conservativen signalisiren „Sturm im Anzüge", und „Germania" prüft ihre .Kraft, ob sie noch auSreicht, „e ordentliche Krisis zu überdauern." Die Liberalen ihr seit» werden gut tbun, unbeirrt vorwärts zu gel und da» Weitere in Ruhe abzuwarten. Daß wir die l sürchtungen im reactionairen Lager nach dieser Richtung > der Hand sür unbegründet halte», kann uns iadeffru ui abhalten, auch cm den Augenblick zu denken, in welchem die Reaclion nicht nur in der Ueberzeuguna de- Volkes, sondern auch in den politischen Berechnungen der leitenden Männer abgewirthschaftet hat. E« ist naturgemäß, daß dieser Augen blick um so schneller rmd sicherer herbeigesührt wird, ze mehr der Liberalismus seine Kräfte sammelt, je mehr er seinen Besitz stand in der Bevölkerung erhält und au-dehnt und fi mehr er sich durch feste- und geschloffene- Austreten zur Geltung bringt. Andererseits aber ist klar, daß der Liberalismus, wenn er daran denkt, über kurz oder lang wieder be stimmenden Einstuß auf die Richtung der aesammten inneren Politik zu erlangen, nicht lediglich in Opposition »nd Polemik ausgehen darf. Vielmehr wird er bestrebt sein müssen, feste Grundlagen für ein positive- Schaffen im Sinne der alSvann an ihn herantretenven Forderungen zu gewinnen. Denn da« ist nicht zu leugnen, daß die gegen wärtige Periode unserer innern Politik, wie unfruchtbar sie sich auch enveifen möge, mit ihren wirthschasllich-socialen Anregungen ein Gebiet betteten hat, welches Niemand, wenn er ihre Erbschaft übernehmen will, verlassen darf. Daß der Liberalismus mit einzelnen Versuchen, wie beispielsweise mit dem bekannten Unfall - Versicherung», entwürfe, jene angedeuteten programmmäßigen Grundlagen bereit- völlig gesichert hätte, wird Niemand, so sckätzenSwerth diese Versuche auch sein mögen, behaupten wollen. Wir zweifeln nicht, daß er sie gewinnen wird, daß er sich durch aus befähigt erweisen wird, die von gegnerischer Seite auf die Tagesordnung gestellte sociale Frage s. Zt. einer gedeih lichen Lösung entgegen zu führen, sofern der gemäßigte Liberalismus den ihm gebührenden Einstutz behält. AuS Berlin wird uns vom 31. Mai geschrieben: „Eine seltsame Mitthcilung wird heute durch die „N. A. Z." ver breitet. Darnach haben vor Kurzem in Breslau und zwar iu Anwesenheit deS österreichischen Aba. v. Schönerer vertrauliche Besprechungen über die wirtbschastlicheu und nationalen Beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich stattgesunden, und eS soll in Verfolg derselben am 7. Juni eine öffentliche Volksversammlung abgehaltcn werden, in welcher der genannte Herr v. Schönerer sprechen wird. AlS Programm de« zu gründenden Wirth- schastStagcS ist ausgestellt: Einigung Deutschlands und Oesterreich-Ungarn- in Bezug aus Zollgebiet, gemein same, Ausstellungen, Regelung de» AuswanderungSwcscnS, 2a,utt der Staatsangehörigen und ihrer Interessen im AuSlanbe re., vor Allem aber: Diseussion „der Aehulich- kcit der in beiden Ländern zu Tage tretenden inneren wirthschastlichcn Reformbestrebungen." So die Nachricht unseres Regierungsblattes, die in der That höchst frappircnd ist. Um dieselbe vollständig würdige» zu können, muß mau sich erinnern, wer Herr v. Schönerer ist unk wer seine Breslauer Freunde sind. Vor etwa 5 oder 6 Jahre» tauchte der Name des österreichischen RitterS zuerst vor der Ocfseiitlichkeit aus. damals sür uns im Reick von dem Nimbus eines glühenden Deutschenfreundes umgeben, der den