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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.07.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-07-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188507263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850726
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850726
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-07
- Tag1885-07-26
- Monat1885-07
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.07.1885
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Erscheint täglich srüh SV. Uhr. Nkdarlion un> Lrprditioa Johannc-gasse 8. Svrkchllimdrn der irrSartion: BormiltagS 10—12 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. Pitt »tt NKS»«»< «u>,«1an»ter »I-aiiicrwU «»ch« -ch tu «kd.ctum »>»t »er»tt»l>«. ««nahm, der für die nSchftf«>«e«»« Nummer bestimmten Inserate an Wochentage» bis 3 Uhr Nachmittag», a» Sonn- und Festtagen send bi»' ,S Uhr. 3n den Filialen sür Ins.-Ännahme: Ltta Klemm, UniversitätSstraße 1. 1'ouiS Lüsche, Katharineustr. 23, p. nur bi» '/«S Uhr. Anzeiger. Organ fnr Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage ^voiinemenispreis vlcncij. 4- . Mk. incl. Bringenohn 5Mk„ durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegexemplar 10 Ps. Bebüdren jur Extrabeilagen sin Tageblatt-Normal gesalztl ohne Posioeiörderung 39 Mk. mit Postbcsvrderung 48 Mk. 3nlrratr Sgeipaltene Petitzeile 20 Ps. Größere Schrillen laut uns. Preisverzeichnis. Tabellarischer u. Ziffernjatz nach höherm Tarsi. Prrlainrn unter dem RedactionS strich die4gesva!t. Zeile SO Ps., vor den Ia »rilien ,iachrichlc :r die Ogespaltene Zeile 40 Pi. Inserate sino stets an die berpeSition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praemlmeranäo oder durch P.sil- aochnahnic. 207. Sonntag rcn 26. Juli 1885, Amtlicher Thetl. Velunalmachiing. Am 17. Vor. MtS. sind auf dem städtischen Lagerhofe allhier sechs halbe FiichSseNk, unter einem Wagen versteckt, ausgesunde» und an unS abgeliesert worden. Etwaige Miltheilung oder Bermuthung über den Eigenthümer der Felle, die möglicher Weise gestohlen sind, bitten wir ungesäumt zu unserer Kennlniß zu bringen. Leipzig, den 24. Juli 1885. La» Poli,ei-«mt der Stadt Leipzig. I. «. Junik, Polizei-Rath. vr. Wagler. Auf Antrag der Vünitz'sche» Erben soll am L7. diese« Monat», vormittags II Uhr. da- aus dem Folium 44 des Grund- und HypothekenbuchS sür Dölitz eingetragene HauSgrundstück samnit Zubehör, Nr. 46 des Brandkataslers und Nr. 109» und d der Flurbuchs unter den im Termine bekannt zu machenden und schon vorher aus dem Anschläge am Gerichtsbrete zu ersehenden Bedingungen an Unterzeichneter Ge- richtSstclle, Zimmer Nr. 80, versteigert werden. ' Diejenige», welche das bezeichnet- Grundstück erstehen wollen, werden eingelade», zu der angegebenen Zeit an hiesiger Gerichtsstelle sich einzufindea, und der Versteigerung gewärtig zu sein. Leipzig, am K. Juli 1865. La» Königliche AintSgericht. Abthcilung V, Sektion 1. Mannsseld. Wr. Auction. Nächsten Donnerstag. den 30. dss. Mt»., von Vormittags 10 Uhr an ' sollen im Auctionslocalc des König!. Amtsgerichts hier 1 Pianino, 1 eiserne Richtplatte, Schraubstöcke, Thürschlösser, Tbürriegel, 1 Farbenmühle, 1 Brückemvaage, 1 Schneidemaschine, 1 Druckmaschine, 3 Oclgemälde, 1 echtes Meißner Porzellan- servis, Ladentafelii, Schreibtische, Sopha», Fauteuils, Verticows und verschiedene Sorten Cigarren meistbietend versteigert werden. Leipzig, den 2Z, Juli 1885. Trauer. Gerichtsvollzieher. Nichtamtlicher Theil. Der Aufstand im Sudan. Durch den Tod de» Mahdi, welcher jetzt von