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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.06.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188306288
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830628
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830628
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-06
- Tag1883-06-28
- Monat1883-06
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.06.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Le-sctis« und LrpröM«» Iohannesgasse 33. Aprechtuii-rn der Ur-artio«: Vormittags 10—13 Uhr. Nachmittag« 5—8 Uhr. M» «M^», «»,»>.»»,« »««Nnyte »»««»O su M»-««», »ich, »rr»,»»,m> U»»sh»e »er für »te »rchftfsl^s« N»«»er sr stimmten Inserate u» IBechettt«,«, bi« 3 lltr Nachmittass, ,»«««»- uns Festtase« früh »ts '/,* Uhr. 2» öe> Filislrn für I«s.-Knnatz«e: Ott» Klemm, NniversitLtsstrobe 31, Ls»ts L-sche» Katharinenstraße 18,». m»r dt» '/,3 Utzr. h Mip)igcr. TaMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschLstsverkcÜr. Auflage L8,L00 Adsnnnnrnt»»rris viertelj. 4'/, Mk. incl. Bringerloha 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren lür Extrabeilagen »t»ur PostbciSrderung 39 Mk. mit Postdejörderung «8 Mk. Inserate Ogcspaltcne Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut unserem Prri«. verzeichnig. Tabellarischer Sa» »ach höherem Iuris. ilerlameu unter dem Nkdactisnsstrich die Spaltzeile SO Pf. Inserate sind siel» a» die Ezxprditia» zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuumei anäo oder durch Post. Nachnahme. 178. Donnerstag den 28. Juni 1883. 77. Jahrgang. Jur gefälligen Beachtung. Um bei Ausgabe der Lcgitimationskarten zum Lbholen des Tageblattes beim Quartalwechsel den Andrang möglichst zu beschränken, haben wir die Einrichtung getroffen, daß Karte nnd Rechnung bereits von heute an in Empfang genommen werden können. Lxpeältlon ävs L-elpilxer ^axvdlattvs. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Dl« ln nachstehender Bekanntmachung vom 10. Oktober 1874 enthallencn Borschristen find in neuerer Zeit vielfach unbeachtet geblieben, namentlich hat man hllnfig Schaukästen und andere über die Straßensluchtlinie hervortretendc Gegen ständ« ohne Weitere« angebracht und erst um Erlaubniß nachqesucht, wenn durch Aufsichtsbeamte auf die bestehenden Vorschriften hingewiesen worden ist. Wir bringen daher diese Vorschriften zu strengster Nach achtung hierdurch in Erinnerung. Zugleich verweisen wir darauf, daß da« Verbot der Gtell- und Doppelsinnen nicht dadurch umgangen werden darf, daß man von un« genehmigte, in die Straße vortretende Geschäfts zeichen mit seitlichen Ausschriften versteht, lvelche die Stell- sirmen ersetze», oder Schilder mit Ausschristen daran anbringt. Dergleichen Aufschriften werden im Einklänge mit älteren Bestimmungen und Entscheidungen nur auf oder an den Zeichen solcher Geschäfte gestattet, welche von Alter» her Zeichen mit Ausschristen geführt haben, z. B. Glaser» und Schlosser- Werkstätten, Barbierst» ben und dergleichen, nicht auch bei den erst in neuerer Zeit aufgelommenen verschiedenartigen Reclame- gegrnständen. Leipzig, am 28. Juni 1883. Der Rath der Gtadt Leipzig. Hennig. vr. Georgi. Bekanirtrnackmrg. In Folge von Borstellungen seiten« Brtheiligter heben wir unsere Bekanntmachung vom l. Juli 1874. die an DerkaufSgewölbeu und