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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188410071
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18841007
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18841007
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1884
- Monat1884-10
- Tag1884-10-07
- Monat1884-10
- Jahr1884
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1884
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Erscheint täglich früh 6V,Uhr. Leteüion und Lrpkditiou Johanuesgaffe gg. HPktthliundrn -er Uedartisu: vormittags 10-IS Uhr. Nachmittag- 5—8 Uhr. tzlidt« Nttckgad» einzrlandtkr v!«lu>Icrtpt« di« Rtt«äw» nicht »ertmdlich. A»,a»«e der sü, dt« «»»ftf-lge»»« Nummer besttuimtrn Inserate an «achrutagen bis 3 Uhr Nachmittag«. anSann-uittz Festtagen sr»tzdi-'/.»U«r In den Filialen für 3«s.-L»natz«e: tt» Klemm, Universilätsstraße 21, «NtS LSsch«, Katharineastraßr 18, p. nnr »i» '/.» Uhr. UchMer.TagMM Anzeiger. Organ fnr Politik, Localgeschichte, Kandels- «nd Geschäftsverkehr. VteßeAuflage LS,?SO. Abonnnueutspreis oiertelj. 4V, Mk. iucl. Brmgerlohu b Mk.. durch die Post bringen K Mt. Jede einzelne Nummer SO Ps. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gesalzt) ahne Postbesördcrung 39 Mk. «rtt Postbeförderung 48 Ml. Inserate «gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer u. Zisftrnsatz nach Höhen» Tarif. Uetlamrn unter dem Uedactionostrich die Spaltzeile 50 Ps. Inserate sind stet- an die «xpetziti», zu scuden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuumeranäo oder durch Post- uachnahuie. ^281. Dienstag dm 7. Oktober 1884. 78. Jahrgang. Amtlicher Theil. Mamtmichmt». Wir machen hierdurch öffentlich bekannt, 1) daß alle in Leipzig wohnhaften Knaben, welche Ostern 1883 und Ostern 1884 aus einer der hiesigen Volks schulen entlassen worden oder von einer höheren Schule abgegangen sind, ohne im letzteren Halle da- 15. Lebens jahr vollendet und die Elaste erreicht zu haben, welche diesem Alter nach dem Plane der Schul« entspricht, zu dem Besuche der Fortbildungsschule für Kuabra »«rpflichtet sind; L) daß die Anmeldung derselben, wenn sie im Bezirk der I. Fortbildungsschule wohnhaft sind, bei Herrn Director Püschmann, dafern sie sich aber im Bezirk der II. Fort bildungsschule aushalten, bei Herrn Director vr. Stocrl zu erfolgen hat; 3) -aß auch diejenige« Knabe» a«z»«elde» sind, »eiche auS irgend einen» Grunde von de« Besuche der städtischen Fortbildungsschule entbunden zu sein glaube», 4) daß hier einziehende Knaben, welche Ostern 1882, 1883 und 1884 auS einer auswärtigen Volksschule entlasten worden sind, ebenfalls zum Besuch der Fortbildungs schule verpflichtet und sofort, spätesten» aber binnen drei Lagen nach dem Giazuge bei dem Director der Fortbildungsschule ihre- Bezirk« anzumelden sind; 5) daß Eltern, Lehrkerren, Dienstherrschaften und Arbeit geber bei Vermeidung einer Geldstrafe bis zu 30 die im Falle der Nichterlegung in Haft umzuwandeln ist. die schulpflichtigen Knabe» z» dieser An meldung auzuhalten oder letztere selbst vor« zuuehmen habe». Leipzig, am 4. Oclober 1884. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Lehnert. Keller vermiethuug. In dem der Stadtgemeinde gehörigen Hause Reichsstraße Nr 50 ist vom I. Januar L88S an ein Kellerlooal gegen vierteljährlich« Kündigung anderweit zu »er, «iethen» ' —' x Mietbaesuche werde» auf dem Rathhaust, 1. Nage. Zimmer Nr. 17, eutgegengenommeu, woselbst auch die Ber- »liethung-bedinguligen eingesehen werden können. Leipzig, am 3. Oktober 1884. Der Rath der Stadt Leipzig. Krumme vr. Georgi. megel. Nach den Messungen des -Herrn Geh. Rath Professor vr. Kolbe betrug die Leuchtkraft de« städtischen Leuchtgase- im Monat September d. Z. nahezu da« IVfache von der der Normalwachskerze, bei 0 478 specisischem Gewicht. Leipzig, den K. Oclober 1884. De» Raths Deputation z« den Gasanstalte«. Nichtamtlicher Theil. Russische preßstimmen über -ie Vrei-Laiser- Zusammenkunst. * DaS bedeutsamste politische Ereigniß. welche« sich gegen wärtig in der europäischen Presse widerspiegelt, ist jedenfalls die jüngst staltgcsmiveiie Drei-Kaiser-Zusainmenkunst in Skieruiewiczr, ja diese Begegnung ist zweifellos von solcher Bedeutung. daß sie noch längere Zeit daS allgemeine Interesse der politischen Kreise Europas in Anspruch nehme» dürste. Die Wichtigkeit diese« Ereignisses erstreckt sich natürlich zunächst auf die daran direct betheiliglen Staaten, aus Deutschland, Rußland und Oesterreick, deren Machtstellung und Einvernehmen aber selbstvcrstäiidtich auch für daS übrige Europa von bestimmender Natur sind. WaS nun vor Allem Deutschland betrifft, so kann die jüngste Kaiserbegcgnung im Großen und Ganzen gewiß nur als ein neuerlicher Ausdruck der innigen freundschaftlichen Beziehungen betrachtet werden, welche zwischen den Monarchen der beiden mächtigsten Staaten Europas bestehe», deren Bilndnitz die sicherste Gewähr für den ungetrübten Fortbestand de- Weltfriedens ist. Diese Thatsache schließt freilich die Annahme nicht au«, daß in Skierniewicze auch gewisse Einzcl- sragcn erörtert wurden; aber so viel scheint jedenfalls gewiß, daß dieselben, welcher Natur sie auch sein mochten, auf daS freundschaftliche Zusammengehen beider Kaiserreiche keinerlei störenden Einfluß üben konnten. Anders liegen freilich die Verhältnisse zwischen Rußland and Oesterreich, worauf wir erst kürzlich an dieser Stelle hingewiesen haben. Die Thronrede, mit welcher Kaiser Kranz Josef als König von Ungarn den ungarischen Reichs tag eröffnet hat, fand bekanntlich in den politischen Kreisen »uv iu der Presse einen lebhaften Widerhall, der wohl ge- eignet erscheint, auch außerhalb Oesterreich-Ungarn- Beach tung zu finden. Jedenfalls braucht man gerade nicht zu den polnischen Zweiflern und Schwarzsehern zu zählen, um es nuffällrg zu finden, daß die Thronrede in Pest, welche wenige Tage »ach der Drei-Kaifer-Zusammenkuiift gehalten wurde, dieser und der speciellen Beziehungen zwischen Oesterreich und Rußland mit keinem Worte erwähnte. Nickt minder auffällig ist auch di« große Zurückhaltung, welche sich bisher über jene in drr Thronrede bemerkte Schweigsamkeit die officiellen und officiösen Organe Oesterreich-Ungarn- aus erlesen. Unter solchen Umständen durfte man wohl gespannt sein in welcher Weise sich die russischen Blätter über die Drei Kaiser-Begegnung in Skierniewicze äußern würden. Im Hin, blicke auf di« bekannten russischen Prrßverbältmsse konnte man i, de» erwähnten Richtung die Hoffnungen freilich nicht allzu hoch spannen, aber andererseits war dock nickt anzunehmen. daß ein so hochwichtige« Ereigniß wie die Drei-Kaifer-Znsam- ««Krnft ia der russischen Presse keinerlei Ausdruck finden sollte. Nun liegen unS heute in der That die Aeußerungen zweier hervorragender russischen Blätter über die Monarchenbeacg- uung in Skierniewicze und die Beziehungen zwischen Rußsand und Oesterreich vor, welche in der Thal nur geeignet sind, der ganzen Angelegenheit ein noch höheres Interesse zuzu wenden. Da muß vor Allem bemerkt und hervorgehoben werden, daß diese russischen Preßstimmen sich fast ausschließlich mit dem