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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188505299
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850529
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850529
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-05
- Tag1885-05-29
- Monat1885-05
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1885
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Erscheint täglich früh «»/.Uhr. Kedactioa und Erveditto» Iohanoesgasse 8. Lprechünndrn drr tledartt««: Bormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. 8>ir r>« »lüa,ad« eill,«I»n»l»r Ma-Uiscr,»«, »Ich» ßch tu stkdaclwii nicht »ertmtlich. Annahme »er für »ie «Schftfal^n»« Nummer bestimmten Inserate an Wache»,oge» bis 3 Uhr Nachmitta,«. auSo» u - un » Kefttageii früh bi»' /,» Uhr. Zn den Filialen für Ins.-Annahme: Otto Niem«, UniversitätSstraße 1. Louis Lösche, Katharinenstr. 23, p. nnr bis '/,3 Uhr. rimMr.TaMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. 149. Freitag ven 29. Mai 1885. Auflage IS,«««. ZdonnnnentsPreis viertel;. 4»/, Mk. incl. Lrinaerlohn 5 Mk.. durch die Post bezöge» 8 Mt. Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gesalzt) ahne PostbesSrderung 39 Mk. mit Poftdesörderuag 48 Mk. Inserate «gespaltene Petitzeile SO Ps. Größere Schriften laut uns. Preisverzeichniß. Tabellarischer u. Ziffernsatz nach höherm Tarii. tittlamen unter dem RedactionSstrich dieSgesoalt. Zeile 50 Ps., vorden Fam ilien Nachrichten die 6gespaliene Zeile 40 Ps. Inserate sind stet« an die ExprSitia« za senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pnwomneraoäo oder dura. P st- Nachnahme. 79. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekaimtmaihung. In Uebereinsiimmung mit der Deputation de» Rathe» ,lir da» Droschkenwese» haben wir zur Durchführung einer besseren Controle beschlossen, daß alle Wagen, welche im Droschkeiibelriebe verwendet werden, mit einem von un» zu .rlheilcndc» Prüfungsstempel versehen sein müssen. Bon ricser Maßregel sind auch diejenigen Wagen nicht aus genommen. welche neben den gewöhnlichen, im Tagesbetriebe vcsindlichcn Droschken al» sogen. Nachtdroschken verwendet werden, nicht minder solche, welch« zrither al» sogen. Reserve- wagen bezeichnet wurden. Tie Abstempelung dfb Droschken wird bei der nächste« Generalrevision am 8. und 9. Juni diese» Jahre» erfolgen, während die neben den gewöhnlichen TageSdroscbken zur Ver wendung kommenden NachtdroschLea und die Reserve« Magen Mittwoch, den 1v. Juni 188L, Vormittag« pünktlich Uhr, an dem Orte der Generalrevision (Pestalozzistraße) zur Prü fung vorzusahren haben. Nach der Generalrevision dürfen andere Wagen, als die mit dem PrüsungSstempel versehenen, zum Drofchkenbetriebe nicht mehr verwendet werden, und haben Zuwiderhandelnde ihre Bestrafung nach tz. 5 t de» Droschkrnregulativ» zu ge wärtigen. Leipzig, den 27. Mai 1885. Da« Polizeiamt der Stadt -eiprig. Bretschneider. Muhlner. In Geinäßbeil de» tz. 1 der Instruction für die Ausführung von Wasscrrohrleikniigcii und Wasseranlagen in Privatgrund stücken vom l. Juli 1880 uuv der tztz. 2 uud 7 de« Regulativ» für GaSrohrleitungeu und GasbeleuchtungSanlagen in Privat grundslücke» vom 2. März 1883 machen wir hierdurch bekannt, daß der Schlosset"""' Herr Angast Hahnborf, Schreberstraß« Nr. iS, zur Uebernahme solcher Arbeiten bei un» sich angemeldet und den Besitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nach- gewiesen hat. Leipzig, am 23. Mai 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Wolfram. Da« sstr die Kellnerin Amalte Louise Kuictzsch au» Zwickau unterm 4. August 1882 vom dortigen Gtadtrath auSaestelllc Dienst buch ist verloren gegangen nnd im AuffindangSsalle allhier ab- zulicfcrn. Leipzig, am 28. Mai 1885. Da» Polizei-Amt der Eta»t Leipzig. Bretschneider. Rsbr. Faldix. vebamtmschm». Erstatteter Anzeige zufolge ist da» dem Kellnerlehrliug Nichard Bruno Michael von hier unterm S. Mai 1884 von dem nnter- zeichnetcn Amte au-geferiigte Dienstbuch in hiesiger Stadt abhanden gekommen. Wir bitten, da» Buch im AuffindungSsall« bei un» abzugebe». Leipzig, den 23. Mai 1885. La» Poltzelamt der Stadt Leipzig. Bretschneider. W. ^Verötlielier Lerrirksverein 8taät. Die klicnraiou n»«kAltsokerditn rar Soniedtiguug ckar?rvvüwis1- irrennoeluit Lacket 8onn»denck ckeu 30. ck. »tott. 4dLLrt noch Lcbbouckitr 12.40, KUaitliMikt 7.26. IVeitere Ddaünaiuaa «rMiovvdt. Iw -luHrng: vr. X«adert. VSnigliche Uunßakade«ie und rimügelverbtschule zu Ltipzig. Im Akademieflügcl »er Plrihendurg sind aus kurze Zell die Schüler - Arbeiten der hiesigen köaiglicheu Kunstakademie und Kunstgemerbeschule ausgestellt. Zum Besuche dieser Ausstellung beehrt sich im Name» de» Lehrer- EollegiuiiiS hierdurch ergebenst einzuladen Leipzig, den 19. Mai 1885. Der Director: vr. Ludw. Rieper. Der Zutritt zu dieser Ausstellung ist unentgeltlich. Gevsfnet ist die Ausstellung »glich von 10—1 Uhr. LEO Mark Belohnung erhält, wer »tesenlge Persoa ermittelt an» anzrigt, welche tu »er Nacht vom 8—«. April »s». A». »as ,u »ein Nittrrgute ILnaatAalii gehßrtge Schafftall- grbändc in Itrana -riirckt hat. Leipzig, »cn 24. Mai 188». Der Erste LtaaiSanwalt bei dem AZnigl. Landgericht, Hossmaan. und E Beschiß" ' iunge Leute finden hier al» Schalare« Anleitung ftigung. Gemein »e-Brrwaltung Aendnttz, Größe!. Submission. Zu« Neudan de« Nathhause» in Litze« sollen die Maler» ««» lapezierrrardkiten in, weg« öffentlicher Submission ver geben «erden. Dil Zeichnungen und Bedingungen liege» im Magistraisbureau »u Lütz-I, täglich in den Aeschistsstunden au» Lopien der letzteren können gea-n Erstattung der BervielsSlttgiingskoftrn dort entnommen werden Offerten sind an da» genannte Burean versiegelt und Porto- frei, mit entsprechender Anischrin verleben, bi» zum EoiNtadeu». »ea «. Aunt er., Vormittag» I I Uhr, kinznienden, «m welche Zeit sie dort in Gegenwart der erschienenen Submittenten geöffnet werden sollen. Lützen, de» «6. Mai 1885. Der Magitzrat. Nichtamtlicher Theil. Die Auycanal-Lonferen). ^ Der Vertragsentwurf, welchen die Subccmmissiou der Suezcanal-Conferenz au-gearbeitrt hat, läßt erkennen, bi» zu welchem Grade die England in Egypten zustehenbe Macht herabgedruckt worden ist. Die Neutralisirung de» Suezcanals war e», welche England in erster Linie vermeiden wollte, al» e» den Gewaltflreich im Jul« 1882 gegen Egypten unter nahm. Die damals gerade tagende Konstantinopeler Co»- serenz batte soeben da» Reglement für die Ausübung de» Schutze- der Mächte und der Controle de» Ver kehr» auf dem Suezcanal festgesetzt, al» Admiral Seymour allen weiteren Maßnahmen auf dem Suezcanal durch da» Bombardement von Alexandria