Schaufenstern angebrach te« Marquisen betreffend, auf uud bestimmen nunmehr Folgendes: 1) Boi« I. April 187S ab «üsse« die hier nach Straßen und öffentlichen Plätzen zu an Gebäude» bcsind- lichcn Marquisen so angebracht sein, daS der Abstand derselben von» Trottoir oder Fuß wege mindestens K,2 Meter beträgt und daß sie in ihrer Tiefe die Breite der darunter gelegenen TrottoirS oder Fußwege nicht überschreiten, wobei jedoch da« Anbringen von Stütze» an den äußeren Theilen der Marquisen un stattbaft ist. I) Im klebrigen bat e« dabei sein Bewenden, daß, wir wir hiermit zugleich verordnen, Schaukästen, AuS- iegetasel«. Firme«, Dorbaue, Stellage» und zum Aushängen von Berkaussartikeln dienende Vor richtungen jeder Art sowie alle Gegenstände sonst, welche vor den Gebäude« oder dere« Slnfriedigungen nach der Straße zu ange bracht oder auSgehange» werde«, von oer Gebäudesronte über die Straßealtale »tcht her» »ortreten dürfen. Ausnahmen hiervon sind nur mit besonderer Ge nehmigung der Unterzeichneten Behörde, sowie nur unter der Voraussetzung zulässig, daß keine Gefährdung, Be schränkung oder Beeinträchtigung der Passage siattstndet. 8) Es bewendet auch bei der bestehenden Vorschrift, wonach Stell- und Doppelsirme« nur »Lbreud der Messen gestattet sind und dann, sowohl an Erker- Häusern als auch an andern von der Hauptmauer de« Hauses an gemessen, mehr nicht al» 1,15 Meter in die Straße hervorrage» dürfe«. Zuwiderhandlimgen werden mit Geldstrafe bis zu Zwanzig Thalern oder mit «Hast bis zu vierzehn Tagen bestraft, auch eventuell die den vorstehenden Be stimmungen nicht entsprechenden Anlagen auf Loste« der Besitzer beseitigt werden. Leipzig, am 10. Oktober 1874. Der Rath drr Stadt Leipzig. vr. Georgi. vr Reichel. Bekanntmachung. Die Entschädigung sür die in der Zeit vom 5. bi» 18. Juni c. allbier am Augustusplatz, an der Dörrienftraße, am Grimmaifchen Stcinwcg, an der HoSpital straße, Johannes- gaste, Nürnberger-, Post- und Ealomonstraße einquartirt gewesenen Truppen vom Aöntgl. Sächf. 8. Infanterie- Regiment „Prinz Johann Georg" Rr. 107 kann in den nächsten 8 Tagen bei unserm Quartier-Amte. Stadthaus. 2. Etage, erhoben werden. Der den Quartierzrttel Borweisende gilt zur Empfang nahme berechtigt. Leipzig, am 26. Juni 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr Georgi. C. Bekanntmachung. Das 9. Stück de- diesjährigen Reich-gesetzblattet ist bei »ns «ingegangen und wird bi- zum Läft Juli d. I. au de« Rathhaussaale zur Einsichtnahme öffentlich aushtiagen. Dasselbe enthält: Nr. 1438. Gesetz, betreffend di« Krankenversicherung der Arbeiter. Bcm 15. Juni 1883. Leipzig, den 23. Juni 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Bren vr. Gesr-i. rendel. Bekanntmachung. Die Reinigung und drr Anstrich von ca. 2000 laufende Meter eisernen Brücken- und Usergeländers soll an einen oder mehrere Unternehmer in Nccord vergeben «erden. Die Beringungen sowie das Lerzeichniß der Geländer- kecken liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, Rathhans, 2. Etage, Zimmer Nr. 14, aus und können von dort ent nommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt »nd mit der Aufschrift: „Anstrich von eisernem Brücken- und Ufergeläuver" »ersehen ebendaselbst und zwar bi» zuia 8. Juli er. Nach mittags b Uhr einzureicheo. Leipzig, ben 25. Juni 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Hennig. Anzeige. Die öffentlichen Prüf»«,?