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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188304260
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830426
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830426
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-04
- Tag1883-04-26
- Monat1883-04
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Rtt«ti»a und Lrprdtti«« JohanueSgaffe SS. Lstrechkonik» der Nedacti»»: Vormittag« 10—IS Uhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. »er für »t« «itchftfelie«», Ki«««r «cfltmmtonSnserate an v-che>t««e» di« » Utr N«ch«itrag», 2» »r, /iiielru für 3»s.-A»«ahmr: Ott, Ul»««. UnivrrsitLtSstraße 21, L««t« Lösche, Kathariaenstraße IS. p. »«r »t« '/.» v»r. 'rWlgtr.TMblalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Meß-Auflage 1?,8SO. Adonnementspreia viertelj. 4'/, Mß. incl. Bringerlohn ö Mk.. durch die Pv>> bezogen 6 Mk. Jede cmzclne Amnmcr 20 Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren sür Extrabeilagen ohne Postbesörderung 30 Mk. Mit Poslbesürderung 46 Mk. Inserate 6qespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut nnierem PreiS- Verzeichnis. Tabellarischer Lap nach höherem Tarif. Uerlamen unter dem Uedactioinltrich die Cpaltzeile 50 Pf. Inserate sind stets an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenumeranüc» oder durch Post- Nachnahme. ns. Donnerstag den 26. April 1883., 77. JchMiig. Amtlicher Theil. Die diesjährige Oster«esse endet mit dem 28. Aprtl. An diesem Tage sind die Buden und Stände auf den Plätzen der innere» Etadt bi» 4 Uhr Nachmittag» voll ständig zu räumen und bis spätesten» S Uhr Morgen» de« 2». April zu entfernen. D»e auf dem AugustuSplatze und aus de» öffentlichen Wege« und Plätzen der Dorstadt befindlichen Buden und Stände sind bi« Abend» 8 Uhr de» 24. April zu räumen und in der Zeit vom 29. April bi» 2. Mai, jedoch lediglich während der Tagesstunden von 6 Uhr Morgen« bi» 7 Uhr Abend«, abzubrechen und wegzuschaffen. Bor dem 29. April darf mit dem Abbruche der Buden und Stände auf dem AugustuSplatz« nicht begonnen werden. Dagegen ist e» gestaltet, Buden und Stände auf dem Roßplatze, welch« vor Beendigung der Messe leer werden, früher abzubrechen und wegzuschaffen, dasern nicht dadurch Störung de» Verkehr» oder Benachtheikigung de« Geschäft» in den stehen bleibende« Buden herbeigesührt wird. Es bleibt auch diesmal nackqelaffcn, die Schaubuden auf dem Rokplatze, sowie diejenigen Stände daselbst, an welchen »ne Lebensmittel seilgeboten «erde«, noch am 29. April geöffnet zu halten. Di« Schaubuden, sofern sie auf Schwellen errichtet, in- gleichen die Caroussel» und Zelte sind bi» Abend» 10 Uhr de» l. Mai, diejenigen Buden aber, rücksichtlich deren da» Ein- graben von Gäulen und Streben gestattet »nd eine längere Frist zum Abbruch nicht besonder« ertheilt worden ist. bi- längstens den L. Mai Abend» 3 Uhr abzubrecheu und von den Plätzen zu entfernen. Zuwiderhandlungen gegen diese Borschristen» sür welche beziehentlich auch die betreffenden Bauhandwerker oder Bau- nnlernehmer verantwortlich sind, werden mit Geldstrafe bi» zu 150 oder entsprechender Hast geahndet werden. Ueberdie» haben Säumige auch die ObrigkeitSwegen zu verfügende Beseitigung der Buden rc. z» gewärtigen. Leipzig, den 20. April 1883. Der Stath der Stadt LetyM. Hari vtr beabsichtigen die Vchmiedeftraste reguliren »nd pflastern z» lasten und die Arbeite» an einen Unternehmer zu vergebe«. Die sür die Ausführung geltenden Bedingungen liegen im Gemeindeamte au» und wolle man Offerten versiegelt mit der Aufschrist „Pflasternngsarbeiten" bis zum 7. Mat b«. 