und Schließung de» Canal» ein Ziel setzte. Die Beschlüsse der Konstantinopeler Conferenz waren durch den Kriegszustand in Egypten gegen- standlo» geworden und die Mächte warteten ab. wie sich die Dinge weiter entwickeln würden. Zu jener Zeit war die vornehmste Frage die, wie sich England mit Frankreich wegen der Doppelcontrole der egyptischcn Finanzen und de» Recht» auf Benutzung de» Suezcanals au»einandersetzen würde. Es ist bekannt, daß der häufige Ministerwechsel in Frankreich den Absichten der Engländer günstig war und daß e» ihnen ^elana, Frankreich au» Egypten herauSzudrängen und den lerkeyr auf dem Suezcanal unter englische Eontrole zu stellen. Zwar trugen die von England in Eaypten geschaffenen Ver hältnisse einen vrovisorischcn Charakter und die endgiltige Regelung blieb einer Conferenz der Mächte Vorbehalten, aber eine schnelle und energische Thnt würde England wahrschein lich alle die Vortheile gesichert haben, welche ihm die Nieder werfung de» Ausstande» Arabi Pascha'» darbot, während e» dieselben durch sein Zaudern und seine Schwäche vollständig eingebüßt hat. Durch die Prei-gebung ve» Sudan lieferte England den Beweis, daß c» die Kraft und Fähigkeit, den gewaltsam erworbenen Besitz Egypten» sestzuhalten, nicht habe, und dazu kam noch, daß c» sich weigerte, die Ansprüche der Staat-gläubiger Egypten» zu befriedigen. Also auf der einen Seite Schwäche, auf der anderen Knauserei waren die Fehler, durch welche England die Früchte de» Friedcnsbruche» von 1882 verloren gegangen sind. Noch heute sind die durch da- Bombardement Alexan dria» materiell Geschädigten mit ihren Ansprüchen nicht be friedigt. Die Nolhrufe der von England in ihren Eigen- thumSrcchten Gekränkten haben Europa fort und fort an die Ucdclthal erinnert, welche der l l. Juli 1882 gebar und Eng land» Ruf in der Welt auf da» Schwerste beeinträchligte. Europa sah diesem Treiben mit Mißbilligung und Verachtung zu. bi» England auch noch den Versuch machte, die Interessen der egyptischcn Staatsgläubigrr zu schädigen. Der Willküract vom 18. September >884, welchen der egyptische Finanzmiuister unter dem Einfluß de» englischen MarincministcrS Lord North- brook zum Nachtbeil der egyptischcn StaalSgläubigcr ver übte, brachte da» gestrichen volle Maß der Geduld Deutsch land» und Rußland» zum Uedcrlaufen und beide Mächte be anspruchten nunmehr Sitz und Stimme in der egyptischen Staat-schuldencommission. in welcher England bisher da» Uebergewicht gehabt hatte. Zuerst Egypten mitten im Frieden fortnehmen und dann auch noch die Kosten dieser Gewaltlhat Europa ausbürdcn wollen, das war mehr, als Europa hinzunehmen geneigt war; unter Fiihrnnz Deutsch land» vereinigten sich die europäischen Mächte »nt Ausnahme Italien», um gegen die englischen Uebcrgrifse in Egypten Einspruch zu erheben, Europa verlangte die ^eutralisirung de» Suezcanal» und eine Ordnung der egyptischen Finanz- Verhältnlsse gemäß den bestehenden Verpflichtungen gegen die egyptischen Staat-gläubiger. Die Finanzcontrole in Egypten ist den Händen der englischen Negierung bereit» entglitten und die in Pari» tagende Suezcanalconserenz ist auf dem Puncte, auch die Neutralität dieser Wasserstraße für die Zukunft sicher zu stellen. Die englisch« Regierung machte anfangs gute Miene zum bvsen Spiel, aber al» r» sich zeigte, daß die Mäche die Neu tralität