« der Hebammen-Schülerinne» Inden streit««, den 29., und K,»nabens. den 3V. Juni, ede-mal von 3 Uhr ab im H-rfaale Des Trier'schen Institutes tan. Leipzig, den 28. Juni 1883.Professor vr. Trebs. Wriu-Auction. streit««, den 2». J««1 1883, v«rmttta«S 8 Uhr ollen in de« Keller de« «rundftücks Markt Nr. ld hier Ksushallr» 14 statz Wcitzwein, 1 Fast Nstdmein und I -atz In« a» den Meistbietenden gegen sofortige Baarzahlung Sffcnillch versteigert werden. Lin Berzeichniß der Weinforten ist dem An- chlage an dem hiesigen GerichlSbrcle, Pelcrsstennveg S6, Hausflur, beigesügt. Leipzig, den 2S. Juni 1883. Darichen, Gerichtsvollzieher. Vom Donner-taa den 18. d. M. ab wird der Fahr- und Reitweg, welcher von dem Iohannaparke nach der DiSnearS- raße führt, auf der Strecke vom AuSaanae des ohannaparkrs bi» zur verlängerten Mosq»eie<- raße ivegen Herstellung der Kreuzung desselben mit der iarschnerstroße sür sämmtitehe« Fahr« und Rettverkehr bi» aus Weitere» gesperrt. Leipzig, den 27. Juni 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi.Hennig. Die Herstellung verschiedener Trottoirübergänge in einigen Straßen drr inneren Stadt und der Vorstädte soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen sür dies« Arbeiten liegen «n unserer Tiefbau-Verwaltung, Rathbau«, Zimmer Nr. 14, aus und können daselbst eingcsehe» rrsp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Trottoir-Uebergäuge" versehen ebendaselbst und zwar bis zum 29. Juni ds«. I». Nachmittag» 5 Uhr einzureichen. Leipzig, all, 25. Juni 1883. De- Raths drr Stadt Lrtpzig Straßenbau-Deputatton. Bekanntmachung. Die Herstellung von Pflaster mit Schlackengußstcinen in demjenigen Theile der Eolonnadrnskraße, welcher noch nicht verbreitert ist, soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, Rathhaus, Zimmer Nr. 14, au» und könne» daselbst eingesehen rrsp. enluommrn werde». Wir fordern hierdurch anderweit auf. ebendaselbst bezüg liche Offerten versiegelt und mit der Aufschrift: Pflasterung der Colonnadenstraße versehen und zwar bis zum tri. Juli «»>., Raehnetttags S Uhr einzoreichen. Leipzig, am 28. Juni 1883. De- Rath« der Stadt Leipzig Straßendan-Deputatto«. Auktion. Bon dem Unterzeichneten Armenamt« sollen Montag, den K Init n. e. Bor«, von V Uhr an «ehrere große Fässer mit Stiefelwichse, einlge Kitte« «ad Fässer nitt leeren WichSbüchsen, sowie verschiedene zur Wtchssabrtkation gehörige Gegenstände, ferner Möbel, Han», und Kückengeräthe. Betten» Kleidungs stücke. Wäsch« u. s. w. meistbietend versteigert werden. Leipzig, den 25. Juni 1883. Das Arnren Anrt. Ludwig-Mols. Junghähnel. Holz-Auclion. Im Nutserfltltsmalsr »et Lieber» wolkmttz solle, Mtttmach, de» s. Juli » I. von Barmittaa 10 Uhr «n 1SS0 Stück Fich-nsta-gea ^ 4 hi« 1L «m. Uutrrstürke, 317 Raammetor kiefern« Nolle» und Lb velleuhuubert kieferue und fichteue Nrihigbunbe erae» Erlegung drr geordneteu Anzahlung sofort nack, dem Zu schläge uud unter deu sonst bekannt zu macheuden vediagungea meiOstetend versteigert werden. Bers««Ml»ue: «ui de« langen We«r a» Serstfelde. Leipzig, am 32. Juni 18SS. UntderßtSt«»Neutamt. Gras. Soncursversahrtn. Ueber da« vermsgrn des Brauerei- «nd Mülzereibessder« Alegauder K«tsch«r zu Wuttz wird hnne. am 3Ü. Juni 1883, RachmUtag« 4 Uhr, das Lancursversahren «rüffnet. Drr Rechts-Anwalt