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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188409195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18840919
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18840919
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1884
- Monat1884-09
- Tag1884-09-19
- Monat1884-09
- Jahr1884
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1884
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Erscheixt täglich früh S'/.UHr. «d ErpetUi«» IPrtchk»»tru trr Ne-arti«»: Vormittag« 10-12 Uhr. gl,»«, Nachmittag« 6-6 Uhr. i. UchiMrIagMatt «»»»hm« der f»r die »Lchtltfalge»»« N»«»er -eftt««te» I«ser«te a« Sachentage« di« U Uhr Nachmittag«, a« Es»»-««» Festtage» friid dt«'/,» Uhr. 3» de« Fttidle« fitr 3>s.-^ml»h»e: vtt« stiem«. llniversilätsstraß« 21, rani« Ldsttze» statharinrastraß» IS»p. »«* dt« '/^ Uhr. 283. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschüstsverkehr. »NS»M>«»SS»SS!SS2L-SS>MWMW»W>»>^»»NWS»»»SH»»»»>W>>»WMW«»»0>SMMWS»S Freitag ven IS. September 1884. Auflage L8,«<X». Äbonurmrntsprris oiertclj. 4V, Mk. incl. Vringerlohn 5 Mk.. durch die Post brrogen 6 Mk. Jode einzelne Numnier 20 Ps. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gesalzt) ahne Postbeiörderung 30 Mk. «tt Posidesorderung 18 Mk. Inserate 6gejpalten? Petitzeile 20 Pf. Größere Schechen laut unserem Prei-Z- vrrzeichniß. Tabellarischer a. Fiffernsatz nach HSHerni Tarif. UerlaMN »ntrr dem Krdaclionsstrich dt« Spaltzrile 50 Pf. Inserate stad stet« an bic Expedition ja senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praomuverarnlo »der durch Post, »achuahme. 78. Jahrgang. Amtlicher Theil. NrUmtNmchmlg. dtachdr« wir die dem stausmann Herrn Gustav Heinrich Nlbert Ltermaa« unkerm 11. Juli e. ertheille Concession zur gewcrbmäßigea Beförderung von Au-wanderern nach über« kreischen Häsen und Abschließuug von DchiffSeontractrn im Auf träge der concessionirten Schiff«-Expedienten Morrt- ckk Co. aus Ansuchen auch auf die Adschließuna von SchiffScontracten im Aufträge der concrsfionirten Schisf-expedienten I. F. Tteber- m Breme« und Julia- Hartmaa« in Aut« »erpe« unter heutigem Tage erstreckt haben, wird solche- hiermit bekannt gemacht. Leipzig, am 11. September 1884. Der -lath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Uhlmann. Vekanutmachnng. Die Herstellung einer Schleuß« HI. Elaste in den Straßen am Platze L de« nördlichen Bebauung-plane« ist vergeben und werden die unberücksichtigt gebliebenen Submittenten deshalb hiermit ihrer Offerten entbunden. Leipzig, am ll. September 1884. Der -lath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Gnngmuth, Astesor. Auktion. 3» der Fleischhav« am Ho«pitalplatz« solle» Soaaabead, dea A7. diese- Moaat» Vormittag- 11 Uhr S GtLS gieischhackeststcke und 1 höizerae- Gitter gegen sofortige haare Bezahlung meistbietend versteigert werden. Leipzig, de» IS. September 1884. Der Äath her Stadt Leipzig. vr. Georgi. Stöß Vekanntmachnug. Nus sein Ansuchen ist Herr Oberlehrer S. H. M. Kücheametster. Waldstrast« -kr. SS, au« dem von ihm bisher bekleidete» Amte eine- Armenpflegers im 16. Districte entlassen worden. Wir sprechen ihm hiermit unseren Tank für die unserem Armenwesen gewährte Mit wirkung au«. Leipzig, den 16. September 1884. Da» Armeadirectoria«. Ludwig-Wolf. Nichtamtlicher Theil. Die Rede Lennigsen's. 8ir fasten unser