de» Suezcanal» auch für drn Kriegsfall sicher stellen wollten, da erhob England Einspruch uud suchte wenigsten» einen Theil seine« Einflüsse» durch Hinterthüren wieder ein» zuschmuggeln. Die Amendement». welche England zum Artikel 10 de» Vertrag-entwurf» gestellt hat, lasten erkennen, daß e» sich di« Schließung de» Suezcanal» für den Kriegsfall sichern will. Nach dem Vertrag-entwurf wird die Controle über den Verkehr aus dem Suezcanal und die Ausübung de» Schutze» den europäischen Mächten unter Vorsitz eine» Dele- girte» der Türkei übertragen; davon will aber England nichts wissen, diese Macht will di« egyplische Regierung auch ferner al« Popanz benutzen, um mit Hilfe desselben den englischen Einfluß zur Kettung zu bringen. Da» ist der Sinn de» Satzes: „Die egyptische Regierung wird dir nöthigen Maß regeln ergreifen, um den Bestimmungen de» vorliegende» Ver trage» Kettung zu verschaffen." Die egyptische Negierung besteht, wie da» in drr Note de« Fürsten Bismarck vom 20. Decembcr 1884 klar au-einander gesetzt ist. nur den, Namen nach; England trägt dir Verantwortung für die Finanz- maßregel der egyptischen Regierung vom 18. September 1884 und demgemäß würde unter dem Au-Hängeschild „Egyptische Regierung" auch England die Controle über den Verkehr auf dem Suezcanal ausüten. Auch der Antrag der englischen Regierung zu Artikel 8 de» Vertragsentwurf» giebt einen deutliche» Fingerzeig zu ven wahren Absichten England». Die englische» Deleg,rten wünschen die Bestimmung, daß di« Mächte in den Häsen von Port Said und Suez nicht mehr al« je zwei Kriegsschiffe stationiren werden, durch den Zusatz .zugleich" hinter den Worten zwei Kriegsschiffe zu ergänze». Durch Annahme diese» Zusatzes würde England in die Lage komme», an den Endpunkten de» Canal» je ein« Flottenabtheilung von beliebiger Stärke zu stationiren und dadurch -im Kriegsfall« di« Schließung de». Canal» »u erreichen. E» ist selbstverständlich, daß die Mächte die von England beantragten Abänderungen de» Vertragsentwurfs ablehnen werden; die Rothwrndigkrit, die Neutralität de» Suezcanal» sicher zu stellen, wird durch solche Versuche England», sie zu umgehen, nur um so dringender. Di« Rolle aber, welche England auf der Conferenz fpirlt, erscheint durch die Haltung der Delegirlen in einem sehr trüben Lichte. England kann sich von dem verdachte nicht reinigen, die Herrschaft über Egypten und die ousschließliche Verfügung über drn Suez canal im Kriegsfälle an sich zu reißen, im Widerspruch mit den Zusicherungen, welche e» den Mächten gegenüber gemacht hat. Diesem unwürdigen Gaukelspiel wird durch den Ein tritt Deutschland» und Rußland» in die egyptische Staat»- schulvencommissson und durch die Beschlüsse der Suezcanal- constrenz ein Riegel vorgeschoben. An die Stelle von England tritt nunmehr in Egypten überall Europa unter der Aegibc der Pforte, welcher c» überlassen bleibt, die Summe' von Einfluß in Egypten geltend zu machen, welche ihr ihre Mittel und ihre Energie gestatten. Die Neutralität de» Suezcaual» in Krieg und Frieden ist die Antwort Europa» auf kaS Bombardement von Alexandria und die Hinopsernng Gordon's. England siebt auf dem Puncte, nicht nur die Früchte seiner Action im Jahre 1882 zu verlieren, sondern sie an die Ge- sammtheit der europäischen Machte adzutreten. Vorher theilten sich England und Frankreich