allen Seiten bestätigt wird, ist die Bewegung im Sudan in ein neues Stadium getreten. Die Wirkungen machen sich bereits be merkbar, indem die Anhänger sich in großen Masten aus Dongoia und Umgegend nack dem Süden zurückzichc». Der abgeschlagene Angriff aus Kassala fand Ende Juni statt und scheint somit die letzte Unternehmung gewesen zu sein, welche aus Befehl beS Mahdi geschehen ist, da sein Tod an geblich am 29 Juni erfolgte. Der Kaufmann in Handak, von welchem General Brackenbury zuerst Kunde von dem Ereignisse erhielt, fügte hinzu, daß die Anhänger des Mahdi mit einander im Kampfe seien; das würbe mit dem Rückzüge der Mahditcn aus Dongola stimme», denn wenn die Frage, wer der Nachfolger des Mahdi sei» soll, unmittelbar nach seinem Tode geregelt worden wäre, dann würde nicht Rückzug, sondern Vormarsch die Folg- gewesen fein. Schon bei Lebzeiten des Mahdi soll ein Ausstand in Kordosan gegen seine Herrschaft anS- gcbrochcn sein, doch hieß cs, daß eS ihm gelungen sei, die Ruhe wieder herzustcllen. Alle diese Verhältnisse sind wegen der großen Entfernungen und unzureichenden Verkehrsmittel in Hnnkel gehüllt. Bedarf doch selbst die Tragödie, deren Held der General Gordon ist. noch sehr der Aufhellung, da noch vor Kurzem daS Gerücht anstauchte, daß er noch am Leben sei. Ganz in derselben Weise schwankten die Nach richten nach dem Blukbade von El Obeid, welchem Hick« Pascha mit feinen 1 l,000 Mann zum Opfer siel. Die seltsamste Erscheinung waren die in die Gesa»gc»schast des Mahdi geratbenen Christen, welche in großer Zahl zum Islam übergetrelen sein und mit dem Mahdi aus dem beste» Fuße stehen sollten. Es ist anzunehmen. daß diese Leute die Gelegenheit benutzen werden, welche ihnen der Tod deS Propheten darbietet, um dem Possenspiel, welche» sie nothgekrungen aufführen mußten, ein Ente zu machen und die Rückkehr zu den Ihrigen zu versuchen. Vorläufig ist frei lich noch Vorsicht geboten, bi» sich die Entwicklung, welche die Tinge nunmehr nehmen werden, klarer erkennen läßt. Den größten Einfluß nächst dem Mahdi hat bei den Auf ständischen stets Osnian Digma genoffen, die übrigen MndirS und EmirS haben immer nur untergeordnete Rollen gespielt und waren lediglich Werkzeuge in den Händen deS Mahdi. Es scheint, daß er selbst nicht mehr im Stande war, seinen Nachfolger zu bestimme», und deshalb gcricthe» seine Untcr- besehlShaber mit einander wegen des Oberbefehls in Streit. Daß die Bewegung jetzt ihr Ende erreichen wird, ist nicht vnzunebmen. dazu ist ne zu weil gediehen und die Erfolge sind zn bedeutend. Die Räumung von Dongola beweist in dieser Beziehung wenig, daS sind die am weitesten vorgeschobenen Posten, welche sich zeitweise mehr dem Mittelpunkte näher», um nicht führerlos dein Ungefähr prciSgcgeben zu sein. Ueber- dieS ist die Jahreszeit nicht zu größeren Unternehmungen an- gethan, und wenn trotzdem Ende Juni ein Angriff aus Kas- sala erfolgte, so ist das eine örtliche Unternehmung gewesen, welche nicht durch weite Märsche in wüsten Gegenden vor bereitet zu werden brauchle. Die Erfahrung bat gelehrt, baß die Kämpfe sich im Sudan seit zwei Jahren während der Monate Oclobcr bis April ahspicltc», und wenn die Be wegung ihren Fortgang iiiinml, so ist für den Herbst ein neuer Feldzug zn gewärtigen. An, 2. Juli bat daS Ministerium Salisbury seinen Ent schluß dahin kund getban, daß die vom Ministerium Glad- stone gegen de» Raib Wolseley's angeordncte Räumung der Provinz Dongola ausreckt zu erhalten sei, die Engländer sind deshalb auS Vieser Gegend abgezogen und haben die Ver- theidigung der Provinz einem Mudir überlasten. Da« ist