2». anher eiareichea. Sahli«, den 24. April 1SSS. Ser Gemetnderattz. Paulus. vr. Georg». )arr»itz. VMmklmch»»«. Nachdem wir Herrn Lonl» Theodor Klaprotb in Firma: Gebrüder Gofrwtsch hrer, am hentigen Tag« Eoncessivn zur gewerbsmäßigen Beförde rung von Auswanderern nach überseeischen Häsen und Ab schließung von SchiffScontracten im Aufträge , der Nieder« ländisch - Amerikanischen Dampfschifffahrt« - Gesellschaft zu Rotterdam ertheilt haben, bringen wir dir» zur öffentlichen Kenutniß. Leipzig, am IS. Avril 18SS. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Uhlmann. Dir bringen hiermit zur allgemeinen Kenntniß, daß der smenannt« Waageplatz an der Packhosstraße von heute ab nicht «ehr zur Ausstellung von Wagen oder Karren heuntzt werde» darf und fordern wir deshalb alle die jenigen, welche auf diesem Platze noch Wagen, Karren oder andere Gegenstände aufgestellt haben, auf, solche sofort und spätesten» innerhalb 8 Tag« von heut« ab» »ach Berichtigung der Platzmieth«, abzuholeu. Leipzig, am 25. Avril 1SSS. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Cichoriu». Dir bringen hiermit zur allgemeinen Kenntniß. daß Sonnabend, den 28., bi» Montag, den SO. laufenden Monat« Nacht» die Spülung der Hauptrvhren der städtischen Wasser leitung durch die Gpülfchieber nach den Schleußen, sowie vom 1. Mai ab die Spülung der Aweigrvhren durch die Zweig. Posten am Tage stattfinven wird. Leipzig, am 2S. April 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Cichoriu». Lelimnttmich««. Rach tz. 7 de« Gesetze» über die Ausübung der Fische« in fließenden Gewässern vom 15. Oktober 1888 muß Jeder, welcher die Fischerei au»üben will, ohne an der Stelle, wo er die» vorzunehmen beabsichtigt, entweder als Fischerei- berechtigter, oder al» Pächter, oder al» angestrllter Fischer zur Ausübung der Fischerei befugt zu sein, m«t einer von der Polizeibehörde beglaubigten Kifchkarte versehen sein. Der Betreffende hat diese Kart« bet Ausübung der Fischerei stet» mit sich zu führen und darf dieselbe einer anderen Person zu gleichem Bchuse nicht überlasten. Zuwider handlungen werden mit Geld bi» zu 15 «der entsprechender Hast bestraft. Di, von der hiesigen Fischer-Innung für di« fließenden Duffer in der Stadt und in der Umaeaend, soweit derselben da» Fischrrcht darin zusteht. au«aen»utrn, aber nur zum Angel» und unter Ausschluß de» Gebrauch» von Hechthaken berdchtigunden, für da» lausend« Jahr gültigen Fischkarten »««den in unserem Gatz-Bnrea» a« Raschwartte Rr I, I., gegen Erlegung von 5 aukgcgeben. Leipzig, am 25. April 1883. Da» Polizet A«t her Stadt Leipzig. vretschnrider. Dargnrr. Auctlr«. rouuewtw, de« 2». April 188«, S Uhr Nachmittag, loste» tz» Aarttonslaeale da» K«aiglich»a Amwarrtcht« 1 großer Pasten tiff»e »arr,»kww«rposte uud 88 Stück «terfiisirr «flemlich -» de» Meißbtateuden gegen sofortig« Saarzahlung versteigert »erde». Leipzig, de» A. April 1863. rhiettuch, Gerichtsvollzieher. Nichtamtlicher Theil. Der Windthorst'sche Antrag. Der 25. April war für die Berathung de« Windthorst'» chen Antrag» auf Freigabe de» Sacramentespenden» und Messelesen» tm preußischen Abgeordnetenhause bestimmt. Noch l'agS zuvor herrschte Ungewißheit darüber, ob e« zu dieser Berathung wirklich kommen «erde, ob nicht, wie schon früher einmal geschehen, Windthorst seinen Antrag im letzten Mo ment zurückneben würde. Die Situation ist heute eine andere wie sie im Januar war, al» der Briefwechsel zwischen apft und Kaiser veröffentlicht wurde. Damals glaubte da» entrum, daß der Ausgleich bcvorstehe und da» war die Ur- achc, weshalb Windthorst den schon gestellten Antrag wieder urückzog. Aber zwischen damal» und heute liegt die Debatte iber den Cultu-etat, während welcher die Zeilen de« hestig- ten