in den Einfluß, welchen sie aus Egypten auSübten, jetzt ist England au» Egypten herau»- gedrängt, der Sultan al» Oberherr wieder eingesetzt und unter die Controle und den Schutz Europa» gestellt: gewiß ein traurige» Zeugniß für die überschlaue Politik Glad- stone'». * Leipzig, 29. Mai 1885. * Ein bezeichnende» Merkmal unserer neueren parla mentarischen Entwicklung ist die häufige Ausübung de» Rechte »der gesetzgeberischen Initiative seitens de» Reichstage». „Gewiß ist das Recht, Gesetzentwürfe vorzuschlagen, — bemerkt die »Nalionalliberale Correspondenz" zur Sache — eine werthvolle Befugniß einer Volksvertretung. Die bloß« „Resolution" oder „Motion", welche die Regierung zu gesetzgeberischem Vorgehen in einer bestimmten Richtung ausfordern soll, ist oft nicht ausreichend, um dem Willen der parla mentarischen Mehrheit einen vollkommenen Naren Au-vruck zu geben; rin in» Einzelne auSgearbeiteter Gesetzentwurf mag diesem Zwecke besser genügen, ohne daß e» darum auf die unmittelbare Erledigung der betreffenden Ausgabe an der Hand desselben abgesehen zu sein braucht. Auch ist da» in Rede stehende Recht für eine starke und berechtigte Opposition eine nickt zu unterschätzende Handhabe, ihre Absichten dem Lande möglichst eindringlich vor Augen zu führen. Aber unter normale» constttutioncllen Verhältnissen hat die gesetzgeberische Initiative de» Parlament» die Natur einer AuSnahmeinaßregel, von der ein höchst sparsamer und vorsichtiger Gebrauch gemacht werden sollte. Niemand im Lande, weder ein einzelner Politiker, noch eine ganze Partei, beherrscht die Mittel, welche zur sachlichen und formalen Ausgestaltung eine» brauchbaren Gesetzes erforder lich sind, auch nur entfernt in dem Maße wie die Regierung. Desgleichen wird Niemand die praktischen Wirkungen jeder einzelnen Gesetzesbestimmung schärfer und eingehender erwägen, alS Derjenige, der die Verantwortung für ihre Ausführung zu Lbernebmen hat. DaS natürliche Berbältniß ist also jeden falls diese», daß die Regierung die Gesetzesvorlagen a»S- arbeitet, während der Volk-Vertretung, neben der priucipiellcn Entscheidung über die Gesammltcndenz der Vorlage, die Aus gabe zusällt, au» ihrer Kcnntniß der endlosen Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse in den verschiedenen Landeötheilen und Bc- völkerungSschlchten heran» die Einzelheiten zu prüfen und wenn nöthig zu verbessern. Ueberall da, wo die Regierung sich stützt aus eine feste, gleichartige parlamentarische Mehrheit besteht dies Verhältniß. Bei uns fehlt eine solche Mehrheit; wir haben eine Vielheit von Parteien, von denen keine einzige eine eigentliche Regierungspartei ist; vielmehr sind alle stolz ans ihre „Unabhängigkeit" und besitzen ein stark entwickeltes FractionSdewußtsei». Unter diesen Umständen ist eS begreiflich, daß sich die einzelnen Fractionen ab und zu gedrungen suhlen, ihre DaseinSbercchligung und Leistungs fähigkeit durch einen Gesetzesvorschlag zu bekunden. Da» ist denn für die Gesammthcit des Reich-tagS insofern allerdings ein recht unangenehme» Spiel, al» mit der Bcrathung dieser Vorschläge, von denen selten einer Aussicht aus Annahme hat. entsetzlich viel Zeit vergeudet wird; an sich aber ist die Sache, so lange eS sich nur um die legislatorischen Einfälle eine» einzelnen Mitgliedes oder einer einzelnen Fraktion handelt, ziemlich harmlos. Ander» steht