auS dem Grunde geschehen, weil die Wiederbesetzung von Dongola nach der Ansicht deS im Süden commandirenden englischen Generals nicht ohne einen neuen Feldzug zu be werkstelligen sei. Heute liegen die Verhältnisse wesenllich ander», die Mahditen sind aus dem Rückzüge nach dem Süden begriffen und die natürliche Folge wird sein, daß viele Flüchtlinge nach Dongola zurückkehrcn werden. ES ist anzu- nehmen, daß die englische Negierung der veränderten Sachlage Rechnung tragen und den Befehl zur Wiederbesetzung der Pro vinz Dongola ertheilen wird. Wolseley hat sich dahin aus gesprochen, daß man den Angriff deS Mahdi nicht abwarten dürfe, sondern ihm im Herbst durch einen Feldzug nach Khar tum zuvorkommen müsse. Dieser Feldzug erscheint auch in dem Falle unerläßlich, daß die Bewegung, welche der Mahdi entzündet hat, sich auslöst, weil dadurch die beste Gelegenheit zur Wiederbesetzung deS verlorenen TheilcS vom Sudan geboten ist. Berber, Melamnich, Khartum und alle übrigen Stellungen von Bedeutung, welche sich in den Hauben der Mahditen befinden, müsse» von de» Engländer» wieder in Besitz genommen werden, wenn sie sich in Zukunst Ruhe vor weiteren Angriffen der Aufständischen schaffe» wollen. ES sind jetzt etwa zwei Jahre verflossen, seitdem der Name Mohammed Ackuneb'S zum ersten Male genannt würde. Der Träger dieses NamenS hat die egyptische Frage bisher zn Zu gunsten der Engländer entschieden und ihnen so viel zu schaffen zemachl, daß ihre besten Truppen und ihre berübmlesten Generale >bm das Feld räumen mußten. Solche Thalsachen bleiben nicht ohne Folgen, daS Selbstgefühl der Sudanesen ist dadurch in einem Grade gewachsen, daß sie die errungenen Bortbeilc schwerlich kampflos ansgebcn werden. Der Tod des Ober befehlshabers ist freilich ein schwerer Schlag für seiny An hänger, aber wenn sich die erste Aufregung Uber daS Geschehene gelegt bat, dann wird die Besonnenheit zurückkehren. und.man wird sich nach einem anderen geeigneten Oberbefehlshaber Umsehen. Zwei Dinge sind nur möglich: Entweder muß der Sudan den Engländern kampflos wieder eingeräumt oder die Bewegung muß weiter geführt werden. Ueber O-man Digma schweigt die Geschichte gegenwärtig vollständig, er hatte'sich nach den letzten Kämpfen mit den Engländern zum Mahdi begeben und man wird wahrscheinlich erst wieder von ihm hören, wenn er vor Suakim erscheint. Salisbury ist sich der Wichtigkeit, den Sudan wieder zu erobern, wohl bewußt, und er hat dem Parlament gegenüber daraus kein Hehl gemacht, daß nach Ordnung der egyptischen Finairzverhältnisse dem Vordringen des Mahdi ein Damm entgegengesetzt werden muß. Tsie Gährung hat sich von Kordosan und Khartum auch nach Osten und Süden sortgepflanzt. Der König von Dahomey hat einen Einsall in die sxanzö- ischen Colonicn gemacht und einzelne Stämme sind in den Congostaat übergetrelen. Im Osten hat der Sultan von Zanzibar kriegerische Bewegungen gemacht. Schon um diesen Ruhestörungen ein Ende zu bereiten, ist ein energischer Vorstoß der Engländer nach dem Sudan erforderlich, wenn ihnen auch die Erpevitionen deS Königs von Dahomey und de« Sultan« von Zanzibar von anderen Gesichtspunkten aus ganz erwünscht sein mögen. Tie Lösung der egyptischen Frage im englischen Sinne hängt von der Wiederherstellung rer Rnbe und de« vor dem Jahre 1883 bestcbcnden Zustandes wesent lich ab, erst wenn die Engländer die iiötlngc Kraft gezeigt haben, sich der Sudanesen zu erwehren. werden sic in Egypten daS Ansehen und. den Geborsa», finden, deren sie nicht entbehren können, wenn sie dort dauernd ihre Macht entfalten wollen. Ganz ohne die Mitwirkung der