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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.08.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188308140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830814
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830814
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-08
- Tag1883-08-14
- Monat1883-08
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.08.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Lr-aciion und Lrpeditio« JohanneSgaffe 33. APrechKnn-rn -er Ne-attion: vormittag» 10—IS Uhr. Nachmittag» 5—6 Uhr. v«, »t« W»»»« «.mtcrchte »»«I sich »M»« U»,»j»>»t«r «-m>kri»t« »i« Ned»ct>»n mchl »eivmdtich, ««nah», »er für »te «ichfts-lgende N«««er »eftt««teu Inserat, an Wochentag» »>» 3 Uhr «achmtttags. an T»««- «n» Kefttagr« früh bi» '/,v Uhr. 3u -en Filiale« für Ins.-Annahmn vtto -Ir««. UniversttätSstraße 21, Lau,» Löscht. Katharincnstraße 18. p. nur bis '/,» Uhr KlWM.TMblM Auzeiger. Organ für Politik, Localgeschiihte, Handels- nnd GeschüstSverkehr. Anslag» LS^0O. Ad«lnr»rut,,rri, viertelt. 4'/, M>U iucl. Briaaerloh» » Mk, darch die Post b^age» 6 PL . Jede ttuzel« Nummer SO Pf. Belegrrnnplar 10 Vl. Gebühreutür Eztrabetlaaa» ahne VostbriLrdrnmg 3» «L «tt Postbesörveru», 48 «k- Inserate Saefpaltme Petitzeüe tO Pf. Größere Schriften lant nasere« Prris- verzeichutß. Tabellarischer ». Usferusatz nach --her« Tarifs Lerlane» unter de» Re-artian-rlch die Spaltzelle SO Pf. ^ Inserate sind stete an dir »rpehitio M sende». — Rabatt wird nicht gegedr». Zahlung prnaunMarauäa »der dnäh Post« »achnahme. 228. Dienstag den 14. August 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Thetl. vekranntmachung. Wegen Herstellung der Huch»strafte wird dieselbe aus der Strecke vo» der Kronprinz- bis zur Fichtestraße von Donnerstag, den 11t. dsS. MtS. ad für allen unbefugten Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 1l. August 1883. Der Stath der Stadt Lelznig. Dr. Tröndlin. Hennig. Vicbkahls - Vckannlmachung. Gestohlen wurden allhier erstatteter Anzeige zufolge: 1) Ein breiter goldener Ring mit gelbem Stein, au» einer Stube in Nr. 20 der Burgstrabe, iu der Zeit vom 39. vor. bi» 5. dss. Mt».; 2) zwei weiß- und blangestreiste leinene Mann-Hemden, vier Paar braune baumwollene Strümpfe und acht bunte, baumwollene Taschentücher, au» einer Schiaskammer in Nr. 66 am Ranstüdlcr Sieinweg, vom 30. vor. bi» 5. di». Mi».; 3) sechs Paar Messer und Gabeln. mit Mefsingqriffen, au» aus einem Kuchcnraunie in Nr. 7 b ocr Windmühleugasse, vom 30. vor. bis 6. dss. Mrs.; 4) ein Paar kalblederne Araiienstiefelctten mit Gummieinsatz und Doppelsalten, aus einer Lchiaskammer in Nr. 14 der Katharinen, strabe, am 6. dss. Mts.; 5) ein Lpcrnglas in schwarzem Gehäuse, mittelgroß, nebst schwarzem Futteral, in wachem sich die Firma „k'raur Uu^or«I>nst, Teipni-;" befindet, au§ dem zweiten Rang im Neuen Ttadttheater, am gleichen Tage Abends; 6) rin weißieinencS Frauenljcmd, eine kleine Quantität wollene» Strickgarn und ei» Lpazirrstock von Ebenholz, mit neusilberncr Platte, aus einer Schlajkammer in Nr. 11 der Wcbergaffe, vom 1. bis 7. ds». Mi».; 7) ein jliudcrdkckvett Mit roth. und weißgestreiftem Inlet nebst llcberzng von weißem, kleingcmusttrtem Pique, au» einem Kinder wagen, welcher in der Flur des Hauses Leibnlzflraße 24 gestanden hat, am 8. dss. MtS. Nachmittags; 8) ei» Tack, gez. IV. 8. 