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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188509061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850906
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850906
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-09
- Tag1885-09-06
- Monat1885-09
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1885
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ikrsehsint täglich ftüh 6'/, Uhr. Kr-aclion un- Lrpr-iUoa IohanneSqasse 8. Lprechkun-rn der NrdacÜ«u: Vormittage 10—12 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. «»» »X em»«ja»din «»nuscr,»«, »»ch» >ch »u IIc»»cii«i> nicht »ndmditch. ««nähme »er für »te n-chftf«I,e»»« Nummer »rfttmmten Inkerale »u Wochentagen bi» Z N»r Nachmittag«, a» Loun- und Aesttagen früh d>«,S Uhr. 3« -en Fiiialrn für 3ns.-^nnahme: Otto Aieinm, llniversitärsstrahe 1. Lout« Lüsche, -atharlnnrstr. 23, p. »ur »t» '/.S Uhr. ^ 24S. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Tonntag den 6. September 1885. —»WMMMWMW»>MWWWW»W»——»MM»—! „! !! « ! !— Auflage tv,LV«. .Xvonnementspreis Viertels. 4'/, MH. incl. Bringknodn 5 Mk.. durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer SO Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Exlrabeilaaea iin Tngeokati-Formal gesalzt) oh», " oübesürderuiig 39 Mk, mit Poslbesorderuiig 48 Mk. Inserate Kgeipattenc Prtitzrüe 20 Pf. Größere sedrmrn laui unf. Preisoerzeichniß. labellariscve: u. Zifferniatz nach höher« Taris. lirrlamen nnter dem Nedaclionsstrich die 4 gelpalt. Zeile 50 Ps.. vor den Familieniiachrichteu die iigefpatteue Zeile 40 Pf. Juieraie sind nris an die irrpedltmn ja sende». — Rabatt wird man gegeven. Zahlung praeuliimunnno oder dura, Post, uachnayme. 7l>. Jahrgang. Amtlicher Theil. ileffentliche Sitzung -er Stadtverordneten Mittwoch, den v. Geptewber 1884. 4tbe«dS 7 Uhr, in» Saale der I. Bürgerschule. TageSorv nung: I. Bericht de» Bau», Oekonomie«, Finanz- und StistungS- auSsckuffeS über geschäftliche Behandlung der Vorlage, betr. die Errichtung eine» neuen Schlacht- und Diehhoses. II. Bericht des Bau-, Oekvnomie» und Finanzausschusses über rin Abkommen mit den Herren Gedr. Kirmse wegen Arealabtretung zur Verbreiterung der Iohanne»- gassk- III. Bericht de» Bau-, Oekonomie-, Verfassung»- und Finanzausschusses über Parzellirungsplan und bez. Bauvorschriften für da» städtische Areal de» hinter dem StaatSgymnasium gelegenen Baublocks. IV. Bericht de- Verfassung», und LvschauSschnffeS über Anstellung eine» Brandinspectors. V- Bericht de» SchulauSschusse» über: «. die Rechnung der l8 Volksschulen zu Leipzig pro 1383; b die Rech nungen der Tbomasschule, sowie der Privatcasse der Alumne,, und Externen an derselben pro 188l, 1882 und ,883. VI. Bericht de» Finanzausschusses über: ». die Vorlage betr. das Gesuch deS Herrn G. de Liagre um Erlaß einer Grunderwerbssteuer und eine» Ärmcncassenbei- trageS; d. Erhöhung de» jährlichen Beitrage» an den Verein für die Geschichte Leipzig; e. Beibehaltung der Feriisprecheiiirichlnng im Museum. Bekanntmachung. Unter Hinweis aus die Vorschriften des ReichSimpsgesetzeS vom 8. April 1874 und „ach Maßgabe der hierzu erlassenen königl. sächsischen Ausführung--Verordnung vom 20. Marz 1875 machen wir hierdurch Folgende- bekannt: 1) Tie Stadt Leipzig bildet einen selbstständigen Zmps- bezirk, für welchen der Slabtwnndarzt Herr vr. weck. Wil helm Conrad Blaß, Königsstraße 8, al» Impsarzt unv Herr vr. weck. Schellenberg, Bahnhofstraße lv, als besten Assistent verpflichtet sind. 2) Das Inrpflocal befindet sich in der bentral- hallc — Kaisersaal — (Eingang, Eeatralstr. 2). 3) Daselbst finden die öffentlichen Impfungen von hier aufhältlichen Kindern in der Zeit vom 13. Mai biS eittschlicfilich IS. Juli und vom Iv August biS einschliefilich 3tt. September dieses JahreS, und zwar bis aus Weiteres an jebem Mittwoch von >/,3 bis 5 Uhr Nachmittags, unentgeltlich statt. Daselbst sind auch die Impsl'Nge an dem bei der Impfung näher zu bestimmenden Tage zur Revision vorzustellen. 4) Im Lause dieses JahreS sind der Impfung zu unterziehen: I. diejenigen Kinder, u. welche iiu Jahre 1884 geboren worden, b. welche in den Jahren 1874 bis 1883 geboren sind und im Jahre 1884 ver Impf'sfflicht noch nicht vollständig genügt haben (erfolglos geimpft oder wegen Krankheit nicht geimpft): II. diejenigen Zöglinge öffentlicher Lehranstalten und Privat- schulcn, n. welche im Jahre 1873 geboren sind, d. welche in den Jahren 1883 bis 1872 geboren sind und im Jahre >884 der Iinpfpflicht noch nicht vollständig genügt haben (erfolglos wievergeimpft oder wegen Krankheit nicht wievergeimpft). 5) Alle hiesigen Einwohner sind berechtigt, ihre wie zu 4 unter In und b bemerkt, impspfUchtigen Kinder dort (Kaiser- saal der Centralhalle) unentgeltlich impfen zu lasten. 8) Für jedes Kind, welches zur Impfung gebracht wird, ist gleichzeitig ein Zettel zu übergeben, auf welchem Name. Geburtsjahr und Geburtstag des Kinde», sowie Name, Stand und Wohnung de- Vater-, Pflegevaters oder Vormundes, beziehentlich der Mutter oder Pflegemutter deutlich ver zeichnet ist. 7) Die Eltern der im lausenden Jahre impspflichtigcn Kinder werden datier hierdurch unter ausdrücklicher Verwar nung vor den i»i tz. i4 Abs. 2 deS Impfgeseyes angedroblen bis zu 50 ,4t in Geld oder 3 Tagen Hast ansteigenden Strafen aufgesordert. mit ihren Kindern in den anberaumlen Imps- beziehentlich NcvisionSlerminen behufs der Impfung und ihrer Coutrolc zu erscheinen, oder die Befreiung von der Impspflicht durch ärztliche Zeugnisse hier nachzuweisen. 8) Wege» Anberaumung der Imps- und RevisivnStermine zur Wieder-Impfung, beziehentlich Controle der oben unter II» und b gedachten inipspflichtigen Zöglinge wird an die Schulvorstcher besondere Weisung ergehen. 9) Diejenigen Eitern, Pflegeeltern unv Vormünder aber, welche ihre im Jahre 1385 inipixflichligen Kinder und Pflege befohlenen, wie ihnen sreigcstellt ist, durch Privatärzte der Impfung unterziehen lasten wollen, werben hierdurch ausge- sordert. bis längstens zu», 30. September 1885 die erforder lichen Impsuiigc» auSsiihren zu lasten, sowie die vorgescbrie- bene» Bescheinigungen darüber, daß die Impfung bezicbenliich Wievcr-Iinpsung erfolgt oder auS einem gesetzlichen Grunde unterblieben ist. in der Impferpedition im Stadthause, Obst« markt 3, II. Stock Zimmer Nr. Il5, vorzulegen, widrigen falls sic nach erfolgloser amtlicher Aufforderung zur Nach holung deS Inipscnlassens binnen angcmestencr Frist Geld strafe bis zu 50 oder Hast bis zu 3 Tagen zu gewärtigen haben würden. Aus Familien und Häusern, in denen ansteckende Krank- beiten, wie Masern, Keuchhusten, DtphtheritiS, Scharlach, Rose u. s. w., bestehen, darf ein impspflichligeS Kind in keinem Falle in daS Impflocal gebracht werden. Leipzig, am 27. April 1885. Der Rat- der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Renker. Bekanntmachung. Di« diesjährige Leipziger MichaeliSnreffe beginnt ossiciell am 28. September und endigt den 17. Oktober Wäbiend dieser drei Wochen können alle tu« und aus ländischen Handelsleute, Fabrikanten und Gewerbtreiben- dcn ihre Waaren hier öffentlich feilbiete». Doch kann der Großhandel