übrigen europäischen Mächte wird eS nach den begangenen Feblcr» überhaupt nickt abgehen, die egyptische StaalSschiildcncoi». Mission hat durch den Eintritt von Deutschland nnv Rußland eine Gestalt erhalten, welche den englischen Anmaßungen Grenzen setzt und ebenso ist eS mit der ausschließlichen Herr schaft Englands über deu Suezcanal vorüber. Ein Tbcil de« sür England verlorenen Einstusies in Egypten läßt sich nur wieder gewinnen, wenn Berber und Khartum wieder egyptijch werden und dazu ist jetzt Gelegenheit geboten. * Leipzig, 26. Juli 1885. * Um unserem Kaiser die Beschwerlichkeiten der Reise nach Ischl zu ersparen, zeigte Kaiser Franz Joses an. daß er mit der Kaiserin Elisabeth nack Gaste:» kommen wolle. Kaiser Wilhelm antwortete, wie die „Vosstsche Zeitung" erfährt, der Besuch des Monarchen werde ibn sehr freien, er könne aber niemals zugeben, baß sich die Kaiserin d.» Mübe» der Gasteiner Reise unterziehe. Da er aber dl'. ..aiscrin zu sebcn wünsche, so werde er auch diesmal trotz seines hohen AltcrS nach Ischl kommen. Kaiser Franz Joses ».isst am 7. August in Gastein ein. Am 1l. August begiebt sick Kaffer Wilhelm nach Ischl, wo bereits nmsassende Vorbereitungen zu einem festlichen Empfang getroffen werden. Auch Theater vorstellung der Wiener Oper ist anbcsohlen worden. Gasteiner Melkungen constatircn, daß deS Kaiser« Aussehen viel frischer und sein Gang elastischer ist, als am Tage seiner An kunst dort. * Unter der Uebersckrist „Ein Wort an die wahren Conservativeu" schreibt die „Nationalliberale Eorre- spondenz": Der Paderborner Vorgang wird sür die künftige Be- gleichnng der Differenzen zwischen Preußen und dem Vatikan ohne Zweifel sür de» Staat von großem Werthe bleiben, sür den Augenblick aber bedeutet er den Sieg des unversöhnlichen Ultra- monlanismus, »nd mit dieser Thatsache muß gerechnet werden, wenn man die nächstbevorstebendc Zeit ins Auge saßt. Insbesondere fragt sich, welche Wirkung dieser Sieg aus die Stellung»»!»»'gegen- über den Landlagswahlen haben muß. Von der nationalliberalen Partei könne» wir sagen, daß sie durch den Ausgang des Pader borner Handels nicht überrascht, daß ihre Auffassung von den lieche», politischen Dingen und ihre dcinciiilorechende Stellung zu den Par- teien durch denselben in keiner Weise verändert ist. Emen überaus schweren Schlig aber bat die Politik derjenigen Conscrvaiivcn er- litten, welche im Bunde mit dein Centrum die einzige Ge- währ sür die Zukunft des Vaterlandes finde» zu sollen glaub- ten. Was nützt der „Kreuzzeitung" die Versicherung, daß ihre den Bischof von Paderborn vertheidigenden Artikel fast sämmtlich aus dem eigenen Lager der „Germania" hervorgegangen seien? Die Verfasser derselben, und standen sie noch so hoch, — einstweilen sind sie geschlagen, und die „Kreuzzeitung" wird an ihnen beobachten können, wie gründlich ei» derartiger Schlag in der katholischen Kirche zu wirken pfleg». Das Centruni fleht dem Staate von Neuem mit der klaren Losung gegenüber: „Keine Berstäudi- aung, kein maflu, vivensii. Eniwedeie Unterwerfung unter die Forderungen des Klerikalismus, oder Kampf ohne Ende!" Will man da immer noch das Heil in einer aus Coniervaiiven und Ccntrum gebildeten parlamentarischen Mehrheit suchen? Man sollte meinen. Jeden, der sehen will, müßte diese letzle Eriahrung über zeugt baben, daß im Bunde mit dem Tentrum niemals ein fester, zuve. lässiger Boden sür eine unabhängige, sich aus sich selbst be stimmende Staatspolitik zu schaffen sein wird. Wei » je, io ergiebt r sich jetzt mit unwiderftelilich überzeugender Gewalt die Noih. I Wendigkeit, die gemaßigien Elemente