5., enthaltend Pantinetihölzer, ans einem Vütcrdoden im Magdeburger Bahnhof, vom 7. bi» 8. dis MtS; 9) eine hölzerne Wasserwaage, zwei Lteinetscn. ein Hammer, ein Paar Hose» von grauem engl. Leder und ein Paar Holzpan toffeln, aus einer Baubude aus einem Neubau an der Rudolph straße. in der Nacht vom 7. zum 8. dss. MiS.; 10) vier weibleinene Taschentücher mit den verschlungenen Buch- staben X. IV. gez. und ei» ebensolches L. IV. 13 gez„ vom Trockenplatz im Grundstück Frankfurter Straße 53, am 8. dss. Mts. Mittags; 11) ein weißleinme» Vetttuch. gez. S. T. 1, von eiur« Trocken- Platze vn der Arndtstrabe, am 9. ss«. Mts. Nachnffttug»; IS) ein Unterbett mit weiß- und blaugestreisrem Inlet, ein grauleincner Tack, enthüllend eine Quantität Vcttscdern, etwa 2 Kilo, ferner ei» weißleincne- Vetttuch» säst neu, L. 8. gez., sünf weiülkincne Handtücher, ebenso gez-, und fünf ebensolche Taschentücher, thcils 1). 8.. theilS li. IV. gez., aus einer Wohnung bez. einem Bodenraum im Grundstück Nr. 15 am Ncumarkt, im Laufe der letztvergangcnen 5 Monate; 13) eine silberne Eylittderiilir mit Goldrand, lädirtem Ziffer blatt, Sprungdeckel, geriefter Rückseite mit cingravirtem Biumcu- bouquct, nebst kurzer Talinikettr und Uhrschlüssel, aus einem Schlas- raume in Nr. 5 der Fricdrichstraße, in der Nacht vom 9. zum 10, dss. MtS.; 14) ein grauleinener Brntcl mit roiher Einfassung, enthaltend eine Geldsumme von 80 in zwei Dovvelkrouea, zwei Kronen und div. Silbermünzc, aus einem GcschästSlvcale in Nr. 2 am Pcterskirchhos. am 10. dss. MtS.; 15) ei» MannSrock von olivenfarbigcm gerieften Stoff, mit schwarzen Hornkiiöpsc», braun- und gclbgestreiflcm ?lermelsulter und schwarzem WollatlaSsutter im Schoost, a»S einem Gastlocale in Nr. 1/2 der Araustraße, am gleichen Tage; 16) ein Portemonnaie von schwarzem Leder, mit Stahlbügcl, enthaltend 00 ./L i» Gold, mittelst TaschcudtrbstahlS in einem Gastlocale in Nr. 13 der Petcrsstraße, am 11. dss. Mts.; Abends; 17) ein Zehnmarkstück, aus einer Wohnung ia Nr. 5? der Molikestraße, vom 31. vor. bis 1. dss. Mts.; 18) ein schwarzer Ailzhnt, säst neu, mit weißem Futter nnd dem Fiemenstcmvcl „Uorselüiix aus einem Gastlocale in Nr. 7 deS BöttchergäßcheuS, am 11. dss. Mi». AbeudS; 19) eine silberne ishlinderuhr mit Secnnde, Goldrand, geriefter Rückseite mit rundem Plättchen und im Innern des Deckels der Name ,.äl. I'tnu" eingravirt. nebst kurzer goldener Kette, daran ein goldenes viereckiges Medaillon» enthaltend die Photographie eines Herrn, serncr eine kleine Denkmünze, einem Angetrunkenen in der Nähe des Apollosaales, am 12. dsö. MtS. iu den frühen Morgenstunden; 20) «in braunledcrncS Portemonnaie mit gelbem Bügel, ent haltend ca. 3 30 />Z, in einem Thaler und kleiner Münze, sowie einen silbernen Uhrschlüfscl, einen Laffettenschlüsscl und diverse Notizen, aus einer Ankieidezcllc im Sophienbad, am 12. dss. Mts Vormittag»; ' 21) ein Araneniaqnct von schwarzem Kaschmir mir -roncirtcn Knöpscn und Atiasschlciscn, sowie ein schwarzer Sonnenschirm mit weißem Futter und schwarzen Fransen aus dem Tanzsaaie in der Ceniralhalle, am nämlichen Tage Abends; 22) eine silberne tzylinderubr, stäche Faqon, mit silbernem Zifferblatte, aus einem Arbeitslocale in Nr. 3 am Grimmaischen Steinwege, am 12. dis. Mts. früh. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Sache» oder den Thälcr sind ungesäumt bei unserer Criminal Abtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 13. August 1883. Da» Polizei-Amt der Stadt Leipzig. Bretschneider. vr. Denecke Erledigt hat sich die betreffs Friedrich Wilhelm ZrtzschcS aus Groitzsch erlassene Bekanntmachung vom 15. Juni 1883. ft. TtaatSanwaltschaft Leipzig, 11. August 1883. Aff. Berndt. Nichtamtlicher Thetl. Zur RuMcirung der baltischen Provinzen IN ES ist nicht mehr zu leugnen, daß daS Deutschtbum ... den baltischen Provinzen Rußland» einer sehr trüben Zukunft entgehen geht. Der esthnisch - lettischen Bewegung würde eS sich vielleicht schließlich »och erwehre», aber um so schwieriger ist der Kamps gegen die immer gewaltsamer austrelende» RusfificirungStendenzcii, weil diese von Oben und dem ganzen Rcg«erungSapparat sehr wirksam unterstützt werden. Diese Bestrebungen haben im Laufe der letzteren Zeit sich zumal in dem Bestreben geäußert, in den baltischen Provinz en Liv-, Esth. und Kurland die evangelische Kirche zu Gunsten der russisch-orthodoxen zu verdrängen, wobei die deutschfeind lich« Haltung der Esthen und Letten der Regierung leider in die Hände arbeitet. Unter solchen Umständen darf man ich nicht verwundern, daß die russische Regierung und ihre orthodoxe Geistlichkeit unter der Landbevölkerung bereit» eine ganze Reibe Erfolge errungen haben, welche jene bezüglich ihrer „Bekehrung-Versuche" zu weiterem Borgehcn ermuntere. Bevor wir un» spccicll mit diesen Ersoigen beschäftigen, mögen zum besseren Versiändniß der ganzen Bewegung noch einige Bemerkungen vorauSgescknckl werden, «schon seit langer Zeit kann man die auffällige Wahrnehmung machen, daß in jedem Städtchen und Flecken der baltischen Provinzen griechisch-orthodoxe Kirchen errichtet nnd mit Geistlichen versehen werden, selbst dort, wo gar keine Gläubigen dieser tirche vorhanden sind. Es ist weniger die Regierung, al» gewisse russische Vereine und einzelne reiche Privatleute, welche k>cse Kirchen stiften und den angcstelllen Popen begreiflich machen, sie müßten in Erniangeiung einer bereit» bestehen den orthodoxen Gemeinde e» a>» ihre heilige Ausgabe betrachten, sich eine solche zu schassen. Auch ist zur Er leichterung dieser Wirksamkeit unter der estbnischcn Bevölke rung neuerdings von dem an der russischen Nicolai-Kirche zu Walk eingestellten Erzpriestcr Karsow vom liviändischcn Gouverneur die Eriaubmß zur Eröffnung eine» Lcsezimmer» erlangt worden, in dem religiöse Bücher und Schriften in russischer, esihnischcr und lettischer Sprache ausliegen. Wenige Wochen später besuchte der Gcbeimrath Manafföin in seiner gcgcnwärligen Eigenschaft als Jnspector der baltischen Pro vinzen mit seinen Beamten da« Städtchen, wo er längere Zeit in geheimnißvoller Weise mit dem Erzpriester Karsow verkehrte nnd auch in seiner Kirche einem feierlichen Gotte»» dicnsts beiwohnlc. Die erste Kunde von einer religiösen Bewegung ver breitete sich i» der esthnischen Gemeinde Leai zu Beginn dieses IahreS. Anfänglich achtete man nicht viel daraus, weil in der Gemeinte Lcal selbst nur wenig von der Sache gesprochen wnrde. Allmälig traten aber sehr greifbare An zeichen hervor. Orthodoxe Schriften wurden von unsichtbaren Händen massenhaft verbreitet, ja an Bäumen, Wersipsählcn und Tclegrapheiistangen erschiene» Ausruse, welche die Bauern zur Abscdwörung Le» lutherischen Glauben» aussvrderten. Gleichzeitig wurven in der Gemeinde Lcal auch BeitritlS- eriiärungen zur Annahme der griechisch-orthodoxen Eonsession in Umlauf gesetzt und mit zahlreichen Unterschriften versehen. Al-baiv hörte man auch, daß sich wirklich 300 Bauern an die Behörden mit der Bitte um Aufnahme in die griechisch- orthodoxe Kirche gewendet hatten und die russischen Geffi liehen der Kirchenfprengel Andern und Michaeli» seiten» de» Bischof» Douat zu Riga beauftragt wurde», die nöthigen Schritte bezüglich de» Uebertritt» der Gesuch- lrller zu thun, diese aber vorher einer Prüfung ia »en Geboten und Satzungen der „rechtgläubigen" Kirch« zu unterziehen. Zu dieser Prüsung blieb aber nur wenig Zeit, weil der Uebertritt der 300 Bauern