Wochenblatt Preis: »lertiljöh, -- e rige Pränumeration sN k JnsertionSgebühren v ngr. in'S HauS, 1 'H!!F ^ werden die 2-il« lyau und Umgegend.'"«- dition. berechnet. (Jeden Sonnabend eine Nummer.) 12. Sonnabends, den 22. März 1856. Das Judenmädchen. Eine Historie von H. C. Andersen. In der Armenschule saß unter den andern Kin dern auch ein kleines Judenmädchen. ES war ein gutes, aufgewecktes Kind, baö flinkste und lernbegierigste in der ganzen Schule; nur blieb cS von einer Lehrstunde ausgeschlossen, am Reli gionsunterricht durfte eS nicht Theil nehmen; war doch die Schule eine christliche. Das Lehrbuch der Geographie durste Sara während dessen aufschlagen, oder auch bas Nech- nenerempel für den nächsten Tag auöarbeiten. War dies fertig, und das Pensum aus der Erd beschreibung erledigt, so blieb das Buch zwar aufgeschlagen, aber die Kleine las nicht weiter darin; sie lauschte still den Worten des christli chen Lehrers, und dieser ward bald inne, baß sie aufmerkle, wie fast keines der anderen Kinder. „Lies Du in Deinem Buche, mein Kind!" sagte der Lehrer mit mildem Ernst; allein ihr schwarzes strahlendes Auge blieb an ihm hangen, und als er endlich eine Frage an sie richtete, siehe, da wußte sie besser Bescheid als alle die anderen Kinder; sie hatte sein Wort nicht bloö gehört, sondern auch begriffen und tief in ihr Herz geschlossen. Ihr Vater, ein armer, braver Mann, hatte, alö er die Tochter in die Schule brachte, die Be dingung gestellt, daß sie vom Unterricht im christ lichen Glauben ausgeschlossen bliebe. Aber es hätte Störung verursacht oder gar Aergcrniß bei den Andern erweckt, wenn man das Judcn- kind jedes Mal für die Dauer der Religionöstunbe aus der Schule entfernte, aus dem Zimmer Hin austrieb. So war sie denn geduldet und war geblieben; aber sie konnte nun nicht länger zu gegen sein, denn sie nahm wider den Willen ihres Vaters am Inhalt der christlichen Lehre Theil. Der Lehrer begab sich zu dem Vater und stellte diesem vor, seine Tochter aus der Schule zu nehmen, wenn er nicht gewärtigen wolle, daß Sara eine Christin werde. „In den leuch tenden Blicken des Kindes, sagte der Lehrer, in der tiefen Innigkeit, und im Feuer ihrer Augen steckt eine Sehnsucht ihrer Seele nach dem Wort des Evangeliums!" Da brach der Vater in Thränen aus: „Ich weiß nur wenig von meiner Väter Gebot, rief er laut, aber Sara's Mutter war fest im Glau ben, eine starke Tochter Israels, und ihr gelobte ich auf dem Todtenbette, daß unser Kind nim mer getauft werde. Ich muß mein Gelübde hal ten, eö ist mir gleich einem Pact mit Gott!" Und bas kleine Judenmädchcn verließ die Schule der Christen. -i- » * Eö sind Jahre verstrichen. In einem der kleinsten Provinzialstadtchen diente in einem geringen bürgerlichen Hause ein armes Mädchen mosaischen Glaubens. Ihr Haar war schwarz wie Ebenholz, ihr Auge dunkel wie die Nacht und voll Glanz und Licht, wie es den Töchtern deS Orients eigen ist. Es war Sara. Der Ausdruck im Antlitz des nun erwachsenen Mädchens war noch immer der des Kindes, als eS aus der Schulbank saß und sinnenden Blickes auf die Worte des christlichen Lehrers lauschte. Allsonntäglich tönte aus der Kirche die Orgel und der Gesang der Gemeinde; sie klangen über die Straße in das Haus hinein, wo baSJuden- mädchen, fleißig und in Allem getreu, bei ihrer Arbeit saß. „Du sollst den Sabbath heilig hal ten!" erklang eine Stimme, die Stimme des Ge setzes, in ihrem Innern. Aber ihr Sabbath war ein Arbeitstag bei den Christen; nur in ihrem Herzen konnte sie ihn heilig halten, und baS schien ihr nicht zu genügen. „Rechnet Gott denn aber nach Tagen und Stunden?" sprach cs in ihrer Seele. Am Sonntage der Christen war die AndachtSstunbe ungestörter. Tönten dann die Klänge der Orgel und die Lieder der Gemeinde von drüben bis in ihre Küche herein, da ward ihr selbst dieser Ort ein geweihter. Als dann las sie in dem Allen Testamente, dem Schatz und Hort ihres Volkes, und nur in diesem las sie; denn waö der Vater ihr gesagt, als der Lehrer sie aus der Schule entließ, das Gelübde, das der Vater der sterbenden Mutter gegeben: