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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.09.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188509256
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850925
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850925
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe fehlerhaft gebunden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-09
- Tag1885-09-25
- Monat1885-09
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.09.1885
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Erscheint täglich früh S'/. Uhr. itr-altion »nt LrpedUion J»ha-»e««affe S. Iffrechliunitn ßer Letarlieu: >,rmil»ag« 10—18 Ohr. Nachmiriaq» 5—6 Uhr. ** - MÄ." —' ^ r««H«e »er für »te «üchM»l»r«»* P>»«rr »estt««ten Inserat» a» Sechrntaaen dt» 1 Uhr Nachottiaa», a» G»ou- uo» -eftta,e, srütz dt»'/,» Uhr. 3> tro Filialen für Ins.-^naah«e: ktta Ule«», UatvrrsNttSstrahe 1. Loa,« Lisch». Kathanneustr. 83, p. nar »t« V.« Uhr. Meß-Auflage IN2SV. Fbonnewrntsprkis viertelj. 4'/, Mk. incl. Bnngenobn 5 Mk.. durch dir Post brzogrn 6 Mk. Jede einzelne Stummer 20 Pk. Belegexemplar 10 Pi. Gebühren sür Extrabeilagen (in Taaevlan-Formai geialzt) ohne Postbesörkskrung 30 Mk. «it Postbesvrderunq 43 Mk. Inserate «gespaltene Petitzeile 20 Pf. Gröhere Schriften laut uni. PrelSverzeickmiß Tabellarischer u. Zifferniap nan> tiöderm laut. lirclanien unter dem RedactionSstrich dieögeivakt. Zeile 50 Ps., vordc» Familien Nachrichten die Sgespaltene Zeile 40 Pi. Inserate sind stets an die irrpeditian za senden. — Rabatt wirb mau gegeben. Zahlung praeoumeranäo oder üurcy Post- nachuahiiie. ^ L«8. Freitag den 25. September 1885. 79. Jahrgang. Amtlicher Thetl. Vekanntmachung. Bon den Erben de- am 3. September d. I. allhier ver storbenen Herrn Vr Paul Eugen Platzmann ist nach letztwilliger Verfügung desselben dem PensionSfond» für Chor und sonstige Angestellte am hiesigen Stadttheater der Betrag von Fünfzehn Hundert Mart aittgezahlt worden. Indem wir dir« hierdurch zur öffentlichen Kenntnis) bringen, sprechen wir für diesen Beweis dcS Wohlwollen- gegen unser Institut und die demselben zu Theil gewordene Förderung auch hierdurch unseren aufrichtigen Dank au». Leimig, den 22. September 1885. Der BerwaltunaSanSschust deS PenfionSsondS für Lhor und sonstige Angestellte am Stadttheater ,« Leipzig. I)r. Georgr, Vorsitzender. Wilisch, Ast. Vekanntmachung, die städtische Einkommensteuer detr. Der z»eite Termin der städtischen Einkommensteuer ist, wie auS der am 10. ds«. Ml«, im Tageblatt» erlassen»» Bekannlmachung ersichtlich, am LS. September ». e. mit dem vierfachen Betrage de» einfache« Stener- satzes fällig. Die Beitragspflichtigen werden deshalb ausgesordert, ihre Steuerbeträge spätestens binnen 3 Wochen, von dem Termine abgerechnet, an unsere Stadlsieuer-Einnahme, Stadthaus, Obst markt Nr. 3. parterre link», bei Vermeidung der nach Ablauf dieser Frist gegen die Säumigen eintretenden gesetzlichen Maßnahmen abzufllhren. Leipzig, den 14. September 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Koch. Vekannlinachung, dt« persönliche Anlage für die evangelisch« lutherischen Kirchen t« Leipzig detr. Da mit dem aus den LS. September ». «. fallenden zweiten städtischen Einkommensteuer-Termine einzu- hebende Betrag der persönlichen lutherischen Kirchenanlage ist mil dreißig Procent de» an» der Einschätzung zur staatlichen Einkommensteuer sich ergebeudeu «tnsachen städtischen Steuersätze» fällig. Es werden deshalb die Beitragspflichtigen aufgefordert, ihre Beiträge binnen 3 Wochen, von dem Termine ab gerechnet, an die Stadt-Steuereinnahme zu entrichten, widrigenfalls nach Ablauf dieser Frist gegen die Säumigen da« BeilreibungSversahren eingeleitet werden wird. Leipzig, den 14. September 1885. Der Rath der Stadt Letpzlg. vr. Georgi. Koch. Vrkanntlumhimg. Nachdem die Plagwiyer Brücke dem Fährverkehr wieder übergeben worden ist, wird nunmehr der laut unserer Be kanntmachung vom 10. Juli d. I. sür den Verkehr mit ILwerem Fuhrwerk freigelaffene Weg zwischen der heilige« Brücke und der alten Rathsztegelel sür schwere» Fuhrwerk von heute ab wieder gesperrt. Leipzig, den 2t. September 1885. Der Rath der Stadt Lettz»tg. vr. Georgi. Hennig. Bekanntmachung. Hierdurch bringen wir zur öffentlichen Kcnntniß, daß die dou unS mit Zustimmung der Herren Sladlverordneten in Gemäßheit unserer Bekannlmachung vom l7. Juli d. I. beschlossene Feststellung der Straßensluchtlinie de» Dösener Wege» nach dem Plane Nr. 2184/3633, welcher vom 21. Juli d. I. ab vier Wochen lang öffentlich auSgelegeu, nunmehr Giltigkeit erlangt hat, nachdem die eine bekbciligte Grund stücksbesitzern,, welche Widerspruch erhoben Halle, rechtskräftig absällig bcichieden worden ist, andere Widersprüche aber nicht erhoben worden sind. Leipzig, den 21. September 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. . vr. Georgi. Wilisch. Aff. Bekanntmachung. Die Entschädigung für die vom 12. zum 13. Sep tember dieses IahrcS in diesiger Stadt rinquartiert ge wesenen Truppen vom Köntgl. X. Infanterie. Regiment Nr. 134 ist eingcgangen und kann in den näckNen Tage» bei unserem Ouarlieramte, Stadthau», 2. Etage, Zimmer Rr. IV7, erhoben werden Der ocii Onarlierzeltel Borweisenve gilt zur Empfang nahme berechtigt. Leipzig, am 22. September 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. L. Bekanntmachung« Die Ncuhcrstrllung der Trottoirs in der PeterSstraße ist vergeben und werden die unberücksichtigt gebliebenen Herren Sudmiltenten ihrer Offerten enlbunden. Leipzig, am lS. September 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgs Gringmuth, Assessor. Bekanntmachung. Im neue» Schulgebäude sind verschiedene Keller- und Boden räume soiort oder später zu vermiethen. Reflektanten wollen sich weg«» Besichtigung an Herrn Schuldirektor Letze wenden ev. daselbst ibre Gebote verschlossen, mit der Aufschrift: „Bermiethuug im Schulhaus«' bi« zum 30. September abgeben. »»hli«, de» 25. September 1885. Der Schulvorstand. I. Rudolph. Bors. Bekanntmachung. Laut Angabe de» am 24. Oclober 1866 zu Werlitzsch bei Schkeuditz geborenen Bäckergehilfen Franz Albert Roland ist besten angeblich in Werlitzsch ausgestellte» Arbeitsbuch Mitte Mai d. I» in hiesiger Stadt verloren gegangen. Wir bitten, dasselbe im AusfindungSsalle anher, Ovstmarkt Nr. 3. 