noch zum Feste der Kalserkröilluig nach MoSlan gcmcidct werden sollte. Am 17./29. Mai fand nutcr großem Pompe die Ausnahme der 300 Eonvertilen in den Schooß der griechisch-orthodoxen Kirche statt, waö selbstverständlich im ganzen Lande große» Aussehen verursachte. Damit hat aber die Bewegung im Lcatschcn Kreise »och keineswegs ihr Ende erreicht. Bon den bereits Eonvertirten dringend zu eiliger Nachfolge getrieben, »icldctcn sich im Lause deS Mai und Juni noch 200 andere Bauern, deren feierliche Salbung seitens der Popen auch bald erfolgte. Jedem Eonvertirten wird nämlich bei seinem Eintritte in die griechisch-orthodoxe Kirche die Stirne mit „heiligem Oel" gesalbt. Der Umfang der Bewegung wurde nun immer größer. Von Lcal verbreitete sie sich nach dem Karusenschcn Kreise, wo in Matzul, Olteiioruw lind Umgegend gleichfalls Uebcrtritte statlsanden. Ein treu lutherisch gesinnter Esths berichtet nach eigener Erfahrung, in welcher Weise die religiöse Propaganda betrieben ward. Aus einer Fahrt hatte er vor dem Lealschcn Kruge gehalten, um seine Pferde etwa» verschnaufen zu lasten. Kaum war er aber in die WirlhSstube getreten, so begannen die Anwesenden von der Nothwendigkeit zu sprechen, sich von der „deutschen" Kirche loszusagc», denn die Deutschen seien die Erzfeinde dcS Lande». Zugleich wurden dem reisenden Bauer verschiedene Schriften aufgedrungcn, welche ihn über alteö Nähere unterrichten sollten. Von seiner Brrlhridigung de» ererbten Glaubens wollten die Eiferer nicht» hören und so war der Bauer schließlich froh, al» er die fanatische Vcr> sammlung im Rücken hatte. Seiten» der GouvernementS-Regierung und der Presse hat man der Bewegung bisher noch nicht die wüiischcnSwerthe Beachtung geschenkt, ja c» scheint säst, daß man sie absichtlich nicht beachten will. Unlängst hat aber der Gouverneur von Esihland, StaatSrath Poliwanow, trotz seiner russischen Na tionalität» sich veranlaßt gefunken, an den orthoboren Bischo von Riga da» Ersuchen zu richten, den nach Leal und Um gebunq entsandten Priestern die Weisung zu crtheilen, den lutherischen Predigern vcn den Namen und der Zahl der Eonvertirten Anzeige zu machen und gleichzeitig daraus hin- zuwirkcn, daß die Eonvertirten nach wie vor den Behörden unbedingt Folge leisten und sich überhaupt nicht der Täuschung hiiigcben. al» sei ihr Ucberlritt zur orthodoxen Kirche mit weltlichen Vortheilen verbunden. Diese Weisung de» Gouverneur» war umsomehr gerechtfertigt, weil es schon wiederholt vorgckommen, daß die von der griechischen Kirche Ausgenommen«,! noch immer die geistlichen Amtshandlungen der lutherischen Prediger an sich vollziehen ließen, ja bei Todesfällen, in Folge der wiverstreikenden Aussagen der An gehörigen, nicht sestgestcllt werden konnte, welcher Kirche der Verstorbene angchörte. Da überdie» di« religiöse Bewegung mit der politischen der Esthen und Letten gegen die Deutschen zusammcnhLngt, so war unter den Eonvertirten allgemein die Meinung verbreitet, daß sie »un nicht mehr den Beamten oder sonst ihren Vorgesetzten deutscher Nationalität zu ge horchen brauchten. Auch in dieser Beziehung wie» der Erlaß de» Gouverneur» auf die Belehrung der Bauern hin. Schon einmal, >m Laufe der vierziger Jahre, haben während der damaligen schrecklichen HungerSnolh in den baltischen Provinzen massenhafte Uebertritte zur griechischen Kirche statt gesunden, ja mnn hat Tausende durch lügnerische Versprechungen z»m Abfall vom evangelischen Glaub«» ver lockt. Damal» hieß e»: „Wenn Ihr in die rechtgläubige Kirche tretet, wird Euch der Kaiser Getreide und Brod unv überdies Jedem 25 Silberrubel geben, damit