Etzrtz«rdt hier wird zu» Loncursuerwalter ernannt. Loucnrssordernnge» find bis zum 25 Au««ft 1883 bei dem Gerichte anzumelde». Ls wirb znr Veschlnsssassiing über di« Mahl eine» anderen Ber »alters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und «inirrtenden Falls über di« ia tz. IM der Loncursordnuug de- zeichneten »egeustünd« — ans stsuuadeu». de« 21. Juki 1883, Varwitt««« 11 Uhr, — und zur Prüsuug drr angemelderen Forderungen aus Ronta«. sc» 1?. September 1883, varmitt««» Is Utzr. — vor drm Unterzeichneten Gerichte, Geschäftszimmer Nr. 2, lermin anberaumt. AI«, Personr», »elche eine zur Loucursmasse gehsrige Sach« in Besitz Hab«« »der zur Loucnrsmasse etwas schuldig sind, wird aus. gegeben, »ichts an den Grmeinichuldaer zu verabfolge» »der zu leinen, auch d-e Brrpslichiung „serlegt, von dem Besitz« ber Sache »ad von deu Forderungen, sür welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedig»»- i» Anspruch »ehmen, de« Loacursverwalter dis zum 31. J»U 1883 Anzeige zu macke«. Wer sei«« Au Meldung schriltlich etnreicht, ha« eine Abschrift der selben und bereu Auloqrn beizufügeu. Z» Sachwaltern werden die Herren Justiz-Nottz Loreuz, Justiz-Nakh Plesch und Nechls-Amvait Uhrhurd« hierseltst i» Vorschlag gebracht. * KS»tWtches Amtsgericht I. Nichtamtlicher Theil. Line neue Lage Endlich nach einer Periode dumpfen Hinbrütens, stiller Ergebung in das, wa» unvermeidlich schien, nach einem parla mentarischen Niedergang ohne Gleichen hat sich die liberale Partei unter nationa(liberaler Führung in der Sitzung dc- preußischen Abgeordnetenhauses vom 25. Juni zu einer Krast- anstrcnaung ermannt, welche un» mit der Hoffnung auf die Wiederkehr besserer Tage erfüllt. Unmittelbar vor der Ent scheidung über die Preisgabe der Anzeigcpflicht ohne irgend welche Gegenleistung zeigte der Abg Gotting dem Hause die große Kluft zwischen sonst und jetzt, er ries den Ursprung des Kulturkampfes in- Gedächtnis zurück. Gerade die man,zel» haste Vorbildung der katholischen Geistlichen, ihre einseitig kirchliche Erziehung waren e», welche den confessionellen Frieden n Preuße» störte und die Maigesetzgcbung hcrbci- ührte und nicht minder die Unduldsamkeit gegen den Pro testantismus. Der Abg. Göttin» trat der Auffassung ent gegen, als ob es in dieser Beziehung ander» und besser ge worden sei, im Gegentbeil Hab« der jetzige Papst gegen die Protestanten genau dieselben Gesinnungen wie sein Vorgänger. Das sagte er doch über die protestantischen Schulen in ka tholischen Ländern? Der Protestantismus sei eine Pest, ein pestilenzialischer Jirthum, ein aus Gottlosigkeit entstandcueS System, eine ketzerische Betrügerei, die Rcsormation sei die Ursache der Revolution »nd der Gocialdemokratie. Götting citirte das Urlheil der „Germania" über den Reformator Luther, als dessen hervorstechendsten Eharaklerzug sie seine schrankenlose Fleischeslust bezeichnet. Und als dann Stöcker dennoch Worte fand, um den Gegensatz zwischen den beiden Confcssionen zu verhüllen »nd alS Phantasiczebildc auSziigkbrn, da war eS der Abgeordnete von Eynern, welcher an der Hand der eigenen Worte deS Fürste» Bismarck den Beweis lieferte, vaß eS die Pflicht deS Protestanti-mliS und der protestantischen Obrigkeiten sei, sich gegen den unersätt lichen und uilveisöbnlichcii Geist de« katholischen ElernS zu wehren. Dem Abgcorkneten Windthorst