Kampf» wiederaekehrt zu sein schienen. Zumal der Tag, an welchem die Mischehe,«frage erörtert wurde, brachte so leidenschaftliche Ergüsse der Centrum-sührer zum Vorschein, daß an Versöhnung zwischen der staatlichen und kirchlichen Gewalt in Preußen gar nicht mehr gedacht und daß der Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit der Curie schon wieder in Betracht gezogen wurde. E« kamen zwar auch wieder Zeiten, in welchen di« Möglichkeit de» An»gletch» nahe gerückt chien, aber diese Aussichten zerflossen wieder in Nebel, al» die „Rordd. Allg. Zta." die Angelegenheit de» Grafen Ledo« chonniki zur Sprache brachte, al» sie diesen Kirchenfürsten al» da» Kaupthinderniß sür den Aulgleich bezrichnrte. Durch da» Schreibe» de» Papst«» vom SO. Januar war de, Stand d«» Streite» in der Weise fixirt, daß die Anzeigepflichl seiten« der Kirche nnorlnnnt w«d« »nd danach gehandelt werden olle, sobald die Maßregeln einaeschränkt würden, welche der «nsstbung der geistlich»«» Macht und de« geistlichen Amt» 'owie de« Unterricht und der Ausbildung ve» Kleru» den -ehren und dem Geist der Kirche entsprechend entgegenständen. Damit war man am AuügangSpunct de» Streite» wieder angelangt und die vergebliche Arbeit hätte von Neuem be ginnen muffen, wenn nicht ein Ausweg gefunden wurde. Dieser Au-weg schien sich in der Form darzubieten, daß der eine streitige Ponct au« der Welt geschafft und da» Spenden der Sakramente und da» Meffelesen in den ge- perrten Kirchensvrengeln vom Staat nachgegeben wurde, dagegen der andere Streitpunkt wegen ve« Unterricht« und der Ausbildung der Geistlichen sollte vorläufig in der Schwebe bleiben. E» haben im Scbooßc de» preußischen Ministerium» darüber Berathungen stattgefunden, ob man eine Vorlage im Sinn« der päpstlichen Forderung «»»arbeiten olle, e» scheint aber, daß die nothwendige Einigkeit der Minister Über diese Angelegenheit nicht erzielt werden konnte oder daß man erst den Eindruck abwarten wollte, welchen der Windthorst'sche Antrag auf die verschiedenen Parteien machen würde, um dann dazu Stellung zu nehmen. Die Absichten der Negierung waren nicht klar erkennbar und da» Geheimniß über diese Angelegenheit ist auf da» Strengste bewahrt werden. — Der Windthorst'sche Antrag hat einen sehr verführerischen Titel, «» klingt so harmlo» und unverfänglich „Freiheit, di« Sakramente zu spenden und die Messe zu lesen" und die Regierung, welch« dies« Freiheit nicht einmal gewähren will, könnte leicht al» hart und gewalttbätig erscheinen. Aber mit dieser scheinbar so harmlosen Angelegenbeit bat es eine ganz besondere Bewandtniß. E« handelt sich um diejenigen Kirchen sprengel, welche durch die Schuld ihrer Oberhtrten von Geist siche» entblößt sind. Al» die Bischöfe von Köln, Posen, BreSlau rc. sich der Staat-regierung offen widersetztcn, al» sie durch den Gerichtshof sür die kirchlichen Angelegenheiten ihre« Amt» entsetzt waren, da wurden auch alle diejenigen Pfarren von Seelsorgern entblößt, welche ihren kirchlichen Vorgesetzten Gehorsam leisteten im Widerspruch mit den Anforderungen, welche die StaatSgesetze an sie stellten. E« war den Geist lichen untersagt» welche nicht die staatliche Bestätigung er halten hatten, da» Amt auSzuüben, zu welchem "sie nur von kirchlicher Seite ermächtigt worden waren. Denn sie e» dennoch thaten, wie ja vielfach geschehen, so mußten sie die Folgen auf sich nehmen, welche in Gefängnißstrafen und Aus weisung bestanden. Di« Staatsregierung hat seit einer Reih« von Jahren die strenge Durchführung ihrer Rechte der reni tenten katholischen Geistlichkeit gegenüber nur in sehr be> schränkte« Maße geltend gemacht, die Zahl der verwaisten Pfarreien ist sehr zusaminrngeschmolzen, die