der nichtultramonkaiic» Parteien I durch vernünftige Verständigung als solide Träger einer gedeihlichen I Fortentwicklung unseres StaalswescnS zusammenzufasien Gerade in dieser Süualion aber hält e- die „Kreuzzeitung" sür angemessen, ihr G,st von Neuem gegen die Nationalliberalen zu spritzen. Wir freuen uns dessen. Zwischen den rein rcaciionären Bestrebungen der „Kreiizzeilling" und de» Anschauungen des Nationalliberalisiinis giebl es keine Möglichkeit der Verständigung, und eS ist gut, daß man sich das unumwunden ins Gesicht sagt, statt sich selbst zu täuschen und sich in uiuiiöglichen Lombinationen zu versuchen. Auch gönnen wir der „Kreuzzeitung" gern daS Vergnügen, sich über den Zuiammenbruch ihrer Hoffnungen mit dem alten Liede von dem unaushaltsam hereinbrechenden Ende des Nationallideralismus zn trösteii. Aber für jenen echte» LonservalismuS» der die wesent lichen Grunälagen des gegenwärtigen politischen Zustandes in Reich und Staat erhalten und sich den Ansorderungeil eines natu» gemäße», veeiilinstigen FortichrütS nicht grundsätzlich entgegen- stemmen will, muß der jüngste Sieg des llltramonlanismns ein lauter Weck und Warnungsrns sein. Ohne allen Zweifel ist diesen Conscrvaiiven langst nicht minder als den Nationalliberalen klar, daß nur eine ans Gemäßigtlibcralen und Geinäßigiconservativen ge- biidete Majorität inmitten unserer geschichtlich gegebenen Verhältnisse die Grundlage eines gesunden constituiionelle» Lebens abgebe» kann. Was bisher vielfach fehlte, ist, daß sie es laut bekannte» und dein- gemäß ü» Verhalteii gegenüber dem Ultrai»o»lamsinns nicht nur, sondern auch gegenüber der sich coujervaiiv »ciinenden rein reaktio näre» Richtung handelten. Werden sie auch jetzt die Zeit noch nicht gekommen glauben? * Wie der „Renen Zeitung" mitgetheilt wird, ist man an einer sehr einflußreichen Stelle der conscrvativen Partei fest cnlschlessen, der Ausstellung des Herrn S töckcr als Candidat für die preußischen Landtags wählen in der entschiedensten Weise cnlgegenzukrete». Es würde sür eine Verständigung der geinäßigtc» und conscrvaiiven Elemente speciel! auch in Berlin selbst von größtem Vortheil sei», wenn sich diese Nachricht bestätigte, bczw. wenn der ange- dcutetc Versuch gelänge. * Ein Zusammenstoß zwischen Polizei und Social demokraten, wie er soeben in Frankfurt a. M. stattgesnuden hat. ist zum Glück e», seltenes Ereigniß in der Geschichte unserer socialen Kämpfe. Frankfurt ist gegenwärtig der her vorragendste Mittclpunct der anarchistischen und socialdcmo- kratlschcn Bewegung und hat als solcher in neuester Zeit viel von sich reden gemacht. Gleich nach der Ermordung deS PolizeirathS Rumpfs hieß eS. eS solle der sogen, kleine Be lagerungszustand über die Stadt verhängt werden; damals Kat mau davon Abstand genommen, jetzt wird man aber ohne Zweifel den Gedanken ausS Reue in Erwägung ziehen. Ob die Polizei in dem Franksnrter Fall nickt mit einer >>nöthigei. Schärfe vorgczangen ist, wirb die weitere Unter suchung zu entscheiden haben; nach den Berichten der Frank furter Blätter hat es allerdings den Anschein. ES fehlt bei dieser Gelegenheit auch wieder nicht an abfälligen und gering schätzigen Ürlhcilcn über die Wirksamkeit deS Socialistcngcsetzes und der ans Grund desselben verhängten Polizeimaßregeln. Der Streit über den Werth dieses Gesetzes wird sich vbnehin demnächst in großem Umfang erneuern. ES wird bald Gelegen heit sein, die Sache gründlich im Reichstag und in der Presse zu erörtern, da in nächster Zeit die Frage einer Erneuerung dieses Gesetzes hcrvortrctcii wird. Wie die Verhältnisse im Reichstage