Muth hatte, in offener NcichSrathSsitzung ausznruscn. daß daS Heil sür sein Vaterland nur im Ausgehc» in Deutschland zu suchen sei. Aber was zunächst für eine ernste und mannhastc Ucdcr- zcugung gehalten wurde, stellte sich alsbald als die nebelhafte Pbanlastcrci eines unklaren KopscS heraus. Herr v. Schönerer, dessen Element der Widerspruch und die politische Sovarativn ist und der wie so manche ähnlich veranlagte Charaktere deshalb um so eher ein Opfer der Phrase wird, warf sich mit Begeisterung in die antisemitische Bewegung und spielte sich alS der Stöcker Wiens auf. Bon daher datiren vcrmuthlich seine Beziehungen zu den BrcSlaucr Eonservalivcn, die, wie bekannt, die ergebensten Schleppen träger der verderblichen Theorien sind, die sich nn den Namen Slöckcr'S knüpfen. Tie „N. A. Z." erwirbt sich also ein wirkliche» Verdienst, indem sic das internationale Eoterienivcscn ausdcckl und aus dessen cigcutlichcu, unter harm losen Aeußerlichkeiten verborgenen Zweck die Ansmcrksamkeit lenkt; und sic verdient der weiteren Anerkennung dafür, daß sic daS ganze thöricbte und zugleich gefährliche Gebühren »»t »»zweideutigen Worten vcrurthcilt. Eine solche Rückkehr zur Vernunft hätte freilich noch wohllhueuder gewirkt, wenn sic früher gekommen wäre. Die BrcSlaucr Aniisemilcn und ihre Berliner Gesinnungsgenossen, vor Allem Herr Stöcker selber, werden aber deck) den ihnen gegebenen Avis verstehen und daran« entnehmen, daß ihre Zeit gründlich vorbei ist. Seit den russischen Greueln hat sich überall eine sittliche Einkehr vollzogen, deren Resultat eS ist, daß daS Capitel, in welche», die Thatcn deS Berliner Hosprediger» der Nachwelt über liefert werden, eine Donquixolerie ohne Schluß und Abschluß bleiben wird." Schon jetzt stellt eS sich herau», daß die Absicht, den Reichstag etwa z»m 20. Juni zu schließen, unmöglich ist, wenn nicht aus die Berathung derMcbrzahl der Initiativanträge und Interpellationen au« der Mitte des Hauses verzichtet wird. Der Antrag Philipps aus Entschädigung unschuldig Berurthcilter. derjenige der Socialdemokralen aus Beseitigung aller Ausnahmegesetze, endlich derjenige der Elsaß-Lothringer auf Außerkraftsetzung der Dictaturparägraphen. sie alle um fassen so wichtige Materien, daß sie mindestens je einen SitzungStag in Anspruch nehmen würden. Zur Berathung im Plenum müssen aber unbedingt noch kommen die Gewerbe- Novelle in zweiter und dritter Lesung, ebenso die ZolltarisS- novelle und die Mouopolvorlage. Zebn Sitzungen, d. h. ge rade die Zeit vom Wiederzusammenttitt de« Reichstag« bis znm 20. Juni, sind wohl der knappste Zeitraum, der sür diese Debatten in Anspruch genommen werden kann. — AlSeinMustervon Jesuitenloqikdars man betrachten, wa« die ultramontane Presse anläßlich der Schweriner Prinzentause leistet. Die Taufe durch einen tutberischen Öberhofvrediger macht danach den Täufling zum Mitglied« „der Allgemeinen, d. b. katholischen Kirche". Ob also der neugeborene Herzog Paul Friedrich von einem lutherischen Oberbosprediger oder von sonst irgend Jemandem, sei er Katholik oder Lutheraner, getauft worden sei, da» ändere an seiner Zugehörigkeit zur allgemeinen katholischen Kirche gar nicht«, klebrigen« habe die ungewöhnlich eilige Taushandliing nicht sowohl den Charakter eine« feierlichen Familienereig nisse« an sich getragen, al« den einer „Nothtaufe" — „nur daß sie nickt die Hebamme, sondern ein gerade zur Hand befindlicher lutherischer