Urtheil über die neueste Rede Bennigsen'», welche derselbe in der nationalliberaleu LandeSversammlnng der Provinz Hannover am 14. September gehalten hat, dahiii Zusammen, daß sie sich in der Hauptsache mit allgemeinen Wahrheiten und Grundsätzen beschäftigt, statt diese aus die gegenwärtigen ZeitverhLltniste anzuwenden. Wer möchte nicht wünschen, daß die Wahlagitation mit edlere, Waffen geführt würde, al« e» in der That geschieht, daß die anders Denkenden sich mehr an die Dache al« an die Person hielten I Aber dadurch, daß dieser Wunsch geäußert wird, ist seine Erfüllung noch nicht näher gerückt. Die Mahnung, das leidenschaftlich« Parteitreiben zu mäßigen, ist gewiß sehr gut gemeint, und ihre öftere Wiederholung mag sehr wohl ange bracht sein, aber wir fürchten» daß ihre Befolgung darum nicht minder »»«bleiben wird. Der Grund de« Urtel« liegt darin, daß die persönlichen Angriffe und die Verschärfung drS Parteitreiben« von der Seite auSgehen, welche die meiste Ursache zur sachlichen Behandlung der Strritpuncte und zur maßvollen Form in Rede und Gegenrede hätte. Wie e« in den Wald hineioschallt» so schallt e« wieder heran«, und wer die Person de« Gegner« verunglimpft, kann sich nicht Wundern, wenn die Abwehr sich auch nicht in den engsten Grenzen hält. Wenn di« maßlosen Angriffe der politischen Gegner von deutschfreisinniger und ulrramontaner Seite gegen die Nationalliberale« unterbleiben, dann werden auch diese zu den Formen zurückkehren, welche unter gebildeten Leuten Üblich sind; aber zu verlangen, daß man alle LiebenSwürdig- keite» von den genannten beiden Seiten nur durch die ver bindlichsten Höflichkeiten erwidern soll, gehl über Da«, wa» man vernünftiger Weise Andern zumüthen darf, hinaus. Dir stimmen mit Herrn von Bennigsr» vollkommen darin Überrin. daß wir gegen die Deutschsreisiunigen. obwohl sie mit un« auf gemeinsamer Grundlage in Verfassung«- fragen stehen, auch angriff-weise vorgeben dürfen und müssen» wir sind unserem Führer auch sehr dankbar dafür, daß er daran erinnert hat. daß die National- liberalen es waren, welche die bestehende Verfassung argen den Widerspruch der Fortschrittspartei zu Stande gebracht habe». Auch darin sind wir mit Herrn von Bennigsen ein verstanden, daß e« eineLächerlickkeit ist, wenn vieFortschrittSpartei die Behauptung aufstellt, daß die Nationatliberalen nicht de« Beruf und die Pflicht in sich fühlten, zu jeder Zeit die Versaffung und die freiheitlichen Errungenschaften in Deutsch land aufrecht zu erhalten, die gerade durch ihr vrrdirnst ge schaffen worden sind. Aber wir habm kein Verständniß dafür, daß Herr v. Bennigsen die gegenwärtigen brennenden Fragen, die Gegenständ« der grundsätzlichen Meinungsverschiedenheit, die eigentlichen Ursachen der bestehenden Spaltung durch ven Hinweis aus di« größer« Dichtigkeit der Verfassung glaubt beseitige» zu können. Herr v. Bennigsen sagt: »Die Partei wird die Palme de« Siege« davontragrn. welche sehr wobl die Bedeutung der einzelne« größeren oder geringeren Fragen de« Tage« zu würdigen, für sie thätig einzutreten weiß, welche aber niemal« aus de« Angen verliert, daß viel wichtiger al« alle TageS- erscheinunarn mit ihren beskigen Kämpfen die großen Grund lagen unsere« ganze» Volksleben« und die notbwendigen Voraussetzungen für eine große feste und ruhige Entwicklung unsere« politischen Leben« in Deutschland sind." Niemand, der sich »« liberalen Partei zählt, wird die Wahrheit diese« Satze« im Mindesten bezweifeln, aber e« scheint un« an der erforderlichru Veranlassung zu fehlen, diesen Satz einer uationalliberale» Versammlung gegenüber al« Einleitung zu den bevorstehenden ReichttagSwahlen gleichsam at« die Quintessenz der politischen Weisheit zu verkünden. Wenn di« Grundlage« unsere« Volks- und BersassungSleben« in Frage gestellt werden, so werden di« Rationalliberalen, wie e« da« Heidelberger Programm klar und deutlich sagt, mit allen Verthridigern dieser Grund rechte Schulter an Schulter kämpfen, aber augenblicklich habe« wir eS mit bestimmten Fragen zu tbun, deren Wichtigkeit weit über die Bedeutung von Tagrssragen hinausragt und zu welchen es gilt Stellung zu nehmen. Man kann em noch so eifriger vertheidiger der volk-recht« sein, ader trotzdem die Ueberzeugung hegen, baß wir zur Aufrechthaltung de« grsammten staatlichen Dasein« eine« Socialistenqesetze« be dürfen. Die Nationalliberalen sind dieser Meinung, di« Deutschfreisinnigen sind der entgegengesetzten Meinung, und deshalb bekämpfen wir sie mit aller un« zu Gebote stehenden Kraft. Die Deutschfreisinnigen glauben, daß die socialen Gegensätze durch die freie Bewegung der Kräftr, durch Sclbsthilse, wie ihr Schlagwort lautet, au-geglichen wrrdrn können, wir sind der entgegengesetzten Ansicht, und des halb widersetzen wir un« der Wahl Von Deutsch sreisinnigen. Wir glauben vielmehr, baß der Reichskanzler mit seiner Socialpolitik da» Richtige getroffen hat, daß man den Arbeiter gegen Krankheit. Unfälle und Arbeits unfähigkeit schützen mutz und daß dadurch der Hauptgrund der Unzufriedenheit in Arbeiterkreilea beseitigt werden wird. Des halb unterstützen wir die Socialpotitik de« Reichskanzler« und gedenken da« besonder« in der solgenden Legislaturperiode de« Reichstage« zu thun. Durch ganz Deutschland geht augenblicklich ei« frischer Luftzug, erregt durch die Initiativ« der ReichSregierung ans dem Gebiete der Coloniakpolilik. Wir freuen un«. daß dir deutsche Flagge in Wcstasrika neben der englischen äusgepflanzt wird» daß wir endlich einmal in die Lage kommen, theil- »»nehmen an den Bortheilen anderer Wetthandel treibenden Nationen, welche sich derselben schon lang« erfreuen. Da« Deutschland vor 1868 konnte in seiner Zerrissenheit und Uneinigkeit nicht daran druken, mit den großen seefahrenden Nationen in die Schranken zu treten, neben ihnen in Asien und Afrika als Wettbewerber zn erscheinen, jetzt ist die Grundlage vorhanden, aus welcher sich auck> eine deutsche Colonialpolitik entwickeln kann, und als die RoichSrcgicrung mit einer bescheidenen Forderung für die Unterstützung von Postdampferlinien nach Ostasien und Australien vor den Reichstag tritt, wird sie von den Vertretern der deutsch- freisinnigen Partei, Ven Herren Bambcrger und Richter, hohnlachend zurückaewiefen und der unumstößliche Beweis geführt, daß Deutschland so theure« Porto, wie die Reich»- regierung verlangt, sür seine Briese nicht zahlen kan», daß erst der Nachweis der Rentabilität erbracht werden müsse, ehe dafür Millionen bewilligt werden könnten. Zudem werde auch die Rhcderei ruinirt. So sprachen die Deutschsreisinnigen »nd so sprechen sie noch heute, und deshalb fordern wir die liberalen Wähler in Stadl und Land auf, ihre Stimmen keinem Deutschfreisinnigen zu geben, weil diese Part« kein Verständniß hat für nationale Aufgaben, weil sie rechnet, wo sie de« Vaterlandes und der Pflichten gegen dasselbe «ingedenk sein sollte. Da« sind unsere« Erachten« die Hauptgesichts« puncte, welche bei den bevorstehenden ReichStagSwahlen in Betracht kommen. Wir können un» auch nicht mit der Auffassung de« Herrn v. Bennigsen befreunden, daß aus katholischer Seite wieder einmal die gemäßigte Richtung an Stelle der extremen die Herrschaft antreten werde wie zu der Zeit, al» Papst Ganganeltt den Jesuitenorden aushob. Damals waren andere Zeiten, damal« war noch nicht die Axt an die Leben«, bedingungen der katholischen Kirche gelegt, wie zur Zeit der französischen Revolution. Daß die extreme Richtung in Rom beute triumphirt, ist die Folge der Fortschritt« unsere« Jahr hundert-, e« ist der Kampf auf Leben und Tod, welchen die römische Curie gegen die Ideen der Neuzeit kämpft. Diesen Kampf kann sie nicht mit stumpfen Waffen führen, sie muß entweder ihre gesammte Macbt aufrecht erhalten oder ihren Untergang befürchten, nnd deshalb wird die extreme Richtung die herrschende bleiben bi« an« Ende. Noch einen Punct hat Herr v. Bennigsen in feiner Rede berührt, und da« ist die Fortdauer der Herrschaft reactio- närer Grundsätze in der inneren Verwaltung Preußen», da« Verbleiben de« Herrn v. Puttkamer an seiner Stelle, welcher über Wahltaktik seine eigenthümlichen Ansichten hegt und die selben auch praktisch durchgesührt hat. Auch nn» ist dieser wunde Punct im preußischen BersassungSleben wohl bewußt, aber vor- läufig tritt dieser Mißstand vor andern weit wichtigeren Fragen in den Hintergrund, welche Herr v. Bennigsen unter die vorübergehenden TageSerschcinungen rechnet. Wir weichen in dieser Hinsicht von den Ansichten unsere« hochverehrten Parteifreunde» ab und glauben auch, baß er diesen Dingen eine andere praktischere Seite abgewinnen würde, wenn er sich selbst wieder an den parlamentarischen Kämpfen i« Parlamente selbst, nicht bioS in Wahlversammlungen, de» theiligte. * Leipzig, IS. September 1884. * Die „Nationalliberale Corresponvenz- schreibt zur Parteitage: .Wie e< nach der von den „Deutschfreisinnigen" und den Ultra montanen bei Gelegenheit der Verhand lungen über da» sog. ExpatriirungSgesetz gemeinsam beobach teten Taktik vcrherzufehen war. werden die National liberalen jetzt al« die einzigen Vertreter eine« ganz hoff- nuiig-losen, von allen UrtheilSsähiaen längst aufgegebenen kirchenpolitischen Standpunkte» bezeichnet. Man glaubt unserer Partei keinen größeren Schimpf anthun zu können, al« indem man sie eine Gesellschaft „unverbesserlicher Enltnr- kämpsrr" nennt. Dir würden diesen oft genug widerlegten Vorwurf ruhig bei Seite lassen können» wenn wir nicht wüßten, daß die mit ihm beabsichtigte Täuschung iu weiten VolkSkrrisen. welche!m Uebrigen dem gemäßigten L>berali«mu« zugetban sind, in der Thal einige Wirkung übt. Für jede« der Verhältnisse einigermaßen Kundigen ist e« za kein Geheimniß, daß di« Bevölkerung i'm Allgemeinen de« sogenannten Eulturkampfe« müde ist; namentlich in Süvveutschland kann man. bei Erörterung der Candikaten- frage, regelmäßig den Ruf hören: .Nur keinen Eultur- kämpfer!" Die Erscheinung ist nicht schwer zu erkläre». In dem Gesichtskreise de« gewöhnlichen Leben« kommen die großen Principiensragea de- Streite« zwischen Staat und Kirche wenig oder gar nicht zum Bewußtsein, um so schwerer aber empsmdet «an wenigsten« da. wo