vermalen liegen, ist cs wahrscheinlich, daß dieses das vorige Mal nur durch die deutschsreisiimiaen Abcomman- birnngen und den „Umsall" einer großen Anzahl von Cen- lrnms,nilgliedern zu Staute gekommene Gesetz das nächste Mal scheitert. Wir haben dann vielleicht Gelegenheit, an der Hand der Thatsacken einen Vergleich über die Entwicke lung der Socialdemvkralie mit und ohne Socialislcngesetz an- zustelle». Dann wird sich gar Mancher, der jetzt gering schätzig über daS Socialistengesetz urtbeitt, nach den friedlichen Zuständen zurücksehnen, welche wir jetzt unter diesem Gesetze haben. * Das Rectorat der Universität München richtet an die „Rationalzeitniig" folgende Zuschrift: In Nr. 398 vom 7. d. M. enthält die Berliner „National- Zeilnng" eine Mittheitung auS Wnrzburg, worin es unter -luderem heißt: „Tie preußischen Theologen, welche in Innsbruck stu- dircn, sind vielfach zu gleicher Zeit in München immatriculirt", und in Nr. 4lO vom 14. d. M. ist unter Bezugnahme aus diese Mil- Ihcilung die Frage auigeworsen, wie die UnwersüätShehürden dazu kämen, ei» solches Treiben zuzulassen, das ebenso mit den Statute» der Hochschule, als mit ihrem Ansehen in W dcripruch stünde. Tic Behauptung, daß die preußischen Theologen, welche in Innsbruck studiren, vielfach zu gleicher Zeit in München immatriculirt Kien, ist unrichtig. Nach den an unserer Universität gellende» Be stimmungen kann ein Studirender nicht gleichzeitig an zwei Hoch- ichliie» immatriculirt sein, und unterliegt ferner jede über zwei Ta:c dauernde Enlicrnung eines Studirenden von der Univeri'iläisst.st zur Zeit der Vorlesungen ohne Genehmigung einer diocipli iarcii Ahn dung. Diese Bestimmungen sind an der hiesigen Universität i»»»cr sestgelmllc» worden. Daß ei» Zuwidcrhandcln gegen dieselben ohne Vonvissei, der Universitätsbchördcn zeitweise eintretcn könnte, wird Niemanden Wunder nehme», der mit den UiiiversiiälSverhallniffen ve>traut ist. Tie Universitätsbehörde» können nicht wohl jeden Tag 'Nachforschung darüber ai stellen, ob jeder Ttudirende in der Univerjiiatsstadt an- weiend sei; der Ttudirende wird bei seiner Ansnai me an der Uni versität aus die Befolgung der bezüglichen Vorschriften durch Hand schlag in Pflicht genommen, und eine zu amtlicher Keniitniß gelangende Verletzung derselben wird disciplinar geahndet. Was nun insbesondere die dermalrn an der Universität Münch-n sich befindenden Theologie-Candidate» anlangt, so sind zur Zen dahier 28 preußische Staatsangehörige als Stndircnde der Ti> otogie im- matricntirt. Durch eingeleitete Untersuchung »nd Verrufen der ein zelnen Candidaten ist fcstgestellt worden, daß 25 von denselben, so lange sie dahier immatriculirt sind, während der Dauer der be treffenden Studiensemester auch in München anwesend gewesen seien; einer, der Riste, ist augenblicklich nicht hier: derselbe ist »ideß schon neun Jahre Priester und hat nach dem Ergebnisse der bisherigen Nachforschungen die Universität verlassen, um eine Hosmeistcrstelle zn übernehmen. Durch die vorstehende Darlegung dürfte auch die cigeuthümlich berührende Frage, wie die llnwersiiätsbehördcn dazu kämen, ein solches Treiben zuzulassen, ihre Würdigung gefunden haben, und bars das Unterzeichnete Rektorat von der Redaction eines Blattes, wie eS die „National-Zeitung" ist, erwarten, daß sie von dieser Erklärung geeignete» Gebrauch mache. Hochachtungsvoll das Rektorat der künigl. bayer. Ludwig Maxi milians-Universität München: k»r. v. Rothmundt. Dazu bcinerkk die.Ralional-Zeitung-: „ES unterliegt für u»S keinem Zweifel, daß sich die Dinge in diesem Augen blick völlig"so verhalte», wie sie »i obiger Zuschrift dar- aelcgt werden. Indessen ist zu berücksichtigen, daß die Unter suchung und daS Verrufen der Theologiccanbivalcn erst siatl- sinbcn konnten, nachdem die Betreffenden durch die Veröffent lichung oeS Schreibens unseres Würzburger Gewährsmannes gemerkt batten, daß man ans ihr Treiben aufmerksam ge worden war Wenn die „Franki. Ztg." >» einer Münchener Corrcsponbcnz vcrmuthct, die „Ral.