2. Etage, abliesern zu wollen. Leipzig, den tg. September 1885. Der Rat- der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Cichorin». Die bei dem kiesigen Leihbause in den Monaten Sep tember, Oktober, Rovember und Deccmber 1884 versetzten oder erneuerten Pfänder, die weder zur Vcrsallzeit noch bi» jetzt eingelvst worden sind, auch nicht bi» zum 30. September n. c. eingelöst werden, sollen den 2. No vember d. I. und folgende Tage im Parterre-Locale de- Leihhauses öffentlich versteigert werden. ES können daher die in den genannten Monate» ver setzten Psänver nach dem 30. September d. I. und spätesten» am 3. Oktober n. O. nur unter Mitentrichtnng der AuctioiiSkostcn von 4 Psennigen von jeder Mark dcS DarlchnS eingelvst oder nach Befinden erneuert werden; vom 5. Oclober d. I. an, an welchem Tage der BnctionSkalalog ge schloffen wird, kann lediglich die Einlösung derselben unler Mitentrichtnng der AiiciionSkostc» von 4 Psennigen von jeder Mark der ganze« Forderung de« LcihbanseS stattfinde», und zwar nur bis zum 2st. Oktober d. I., von welchem Tage ab Aucliontptänder unwiderruflich weder eingelöst noch prolongirt werden können. ES hat also vom 30. Oclober d. I. an Niemand mehr daS Recht, die Einlösung solcher Pfänder zu verlangen, und können dieselben daher von den Eigenthümern nur auf dem gewöhnlichen Wege de» Erstehe»- wieder erlangt werden. Dagegen nimmt va» Geschäft deS Einlösen« und versetzen» anderer Pfänder während der Auction in den gewöhnlichen Localen seinen ungestörten Fortgang. Leipzig, den 15. September 1885. De» Rath» Deputation sür Leihhaus und Sparkasse. Logisvermiethnng. In dem UniversitätSgrundstückc An der 1. Bürgerschule Nr. 3 ist die erste Etage, bestehend aus Lorribvr, st Zimmern. Costiurt, Küche und Speisekammer, sowie Keller- „nt Vedenräumen vom 1. April 168« an, nach Befinden auch früher, auf drei Jaqre und dann bi» aus halbjährige Kündigung freihändig anderweit zu vermiet Heu. Reflectanten werden ersucht, sich deshalb mit dem UiüversitätS- Rentomte iu Vernehmung zu setzen. Leipzig, am 24. September 1885. UniversitiitS-Rentamt. Gras BekaniitliillllMg. Der Unterzeichnete tLcmciuLcrath hak unicr zu »erhoffender Ge nehmigung der Aufsichtsbehörde beschlossen, den ZtiiSfns; sür sämmtliche Einlagen bet hiesiger Sparkasse ab 1. Januar 1886 von 4 auf 3V.V« ldret »US zweidrittcl Prack»»» herabznsetzcn, was tn Gemäßheit der Bestimmung i» H. 15 des hiesigen Sparcasten-RegulativS hiermit zur Nachachiung bekannt ge- macht wird. Liebertwalkwitz, am 83. September 1885. Der Gemcindcrath. Adler. Nichtamtlicher Theil. Zur ojlrumelischeri Frage. Die türkische Regierung hat da» Unzweckmäßigste gethan, was st, bei der gegenwärtigen Lage tbun konnte, sie bat Widerspruch erhoben gegen die Gcwattthal de» Fürsten Alexander und vorläufig einige Bataillone an der Grenze zusammengezogen. Eine andere Mittbeilung fügt binzu, daß der Sultan beschlossen habe, die ihm nach Artikel 16 de» Berliner Frieden» zustehenden Rechte auSzuübcn, also militairisch einzuschreiten. DaS macht etwa den Eindruck, al» wenn ein Kriegerchor in einer Oper, bevor er zum Angriff schreitet, einen längeren Gesang anstimmt. In diesem Falle mußte die Türkei schnell handeln oder gar nicht» thun, aber halbe Maßregeln zu ergreifen, konnle nur als ein Zeichen von Schwäche aufgcfaßt werden. Eine Regierung, die