Eultu«sunctionair vollzog." Die Verpflichtung zur katholischen Kindererzirkmng bleibe nach wie vor aufrecht und werde zunächst Ausgabe der katholischen Mutter sein. — Eine- Evmmentar« bedarf diese Leistung nicht. , Ignatieff*- Stellung ist durch seine Mißerfolge in der Juden frage, durch eine unglückliche Jnl. cigüe gegen Katkow, die zu Jgnatieff'S Ungunsten auSschlug, und nach Ablcbnung der von Jgnalieff vorgcschlageneii Einberufung der SemSkoje Scbranje durch den ReicbSratb is »haltbar ge worden. Letztere Vorlage war nur ein Manörer, um einen Grund zum Rücktritt zu haben. Jetzt ist eS immerlsin möglich, daß Jgnatieff'S Nolle auSgespielt sei; denn die Genehmigung seines Entlassungsgesuchs ist nclch dem Vor- czesallenen nicht so unwahrscheinlich wie die» bei früheren Anlässen der Fall war. In Spanien erregt gegenwärtig eine Schrift: „Die Schlüssel zur Straße von Gibraltar", grclzeS Aufsehen, nicht nur wegen de« sachlichen Inhalt», sondern mehr noch durch ein Vorwort, in welchem einer der tücktv isien Generale der spanischen Armee, Lopez Dominguez, ein N:ffe Scrrano'S, die Mittel bespricht, um die drei Ziele der spanischen aus wärtigen Politik zu erreichen: Wiedererlangung Gibraltars, Bündniß mit Portugal und Herstellung des spanischen Uebcr- gewlchtS in Marokko. Diese Ideen haben erkl ärlicher Weise für da» spanische Selbstgesühl etwas äußernrtcntlich Be stechendes und man wird cs deshalb zmiächst aus die durch jene Schrift geacbene Anregung znrückiührcn dürfen, wenn daS Madrider Journal „Epoca" Spanien in diesem Augen blicke daran erinnern zu müsse» glaubt, daß eS Ansprüche aus den Rang einer Großmacht habe. Die Machte, schreibt da« Blatt, würden hoffentlich begreifen, daß cS unpolitisch wäre zu warten, bis inan Spaniens bedürfe; man müsse schon jetzt auf seine Mitwirkung rechnen. Unausbaltbar rollt in Egypten da« Rad der Ereignisse weiter. Die kopflose Politik der Wcstmächte hat eS dahin gebracht, daß da« zahme Volk der Egyptcr mehr und mehr sich einer stürmischen Erregung überläßt, und sie hat ihren eigenen Schützling, denKhcdive, zur Zielscheibe der crivacheuden VvlkSlcidenschasl gemacht. Die Notabelu, welche noch unlängst scheinbar so felsenfest zu dem schwachen Tewsik standen, sind Lurch die unüberlegten Schritte der wcstmächllichen Vertreter dem Heer in die Arme getrieben. UlcmaS und Notabel» verlangen nunmckr vom Sultan entschieden die Absetzung deS Khcdive. Arabi Pascha ist Herr der Lage; er verbreitet die Nachricht, der Sultan l<>be ihm die Ersetzung Tcwsil's durch Halim mitgethcHt, und das leichtgläubige Volk saugt mit gierigen Sinnen jede» noch so thörichte Gerückt cm und läßt sich von dero neuen Pro pheten leiten wie die Schafherde vom Hirten. England und Frankreich setzen unterdessen getreulich ihre Poli tik der Unver nunft fort. Wahrend cS jedem Vernünftigen längst l lar geworden, daß nur eine starke türlische Truppciimachl i« Egypten die Ruhe wicdcrherstellen kann, gcslcben Dusfiriu und NoaillcS »unmchr zwar im Grundsätze zu, daß jene beiden Fälle, welche die Pforte zu bewaffnetem Einschreiten im Nillande ermächtigen, nämlich Bürgerkrieg und Bedrohung des Ansehens deS Khcdive, cingetrctci» seien, suchen aber dennoch die that- sachlichc Entsendung türkischer Truppen Isintanzuhaltcn. Eng land bat sich bekanntlich längst mit einer wirtlichen türkischen Einmischung versöhnt; dagegen kann Freycinet nicht von der Hoffnung taffen, daß er dock