Ihr Euch in Eurer schlimmen Lage Helsen könnt; er wird Euch auch Land anweisen, da» Ihr jür eigene Rechnung bebauen werdet" re. Gegenwärtig heißt e» in den unter den esthnischen Bauern ver- breitrtenFlugschrislen: „Ihr hadtEureRcligion vonden vrrhaßten Deutsch««, von den Räubern'Euere» Lande», die sich Euch mit dem Schwerte aufgezwungcn haben. Wir bieten Euch unsere ! Religion tu Liebe an, damit wir Euch fortan ganz in unseren Brüdern zählen dürfen. Der Kaiser haßt die Dentschen, aber die Estben und Letten liebt er. Er hat nun den In» pector Manassöin mit seinen Beamten in Euer Land ge» chickt, um Euere Beschwerden und Wünsche kennen zu lernen, die auch seiten» der kaiserlichen Gnade Beachtung s finden werden, unser Vater, der Zar. will Euch wieder zu Herren der baltischen Provinzen machen, die Euch die Deutschen räuberisch entrissen haben; da» kann selbstverständlich nur dann geschehen, wenn Ihr beweist, daß Ihr gute Unterthanen de» Kaiser» seid und seiner Kirche angehören wollt." Die Versprechungen, welche man den esthnischen Ueber» äufern in den vierziger Jahren gemacht, haben sich natürlich al» völlig unwahr erwiesen und noch unsinniger sind die Zorsvicgclungen, mit denen man gegenwärtig die esthnische c'ailddevöikerung in di« griechische Kirche zu locken versucht. Zur Feier de» Krönung-feste» haben, wie bereit» erwäbnt, 500 Bauern au» Leal und seiner Umgebung dem Kaiser chren Uebertritt zu seiner Kirche melden lassen, und was war ne unmittelbare Folge davon? Mitten au» der Feier diese» krönung-feste» drangdaS bedeutsame kaiserliche Wort, welche» war uür an die in Moskau erschienenen russischen Gemeinde- iltesten gerichtet war, aber indirect auch für da» ganze Reich galt. Und wie lautete der Inhalt diese» kaiserlichen Worte»? „Folgt den Rathschlägen und der Führung Euerer Adelr- marfchälle", hieß e», „und glaubt nicht den ganz unwahren Gerüchten über Landvertheilungen. unentgeltlich« Land» zulnessungen und ähnlichen unbegründeten Nachrichten, die nur von unseren Feinden verbreitet werden. Jede» Eigenthum muß. genau wie da» Euerige, uuantastbar sein. Gott gebe Euch Glück und Segen." Nach diesem gewiß unzweideutigen Inhalt der kaiserlichen Ansprache hätte man meinen sollen, die esthnische Landbe völkerung würde da« verwerfliche Spiel begriffen haben, welche» gewissenlose Verführer mit ihr getrieben. Dem ist aber leider nicht so. Die politisch-religiöse Bewegung ist viel mehr eine so hochgehende und wird von so verschiedenen Seiten in verschiedenen Interessen geschürt, daß ihr selbst da» kaiserliche Wort nicht Einhalt zu gebieten vermochte. Nur ein ganz nachdrückliche- Einschreiten könnte den Umtrieben ein Ende machen und die Ordnung wieder Herstellen, aber dazu scheint sich die russisch« Regierung, die aus den kirch lichen Nationalstaat hinau-strebt und die Ausrottung de» evangelischen Deutschthum» aus ihre Fahne geschrieben hat. au« Gründen, die sie für sich behält, nicht entschließen zu wollen. Leipzig, 14. August 1883. * Die Zweikaiser-Zusammenkunft bietet der „Time»' Veranlassung, die inneren Zustände Deutschland» einer Betrachtung zu unterziehen. Sie schreibt: Die merkwürdigste Erscheinung ist wohl die, daß dle deutsche» Socio listen jetzt keine geringeren Bundesgenossen haben al» die Lonservativen. Wenn sich so autokratisch gesinnt« Männer, wie es die deutschen Lonservativen sind, mit den Socialisten verbinden, um die Wahl eine- Liberalen (Hänel) zu hinter, treiben, so muß der SocialiSmu» ausgehört haben, gesähr» lich zu sein, und die reactionairen Kaiserlichen müsse» ihn als unbedingt nützlich für ihre Partrizwecke