in solcher Lage sich erst bei Anderen Rath erholt, kann aus Anerkennung als selbstständige Macht keinen Anspruch erheben, sie steht etwa auf gleicher Stufe mit der egyptischen Regierung, welche auch nicht» thul, womit sich nicht England einverstanden erklärt. Die Zaghaftigkeit der Türkei ist um so unbegreiflicher, weil alle Vertragsmächte darin übereinstimmen, daß Fürst Alexander unverantwortlich gehandelt hat, und daß der Sultan alle Ursache hat, gegen seine Gewatlthal einzuschreiten. Rußland hat mehr gethan, al» man von ihm erwarten konnte, der Kaiser hat den bulga rischen Krieg-minister, Fürst Cantacuzöne. der zugleich rus sischer General ist. veranlaßt, sein Portefeuille mevcrzulegen, und hat außerdem den Zuzug russischer Freiwilliger nach Ost- rumelien untersagt. Er hat sich damit formell gegen da» Vorgehen de- Fürsten Alnander erklärt; wie er Uder die Sache denkt, ist eine andere Frage. Unzweifelhaft ist, daß der BertragSbruch de» Fürsten von Bulgarien in Rußland bei fällig deurtheilt wird, und wie die russische Armee denkt, so dachte auch Fürst EantacuzKne, der ihr trotz seiner Eigen schaft al» bulgarischer Krieg-minister angehört. Der Gedanke liegt sehr nahe, daß man in Rußland nur eine Comödie ausführt, indem man adwinkt und die Miene der Vertrags treue der Türkei gegenüber onnimmt. Es könnte das sogar eine Falle sein, um die Türkei zu einer energischen Kraft, anstrengung herauszulocken, um dann nachher um so nach haltiger einschreiten zu können. So etwas scheinen der Sultan und die aus seiner Seite stehenden Minister zu befürchten, und da» wäre die einzige Erklärung sür die schwächliche Haltung diesem ganz klaren Gewaltact gegenüber. Di« Türkei will nur al» Vollstreckerin Vr» Willen» der Unterzeichner de» Berliner Vertrages auflrcten, wenn sie ihre Truppen nach Ostrumelirn einrücken läßt. Diese Vorsicht mag nach den Erfahrungen, welche die Türkei im Lause de» letzten MenschenalterS gemacht hat, nicht ganz un begründet erscheinen, aber eS giebt Lagen, in denen eS „dir höchste Weisheit ist, nicht allzu weise zu sein", wie Goethe den Egmont sagen läßt. Dem Tapfer» Hilst da» Glück, lvrtss kortium »Huvat, daS wäre wahrscheinlich der bessere Entschluß gewesen, der diesen Satz zur Richtschnur crwäblt hätte. Die Türkei ist weit stärker. a>« sie selbst glaubt, die türkischen Soldaten sind mil die besten und tapfersten der Welt, und dennoch läßt man sich in Konstantinopel von einer Hand voll bulgarischer schlecht bewaffneter und mangelhaft organisirtcr Ausrührer aus der Nase hcrum- spiclcn; daS kann im AuSlandc nur den vllerkläglichsten Eindruck Hervorrufen. Und wenn diese schwächliche Haltung noch dem Weltfrieden diente, dann müßte man sie von diesem Standpunkte aus loden, aber Dem ist nicht so. DaS in Philippopcl und Sofia gegebene Beispiel wird seine Wirkung aus die gesammtc Balkanbalb- inscl nicht verfehlen, das glückliche Gelingen der Vereinigung Bulgariens mit Osirumclien muß aus alle sonstigen Un zufriedenen anregend wirken, auch ihrerseits eine Verbesserung ihrer Lage zu erreichen, Makedonien und Albanien werde» nicht die Hände in den Schoß legen, nachdem Ostrumclie» gehandelt hat. Diese Wahrheit scheint in Koiistankinopel »och nicht in ihrem ganze» Umfange