Die Bevölkerung confessiooell stark gemischt ist. die schädlichen Rückwirkungen desselben auf die Annen Verhältnisse de« täglichen Verkehr«. Bielen mag e« dann scheinen, al« od von oben herunter ganz unnöthiger Weise ein consrssioneller Hader angeschürt würde, während doch die Bevölkerung leinen anderen Wunsch habe, als im Friede« mit einander zu leben. Dazu kommen noch die, wenn auch vereinzelten Fälle, in welchen ihrer Natur nach friedfertige, allgemein geachtete Geistliche von den schwere« Folgen der kirchenpolitischen Gesetze getroffen worden sind. Nicht nur die Katholiken glauben dann aus Grund solcher Beispiele an eine Verfolgung um der religiösen Neberzruguna willen- auch die AnkerSgläuvigen Nagen über eine Härte, sür die sie kein verständniß haben. WaS Wunder, wenn auS solchen Betrachtungen heraus viele unserer Freunde im Lande den Kops geschüttelt haben, al» sie die national- liberale Fraktion im Reichstage allein gegen den Antrag Windtborst auf Beseitigung de» „ungerechtesten und härtesten aller Maigesetze" stimmen sahen! lind doch bleibt cs wahr; die nationalliberale Fraction hat in jenem Augenblicke ge handelt, wie sie ander- nicht handeln konnte unv nicht handeln durste. Ganz und gar nicht bandelte e< sich damals um eine praktische Milderung der kirchenpotitifchcn Kampsmaßregeln. Die Nationatliberalen haben eS taut genug erklärt, daß sie, soweit sie darauf Einfluß haben, jede unnölhige Härte der vreutzischen Maigesetz« zu beseitigen und überhaupt jene Maßregeln soviel nur immer möglich zu mildern bereit sind. Selbstverständlich wird aber eine wirksame Ini tiativ« in dieser Richtung nur von der preußischen Regierung, di« ihrerseits za mit der römischen Curie veryaadell. ergriffen werden können. Der Vorwurf, sich einer .großartige» Demonstration zu Gunsten de« kirch lichen Frieden«- widersctzt zu haben, kann also die National- liberalen. die überdies den Grundsatz voller Glauben«- und Gewissensfreiheit stet« aus ihre Kahne geschrieben haben, in keiner Weise treffen. Diese Demonstration haben sie seit Jahren durch ihre unzweideutigen Erklärungen mitgemacht; di- orderen aber um welch« eS sich bei jenem Anträge Windt- borst'S in Wahrheit einzig und allein handelte, die ausdrück liche und feierlich« Bestätigung der Herrschaft des Uttramon- taniSmu« im deutschen Reichstage, die haben sie mit aller Entschiedenheit zurückgewicscn. Und daß sie damit lediglich ihre Pflicht und Schuldigkeit gethan, da« wird jetzt, nachdem die Centrum-partei in Amberg auf ihre wahren Ziele so dankenSwerthe Streiflichter hat fallen lassen, wobl auch manchem zweifelnden Freunde klar geworden sein. ES ist weder nöthig, noch rathsam, daß man sich in diesem Wahl kampfe in die Wuth der Verachtung gegen die .RcichS- seinde" Hineinrede; wir unsererseits erachten die CentniniS- politiker als Männer, die nach ihrer Ueberzeugung das Beste wollen. Aber darüber sollte heute nirgends mehr ein Zweifel sein, daß dasjenige, was sie wollen, schlechterdings unverein bar ist mit einer gesunden Weiterentwickelung unseres natio nalen Staate«. Nichts Neues hat u»S die Amberger Ver sammlung enthüllt; aber klarer als je hat sie bestätigt, waS die CentrumSredner so oft bestritten haben, daß nämlich das Ziel der Politik dieser Partei kein anderes ist, als die Welt herrschaft dcS Papstthum». Diese Universalmonarchie unv die Selbstständigkeit der nationalen