e» um die Unter nehmungen, mit denen die konservativ-klerikale Coalition in drn letzten Jahren hervorgetreten ist. Diese Partei verbindung ist unter Umständen stark gcnug, den Reichstag zu beherrschen. Ihr offenbarer Plan geht dahin, die gesetz geberische Führung in ihre Hand zu nehmen und die Negierung ibren rückschrittlichen Absichten dienstbar zu machen. Der Zustand ist so ungesund wie möglich. Di« Coalition ermangelt in sich selbst der Gleichartigkeit, und wiederum deckt sie sich in dem. was sie überhaupt gemeinsam erstreben kann, keine-weg- mit den Zielen der Regierung. Ernstlich hat denn auch bisher kaum Jemand befürchtet, daß die Regierung sich jene Rolle de» Geschobeawerden» gefallen lassen werde. Aber die Zu stimmung de» BundeSrath» zu dem vom Reichstag vc- schlossenea Börsensteuerentwurf muß einige Bedenken erwecken. Der Entwurf ist. obgleich ursprünglich von der consrrvativ- llerikalen Coalition ausgegauqen. schließlich mit großer Mehr heit angenommen worden. Viele aber, die für ihn gestimmt, baden dadurch nur ihr Einverständniß mit einer ergiebigeren Bvrsensteuer überhaupt auSvrücken wollen, während sie erwarlcl haben, daß der BundeSrath den Gesetzentwurf in seine» Euizel- hciten noch einer wesentlichen Umgestaltung unterziehen werde. Der Umstand, daß die» nicht geschehen, muß angesichts der politisch minder harmlosen Grsetzentwürse, mit welchen jene Coalition drn Reichstag demnächst wieder beschäftigen wird, einig« Besorgniß erwecken. E» ist dringend zu wünschen, daß dir Regierung auf dem Gebiete der Gesetzgebung wieder die Führerrolle übernimmt, die ihr gebührt." * Au« Kill» 28. Mai» wird drr „vossischen Zeitung geschrieben: Zur Rückkehr drr Kreuzercorvette „Olga", Lommandant Lor- vetten-Eaoltain Bendemonn, hatte selbst das sonst so mürrische Mai- wetter ein freundliches Gesicht gemacht, und der Kieler Hafen glönzte in der ganzen Pracht eine» sannigen Frühlingstaae«» al» das graciöle Schiff, welche» sich zuerst durch dle Prlnzensahr« und setz» dnrch die Ereignisse in Kamerun so schnell einen populären Namen gemacht hat, gestern Bvriuittag um lO Uhr einliek Es führte, wie iedes von den sremden Stationen heimkehrend« Schiff, den langen, schmalen Hetmaihswimpel »ou weißer Seid«, der vom Top her- unter tm stolzen vage, über du» guuze Echtst wallt und besten Spitz« mit den »ogen sptelt. Die „Olga" ging der Swin- tinemündemiindung gegenüber vor Anker und bildete natürlich den Hauptgegenstand der Aukmerkiamkeit der zahlreichen Touristen, welche in drn Pfingsttogen zum Besuche des Reichskriegshascns gekommen waren. Alle Kriegsschiffe der deutschen Mariae werden im Dienst brillant geholten, sie bieten immer, sobald sie vor Anker gehen, das Bild eine- Soldaten, welcher in der Parade steht. Auch die „Olga" zeigte keine Spur mehr von den Strapazen eine» Aufenthalts in dem Tropenklima Afrika», sie hätte nach ihrem Aussehen ebenso gut von einer kurzen Uebungssahrt zurückkehren können al» von Kamerun. Nichts destoiveniger beginnt sofort die verschönernngsarbeit für drn Tag der Jnspicirung und sie schien sogar gestern nicht ganz zu ruhen. Nachmittags ober wurden zahlreiche Mannschaften von der „Olga", wie von sämmtlichen im Hasen ankommenden Kriegsschiffen entlassen. Da- ist ein Leben, wenn Barkassen. Boote nnd Gigs die lustige» Jungen an- Land bringen. Keine