erkannt zu sein, sonst würde man dort größere Energie entfalten. Ter Sultan steht heute vor der Alternative, entweder den Kamps um die Selbständig keit der Türkei zu wagen und ibn siegreich zu bestehe» oder rühmlich untcrzugehen, oder sich Rußland und Oesterreich widerstandslos auszuliesern, damit sie die Section der Türkei am lebendigen Leibe derselben vornehmen. Denn Fürst Alexander führt nicht die eigene Sache, sondern die der beiden Großmächte Rußland und Oesterreich, deren Souvcraine sich unlängst in Kleinster zum zweiten Male binnen Jahresfrist freundschaftlich umarmt und die Hände gedrückt haben. Wie die ganze Sache gemeint ist, geht daraus hervor, daß Fürst Alexander die Behauptung wagt, die Suzeränetät der Türkei noch beute anzuerkennen. Freilich hat er eS ja an sich selbst erfahren, wa» die Basallenschast dem Sultan gegenüber bedeutet. Als er sich der russischen Vormundschaft erwehren und als selbstständiger Fgrst handeln wollte, da regte die Türkei keine Hand,' um ihm bciruspringen, nur Unterwersung unter den Willen Rußlands konnte ihn vor der Entthronung schützen. Jetzt hat er den Spieß umgekehrt und führt die Geschäfte Rußlands gegen die Türkei, und siehe da, er scheint dadurch in eine weniger kritische Lage kommen zu kein als damals, wo er sich gegen die Vor- Hiundfchast de» Generals Sedolew sträubte. ^ Die Bcurkheilung der Handlungsweise deS Fürsten Alexan der ist schwer und so lange unmöglich, als man nicht die ge heime Geschichte de» Aufstandes in Philippopel kennt. Der Gedanke liegt nahe, daß Fürst Alexander nur eine verabredete Nolle spielt, und daß die MaSke fallen wird, wenn die Er eignisse dazu reis sind. Auch Polen ist einst zwischen Rußland, Preußen und Oesterreich getheilt worden, als cs als selbst ständige» StaatSwcscn nicht mehr lebensfähig war; weshalb sollte sich rin solcher Vorgang nicht unter ähnlichen Ver hältnissen zwischen den Grenznachbarn Rußland und Oester reich wiederholen? Der Besitz von Konstanlinopel ist das seit Generationen bekannte Ziel Rußlands, dem eS im Jahre 1877 bereits sehr nahe gekommen war. Damals sordcrle die Weltlage, daß Europa Rußland in den Arni siel; heute liegen die Verhältnisse wesenllich anders» Nußtano und Oesterreich haben sich verständigt» sie sind darüber einig, daß eS bester ist, im Frieden mit einander zu leben, als sich mir de» Waffen in der Hand zu bekämpfen, und demgemäß ist cs auch weit zweckdienlicher, die eigentliche Action unter geordneten Werkzeugen zu überlasse». Nölhig ist nur, daß der Stein in» Rollen kommt, da» Uebrige findet sich dann im entscheidenden Augenblick. Gladstone hat in seinem Wahlmannifcst die von ihm in Egypten eingeleitete, aber höchst kläglich turchgesülute Politik selbst als einen schweren Jrrthum bezeichnet. Die Folgen diese» Jrrthum» sind jetzt ans der Baikanhalbinsel in über raschender Meise zn Tage getreten. England hat seine Kraft in Egypten und im Sudan wirkungslos vergeudet, und sein Einfluß in Konstantinopel ist jetzt auf Null rcducirt. Die feierlichen Versicherungen von Freundschaft und Wohlwollen, welche Trummond Wolfs im Namen der Königin von Eng land dem Sultan Uberbracht hat, sind zwar höflichst entgegeii- genommc» worden, aber eine weitere Folge