erledigten Bischofs sitze sind zum Theil wieder besetzt worden, Trier, BreSlau, Paderborn, Fulda haben neu« Oberhirten erhalten, und obwohl der BreSlauer Fürstbischof in der Mischehensrage sehr bedenkliche Neigungen zur Verschärfung de» Streit» vrrrathen hat, so hat sich doch die StaatSregierung mit den kirchlichen Behörden in allen diesen Divcesen ,n ein leidliche» Verhältnis gesetzt. Jetzt wäre die Möglichkeit geboten, wenigsten» äußer lich wieder Alle» aus den Standpunkt zu bringen, wie er vor AuSbruch de» Eulturkampse« gewonnen war, da stellt aber der Papst unerfüllbare Bedingungen und die Staat-regierung befindet sich in der prekären Lage, den ersten entgegen- kommenden Scbritt zu lhua ohne die Gewißheit, ob er die entsprechende Wirkung auf der andern Seite Hervorrufen wird. Die päpstliche Antwort auf da» letzte Schreiben de» Kaiser» vom Februar ist vor einigen Tagen in Berlin ein- getroffrn, der Inhalt desselben wird also voraussichtlich in der Sitzung de» Abgeordnetenhauses vom 25. April zur Sprache gekommen sein. Leistet der Papst aus die Forderung Verzicht, daß der Unterricht und di« Ausbildung de» Klerrch lediglich in die Hände der Kirche gelegt werdeu soll und fügt sich der Anzeigepflicht auch ohne di-feS unmögliche Zugrständ- niß, dann pt der Ausgleich gesunden und dann wird auch die Spendung der Cacraincntc und da« Lesen der Messe in den verwaisten Kirchrnsprrngeln keinem Hinderniß mehr b« cgnea» denn der Grund, welcher Beide» blSher verhinderte, äfft gleich fort, wenn der Anzcigepflicht von Seiten der lirche'genügt wird. , Die Schwierigkeiten bleiben aber auch diesem Fall noch bestehen in den Divcesen Posen-Gnesen und Köln, weil ein regelmäßiger Zustand erst nach der Nückkebr der Bischöfe oder der andcrweilen Besetzung beider Diocesen ilch wieder gestalten könnte. Die Begnadigung von LedochowSkt unk Melcher» ist so. wie die Dinge siegen, mcht gut denkbar, und ihr Ersatz wäre nur möglich» wenn sie freiwillig aus ihre Kirchcnämtrr Verzicht leisteten. Aber auch wenn die Verhältnisse in beiden Diöccsen vorläufig fortdaucrten, so wäre die Besetzung der erledigten Psarrcten immerhin durch Bicare zu erreichen, e» kommt nur darauf an, daß aus Seiten der Kirche der gute Wille dazu vorhanden tsi. Tie preußische StaatSregierung hat ihre Bereitwilligkeit zur Versöhnung erst vor Kurzem wieder m zwei Fällen zu er kennen gegeben, sie hat dem Fürstbischof von Olmiitz, nach dem er sich der Anzeigepflicht unterworfen, die gesperrten Temporalien für den preußischen Theil seiner Diverse an gewiesen, und sie hat dem Fürstbischof von Prag gestattet, die Firmung in dem preußischen Thetl seiner Dtöcese vorznnehmen. Der Ausgleich wird aber dadurch so sehr erschwert, weil die Curie sich von dem Gedanken nicht loS- machen kann, daß sie der preußischen StaatSregierung gegen über im Vorthcil bleiben will; könnte sie sich auf den Stand punkt der Gleichberechtigung stellen, so würden die Verhand lungen längst zu dem erwünschten Ziele geführt haben. Vielleicht gelingt e» jetzt de» Streit wegen de» Sacrament- pcnden» und Meffelesen» au« der Welt zu schassen, dann wird wenigsten- daS Terrain deS Streite» eingeschränkt, aber die letzte Position, bi» zu welcher dann die Staat-regierung zurttckzewichcn ist, wird sie voraussichtlich um so hart näckiger sesthalten. Der Staat kann und darf niemals daraus Verzicht leisten, daß er den Bildungsgang der Geist lichen überwacht und diejenigen Forderungen an ihn stellt, welche auch jeder a»dere Staatsbürger erfüllen muß, bevor er zu einem höheren Staat-amt zugelassen wird. In Glauben-fachen ist die Kirche competent, die allgemeine Bildung der Geistlichen ist Sache de» Staat». Dies« Grenze