Flotte der Welt besitzt ein besseres Material, aber keine Marine zieht, nährt und Neidet ihr Matrosen- material auch so vorzüglich wie die deutsche. Unter den Hunderten von prächtigen Scemannsgestalten waren die Olgaleutr auch otme Mütze an dem gebräunten Teint leicht zu erkennen; sie wurden von allen Seiten herzlich begrüßt und waren offenbar froh, den Rest des PsingstsesteS noch in der Heimath feiern zu können. Auch der Mann- ichast der „Olga" waren die großen Strapazen de» Kameruner Aufenthalts nickt anzusehcn. — ES gehen hier Gerüchte von der dem nächst bevorstehenden Bildung eines südafrikanischen Geschwa. der». Anlaß dazu scheint die beschleunigte Ausrüstung der beiden Dampfer „Adler" und „Ehrensels" in Wilhelmshaven zu geben, die ein bedeutende- Qnantum von Proviant, Munition und Kohlen einnehmen, welche» für die heimkehrenden Krenzersregatten „Prinz Adalbert", „Elisa- beth" und „Stosch" bestimmt sein soll. Ich habe bisher nicht sicher seststellen können, ob diese Gerüchte vollbegründet sind, aber ich gebe sie wieder, da sie ein gewisse- Maß von Wahrscheinlichkeit für sich haben. Die Beorderung der Krcuzersregatte „Prinz Adalbert", Commandant Capiiain z. S. Mensing I., von Montevideo nach der Eapstadt habe ich Ihnen bereits ln drr ersten Hällte diese» Monat- telegraphisch melden können, die Krenzrrcorvette „Stosch", Lominan- dant Lapitain z. S. v. Nostitz, ist, mit Lommodore Paschen an Bord, von Sidney nach Mauritius unterwegs und die Kreuzerfregatte „Elisabeth" kann aus den chinesischen Gewässern leicht herangezogen werde». Wo da- Schiff sich in diesem Augenblick befindet, ist nicht bekannt, in der zweiten Hälfte des März war eS in Amoq, seitdem wird es wohl etliche hundert Meilen Wetter westwärt« gelangt sei». Sollten diese Schisse, wie vcrmuthet wird, zu einer Eooperation bei Zanzibar bestimmt sein, so dürsten doch noch eiatge Wochen bi» zu ihrem Eintreffen an Ort und Stelle vergehen. Dagegen ist die Krcuzersregatte „Bismarck", mit Lontre-Admiral Knorr an Bord, leichter zu Hand. Die Ankunst dieser Fregatte kann täglich auö der Eapstadt gemeldet werden, und wenn es überhaupt zur Bildung eine« südafrikanischen Geschwaders kommt, ist e» höchst wahrscheinlich, daß der „BiSmarck" Flaggenschiff desselben werden wird. * Unter den in der letzten vreußischen Landtags session vereinbarten Gesetzen hat bi» jetzt da» au» der Initiative de» Abgeordnetenhauses hervorgeganHene Dolk»- schuIlehrerpensionSgesetz die Zustimmung der Negierung noch nicht gefunden. Man wirb zwar nicht daran zweifeln dürfen, daß die» noch geschehen wird, immerhin ist die lange Verzögerung de» Zustandekommen» diese» Gesetze» einigermaßen auffallend. * I)r. Marquard Barth, kaiserl. Reichsoberhandel»- qerichtSralls a. D.. ist am 23. d. M. zu Wiirzburg nach kurzer Krankheit im 78. Lebensjahre gestorben. Mlt ihm ist einer der ältesten Parlamentarier geschieden. Vom Jahre >855 di» 1873 Mitglied de» bayerischen Landtag», te- grilndcte er >883 mit Dölk, Crämer, Fischer u. A. die baye rische Fortschrittspartei, bekleidete in der wichtigen Gesetz- gedungSperwde 1805/89 das Amt eine» Vorstand» de» Aus schusses sür die Gesetzbücher und war aus dem Landtage von l 870/71 Referent der Minorität de» Ausschusses über den Beitritt Bayern» zum Reich. Ferner gehörte er 1888 bi» 1870 dem Zollparlamente. 