rief er zu, daß aus Olmiitz Königgrätz folgte und daß auch die Zeit kommen werde, wo der klerikale Uebermulh sich be»igen werke. Zündend wirkte auch besonders der Schluß der Rede deS Herrn v. Eynern: „Ich will den Frieden mit der römischen Kirche, aber ich will nicht, daß diese Kirche, welche unduldsam ist und sich die alleinseligmachende nennt, ihren triiimphire»- dni Einzug in diese« Land in demselben Jabre hält, in welchem wir den ErinnerungStag an den großen Re formator feiern." ES war da» protestantische Bewußt sei», welche» sich ausbäumte gegen die Z»muthl»ig. daß die Frucht langer »nd erbitterter Kämpfe einfach preis- gegeben werden solle, bloS weil eS der Regierung in ihr politisches Programm hincinpaßt. Daß die Abgeordneten Götting und von Eynern den wunden Punct getroffen hatten, das bewies die gereizte Erwiderung Dindt- horsl'S, welcher die parlamentarischen Grenzen so weit überschritt, daß ihm sein eigener Parteigenosse von Heerc- man den Ordnungsruf ertheilte. Und dock mußte Windthorst cinräumen, daß, wenn der consessionctle Hader so weiter sortdestehe, wie bisher, daS zu Zuständen führen müsse, welche höchst bedenklich für die Rübe und Sicherheit des Landes wären. Der Paragraph, welcher da« Gesetz überhaupt vom liberale»« Slandpuncl aiinchnil - machte, das Einspruchsrecht der Regierung gegen die A» stellung von Geistlichen, welche aus bürgerlichen, slaaksbiirger- lichen oder in mangelbaster Vorbildung beruhenden Gründen zur Ausübung ihres AmleS ungeeignet erschienen, ist von de» konservativen und von der Regierung aus Verlangen de» Erntrum» fallen gelassen und damit der Weg aufgegeben, welcher in der Note vom 5. Mai betreten war. statt einseitiger gesetzlicher Regelung de» Verhältnisse» zwischen Kirche und Staat, ist die bisher vorhandene Schutzwehr gegen klerikale llrbergrifse einfach theilweise niedergerisscn und damit eine Lage geschaffen, die nicht nur neu. sondern aus die Dauer unerträglich ist. Da» war es, wa» auö den Wehcruscn der Götting und v. Eynern herausklang und was ihren Worten ein« so tiefgreifende Wirkung verbürgte. Wenn uns in Vieser beklagensiverlhen Lage etwa» zu trvften im Stande ist, so ist es die Einmülhigkeit des Widerüaiides ans liberaler Seite gegen den betretenen Weg der Unterwersung drr Staats gewalt unter die Kirche. Nationalliberale und Secess,»nisten stimmten mit Ausnahme des Abgeordneten v. Hönika ge- schlossen gegen das Gesetz und mit ihren Stimmen ver einigten sich die von l2 Mitgliedern der Fortschritts partei; die 407, welche gegen die conservativ-klcrikale Eoalilion rusammensianven, bilden den festen Kern der Partei der Zu kunft. um welche» sich alle die Elemente ansetzrn werden, welche wie Bennigsen von tiefem Widerwillen gegen die gegen wärtigen Zusiändc dnrckdrungen sind. Es war ein eigen- thllmlichks und sehr glückliche» Zusammentreffen, daß die Ant wort Bennigsen » aus die Adresse der nationalliberalen Fraclion gerade an dem Tage bekannt wurde, an welchem die wich tige Abstimmung über da- kircheupolitische Gesetz statlsand. Die steigende Verbitterung der Parteien, der immer schärfer austrrtend« Gegensatz zwischen der Reichsregierung und den Parlamenten, die Spaltung unter den Liberalen in wichtigen, selbst entscheidenden Fragen bat es dem bedeutenden Parla mentarier zur Zeit „umöglich gemacht, noch fernerhin in versöhnliche« und