-Zlg.' würde, wenn die cingcieitete Untersuchung nichts ergäbe, rehauptcn, die Unter suchung sei nickt eingehend gewesen, so irrt sie Eine Unter suchung in München, so eingehend und gewissenhaft sie auch sein mag, wird erst dann völlige Beweiskraft erlangen, wenn auch von der Innsbrucker Universilätübebörde bestätigt werden kann, eS habe sich dort kein Münchener Thcologie-Lludirender inscribiren lassen. Im Uebrigen überlasten wir unserm Ge währsmann die weitere Antwort." * I» der belgischen Dcputirtenkammer kam eS am DicnStag wieder einmal zu einer erregten Scene. Der trübere Minister deS Innern, Rolin, der seinen Nachfolger Thoniffe» in offener Kainmersitzung der Betrügerei beschuldigt hatte, wurde zuerst vom Präsidenten, und als er die Zurück nahme der beleidigenden Worte verweigerte, unter RaiilenS- aufnls sämmllicher Anwesenden durch die Mehrheit deS Hauics (42 Stimmen der Rechten gegen 27 der Linke», 7 Vertreter BrüjselS schwiegen) zur Ordnung gerufen Thoilisi.il halte eine lonigtiche Verordnung, welche eine Gc- meiiideschnle ausliebcn und an deren Slelle eine freie von Geffllicken geleitete setzen sollte, dadurch begründet, daß der Schulinspectvr sich dafür ausgesprecken habe. Rolin wieö aber nach, daß daö gerade Gegenlbeil der Fall sei und kein Schulinspector eine freie Schule zu besiirworlen wagen würde, deren Dircclor wegen Unzucht gerichtlich verfolgt wird und ans siüchligem Fuße ist. Das; der Minister trotzdem so ver fahren konnte, wie er gethan, wurde auch von Fröre Orbau als ganz unverantwortlich bezeichnet. * Die französische Wahlbewegung macht allmälig erkennbare Fortschritte. Sic concentrirl sich zur Zeit in den Aufrufen deü Führers der Radicalc», Clcmciiccau. und des gemäßigteren Anschauungen huldigenden Ribot. Letzterer ist zwar weit entfernt, ein .conservalivcr" Republikaner zu sei», aber er begegnet sich mit letzteren in dein Wunsch, den Gang der öffentlichen Entwickelung vor einem weiteren Zniieigcn nach links zu bewahren, da er der Ansicht ist. daS äußerste Rias; von Zugeständnissen, waS man dem Drängen der Linken habe machen könne», sei m dem gegenwärtigen Tableau der verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik in überreicher Fülle gewährt. Ter Pariser „TcmpS" und ähn liche Prcßorgane von gemäßigter Schreibweise, behaupte». Ribot'S Wahlausrus habe in den Provinzen dem Elciiienccau'- schen den Rang abgclauscu; Clemciiceau gicbt aber den Kamps um deswillen noch lange nicht aus, wird vielmehr am Sonn tag, wie eS heißt, in Marseille eine gewaltige Rede vom- Stapel lassen, welche dem RadicaliSmuS wieder zu Oberwasser verhelfen soll. DaS Kampssclv der rivalisirendcu Parteien ist fast ausschließlich auf inncrpolitischeiu Gebiete gelegen Ruhige Ucbcrlegung, verbunden mit einer guten Dosis iiislinc- tivcr Scheu, hält die Führer von dem Betreten der Bahnen der auswärtigen Politik zurück. Sic sehen reckt wohl ei», daß dort sür sie keinerlei Lorbeeren cinzuhcimscn sind, und liegen viel zn praktische Ueberzcugungcn, als daß sic sich bemühen möchten, Träumen nackzugehen, deren Verwirk lichung n»ter den jetzigen Zeitläuften mindestens ebenso aus sichtslos ist als die Lösung der Quadratur des