betrachten. In der That verhält e» sich auch so. Der Soeiakismn» rrmSgllchte e« der Regierung, reactionaire Zwon,«gesetz« etnzusühre», nnd unterbrach zugleich die versaffungtmäßige Lntwtckelnng de« Kaiserreich», wodurch alle ehrlichen Liberalen entmnthigt nnd kampsesüberdrüssig wurden. Da» Werk eine» Eugen Richter, Lasker, Fvrckenbeck, Bamberger wurde durch de» voria- liSmilS unterbrochen und zerstört. E» spricht aber sehr kür die Ueberzeugung»treue der deutsche» Liberale», daß st» sich niemal» dazu herbeiließe«, za Echleppträgern der socialistischen Idee zu werden. In anderen Ländern treten di» Liberalen oft au» Parteirückflchten in höchst sonderbare Verbin dungen mit den Vertretern der Umftnrzparteien — eine Allianz, deren Folgen stets beschämend« und uachtheilige sind. In Deutsch- land trifft aber selbst die vorgeschrittenen Liberalen nicht der Schatte» eine» Vorwurf«, daß sie jemals den socialistischen Lehren eia« Aör- derung hätten zu Iheil werdea lasse». Herr Nichtrr, der vor» aeschrittenste aller praktischen Politiker im Relchrtage, trat de» Socialisten von allem Anfänge an mit offener Stirn entgegen »nb erNSrte, daß die Priacipien Lassalle'» für einen Mann mit gesnnden Sinnen unannehmbar wären. Zu Ehre» der Socialisten sei e» gesagt, daß sie nie Anspruch erhoben haben, al» zurechnungtsähig und mit gesunden Sinnen begabt bewachtet z» werdea. Sie wünschte» da» Gerüst der heutige» Gesellschaft z» zerstöre» »ud den Privatbesitz abzuschaffea. Ihr Apostel, Lassalle, glaubte nicht au parlamentarische Reformen und haßte die lioerale Mittelclass«. Er nannte sich einen Republikaner, forderte aber trotzdem die Arbeiter aus» „in einem Kampfe zwischen dem gotterwählte, König nnd der elende» liberale» Mtttrlelaffe ans Veiten da» König« zu sichten". Ja seinem Privatleben war Lassalle et» Wol lüstling, der stolzer darauf war. der schönste Man» Deutschland« genannt zu werden, al» den Nns de» größte» Gelehrte« zu ge nießen. Wa» seine constrnctiv« Staatöweisheit betrifft» so waren seine Ansichlen vielleicht nicht klarer al« jene Johann von Lehden'», de» „Propheten". Lassalle und Karl Marx gaben jedoch in ihren Schriften in packender Weise den Uebelständrn ««»druck, unter welcden die Arbeiter leiden; nnd e< ist nicht zu verwundern, daß Ihr» rohen Entwürsr zur Regeneration der Gesellschaft die Phantasie von Ar beitern nnd Handwerker» muftrükt habe». Die Führer der Socialisten waren leider nicht alle gleich Bebel, welcher eine gewaltsam« Neu de rung verabscheut, sie reizte» vielmehr die Masse» znr Gewalt an nnd di« »atürliche Folg« Ware» die Mordverschwörnnge» nnd ei» 8o- nalistnifieber, welchem erst durch die kräftige» Maßrearla der Re- giernng und den Wiedereintritt der durch dr» deulsiv-sranzSsischen Krieg »iiterbrochcnen Andwandernng ein Ende gemacht ward«. Wir Hobe« wohl nicht da» Letzte vom Sociali»mn» in Deutschland gehört; allein er wird al« revolutionaire Macht so lang« i« Schlasi be fangen bletden, al« dt« allgemein« Nachfrage »ach deutscher Arbeit alljährlich Lansend« nnd Zehntanseude der abenteuerlichste» j»ch Lente au» dem Reiche führt. * Di« ablehnend« Antwort de» deutschen Elub« km böhmischen Landtag auf den eigenthümlichen Versöhnung«» Vorschlag der Ezechen ist durch solche grundsätzliche Er wägungen begründet, daß man sagen dan, innerhalb de« böhmischen Landtage« werde überhaupt ein« Verständigung der Heiden Nationalitäten niemal» erzielt werden können. Den« Da», wo« Rieaer überhaupt durch di« Berathung der Landtags- curien und Festsetzung de- Landtage» erzielen will, eine gena»« Erklärung und schärfer« Abgrenzung der Staatsgrundgesetz