in der bisher üblichen Weise bereits in der zum AnSpacken bestimmten Vorwoche vom 21. September an betrieben werden. Das Auspacken der Waare» ist den Inhabern der Meßiocaie in de» Häusern ebenso wie den in Buden und aus Ständen feilbatlenden Verkäufern in der Woche vor der Böttcherwochc gestaltet. Zn», Einpacken ist da» Ofsenhalten der Mcßlocale in den Häusern auch in der Woche nach der Zahtwoche erlaubt. Jede frühere Eröffnung, sowie jedes längere Offenhalten eine« solchen VerkansStocales. ebenso da« vorzeitige AuS« packen an de» Ständen und in den Buden wird mit der sofortigen Schließung und außerdem jedeSmal, selbst bei der ersten Zuwikerdandlung, mit einer Geldstrafe bis zu 74 Mark oder entsprechender Haststrase geahndet werden. Auswärtige» Spediteuren ist von der hauptzollamtlichen Lösung de- WaarenverschinsskS an bis mit Ende der Woche nach ver Zahiwoche daS Speditionsgeschäft hier gestattet. Leipzig, den 28. Juli ,885. Der Rath der Stabt Leipzig. vr. Tröndiin. Krumbiegel. Bekanntmachung. Wegen vorznuehnieiider Pflasteruiigsarbeiten wird die zwischen der Aicxandcrstraße unv dem Westplatze gelegene Strecke der Eolonnabenstrafie von Sonnabend den 4. d. M. ab sür allen unbe fugten Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 4. September 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgi. Hennig. Ermittelung über die gewerbliche Arbeit an Sonn- und Magen. Vo» den >» Ausführung einer Verordnung deS königlichen Ministeriums versendeten Fragebogen ist eine größere Anzahl nicht wieder a» uns zurückgelangt. Damit die aiigcordnetc» Erörterungen nicht lückenhaft bleibe», bitte» wir um gefällige Zusendung der ausgestellten Bogen bis vätrstens de» 10. dss. Mts. Leipzig, den 6. September 1885. Die Otewerbekammer. D. A. Oehler, Vors. Herzog, Teer. Holz-Anction. Im Nniverfitätswalde bei Lirbertwolkwitz sollen Mittwoch, den 16. September d. I., von Vormittags 10 Uhr an 5 Stück eichene Klötze von 30—43 cm Mittenstärke l und 3—5 w 11 » - » - 44—92 » « / Länge, 5 Raummeter eichene Nutzscheite, 31 - - Brennscheite, 36 - kieferne Brennrollen, 59 - eichene Stöcke, 9,5 Wellenhundert eichenes Reisig und 70,0 - kiefernes bergt gegen Erlegung der geordneten Anzahlung vnd unter den sonst be kannt zu machenden Bedingungen meistbietend versteigert werden Versammlung auf de« vntterwcge an der Ltörntthalrr «ruize Le Leipzig, am 1. September 1885, UniversttütS-Rcntamt. Gras Nichtamtlicher Theil. Zur politischen Gesammtiage. Zu keiner Zeit sind so große und umsaffende Anstrengungen gemacht worden, um den europäischen Frieden ausrecht zu erhalten, als in der Gegenwart, aber eS ist auch kaum jemals so viel Zündstoff angehäust gewesen. Wohin wir unsere Blicke wende», überall treten uns ungelöste Fragen entgegen, welche früher oder später entschieden werden müssen. Die drei große» Fragen der Gegenwart sind die Nationalitäten frage. die kirckcnpolitiscbe und die sociale Frage. Um diese drei Fragen drehen sich alle äußeren und inneren Kampfe, und in allen dreien ist es daS Streben nach Macht, welches die Kämpfe entzündet hat. Wenn sich Slawe» und Germanen, Romanen und Germanen, Semiten und Antisemiten be kämpfen, so ist cS der Wunsch, die Oberhand, die Herrschaft über den Gegner zu gewinnen, welcher die Kämpfenden leitet. Der Kamps der Slawe» gegen die Germanen ist heute in Oesterreich besonders heftig entbrannt, wie wir daS gestern an dieser Stelle auSeinanbergesetzt haben, und es kann nicht fehlen, daß er dereinst zum Austrage gebracht werden muß. In Oesterreich muß eS sich entscheiden, ob die Czechen. Polen und Slowenen die