noch mit der bloßen Zulassung eines türkischen EommissarS tavonlommen könne. Gleichzeitig trägt er demselben aber geradezu haarsträubende Forderungen an die Nationatparlci ans. Oder ist es denkbar, daß der türkische Bevollmächtigte von Arabi und dessen Genossen ver langen soll, daß sie Nun nach Konslanliuopcl folgen, um vor dem Khaliscn Nccuciischast abzulegcn von ihrem Treiben? Die Psvrle wird wahrscheinlich ihrem Vertreter keine derartigen Weisungen aushalsc». Thut sic cS dennoch, so geschieht eS in der sickeren Erwartung, daß die Häupter der Natioualpartci jener Forderung ein entschiedenes Stein entgegenstellcn würden. Tamil wären dann türkische Truppen unvermeidlich geworden; aber während augenblicklich eine verhältnißmaßig kleine Macht genügen müßte, da sie ja mit offenen Armen empfangen würde, dürfte nach dem Bruck Arabi'S mit der Pforte ein Heer zur Eroberung deS Pharaoncnlandcs ausgebotcn werden müssen. Wir denken jedoch, der Sultan zieht den Sperling in der Hand der Taube auf dem Dache vor und läßt sich von den Wcstmächtcii nicht znm Bruche mit der Nalionat- partei treibe». Sollte dieser Fall dennoch cintretcn, sollte der türkische Eommissar durch thörichtcö Auftreten daS An sehen der Pforte in Egypten vernichten, so wäre daS sür die westmächtliche Politik ein folgenschwerer Schlag. Lutscheidnilgen -es Reichsgerichts. (Abdruck ohne Angabe der Quelle wird gerichtlich verfolgt.) Eine sür die TageSprcsse bedeutungsvolle Interpretation deS tz. 20 deS PrcßgcsctzcS enthält daS Urlhcil deS III. Straf senats deS R.-G. vom 4. März d. I. in der Strafsache wider den Nckaclenr Alexander N. zu K. Derselbe war be schuldigt, den Verkauf von Loosen einer auswärtigen, im Königreiche Preußen nicht besonders z »gelassene ir Geldlotterie als Mittelsperson befördert zu haben, jedoch gründete sich diese Anklage darauf, daß die Beförde rung deS Verkaufs durch die Verbreitung eines Inserats durch die K.sche Zeitung, deren verankwortlichcr Redacleur N. war, geschehe», folglich er nach 8 20 deS Gesetzes über die Presse voni 7. Mai 1874 als Thäter verantwortlich sei. DaS Landgericht hatte ans Freisprechung erkannt, indem e» fcststellte, daß die Strafbarkeit des RekaclcurS nicht durch die besonderen Umstände des tz. 20 Absatz 2 des PrcßgcsctzeS ausgeschlossen sei, daß jedoch der Expedient, welcher daS Lotterie Inserat in die Zeitung nusnahm, durch Täuschung in den thatsäcklichen Jrrtbum, als lei die Lotterie zugctassen, versetzt wurde, also sür seine Person durch den tz. 50 Str.-G -B. geschützt werde und sonach auch der Redacleur selbst bei dieser Sachlage nicht bestraft werken könne, da er nur sür die hier straflose Handlung seines Expedienten ans- zukommen habe. Diese Entscheidung hat daS Reichsgericht alS rechtS- irrthtimlich aufgehoben. Die Tbätcrschast der ver botenen Beförderung deS Verkaufs von Loosen einer in den preußischen Staaten nicht besonder« zugelassenrn Lotterie war m der Person de» NctacteurS nur die präsumtive, vom Preßgrsetz dem Verantwortlichen Redakteur der periodischen Druckschrift, deren Inhalt eine strafbare Handtung tarstclll, beigemessen. Hat nickt der Redactenr diese strafbare Hand lung selbst — al- Thäter im gewöhnlichen Sinne — be gangen, so macht ihn da» Gesetz >m tz. 20 Abs. 2 deS Paß gesetze» in Veranlassung der Handlung eine- An deren verantwortlich, unbeschadet der Strafbarkeit auch
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