muß auch in Zukunft inne gehalten werden. Leipzig, 26. April 1883. - * Zur parlamentarischen Lage wird un» au» Berlin vom Dien-taa geschrieben: „Die Nähe de» Som mer», der auch für die Politik todten Saison, hindert nicht, daß wir un» augenblicklich in einer politisch außerordent lich bewegten Lage befinden. Kaum daß die kaiserliche Botschaft uü» der Discussion geschwunden ist. al» deren Folge vielfach ein Conflict vorhergesagt wurde, so lenkt der kirchen - »olitische Antrag des EentrumS die öffentliche Auf merksamkeit aus sich, der morgen seine Erledigung im Abge ordnetenhaus« finden soll. Die Situation ist heute um nichts geklärter, selbst diejenigen, die sich gewöhnlich den Anschein gebe». auS besten Quelle» zu schöpfen, gestehen, über daS waS morgen kommen wird, vollständig im Unklnrcn zu sein. Fest sieht nur. daß von Seiten des Herrn v. Goßlcr, wie bereit» gemeldet, eine Er klärung abgegeben wird, die den Standpunct der Regierung al» in Uebereinstimmuna mit dem Schreiben deS Kaiser» an den Papst bezeichnet. Im kaufe de» heutigen Tages sollte die endgiltige Redaction dieser Erklärung erfolgen, lieber die Hallunst de» Fürsten BiSmarck verlautet, daß er, der noch vor Kurzem die Anregung zur Ausarbeitung eine» kirchenpolitischeu Entwürfe» gegeben hat, den Windthorst'schen Antrag in seiner rein äußerliche» Gestalt nicht annehmcn wolle, hingegen die Straflosigkeit de» Meffcnlcsen» und dcö Spenden- der Sacramente in organischer Form erstrebt. Hierzu hält er jedoch ein« Modifikation der Anzeigepflichl al» unbedingt erforderlich, und wenn man der „Kreuzzeitung" glauben darf, vertraut Fürst BiSmarck noch immer, daß die Unter handlungen de« Herrn von Schloczer mit dem StaatSsecretär der Curie eine Verständigung auf diesem Gebiete herbci- sühren werden. Wenn vielfach nicht daran geglaubt wurde, daß Fürst BiSmarck in der That die Vorlegung eines Gesetzes aus der Basis der Anträge deS Centrum» beabsichtigt habe, so liegt e» wohl vorzugsweise daran, daß man nicht gewöhnt ist, daß ein Ministerrath einstimmig einen Wunsch deS Reichskanzler» verwirft. E» aiebt noch heute liberale Abgc ordnete, die trotz der entschiedenen Erklärung der „Kreuz zeitung", ihre Informationen über da» kirchcnpolitische Gesetz an» dem ReichSkanzlerpalai» direct zu habe», tnigläubig dazu da» Haupt schütteln und der Ansicht sind, daß c» sich um einen Coup handelt, der die noch Schwankenden umstimmen soll. Heute Abend erst werden die meisten Fractioncn ihre Be schlüsse über ihre Stellung zu dem morgigen Antrag fassen. Eine rückhaltlose Unterstützung wird derselbe bei den Polen, einem Theile der Conscrvativen und der Fortschrittler finden. Die Letzteren stehen hier wieder einmal gespalten einer der wichtigsten politischen Fragen gegenüber. Der radikalere Theil unter Eugen Richter wird sür den Antrag Windthorst eintreten. die gemäßigtere Richtung unter Hänel'» Leitung bleibt aus dem alten liberalen Standpunct. Von den Scccs- sionisten dürsten nur einige wenige Mitglieder de» Antrag unterstühen. Da« Gro» der Fraclion fühlt sich in dieser Frage noch ein» mit den Nationalliberalen, dir, wie nicht ander» erwartet werden kann, de» Antrag pure ablehnen wollen. Herr von Bennigsen ist nicht der Mann, sich an einer Frage von vrmcipicllrr Be deutung eine Sinnesänderung aus reiner Connivenz gegen die Regierung in gestatten, und da» Ccntrum weiß auch, wo e» seinen entschiedensten und zugleich seinen sachlichsten »nd bedeutendsten Gegner zu suchen hat. Herr von Bennigsen hat noch kürzlich diesen seinen alten unveränderten Stant- punct wiederholt in der Privatiinterhaltung zum Ausdruck gebracht. Mit derselben Entschiedenheit siebt Herr von Ben