ausgleichendem Sinne za wirken und des halb hat er sei»« Mandate sür den Reichstag und den preußischen Landtag niedergelegt. Aber diese- Ereigniß hat auf die liberale Partei regenerirend gewirkt, die von Bennigsen so schwer vermißte Einigkeit unter den Liberalen ist am 25. Juni bei der entscheidenden Abstimmung über das kirchenpolitische Gesetz bis aus einen Brnchlbeil der Fort- sckritlsparlei tatsächlich vorhanden gewesen, die Liberalen haben sich in der einmüthige» Empfindung des Widerstandes gegen eine Politik zusammongesuiide», welche die Entscheidung », die Hände de- EcntrumS legt. Windthorst krängt die Regierung weiter auf diesem Wege, aber die Liberalen sagen Nein und diese- Nein wird wachsen an Kraft und llmsaiig, und bei den nächsten Wahle» werden wir sehen, ob das Volk sich noch ferner einer Mehrheit beugen wird, welche den Rückschritt aus staatliche», und aus kirchlichem Gebiet aus ihre Fahnen geschrieben hat. Der 25. Juni bezeichnet den Wende- punct einer Entwickelung, welche bis zur Preisgabe der Anzeige- Pflicht der römische» Curie ohne enlsprecheudc Gegenleistung ge führt hat. Die Abwehr deS klerikale» llrbermull'S war eS, welche die besten Kräfte der deutschen Nation ein Jahrzeh», hi», durch vereinigt hat und sie wird auch aus- Neue die Parole werden, welche die Rückkehr zu einer Politik verbürgt, welche mit dem Sturze des Minister- Falk ihr Ziel gesunden hat. Die Schule muß frei gehalten werden von dem Einfluß der römischen Curie und die deutsche Bildung muß sich frei von confcssioiiellcm Druck entfalten dürfe». In dieser Forderung begegnen sich alle Männer, welche aus die Bezeichnung liberal Anspruch machen und von diese», gemeinsame» Mittelpunkt aus wird sich auch die Verständigung über die andern wich tigen Puncle finden lassen. Leipzig, 28. Juni 1883. * In dem heißumstrittenen Wahlkreis Neustadt- Landau hat in der Ersatzwahl zum Reichstag nach Privattelegramm fortschrittlicher Blätter der Candidat der Nationalliberalen. Rechtsanwalt Mahla, über den Candidaten der Fortschrittler und Ultramoiitanen, Guts besitzer Sartorius, gesiegt. Die Mehrheit ist freilich nicht groß, wenn die Zählungen richtig sind 9408 gegen 9277, aber sie genügt und e» stand von vornherein ziffermäßig fest, daß gegenüber der starken Coalition der Demokraten und Ultramontanen der Sieg auch in, günstigsten Falle nur mit knappster Stimmcnzaht errungen werden würde. Bei der Wahl vom Jahre 1881 haben die Nationalliberalen ihren Candidaten erst in einer Stichwahl durchgebracht, diesmal schon im ersten Wahlgang. E« war ein Kamps von uncr- bvrtcr Heftigkeit gewesen, der mit diesem hocherfreulichen Crgebniß z» Ende ging. Seit Wochen batte die Fortschritts partei »lit ihren ersten Männern den Wahlkreis vereist; am letzten Sonntag war Engen Richter dort und versäumte darüber die Abstimmung über da» Kirchengesetz. Ein eigenlhümlicheS Zusammentreffen, daß an demselben Tag. wo in Berti« die klerikal-conservativr Mehrheit da« Kirchen- geletz annahm, in der Pfalz die klerikal-demokratische Eoa- lition zu einem großen Schlag auSholte. Und in ber LiebcS- werbung um die Ultramcntanen haben die Fortschrittler in diesem Wahlkampf da» Menschenmöglichste geleistet. Ter Slandpuncl Lenzmann, der >„ Dortmund so gute Dienste gethan, wurde hier noch weit Überboten. Und auch die kleine, aber immerhin ins Gewicht