da» gehört nach der Anschauung SchmetzkaL» und der Den schen überhaupt nicht in den Landtag, sondern in den R«ich»rath. Die beiden Auffassungen de« »Lander" und des „Staate»" stehen sich in den beide« Schreibe» so schrof gegenüber, daß man darauf verrichte» muß, eine Brückt zwischen beiden z» schlage». Br« Standpnnet« HM Gesammt- taate» ans konnten nnd können die Deutschen nie und nimmer „stimmen, daß die czechische und deutsche Sprache in gleicher Seife behandelt werde. Sie bestehen darauf, daß da» Deutsche die Staatssprache in Oesterreich bleibe oder richtiger al» vlche bestimmt anerkannt werbe und unter allen Umständen ein Vorrecht vor allen übrigen Sprachen haben mSsse. Die Forderung, wenn auch aus den ersten Blick selbstisch, ist doch ne durchaus nothwendige und infolge dessen vollkommen ierecht. Deutsch ist diejenige Sprache, welche in allen Kronländern Li«leithanien». wie selbst in TranSleithanien überall gesprochen, überall verstanden wird. Die slavischen Idiome reichen über die Grenzen eine» enger« Kronlande» nicht hinan». Der Slowene muß mit dem Polen, wenn er sich verständigen will, deutsch reden, ebenso der Czeche mit dem Ruthenen. Die ezechischen Abgeordneten aber wollen diese» natürliche und geschichtlich begründete Vorrecht der deutschen Sprache nicht anerkennen, sie bestreiten ferner di« Zuständigkeit de- RcichS- rath» für die Erläuterung der Bestimmungen der Staat»- grnndaesetze — sonst hätte der jetzige Vorschlag ja gar nicht gemacht werden können —, sie wollen überall „Lande»« zesetzgebung" wo die Deutschen „ReichSgesetzgebung" ordern müssen. Schmehkal lehnt die Einjührung von Kationalitätlcorien ab, Va diese eine geordnete Ver waltung de« Lande- unmöglich machen würde, und er klärt e« sür unmöglicb, auf Verhandlungen einzugehen, „welche nur ein Regierung-system befestigen würden, da» allen unser» Ueberzeugungen und Traditionen widerspricht". Man darf diesen Briefwechsel al» den amtlich beglaubigten Todtenschei» der Versöhnung im Landtage bezeichnen, wie die Abstimmung über dir Schulnovelle die letzte Aussicht auf eine Annäherung der beiden großen Parteien im ReichSrath vernichtet hat. E« bedarf kaum einer besonder« Erwähnung, daß die ge- ammte Wiener Presse, soweit ste überhanpt Bedeutung Hai» der mannhafte« Antwort vr. Schmehkal'» volle Anerkennung zollt und ihre unbedingte Zustimmung zu de» von ihr» au»- gesprochenen Sätzen erklärt. * Kroatien hat den ungarische»Politikern seit fünPg Jahren, seit jener Zeit, da da» national« Leben erwacht^ ein schwere» Stück Arbeit geboten. Di« Mittel, welch« »au in Ofen-Pest auwaudt«. um dir .Brudernation" mit der un garischen Staatsidee z« befreunde», wäre» verschiede». L» saug» glaubt« man durch rücksichtslose Magharisiruug zze» Ziele zu gelangen, «ud der ungarische R«uh»tag deeretirte 845 di« maaharffche Sprache zur Amtssprache a» Stele der lateinischen für da» Gebiet der gelammte» Stephanskrone, also auch für Kroatien. Aber drei Jahre später eHoben sich die Kroaten zum Kampf gegen die Magyar«, nnd die blutigen Lehre«, welche der magyarisch« Ehauvinißmn» in de» Re- volutionSjahre erhielt, wurden nicht vergessen. Durch «dm glücklich« Verkettung der Verhältnisse gelang «< de» " endlich, sich von dem tiefen Kall von Vttago» z» und ein sevstständige» StaatSwese» zu constrtuire». Deak bot den Kroaten die Hand zur Versöhnung, «ud der ungarisch-kroatisch« Au»gle,ch von 1868 «achte Kroatien in Sachen der Verwaltung, der Justiz und de» Unterricht- nahezu unabhängig von der Centralregieruua in Ofen-Pest. Gegen diesen Pack erhob sich jedoch bald nach seinem Abschlüsse große und