1871 di« 1874 dem deutschen Reichstag an, wo er mit der Mehrzahl seiner kayerischen Gesinnungsgenossen Mitglied drr liberalen Reichspartei war. Barth, welcher u. A. auch einen Commrntar zur neuen baye rischen Civilproceßorvnung verfaßte, bat mit dem noch in Wiirzburg lebenden greisen Professor I)r. Edel einen wesent lichen Einfluß aus die bayerische Iustizgesetzgebung geübt. 1873 auf den Vorschlag Bayern« zum Rath am ReickSober- handelSgericht ernannt, bekleidete er diese» Amt bi» vor fünf Jahren, wo er wegen Kränklichkeit in Pension trat. * Unterm 12. März beschloß der schwedische Reichs tag. die 88 11 und 12 der schwedischen RegierungSsorm dahin zu verändern, daß künftig diplomatische An gelegenheiten in Gegenwart de» Minister» des Aeußern und von zwei StaatSräthen dem Könige vorgetragen werden sollen, anstatt wie bisher nur in Gegenwart eine» StaatS- ratbe». Diese Bestimmung ist unterm 7. d. fanctionirt worden. Daraus hatte die norwegische Regierung beantragt, daß auch ihr ein gleiche» Recht einaeräumt und eine be zügliche Bestimmung in die norwegische Verfassung aus genommen werden möge. Diesem Anträge hat König OScar in einer am 19. d. abgehaltenen gemeinschasllicken Sitzung der schwedischen und norwegischen StaatSrä'he entsprochen, indem er die norwegische Regierung und den schwedischen Iustizminister beauftragt hat, eine Zu- satzbestimmung zur Unionacte auSzuarbriten, nach welcher auch drei norwegische StaatSräthe bei dem Vortrage von diplomatischen Angelegenbeilen im SlaatSrathe anwesend sein müssen. Diese Bestimmung soll schon in der nächsten Session dem schwedischen Reichstag und dem norwegischen Slorthmg vorgclegt werden. Die schwedischen konservativen Blätter sind natürlich voller Gist und Galle über diese- dem liberalen Norwegen gemachte Zugeständuiß, denn nicht ganz mit Unrecht sürckten sie. daß Norwegen künftig sich nickt mehr mit der untergeordneten Stellung in der Union begnügen, sondern volle Gleichstellung beider Länder entschieden verlangen wird. * Die „Petersburger Wedomosti" schreiben, England habe sich von der Nutzlosigkeit, Rußland einzuschüchtern, überzeugt und wolle sich definitiv in sein „indisches Sckneckcn- gebäude" zurückziehen. „Mehr," fährt da» russische Blatt fort, „haben wir nie gewünscht und können eS auch nicht und wenn England vor niedreren Jahren diesen Standpunel beobachtet hätte, so wäre schon längst ein solider Friede zwischen den beiden Inhabern der asiatischen Territorien ge- sichert. Nachdem England ein Mal den Entschluß gefaßt hat, Centralasien fahren zu lassen und sich in Indien abzufchließen, wird sich vieerwünschte, nothwendige, unmittelbareRachbarschast Rußland» und England» in Asien von selbst vollziehen, und man kann kühn behaupten, daß die Nackbarschast mit der durch da» Soiiman-Gebirge bezeichneten Grenze in Wahrheit eine gute Nachbarschaft fein wird." Die „Nowosti" gehen noch einen Schritt weiter, indem sie sagen: „Wenn Herat und sogar Kandahar nicht mehr al» „Schlüssel" Indien« gelten, wa» kann dann England dagegen einwenden, daß diele ver meintlichen „Schlüssel" in dl« Hände oder den Einfluß einer I europäischen Macht übergeben und alle diese halbwilden «Gegenden drr europäischen Cultur erschlossen werden? Ruß- »land kann, wie wir wiederholt bewiesen Hab», unmöglich «
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