fallende konservative Partei kam indirekt den Fortschrittlern z» Hilfe durch den Beschluß, sich der Abstimmung zu entbatten. Und Alle» bat nichts geholfen. Wie oft hat man die nationalliberale Partei in bei, letzten Tagen tovt gesagt! Sowie Gelcgcnbeit zu einer Probe war, hat sie sich noch recht lebenskräftig erwiese». Die Fortschritts partei aber hat zu der Niederlage noch daS Odium de» offenen Bündnisses mit den Ultramoiitanen, das ihr noch lange nacbgeben und vielleicht recht übel bekommen wird. ES ist eine schlechte Politik, in Fragen, die unser Volk aus» Tiefste bewegen, sich von so kläglichen Speculalionen, wie die aus diesen oder jenen Wahlkreis leiten zu lassen. * Die Wichtigkeit der namentlichen Abstimmung über da- Kirchengefctz im preußischen Abgeord netenhause rechtfertigt eS. daß man die Haltung der Parteien dabei etwa- eingehender untersucht. DaS Gesetz ist mit 224 gegen >07 Stimmen angenommen worden, die Mehrheit ist also etwa» geringer, als bei der Abstimmung über Art. 1, wo sie 245 gegen 87 betrug. Vollständig ge schlossen für da» Gesetz träte» die Dentscheonservativen, daS Ccnlrum und die Polen ein, vollständig geschlossen dagegen die Nationalliberale,,. Von den Seeeliionistc» stimmte ein Mitglied, Abg. v. Hönika. sür daS Gesetz. Völlig uneinig traten die Freiconservalivcn und die Fortschrittspartei au». Von den Freiconsrrvativen l57 Mitglieder) stimmten >0 sür da» Gesetz, nämlich die Ai>gg. Achenbach. Gras BiSmarck- Schönhausen, von Hochwächter, Lobren. Lückhofs, Gras Posa- dowSky, Seehusen, v. Ticdcmann-Labischin, Weiß-Tilsit, v. Wnrmb; gegen da» Gesetz stimmten 22 Mitglieder, 8 ent hielten sich der Abstimmung und 17 fehlten. Bon der Fort schrittspartei (38 Mitglieder) stimmten 7 mit Ja, nämlich die Abgg. Flinlch, Körner, Langerbans. Lieber-Hochheli». Löwe-Berlin, Mohr, Scl'mieder, l.'l nnt Nein. Nicht weniger denn l8 fehlten bei einer so wichtigen Abstimmung! Die fehlenden waren die Abgeordneten Bender-Königsberg, Dirichlrt, Hänel, Harber», N,ckcl, Parisiu», Pfluca, Quadt, Eugen Richter, Seclig. Springorum, Steffen-, Straßmann, Ublendvisf. Wißmann, Zelle, Spanjer, Ster». Bei 8 von diesen fehlenden ist aus Grund früherer Ab stimm,ingen oder nach ihrem sonst bekannten kirchenpolitische» Stankpunct mit Sicherheit aniunehmcn, daß sie im Falle der Anwesenheit mit ja gestimmt haben würden. Bezüglich de» Abg. Eugen Richter constatirt e» sei» Specialorgan, die „Berliner Zeitung", ausdrücklich. Während da» radical- sorlschrittliche Blatt aus der ersten Seite Uber den schmählichen Gang nach Canossa jammert, stellt es auf der dritten Seite fest, daß. wenn der Abg. Richter nicht verhindert geiveic» wäre, an der Abstimmung thestzunehmen, «di« Mehrheit sür das Gesetz noch um eine Stimme größer gewesen wäre. DaS genügt zur Kennzeichnung des kirchenpolitische» „Programms" der einträchtigen Fortschritt-Partei. Die zustimmenve Mehrheit von 224 Stimmen bestand aus l>0 Uttramontanen und Pole». 95 Eonsrrvativen. lO Freiconsrrvativen. 7 Fortschrittlern und vereinzelten „Wilden", also ll4 Nichtklerikaien. Die Zahl nichtkftrikalrr Stimmen aus der zuslimmendeil und der ab lehnenden Seite ist also ziemlich «llcich, und e» zeigt sich klar, was es mit der Behauptung aus sich hat, der „Culturkamps" sei von allen Parteien verurtheilt.
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