Deutschen unter drücken oder ob umgekehrt die Germanisirunz der slawische» Stämme Oesterreichs wieder ausgenommen und zu Ende ge führt wird. In Rußland kann eS nicht zweiselbast sein, daß die deutschen Bewohner der Ottseeprovinzcn von den slawi- schcn Elementen entweder aufgesogen oder verdrängt werde», andererseits besteht ein Gegensatz zwischen Russen und Polen, welcher auch eines Tage- ausgeglichen werden wird, und zwar unzweifelhaft im Sinne der Rnsüsicirung Polen-. Der große Kamps des Panslawismus gegen das Deulschthum bleibt einer späteren Zukunft Vorbehalten, deren Zcilpunct noch nicht bestimmbar ist. Nicht so klar und scharf ist der Gegensatz zwischen Ger manen und Romanen. Die Sacke liegt nicht so, daß Italien Spanien und Frankreich gegen Deutschland und England znkammcnstehcn, die politischen Interessen sind hier daS Ent scheidende, welche» die Beziehungen der Nationalitäten zu einander bestimmt. Ei» schroffer Gegensatz besteht zur Zeit »ur zwischen Deutschland und Frankreich, allein geniildert durch das FriedenSbedürfniß Frankreichs trotz unverkennbaren HaffeS gegen Deutschland. Die Stammverwandlschast zwischen Fran zosen, Spanier» und Italienern übt ihre Kraft und Wirkung, daS fat sich erst in neucsler Zeit bei Gelegenheit der Carolinenfrage zezeigt. Eine dculschseindiiche Bewegung war im Handumdrehen >» Spanien entzündet, trotz der srcundschaittichcn Beziehungen zwischen Heiden Ländern, die seit länger als einem Jahrzehnt bestehen. Diese Bewegung ist. wie sich mit immer größerer Gewißheit herausstellt, vo» Frankreich aus hervorgeruse» und geschürt worden, aber das; sie so leicht in Spanien Wurzel fassen konnte, beweist, wie unzuverlässig die spanische Frennd- chaft für Deutschland ist. Auch da» deutsch-italienische Bündniß ist seit IabreSsrist nicht mehr so sest und uucr- cknltert, wie eS l8 Iabre lang, von 1880 bis 1884. gewesen ist; die Erpedition nach dem Rothe» Meere und die An näherung Italien- an England z» einer Zeit. aiS Deutsch- la»d aus -gespanntem Fuße mit dieser Macht stand, Kat die Herzlichkeit der beiderseitigen Beziehungen einigermaßen ab geschwächt. wenn auch nicht auSgelöschl. Was die Haltung Italiens bestimmt, ist einzig und allein sein Interesse. Mu Frankreich sliinint cö nicht überein wegen Tunis und weil Italien seine Stellung im Mitteimecr durch Frankreich als gefährdet erachtet: wenn dieser Streitpuncl sich beseitigen ließe, würde die Stammverwandtschaft zwischen Italien und Frankreich wohl zum innigsten Ausdruck getänzen. Ein nationaler Gegensatz, welcher beim Kampfe des Mahdi gegen die Engländer und Egypler sehr schroff zu Tage ge treten ist, ist der zwischen den arabische» Stämmen und de» Europäer». Man könnte glauben, daß die Religio» dabei der bestimmende Hauptfactor wäre und daß cs sich dabei wesentlich um eine» Kamps der Bekenner de« ISlam gegen die Christen handelte, allein diese Auffassung erweist sich ogleich als irrig, wenn man erwägt, daß der Ausstand des Mabdi sich nicht weniger gegen England und Egypten als zegcn den Großsultan richtete. Ter Kamps Lcö Mabdi ist in erster Linie die Auflehnung der im Sudan geborenen Be wohner gegen die eindringenden Fremde», der Afrikaner gegen die Europäer, und insofern in demselben Maße ein nationaler Kampf, wie der Kamvs der Chinesen gegen die Franzosen in Donkin und Cockinchina. Die nationale» Unterschiede kom men in beiden letztgenannten Fällen nicht allein i» Betracht, sondern noch mehr als diese die Unterschiede der Rasse. Die zweite Hauptfrage der Gegenwart ist die kircken- politische. Der Kamps deS PriesterlkumS mit dem Königlhum