nigsen in der Frage de- MilitairpensionSgcietze» aus der vo» ihm seit jeher behaupteten Meinung. Er wünscht im Interesse der Gerechtigkeit und de» Finanzzustanteö der Csmmunen di- Heranziehung der Osficiere zu den Communal- leistungen noch Maßgabe de» von ihm seiner Zeit gestellten Anträge». Ader die Regierung ist nicht gewillt nach-ngeben und hat diese» noch in der gestrigen Sitzung der Militair- pensionS-Commission durch den Krieg-minister General Bronsart von Schellendorff erklären lassen. Die Sitzung verlief übrigens resultatto«, man kam au« den allgemeinen Besprechungen nicht berau». Der Minister erklärte, daß di« Frage der Eoni- niunalbesteurrnng der Osficiere nicht ,n den Rahmen de» Pension-gefetze« gehöre, bemerkte jedoch dabei, daß sich die Regierung selbst der Besteuerung de? Mobiliar-BevmögenS oder de» durch die Frau cingebrachten Vermögens Widerstand leisten werde und da» Pcnsioncgesetz unter dieser Bedingung ablehnen werde. Herr Windthorst hat gestern noch zu ehr unter dem Einfluß der bevorstehenden Berathung eine» Anträge» gestanden, denn wie warm er au« die Be teuerung der Osficiere empfahl, so erklärte rr doch, falls die Regierung diese Eoncessivn nicht machen werde, für das > ZensionSgesetz stimmen zu wollen. Es ist unbestreitbar, daß die Bennigsen'scbe Erklärung, daß die Liberalen das Gesetz ab- lehnen werden ohne kiese Eoncessivn, ans die Regierung einigen Eindruck machen wird. Man weiß, daß Herr v. Bennigsen kein Mann der starren Opposition ist »nd sich jeder Verständigung, die möglich ist, zugänglich zeigt; inan weiß auch, dag seine gestrige Erklärung nicht widerrufen wird, und damit ist ein Zweifel an dem Schicksal deS Mititair- eensionSgesetzeS nicht mehr vorhanden. Bedauerlicherweise tauchen schon wieder die Gerückte aus, daß die Nicklannabme de» MilitairpensionSgesetz die Hinausschiebung der Sanclivn de- CivilpensionSgesetzc» mit sich bringen werde. Damit würde ein Zustand geschaffen, der bei der äugeublicklichen politischen Lage die Mißstimmung nur vergrößern kann und sehr be denklich erscheint." * Bei der Krönung in Moskau wird unser Kaiser außer durch den Prinzen Albrccht nach neuesten Bestimmungen durch eine weitere Deputation vertreten sein. Dieselbe besteht au» dem commandirendcn General de» 9. Armeccorp» v. TreSkow, dem Obrrceremonienmeister Grasen Enlenburg und dem Flügeladjutanten und General ä I» «nibo deS Kaiser» Graf Alten. Die Deputation wird sich seiner Zeit direct nach Moskau begeben. * Die Rückkehr de» Herrn von Bötticher, di« sich iercit» mehrfach Uber den ursprünglich erbetenen Urlaub hinan« verzögert hat, sollte nach den letzten bezüglichen Mit- tbeilungcn in der letzten Woche des April erfolgen, ist aber durch ein erneute» Unwohlsein de» StaatSsecretair» wiederum aus unbestimmte Zeit verschoben worden. Herr von Bötticher Kat sich einer dritten Operation zu unterwerfen, da sich abermals neben der früheren Wundstelle ein Absceß gebildet, der zu seiner Beseitigung eine» operativen Eingriffe» bedarf. Herr von Bötticher erfreut sich sonst eine» guten Allgemein- besindenS und hat sich in dem milden Klima Italien» vor trefflich erholt. Er sehnt sich sehr nach dem Moment, der ihn au» dieser unerfreulichen Muße wieder in seine alte Thätigkeit versetzen wird und hofft nach glücklich bestandener Operation baldigst nach Berlin zurückzukchren. * Es ist wieder einmal davon die Rede, daß Lothar Bücher, der sich gegenwärtig auf Urlaub befindet, ,au» Ge- undheitSrücksichten" definitiv seinen Abschied nehme« werde. Bücher ist ein Altersgenosse de» Reichskanzler». * AuS Berlin wird uns vom DienStag geschrieben- „Im Reich «tage wird in der Berathung deS Krankencaffcn- gcseheö tapfer