Staaten — da» ist der Gegensatz, aus den eS ankommt. Wir leugnen nicht die Groß artigkeit deS Gedanken», der den UltramontaniSmuS beseelt, aber wir unsererseits wollen den nationalen Staat in freier Entwickelung, und deshalb ist für un- die Nächstliegende Losung: die Herrschaft de» CentrumS im deutschen Reichstage muß gebrochen werden!" * Die .Liberale Correspondenz*» da» ofsicielle Organ dpr ehemaligen „Secessionisten", erklärt es sür eine verläumderische Behauptung, baß sie ihren Parteigenossen empfohlen habe, unter Umständen lieber einem Polen und Socialdemokraten als einem gemäßigt Liberalen oder Conservativen zum Sieg zu verhelfen. Da» Blatt weiß in seiner aufgeregten Stimmung offenbar selbst nicht mehr, waS e- geschrieben. In der Nr. vom S. September heißt cZ bei Be sprechung der Wahlvorgänge in Graudenz. wo der nationalliberale Herr Vieler al« Comrromitzcanbidat einem Polen gegenüber- steht: „Den Deutschfreisinnigen kann e« schließlich gleicbgittig sein, ob ein polnischer oder ein eonfervativ-nationalliberalcr Abgeordneter sür die Erhöhung der Getreide- und sonstigen Zölle stimmt." In einem anderen Artikel waren die Wabl- vorgäng« in brr Stadt Braunschweig besprochen, und dabei wurde erklärt, daß die Liberalen sür einen „Gemäßigten", der sich aus Erbvlmng der Getreidezölle, auf den Antrag Ackermann und auf eine Erhöhung des Militairctats verpflichte, auch in einer Stichwahl (in dem in Rede stehenden Fall konnte e« sich nur um einen Socialdcmokraten handeln) nicht zu stimmen vermöchten. * Eire längere Besprechung de« Amberger CongresseS in der .Allgemeinen Zeitung" spricht sich über die Beband- lung der socialen Frage in dieser Versammlung in folgen der Weise au«: «m allerwlndlgsten sah eS zu Amberg mit der socialen Frage aas. Di« fromme Versammlung war offenbar in diesem Betracht, wie auch da- Lentrum »u Berlin, so gespalten, Laß die Lache nur mit GlocShandschuhen lrise angelupst werden durfte. Es giebt in der katholischwolitischen Partei Männer, welche aus eine ernstliche ökonomische Reform einzugehen Willen« sind, und eS giebt andere, offenbar ia der Mehrzahl, welch« auch die Socialpolitik als Tausch- gelchist betreiben und die dabei nur hierarchische Zwecke verfolgen, smr ersten Llaffe zädlen wir Frhrn. v. Her»mg, zur zweiten, die offenbar inAmberg allein Vorgelaffen wurde, den bayerischen Landtags, abgeordnrten Herrn Hieße und—wenigsten« in Amberg —Herrn Windt- Horst. Herr Hiebe begnügte sich damit, „aus christlichen Arbeitern eine geschulte schlagfertige Armee zu bilden" — „Armee. Bataillone, iniicheidung", man glaubt Laffalle zn HSren — „die den socia- Iistilchen Propheten des Unglaubens auch in Werkstatt nnd Fabrik folgt." Die Socialdemokratie macht reißende Fortschritte, sogar in Köln, dem katholischen Köln: „organisiren wir unsere christlichen Arbeiter!" Di« christlichen Arbeiter würde» »« vermutblich vor- ziehen, wenn Herr Hietze dir Arbeit organisirte and da- Recht auf lohnende Arbeit proelamirte, anstatt sie selbst als Polizei wider die Gocialdeinokraten zn organisiren. Der gegebenen Parole gemäß pries dann auch Herr Windthorst die Macht der Kirche in dem verschrieenen Mittelalter, wo jene es „verstanden, eine richtige Vermittelung zwischen >rm und Reich her- beizusührcn!" Noch mehr, er verhöhnte da« „stolze Wort, der Staat müsse praktisches Ldristentdum treiben", dem er doch in Berlin durch