haben sie nicht gehabt. Tie Türkei ist den europäischen Mächte» gegenüber zu einem Eiertanz gezwungen, bei welchem da» Ziel ist. die Mächte gegenseitig in Schach zu halten. Darüber ist dem Einen und dem Andern die Geduld gerissen, und sic habe» ver sucht. aus einem andere» Wege ihre Zwecke zu erreichen. Die türkische Regierung kennt vielleicht die Fäden, welche in Pbilippopel Zusammentreffen, aber sie scheut sich, sie mit dem Schwerte zu durchbaue», wie weilanv der große Alexander. Die Ereignisse werden sie aber doch wohl dazu »Lthigen. * » * -> Wir verzeichnen nachstehend die weiter vorliegenden Meldungen: * Wien, 33.September.(W.T.B.)Der„PolitischenConespondenz" wird aus Petersburg gemeldet, der Kaiser von Rußland habe dem bulgarischen Kricgsminister, Fürsten Laniacuzäiie, besohlen, in seiner Eigenschaft als Krieg-minister seine Entlassung zu nehmen, und untersagt, die ostrnmelische Bewegung irgendwie z» nnterstlltzen. Die russische Regierung habe ferner daS Zuströmen von russischen Freiwilligen nach Bulgarien verboten. (Wiederholt.) * Bukarest, 23. September. (W. D. B.) Die Nachrichten der „Time«", betreffend eine diesseitige Mobilisirung, sowie über den Abschluß eines Vertrages zwischen Rumänien, Serbien und Griechenland, um eine Annexion MacedonicnS durch Bulgarien zu verhindern, sind gutem Vernehmen nach völlig unbegründet. (Wiederholt). * Konstantinopel, 23. September. (W. T.-B.» (Telegramm de« „Reuter'schen Bureau»".) In Folge der au« Rumelien ein- gegangenen Nachrichten wurde in einem bereits am Sonnabend unler dem Vorsitze de-Sultan» stattgehabten mehrstündigen Minister- rathe die Frage diSculirt, ob die Pforte kraft dcS ihr durch das organische Statut zuacsprochene« Rechte- Truppen nach Rumelien entsenden solle. Die Meinungen der Minister waren getheilt; einige befürworteten die Entiendung von Panzerschiffen mit 2000 Mann Truppen nach Burgas (Lslrumelien). >on»c den Einmarsch nqch Makedonien; andere waren der Ansicht, daß zunächst die Vertrags- Mächte consultirt werden mußten. Boriäufig wurdeii einige Bataillone von Adrlanopel tn der an der Grenze liegenden Stadt Mustapha- Paschazusammengezogen. (Wiederholt.) * Moskau, 23. September. (W.T.B.) Die heutlge ,.Mo». kan er Zeitung" spricht sich sehr entschieden gegen den Fürsten Alexander von Bulgarien und dessen Regierung, welche dac- bulgarische Volk unter dem Deckmantel deS angeblichen Willen« de kalier» von Rußland zu dem jüngsten »hvrichlen Schritte verleitet habe, aus. Die ganze Angelegenheit dürste in Nichts verlausen. wenn die Türkei ihre Truppen einstweilen noch nicht einrücken lasse und Rußland energisch aus dem statu» gno »ote bestehe. Ein Correspondent der „Daily New»" berichtet unterm 15. d. M. auS Konstantinopel über eine Unterredung, welche er mit vr. Washburn, dem Director des amerikanischen Instituts am Bosporus, dekannl alö „Rodert College", gehabt hat. vr. Washdurn, in dessen Anstalt nicht weniger als 600 bulgarische Studenten auSgedildet worden sind, hat sich in jüngster Zeit zwei Monate in Bulgarien ausgebalten und wurde bei seiner Rückkehr von dem erwähnten Correspondenten besucht. Obgleich nun bekanntlich vor Kurzem in mehreren Distrikten Osten in elic nö von einzelnen Banden