um die Herrschaft im Staate ist so alt wie die Geschichte, unv keine Gewalt hat mit gleicher Zähigkeit an dem von ihr erkämpften Gebiete sestgehaltcn wie da« Prieüerthum. Der kirchenpolitische Kamps in Deutschland ist die Folge der Aus richtung des protestantischen KaisertbnmS, und er wird nicht eher zur Ruhe kommen, als biS sich die römische Curie in irgend einer Form mit dieser Neugestaltung der Dinge ab- gesund-m habe» wird. Die Unterwerfung der Kirche unter die Staatsgewalt ist ebenso wenig zu erwarten, wir die Demnlhigung dieser vor jener, und deshalb ist die Verlängerung des Kampfes aus unbestimmte Zeit daS mit Sicherheit zu Erwartende. Durch die Ein ziehung des Kirchenstaates ist jetzt wenigstens so viel erreicht, daß die kirchenpolitischen Kampfe jetzt keinen maßgebenden Einfluß mehr ans die Gestaltung der internationalen Beziehungen auSiiben, die Kämpfe spielen sich zwischen den einzelnen Staaten und der Curie ab. ES bestehe» augen blicklich starke Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und der Curie, Frankreich und der Curie, Italien und Ruß land unv der Curie, aber alle diese Streitigkeiten haben aus die Beziehungen der Mächte unter einander keine» Einfluß, cS handelt sich dabei »ur um daS Marktgebiet, weiches die Kirche in de» genannten Ländern beansprucht und welches ihr gewährt oder verweigert wird. Die dritte große Frage, welche auf die Gestaltung deS Geschickes der Völker bestimmend cinwirkt, ist die sociale. Diese Frage wirkt, ungeachtet der große» allgemeinen Gefahr, welche sie in sich schließt oder vielmehr gerade wegen ihrer Gemeingesährlichkeit, Friede» erhallend. Die sociale Frage war es, welche den Gegenstand von Beralhungen bei der Kaiierzusammenkunst von Skiernicwicc bildete; ja nicht nur die Monarchien haben kiese Frage von Land zu Land er örtert, auch Frankreich und die Schweiz haben erkannt, daß eS nothwendig ist. gegen diese gemeinsame Gefahr geineinsamc Maßregeln der Abwehr zu crgrciicn. Der Kampf der Besitz- losen gegen die Besitzenden beschäftigt die Negierung jeder einzelnen Macht, und jede Macht ist bereit, der anderkn in der Abwehr dieser Gcsabr gute Dienste zu leisten. England und die Schweiz wiesen früher mit besonderen, Stolz auf daS Asylrecht hin, welches sie den Ausgestoßcnen anderer Länder gewährten. Seitdem die Anarchisten gedacht haben, den DundeSpalast in Bern in die Luft zu sprengen, seitdem sie Gens und Zürich für ihre Zusammen künfte und ihre ständigen Ausschüsse als Ort gcwäbtt haben und dadurch der Bundesregierung Verlegenheit über Verlegen heit bereiten, wollen die Schweizer von der Anirechthaltiiiig des AsylrechtS nicht- mekr wissen. Die Engländer bab-n noch schlimmere Erfahrungen mit den Feniern gemacht. Tic Dynamit-Attentate in der Londoner City und ans den Vabn- höfen haben ihnen gezeigt, baß auch das Asytreckt seine Grenzen hat und daß cS unter den heutige» Verbältniffen nicht mehr möglich ist, eine» Grundsatz, der an sich richtig ist, ohne Einschränkung durchzusübre». AnS vorstehenden Ändeutnnge» ist ersichtlich, wie gespannt die bestehenden Verhältnisse nach allen Richtungen hi» sind und wie großer Klugheit und Mäßigung cs bedarf, ui» tcn überall angehäufte» Zündstoff gefahrlos zu »rachen. Der festeste Hort deS europäischen Friedens ist der Dreibund zwischen Deutschland, Oesterreich »»d Rußland, und eS ist deshalb die wichtigste Ausgabe, diesen Bund trotz aller zwischen den drei Mächten bestehenden Unterschiede und Meinungsver schiedenheiten im Innern aufrecht zu erhallen. * Leipzig, 6. September 1885. * Die Commission sür die Ausarbeitung eines