sein Votum zustimmte. Nur die religiösen Orden, die Kavu- ziner voran, können die sociale Frage lösen. Seinen ganzen Beifall hat eS daher, baß überall Verein« für die Arbeiter geschaffen werden sollen unter kirchlicher Leitung. Es handelt sich Mn ..Kolping'sche Äesellcnvereine", «in „Loun- und Feiertagsruhe." Damit ist die sociale Frage gelöst I „Wa- lest Ihr da, mein Prinz?" — „Worte, Worte, Worte!" * Der BundeSrath w«rd sich «n seiner Donnerstag Nachmittag 2 Uhr siatlfindenden Plenarsitzung außer mit dem Anträge aus Verlängerung deS kleinen Belagerungszustände? sür Berlin noch mit dem Äntrage aus Errichtung von Prival- Iransitlagern sür Getreide in Friedrichshafen beschäftigen. * Der bayerische Bundesbevollmächtigte, Ministerial rat». Frbr. v. Racsseldt, welcher im BundeSraih da« Rcserc.' in ElatS- und Finanzsachen hatte, sich durch seine außerordentliche Umsicht und verdienstvolle Tbätigkeit a»S- zeichnete, verläßt dem Vernehmen nach Berlin und tritt wieder in da« bayerische Finauzniiniskerium in München ein. An seine Stelle kommt der Ministerialrat!' Frbr. v. Stengel nach Berlin, welcher seiner Zeit an den comnnssarischen Berathungen im BundeSrath über die Einführung einer Reichrstempclsteuer theilgenommen hatte. * Der diesseitige Grenzvrrkehr mit Rußland gestattet sich nach neuerlichen Vereinbarungen in der Weise, daß den innerhalb einer Entfernung von 3 Meilen von der Grenze wohnhaften preußischen Untcrtkanen da« Ueberschrriteu der Grenze lediglich ans Grund einer von den preußischen OrtSbebördcn ausgestellten Grenzkarte gestattet ist. Tie rus sische» Behörden sind ganz besonder» angewiesen, von Fremden, welche sich im Besitze von LegitimationSkartcil befinde», beim Verlassen de» russischen Gebiete» weder da- Visiren der Pässe, noch damit zusammenhängend da« Einlösen einer Marke von 60 Kopeken zu verlangen. * Die Comrnission für di« Umgestaltung des russischen Tesänqnißwesen» hat ihre Arbeiten beendet und ist zn dem Resultate gekommen, von einer radicale» Gefängniß- resörm vorläufig abzuschen, doch sind die Verbesserungen, welche von ihr in Aussicht genommen wurden, immerbin nicht unerheblich. Die Realisation derselben sott »och im Lause de» Jahre« ia allen Gouvernement» gleichzeitig statlfindca. * Die Zeit der Krenzzvge, die man mit dem Mittelalter ein- sür azlcmal abgethan glaubte, scheint aufs Neue erstehen zu sollen, und-zwar in Betgran. Der Gegensatz zwischen Klerikaliöinu« und Liberalismus nimmt eben jetzt in jenem Lande Dimensionen an. die an da« Mittelalter zu mabnen geeignet sind. Dem Liberalismus wird von seinen politischen Nebenbublcrn die Rolle deS ungläubigen Sara- zeneuthnmS octroyirt, gegen den man den grsammten kleri kalen Heerbann aufbietet. AlS Kampfmittel werden — hierin macht der KlerikaliSmn« dem sonst so arg geschmähten modernen Zeitgeist die weitgehendesten Zugeständnisse — nicht ritterliche Wassen benutzt, sondern Triebfedern wirtbschaftlicker und socialer Natur. Man will den Liberalismus auS- hungcrn in de? Worte» verwegenster Bedeutung. Nament lich ist c« Brüssel, die Landeshauptstadt, welche dafür büßen soll, daß sie kerne Lust verspürte, für klerikale Strcißciikund- gcbuugeu die geduldiae Staffage herzugebe». Wenn man den Versicherungen der katbolischc» Blätter Belgien» Glauben beimesseu darf, so wird seitens der Provinzen „der Krcuzzug gegen Brüssel" in großem Stile