Versuche gemacht worden waren, sich der Waffenniederlagen der Regierung zu bemächtigen, so dachte doch am 15. d. M. noch Niemand an eine so un mittelbar bevorstehende Revolution, und die an jenem Datum stattgehabte Unterredung wird dadurch um so interessanter. vr. Waihburn versicherte seinem Besucher, daß in Bulgarien Leben und Eigenthum völlig sicher sei, und daß man ungcsährdet daS ganze Land bereisen könne; nur im Rkodope-Gebirge an der macedonischen Grenze sei eS nicht sicher; die dortig« Grenze sei aber von einer starken Polizei- und Militairmacht besetzt. Die bulgarische Regierung trachte nicht danach, die macedonische Frage in Fluß zu bringe»; sie dringe nur daraus, daß die türkische Regierung mit Bezug aus Makedonien endlich ihre tm Berliner Vertrag übernommene» Verpflichtungen auSsühre. Eine starke unionistische Strömung dagegen herrsche in Bulgarien und in Ostrumelien, in letzterem Lande noch mehr als in «rsterem. Eine gewaltsame Hintanhaltung der Bereinigung beider Länder werde sich schwerlich noch Jahre lang durchführen lassen. Die unionistische Strömung entspringe ketiieSwcH» bloS dem Natloualgefühl, auch nicht dem Hasse gegen die Türken, sondern in erster Reihe dm materiellen Interessen beider Länder. Eine doppelte Regierung sei für jene Länder zu lheuer, und außerdem werde ihre Industrie dadurch ruinirt, daß die Türkei daraus bestehe, Ostrumelien durch die türkische Zollgrenze von Bulgarien ahzuschließe». Der russische Einfluß sei tn Bulgarien lange nicht mehr so stark wie noch vor fünf Jahren. Die russischen Agenten ln Bulgarien seien schlecht au-gewählt und hoben eS nicht der Mühe werth ge halten, die Bulgaren, ihre Wünsche, Ansichten und Interessen zu slubiren, sie betrachten dieselben etwa gerade so von oben herab, wie sie die- den Turkmenen in Lentralasien gegenüber gewohnt seien. DicS habe die allerdings große Dankbarkeit der Bulgaren, welche viel auf ihre Unabhängigkeit halten, sehr abgekühlt. Dasselbe gelte auch von Ostrumelien. Allerdings habe eS Rußland aocv immer in der Hand, durch eine weise Politik den alten Einfluß wieder zu ge- Winnen. Fürst Alexander habe manchen Fehler begangen, steh« aber jctzt fester denn je, und das ganz« Volk hänge so begeistert an ihm, daß der Zar ohne Zweifel jeden Gedanken an seine Entfernung ans. gegeben habe. Trotz der ungünstigen Verhältnisse, der Verwüstung durch dm Türkenkricg, der Lrennung tn zwei Lheile, der Röthigung, zwei Regierungen zu unterhalten, haben Bulgarien und Ostrumelien geradezu wunderbare Fortschritte in cullurcller und materieller Be ziehung gemacht. Vor sechs Jahren »ocli erwartete man Nicht» als Anarchie und Verwirrung; jetzt seien in beiden Länder» ave Zweige der Verwaltung wohl orgamsirt und Recht und Gerechtigkeit ge sichert. Allerdings sei der durch die Zweitheilung nothwendig gewordene Beamtenappargt zu kostspielig, ausländische Jntriguen wirken störend aus da- Gedeihe» ei», und ebenso mache sich das unauSrotlbare Streben nach Einigung in dieser Hinsicht als Hemm nis; geltend. Die Bulgaren seien administrativ und politisch sehr gut veranlagt; die Herstellung zweier Staatswese» Hab« freilich säst alle gebildeten Elemente deS Landes abiorbirt, aber eS seien sofort große Summen