Zirkels. Sie begnügen sich mit der Programmsordcrung einer friedlichen, zugleich aber festen und die Ehre sowie die Interessen Frank reichs wahrenden auswärtige» Politik, und in diesem Puncte ist die öffentliche Meinung mit ihnen durchweg einverstanden. WaS sic insgeheim ans dem Herzen hat, kommt sür den Effect der jetzt betriebenen Wahlagitation nicht in Betracht. Letztere selbst trägt aber freilich vorerst nur einen proviso rischen Eharaklcr und wird denselben behalte», bis die Regie rung mit ihrem Programm herauSgerückt sein wird. TaS dürste aber kaum vor Schluß der Session geschehen. * Wie auS Lissabon gemeldet wird, gilt eS als nahezu gewiß, daß daS portugiesische Eabinet sich in kurzer Zeit compleliren wird und daß die gegenwärtig unbesetzten Portefeuilles des Aenßcrn und der ösienllichcn Arbeiten besetzt werden. — Die wichtigsten Beschlüsse der jüngst abgelausciien Session der EvvtcS betreffen: die Reform der Verfassung, die Erniächlignng der Regierung zur Unternehmung wichtiger Aibeilen i»i Haien von Lissabon, einen Eontract, betreffend die telegraphische V rbindung zwischen Portugal und seinen westasrikanischen Eolonien. die Feststellung der Gruntzüge eines neuen Vertrages bezüglich der Eisenbahn von Loanda nach Ainbaca, die erste Organisiriing deS Eongogcbictcs, einen Credit von ilngeiähr 3 Millionen Francs sür die ersten .Kosten der Occupatio» dieses Gebietes, die Erweiterung der Mum- cipalität der Hauptstadt re. * Wie daS Gerücht wissen will, sollen die Actien des Er- vicckönigS von Egypten Ismail Pascha wieder steigen, und zwar schließt man dies a»ö dem Glückwunschtelegrani»:, welches Ismail anläßlich deö Bairain an de» Sultan ge richtet, woraus eine enlsprechend gnädige Antwort Abdul Hamid'S erfolgt sei. Man macht zugleich daraus aufmcrk'ai». daß cö seit Jsinait'S Absetzung das erste Mat sei. daß r r Sultan dem Ex Khedive direct ans dessen Bairamtev siche ge antwvrtel babe, und hält diesen Vorgang sür N'mpromatisch genug, uni daraus gute, angeblich von den drei Kaiiermächlen iliitcrstiitzke Anssichlcn Ismail Pascha'S sür seine Wiederein setznng abznlciteii. Tein gegenüber verzeichnet die „Rene Freie Prcssc" eine Meldung ibrcs Konstantinepclcr Corrcsipon- denten, tcrznfolge zwischen dem Snllan »nd rem regierende» Khedive Tewsik ebenfalls ein sehr sreniiklicher Festtepeschen- wecksel statlgesiinde» und Madame Tewsik Pascha noch oben drein de» Schcskat-Orden in Brillanten erhalten bat. * UlysseS Grant ist nach einer Londoner Meldung in mitten seines FainiliciikreiscS verschieden Sein Ende war rubig und schmerzlos. Tagelang halte er i» seinem Bette ausrccht gesessen, seinen Tod gefaßt erwartend. Vor Monaten schon hatte» die Acrztc geglaubt, seine Stunde sei gekommen; aber der angebliche Zniigenkrebö verwandelte sich in ein ein faches Geschwür, welches zeitweilig die Hoffnung seiner Geiiesiiiig in Aussicht stellte. Ter ihm dadurch gewährte Aufschub kam seinen Tenkwürdigkcite» zu Gute, deren zweiten Tbei! er mittlerweile zu Ende führte. In New -)ork herrscht allgemeine Trauer; die Glocken ertönen und überall wehen Trancrsahiicn. * Tie seit einiger Zeit in Arizona und Neu-Mcxiko im Ga»ge befindlichen Jndianer-Unruben droben in einen allgemeinen Jndiancrkrieg auSznarten. Nock sind die ApncheS, welche sich in die schwer zu erreichenden Schlupfwinkel der Sierra MadreS zurückgezogen haben, von den Bereinigten T laatcn-Truppen nicht unschädlich gemacht worden, und bereits regen sich andere Indianer-Stämme, wie die Utes, Mcscalcro-ApachcS und Cheyennes, um sich auf den Kriegs»
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