organisirt. Da» Vorvoste»- gesecbt ist bereits eröffnet. E? gilt dem Brüsseler Handel und Gcwerbcfleiß. Briss'.eler Teppiche, Brüsseler Spitze» sind aus den Inder der klerikalen Kreuzsabrer gesetzt. Brüsseler Geschäftsreisende finden bei ibren scillicrigc» klerikalen Ab nehmern binsort geschlossene Tkürcii. Die kalbolische Ge schäftswelt Antwerpens bat den Brüsselern abgesagt, lo lange der liberale Herr BulS den hauptstädtischen Bürgermeister Posten zu bekleiden sortsakire. Alle von Liberalen gehalten u Restaurants, Hotels, Easös re. und in Verruf gethan. rdeiu Katholik wird, außer wenn eS die Nothwcndigkrit gebietet, iu Brüssel Aufenthalt nehmen. Der hohe LandeSadcl wird seine Brüsseler Saison künftig aus ein Minimum beschränke». Kurz, der KlerilaliSmus plant nichts Geringeres, als die Verhängung einer Art wirtbschastlichcn und socialen Inter diktes über den Brüsseler Platz. — Wenn in an nun den liberalen Blättern innerhalb wie außerhalb Belgiens unbe denklich darin hcipflicbkeit kann, daß hier eine beispiellose Verirrung deS ParteisanatiSmuS zu Tage tritt, die der staalSmännischen Befähigung deS.stlcrikaliömuS ein schlimmes Zeugniß auSstcllt, so ist cö doch andererseits auch tlar, daß die Dinge niemals so weit gediehen sein würden", hätte nicht da» frühere liberale Regime sich, waS die Wahrung nnd Kräftigung de» innere» Friedens angebt, mancherlei bedauer licher Begebung-- sowohl wie Unterlassungssünden schuldig gemacht, deren Consegucnzen der Liberalismus nunmehr cins- daten muß. * Ter spanische Botschafter in Pari», Don Ma nuel Silvcla, bat mit seiner ganzen Familie die französische Hauptstadt verlassen, ui» sich trotz der Unheguemlichleiten der Ouarantaine nach Madrid zu begebe». Mau schließt hieraus, daß Herr Silvcla ous seinen Posten nicht zurückkehren wird, den er bei der Bildung deS CabinctS Canovas del Castillo nur provisorisch übernommen batte. Silvcla war der am meisten beschäftigte Advocat in Madrid, so daß er durch die Annahme des diplomatischen Posten» große pcciiniäre Opfer brachte. * Die Aussichten sür den von demokratischer Seite sür die Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten ausgestellten Candidalen Cleveland steigen. Der demokratische Nerv-?)orker Tammnnv-Hall-Ausschuß hat mit 8l0 gegen 87 Stimmen eine Resolution angenommen, welche die Can« didatur deS Gouverneurs Clcveland gutbeißt. Tic Ne'olnlion wird durch eine lange Adresse eingeleitek, in der da» bisherige Vorgehen teS Tamiiiany'S recapitulirt wird und die Gründe angegeben werde», welche zur Opposition gegen Gouverneur Cleveland bei der Chicago Convention führten. * In Südafrika läßt der Stand der englischen Angelegenheiten mancherlei zu wünschen übrig. Ein Telegramm de« »Standard- au» Kimberley vom 12. September meldet die Rückkehr de» CommissarS Rhode und de- königl. SecretairS Vower auS Becbuaualand. In Goschen war ihre Mission vollständig feblgefchlagcn, der Commissar wurde insultirt und Acte ungesetzlicher Gcwaltlbätigkeit wurden in seiner Gegenwart begangen. Montsioa war aenöthigt, sein Gebiet mit den Beeren zu tbeilcn und da» Versprechen zn leisten, alle Streitfälle einem Schiedsgericht der Transvaal- Regierung zu unterwerfen. In Stcllaland ließ Herr Bowcr den Boeren zn Gefallen Lennox verhaften, welcher die Actieu der Eindringlinge dadurch gehemmt hatte, daß er ihr Vieh
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