ans den Bau von Schule» verwendet worden und der Unterricht verspreche die schönste Entwickelung. Alle- in Allem haben sich Kosten und Blutvergießen des letzten BesreiungSkriegeS wohl bezahlt gemacht. Seien erst Straßen und Eismbabnen tu hinreichender Zahl und Ausdehnung gebaut, so werde der Aufschwung noch weit größere Dimensionen annehmen. AuS Berlin wird un» noch zur Lage geschrieben: „DaS Attentat auf den im Jahre 1878 aus dem Berliner Congreß geschaffenen FriedenSzustand steht so sehr im Vordergrund deS Jiitcrcsse», daß die „spanische Frage" darüber fast vergessen wird. Fürst BiSmarck ist sebr zur rechten Zeit in Berl in eingetroffen, und eS ist anzuerkennen, daß F ürst Alexander und die „Ost-Rumcliotcn" der Diplomatie wenigstens die Sommerserien nicht gestört haben. Dafür aber giebt es jetzt doppelt zu tbun. Allerdings kommt trotz aller Erregung über die Eigei»nächtigke>l und da« revolnlionaire Borgeber deS Fürsten von Bulgarien dock in der Presse Deutschlands wie auch de» Ausland» immer niebr die Ansicht zuin Aus druck, das; keine der Großmächte direkten Anlaß bade, sich einzumisä .i. Alle» bängt zunächst von den Entschließungen »nv dein Borgehc» der Pforte ab, und es wird in diplo matischen Kreisen bereits die Ansicht laut, t»ß tic Hauptvcr legenbeit des Sultan» darin liege, wie er „mil Anstand" aus Oslrnmelien verzichten könne. Tie Ausgabe, welche de» Signatarinächtcn zufällt, besteht darin, ans der bulgarische» keine orientalische Frage werden z» lassen, und diese Auf gabe gestaltet sich »m so schwieriger, je mrbr die ausstänkische Gesinnung und Bewegung sich nach Makedonien sortpflanzl und die Besorgnisse der Hellene» wachrusl. Dac- scheint aber den neuesten Telegrammen zufolge bereils in lwbeni Grate der Fall zn sei». Und dieser Unislaiid erschwert die Lage zugleich sür die Pforte wie sür die Großmächte. Daß die russischen Chauvinisten auS ihrer Sninvatbie für de» Ans'land keinen Hebt mache», kann nicht Wunder nehmen. Wenn die anderen Mächte von diesem Slantpiinel auch weit entfernt sind, so dürfte eben, wie gesagt, Niemand Anlaß haben, die Vergrößerung Bulgarien» zu hindern, wenn eS die Pforte selbst nickt für angezeigt hält. Greift aber die Revolution weiter um sich, so muß die Pforte kriegerisch Vorgehen, und alsdann ist eS nickt niidenkbar, daß zur Vermeidung größeren Blutvergießen« die Bulgaren durch die Großmächte zur Raison gebracht werden, ja, daß eventuell Fürst Alexander zum Opfer fällt. Ob sich der Fürst von Bulgarien alle Coiisequcnzen seines Handelns vorder wohl llar gemachl hal? Es ist schwer anzunebincn, dürfte schließlich auch weder die Diplomalie, »ock taS gebildete Europa üder- baupt interessiren. Jninierhin diiisle eS aber heilsam sür die Rune Europas sein, wenn den unruhigen VolkSsianiinen im Südosten unseres MclttbeilS mehr zum Bewußtsein gebracht wird, daß Recht und Vertragstreue nicht nur schcinenhafle Begriffe sind." Leipzig, 25. September 1885. * Während die sreiconservative „Post" der staalSmannischen Einsicht Bennigsen'» unumwunden Lob und Anerkennung zollt, und schließlich dem lebhaftesten Bedauern darüber Aus druck giebt, daß Herr von Bennigsen noch immer der parla-
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