sortgcfahren, Präsident v. Levetzow eröffnet di« Sitzungen schon immer so früh, daß die Herren vom Abge- ordnctcnhause nach Schluß der dortigen Sitzung selbst mit Bcnuhung von Droschken erster Elaste nicht zur Zeit an wesend sein können. Heute waren bei Beginn der Sitzung kaum 20 Reichsboten zur Stelle. ES handelte sich um die Ortökrankencasscn, welche zu einer dreistündigen Auseinander setzung zwischen dein freiconservativcn Aba. Lohren und dem „Anwalt" der Gcwerkvereiiie Herrn vr. Hirsch Anlaß gaben, ohne daß die erregte Unterhaltung ein praktische» Resultat zeitigte. Iin Ganzen sind von dein Uber 70 Paragraphen starten Gesetz erst 15 erledigt. Da der Mittwoch dein Abgeordiictcnhause zur Verfügung steht» wird erst am Donnerstag in der DiScussion sortgefahren. — Iin Abgeordneten Hause wurden heute die drei Grund legenden Paragraphen deS Gesetze» über die Organisation der allge meinen LandeSverwaltuna, unter Ablehnung aller Anträge, in der von der Commission vorgcschlagcncn Fassung ange nommen. In einer anderthalbstündigen Rede hekämpste Abg. Hänel die Borlagc, während der welsische Hospitant de? EentrumS, Abg. vr. Brücl, Namens deS EeiitrnmS für die EoiiimissionSbcschlüffe cintrat. Minister v. Pnttkamcr gab eine etwas gewundene Erklärung. Die Beschlüsse der Eommisston, welche seine Vorlage völlig über den Hausen ge worfen haben, bezcickncle er als nicht ganz in» Widerspruche mit derselben »nd gab dem Wunsche Aufdruck, den Entwurf dnrcb- beratbcn zu sehen. — Abg. Richter (Hagen) regle bei der Generaldebatte de» KraiikeiicaffcngesetzeS den Gedanken an, die bctr EoniiiiHsion mis-,nserdern, noch in dieser Session die grundlegenden Paragraphen des UnsailversichcrimgSgesetzeS z» iwrathc» und dem Reichstage darüber Bericht zu erstatten. Diesen Gedanken bat jetzt Äbg. Nickert ausgenommen und einen sormulirlcn Antrag gestellt, welcher von der Fortschritts Partei und den Scccssioirisien unterstützt ist. Zu den Unter Zeichnern gehören u. A. die in der Ferne weilende» Abag. Virchow und Hernie? (Parchim), welche sicherlich keine Abnnng von ihrer Unterschrift habe». Dagegen fehlt der Name des Abg. Vi-. Laöker, wa-? anssallig bemerkt wird. Im G.i„z.m aber ist dieser Herr seit seiner letzten Krankheit überbanpl ruhiger geworden und geht z, B. bei Berathung dcö Kransin- caffcngcsctzeS gegen die „Liberale Bereinigung" mit den Nalicnal- Libcraleii." * Ter Antrag Nichtcr-Rickert wegen beschleunigter Bc- rathung der grundlegende» Paragraphen des Unfallver sicherung sg esctzeö wird vorauüsichllich schon in der nächsten Sitzung der betreffenden Eommisston zur Erörterung komme», bevor noch im Plenum über ihn verhandelt worden. Es ist kaum euizuiiehmcii, daß der Vorschlag in der Evm- mission ans Widerstand stoßen wird. Nur dürste cS sich em- psehlen. den in dem Anträge ausgcsührten Paragraphen t bis l4 noch de» tz 33, welcher für die Ausbringung der Ent- schädigungSbcträg« das Umlagcversahrcn einstthrt, hinzu- zusügen. * Mehrere Arbeiterverfanimlungen in Berlin von vorwiegend socialdcmokratlschem Ebaraklcr haben sich in den letzten Tagen mit dem Krankencassen- und UnsallversickerungSgesetz beschäftigt, und eS ist von großem Interesse, die Anschalluugci, dieser Kreise über die Frage kennen zn lernen. Die Versammlungen haben sich übereinstimmend sür die Nothwcndigkcit de» Bersicberungs- zwangS und der staatlichen Regelung der Kranken- und Unfallversicherung ausgesprochen, sich aber entschieden gegen die vergckchlagene bnrcaukratischc Organisation der Caffcii, die den Arbeitern keine Belbciligung an deren Verwaltung gewähre, erklärt, weshalb die vorliegenden Gesetzentwürfe
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