tiefgehende Opposition seiten» der sogenannten nationalen Partei in Kroatien. Di« Zahl der Vertreter dieser Partei wuch» immer mehr im Agramer Landtag» imd so sah man sich in Ofen-Pest genvthigt. eine» zweiten AnSgkeich mit Kroatien zu schließen» in welchem Ungarn den Kroaten mehrere Zugeständnisse machte und einer der Führer der nationalen Partei» der al» südslavische Dichter bekannte Mazuranic, zum Bann» ernannt wurde. Damit gelangte die nationale Partei in Kroatien zur vollständigen Herrschaft im Lande. Neue Couslicte mit den Ungarn entstanden» al» e» sich um die Frage der Einverleibung der Militairgreure handelte. Nach langen Verhandlungen wurde der Streit geschlichtet und Kroatien nm eine» Dritttheil seine» Gebiete» vergrößert. Schon hatte man sich aber in Agram ein Höhere- Ziel gesteckt. Der Titel „DreicinigeS Königreich" wie« von selbst auf die weiteren Etappen de» national-staatlichen Ent- wickelnngSgange» hin. Dalmatien muß erworben werden, wenn der Titel „Dreieinig" nicht ein leerer Schall bleiben soll. Daß für einen solchen Plan heute die Verhältnisse sehr günstig liegen, wer könnte e« leugnen? Die kroatischen Reichs- rath»-Abgrordneten Dalmatien» sind, Dank dem Ministerium Taaffr. zu einem au«schlaggebenden Factor in dem politischen Leben Oesterreich» geworden. DaS italienische Culturelcmciil wird immer mehr au» Amt nnd Schule in Dalmatien ver drängt, und nur der plötzliche Schluß de» dalmatischen Landtage» hat verhindert, daß derselbe nicht ein Gesetz beschloß, wodurch die kroatische Sprache zur ausschließlichen Amtssprache erklärt wurde. Ist e» zu verwundern, daß bei einem solchen vortrefflichen Stand der kroatischen Sache in Dalmatien den Politikern in Agram der Kami» schwell unv vor ihrem Blick Groß-Kroatien sir und fertig anssleigl? Einigen slavischen Ultra» ist aber diese» Groß-Kroaticn »och zu klein. So macht da» in Triest erscheinende slowenische Blatt »Edimost' allen Ernste» den Vorschlag, ein großes südslavische» Reich zu errichten, da» außer Kroatien Dal matien. Bosnien, die Herzegowina, da» Küstenland, Krain. Kärnten und Steiermark zu umfassen hätte. Die Slowenen find natürlich mit diesem Vorschläge einverstanden. Seit Jahrzehnten sind sie schon bemüht, die slowenische Schrift sprache. die von den breiten Volksschichten nicht verstanden wird» der besser entwickelten kroatischen Sprache zu nähern. Und von Seiten der wüsten slowenischen Presse geschieht Alle», um in den großen BolkSmassen ein starke» slavische» Bewußtsein zu wecken; e» geschieht aber nicht», um in dem Volke da» Gefühl der Zuaebörigkeit zu Oesterreich zu stärken. S» kann die Zukunft schneller, al» e» die österreichischen Staatsmänner denke», ein große» südslavische» Reich bringen. De« Boden hierzu ist durch die gegenwärtige österreichische Politik, welch« die slavischen Ansprüche in» Ungemessene ge steigert hat, recht gut geebnet. * In Christiania trat am 7. August da» Reichs gericht » seiner ersten Sitzung zusammen. „Morgendladet" sagt darüber: „Um ein Seitenstück dazu zu finden, muß man zur sranzöfischen Revolution und zur englischen unter Eromwell zurückgeh«». Die Gewalt kleidet sich in da« Gewand de» Recht» und sucht unter dem Scheine gesetzlicher Formen vor einem Gerichte, dessen Majorität in diesem Falle von den Anklägern selbst gewählt ist, ihren Krieg durchzusühren. Ans diesem Wege haben e» die Führer de- RadicaliSmu« versucht, da» Grundgesetz umiuändern und ein neue« rousti- tntwnelle« Reckt in unser Land einzusührcn. Durch da» Reichsgericht soll der königlichen Macht ihr« Prärogative
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