bürgerlichen Grsetzbuckes vielt am 3. September unter den, Vorsitze des Wirklichen Geheimen Rathcö Vr. Pape ihre erste Sitzung nach Ablauf der Ferien ab. Ursprünglich sollte diese Sitzung bereits am 2. siallttiide». Wege» des SedantageS war sie jedoch verschoben. Die Commission wird nun wieder regelmäßig aliwöchriillich Montags. Mittwochs und Freitags Sitzungen abh ilün W>c ca heißt, bossl die Commission ihre G>saniiniarbeilen binnen zwei Jahren zum Abschluß bringe» zu tonnen. * Herr Windthorst hat in einer Schlußbetrachtung in der Miinsterer Katholi ken versa mm l »ng auch die Lände rn aswahle» und die seitens deS Centrums dabei zu beobachtende Taktik berührt. Es war das alte Recept. iras er empfahl: „Es dürfe» nur Lenke gewäblt werten, welche sichere Garantien bieten, aber keine Nationattiberaten und Freiconservaliven." Die „cnilnlkämpserischcir" Mittelpartcicn sind unter allen Umständen verschütt, was dieselben ebenso wenig überraschen wie betrüben wird. DaS Doppelspiel der Untentiitznng von Hochcoiiservativen aus der einen, von Dcutsckfreisinnigen ans der andern Seite behält sich der Ceiitrumssübrer auch jetzt wieder vor. Wer von beiden die „besseren Garantien" bietet, hat die Hilfe der CeittriimSwähIer in Wablkreisc», wo diese mit ihren eigenen Caiididrtten nicht durchzntrinaen vermögen. UebrigenS hat die Miinsterer Katkolikc» - Versain»ttll»g die Ziele, die den Ultramoiitaiien gegenwärtig besonder- am Herzen liegen, znm Schluß mit größter Offenheit in einer Reihe von Resolutionen niekergelegt. Es wurde be schlossen ein Protest gegen die Beraubung des päpstlichen SluhleS, eine Resolution für die Freiheit der Erziebung deS KiernS, eine solche sür die Erneuerung deS priiiciplellen Kampfes nur die Schule und eine für Ansyebnug des OrdenS- gesetzes, Wiederberstellung der weltlichen Herrschaft VeS Papste», Aushebung fever staatliche» Emnuschilng in die Er- ziebung der (katholischen Geistlichkeit, Herstellung der geist lichen Herrschaft in der Schule und Rückführung der Ordens brüder. namentlich der Jesuiten, bei deren Erwähnung die Dcrsainmlung jedesmal in lauten demonstrativen Beifall ausbrach: Das sind die Ziele, welche die nllranioittane Ver sammlung als die wichtigfien bezeichnet hat. Wer bat noch Lust, aus solcher Grundlage weiter an der „Versöhnung" zu arbeiten? (Siehe auch den Artikel „Zur Lage".) * Die .Germania" bat wieder eine freudige Nachricht zu verzeichnen: Die Bischöfe sind übcreingckoinmen, den katholischen Theologie-Studircnde n zu eröffnen, daß die Einholung oder die Annahme deS in Artikel 3 deS Gesetzes vom 31. Mai 1882 gedachten Zeug nisses (über Zuriicklegung eines gewissen Stndiengang« und Hörung gewisser Vorlesungen, wodurch die wisscnschastljche Staatsprüfung ersetzt werden sollte), ebenso wie die Vorlage deS etwa bereits erbetenen oder erhaltenen Zeugnisses bei dem Oberprasidenten verboten sei, und daß Niemand, der ein solches Zeugniß erbitte oder vorlege, die heiligen Weihen er halle» werde. Damit wäre allerdings der Paderborner Erlaß gründlich verleugnet und die wohlwollende Absicht des Gesetzes, die Anstellung der Priester zu erleichtern, durch kreuzt. Wir kommen auf die wichtige Angelegenheit zurück. Die katholische Hierarchie sucht offenbar ans alle Weise den Kamps zu verschärfen; sie wird auch die Folgen zu tragen haben. * Die .KölnischeZeitung" schreibt: „Der Bürgermeister von Saarlouis ersucht unS um Aufnahme einer .Er klärung bezieh ung» weise Berichtigung" unserer Mit teilung über die Saarlouiscr Glockenweihe und die Rede deS Dechanten Petry von Wallersangen, dahin gehend, baß die ersten Einwohner von SaarlouiS nicht Sträflinge, sondern von Wallersangen gewesen seien, und daß die Stadt verordnetenversammlung ihn beauftragt habe, zu erklären, daß die Verherrlichung Ludw'g's XIV. durch den Dechanten Petry im Widerspruch stehe mit den Gefühlen unv Ge sinnungen der städtischen Vertretung. Daß Ludwig XIV. nur Sträflinge nach SaarlouiS geschickt habe, ist von unS nicht behauptet worden; was aber in aller Welt geht im Uebriaen, so sragen wir, die Rede deS Herr» Petry die städtische Ver tretung an, so daß diese jetzt nachträglich sich bewogen fühlt, dagegen Verwahrung einzulcgen, daß sie gleiche Gesinnung hege wie dieser edle Dechant! Sollten am Ende Vertreter der Stadt der Glockenweihe beigewohnt haben und auch noch nach dieser Predigt deS Herr» Dechanten olme jede Ver wahrung geblieben sein? Das scheint kann« glaublich, jeden falls werden wir uns Ausklärung darüber zu verschaffen suchen/ * Die Handels- und Gewerbekaminer für Oberbayern hält nach der „Frankfurter Zeitung" in der Frage der Sonntagsruhe eine einheitliche Regelung zur Zeit nicht sür aiigezeigt; sie beschloß dies mit l l gegen 7 Stimmen und spricht sich ivciter dahin aus, baß die bestehende Gesetzgebung genüge, Letzteres mit 9 gegen 9 Stimmen, ferner daß vor Allein die bayerische Verordnung voni 30. Juli 1862 allen berechtigten Ansprüchen gerecht werde, dies mit 11 gegen 7 Stimmen. * Ter „Gazette Diplomatique" wird angeblich auS Berlin geschrieben, Fürst Hohenlohe, der neue Statthalter von Elsaß-Lothringen, werde seine Verwaltung durch eine Gcncralinaßnal'mr einweil,en, wonach alle in den Rcicbo- landen wohnenden Franzosen das Land zn räumen haben. Die „Gazette Diplvmatiguc" hat sich niemals a>4 besonders zn- verlässig erwiesen. Es braucht nicht erst erörtert zu werde», bemerkt daS „Eliaffcr Journal" zu Vieser Nachricht, daß die selbe ii» höchsten Grabe unglaubwürdig ist. Es ist entschieden zu erwarten, daß Fürst Hohenlohe jenen in de» Reichslande» wohnende» Franzosen, welche die Gasisrcinidl'chasl durch deutschfeindliche Agitationen und Hetzereien verletzen, etwas schärfer ans die Finger seben wird, als cs der verstorbene Felvmarscball Freiherr von Maitteunel getba». Allein die Ausweisung sämnttlichcr Franzosen olme Unterschied wäre ein Gewaltact, welcher die Beziehungen Dentschiaiidö zu Frank reich ernstlich bedrohe» und letzteres direct zu den schlimmsten Repressalien reizen müßte. S * * Zur 'Widerlegung der gestern von anderer Stelle erörterte» Gerüchte über die angeblich geplante Einver leibung Bosniens in die österreichisch-ungarische Monarchie reprokucirt das Wlener „Fremdenbiatt" nach stehendes, wie cs meint, offenbar aus Grund cuttbeiitiscbcr Information crflossencS Dementi der Prager „Politik": „Entgegen den neuckten und diesmal aus eine spccielle Ab machung in Krcmsier sich beziebciik » A»ssri'ch»n ,en der alten Mcltungen von der jetzt d sinitiv beschlossene» und alSbatv zu vollziehenden Einverleibnng Bosniens und der Herze gowina wird hier competeiiten Orts ans das Bestimmtefte versichert, daß der Gegeiistanv in letzter Zeit überhaupt nicht »nd also auch nicht in Kremster angeregt worden ist, und daß auch jetzt in keiner Weise beav- sichtigt wird, in den gegebenen Verhältnissen irgend eine Veränderung eintrckcn z» taffen." — Im Zusammenhang hiermit wird dem „Fremkeiiblatl" übrigens noch von anderer Seite versichert, daß auch die vo» südslawischen Blättern, namentlich vom Agramcr „Pozor" verbreitete Meldung, nach welcher die au- Anlaß der bevorstehenden Mililair-Manvvcr
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