Verhältnisse zwischen Rußland und Oesterreich beschäftigen; die Beziehungen Rußland- zu Deutschland werden nur mit wenigen Dorten berührt, wahrscheinlich auS dem Grunde, weil letztere im Großen und Ganzen so befriedigender Natur sind, daß sie nur wenig oder nicht« zu wünschen übrig lassen. Ziemlich sonderbar erscheint eS aber, wenn die russischen Organe bezüglich der Ergebnisse der Trei-Kaiser-Zusanimen- kunft für die russisch-österreichischen Beziehungen zu einem wesentlich anderen Schlüsse gelaiiaen als vie österreichisch ungarischen Blätter »ach der in Pest gehaltenen Thronrede. Während nämlich diese aus dem llmstande, daß die Ansprache des Kaisers Franz Joses an den ungarischen Reichstag da« Ber- hältniß zwischen Oesterreich und Rußland, ja sogar die jüngste Monarcbenbegegnung gar nicht erwähnte, nickt mit Unrecht einen gewissen Mißton zwischen Wien und Petersburg folgern wollen, sprechen die russischen Blätter geradezu von der „Wieder herstellung jener herzlichen Beziehungen Oesterreichs zu Ruß land. wie diese zwischen Deutschland und Rußland bereit- bestanden haben." So äußern sich mindestens die u»S heute vorliegenden Katkow'schcn „MoskowSkija Wjedomosti", deren Verbindung mit den russischen Regierungskrisen keinerlei Geheimniß ist. „Die Wiederherstellung des guten, freundschaftlichen Berhält- hältnisseS zwischen Rußland und Deutschland", schreibt das genannte Blatt, „sei freilich viel leichter gewesen, weil sich zwischen diesen beide» Kaiserreichen nur Mißverständnisse persönlicher und zufälliger Art ergeben konnten, die schon darum nur von kurzer Tauer sein mußten. Ankers liegen aber die Verhältnisse im Hinblicke aus Oesterreich. Diese sind so beschaffen, daß sie hinsichtlich ihrer Bestellungen zu Rußland zu wirklichen Mißverständnissen Anlaß geben konnten. Die Annäberung der drei Kaisers, fährt das Organ Katkow'S fort, „ist nicht allem für die Erhaltung keS europäischen Friedens, sondern auch für den inneren der drei Großstaatcn und für die Be festigung de« monarchischen PrincipS von bol,er Wichtigkeit Wenn Oesterreich aus irgend welche» Gründen von c»upm gemeinsamen Borgeben gegen die Anarchisten abgeieben oat. so bestehen solche Gründe jetzt nicht mebr. DaS EiuverüLudv jz der drei Kaisermächte richtet sich vor Allem gegen das Vor handensein der internationalen Banditen, welche in den Kreisen gewisser Regierungen da« Asylrecht genieße», denen das Veriiändniß oder das Gewissen für DaS, wa« sie thun, vollständig verloren gegangen ist.* So weit daS Katkvw'sche Organ. Wie man siebt, sagt e« nicht allzu viel, ja der Hinweis aus daö „Einversiäudniß gegen die internationalen Banditen" ist offenbar ein Lücken büßer für Das. waS daS Moskauer Blatt über die eigentlichen politischen Verhandlungen und Ergebnisse in Skiern icwiezc nicht sagen konnte ober durste. Auch die Aeußerungen der Petersburger „Nowoje Wrcmja" tragen zur Klärung der Dinge, die in Skierniewicze beschlossen oder nicht beschlossen wurden, nicht wesentlich bei, sind aber immerhin etwas interessanter als die ihrer Moskauer Collegin. Die „Nowoje Wremja" will nämlich vor Allem auS „diplo matischer Quelle" wisse», daß „die österreichische Diplomatie mit den in Skierniewicze erlangten Ergebnisten zufrieden sei". (?) Nun kommt aber in dem Petersburger Blatte eine bezeichnende Stelle. „Die österreichische Diplomatie", beißt eS da. „soll sich indcß jedenfalls zu Geinüthe sichre», daß die Verdienste bezüglich der in Skierniewicze cingetretcuen Wendung (?) nicht ihr, der Wiener Diplomatie, sondern dem deutschen Reichskanzler zlikominen, der in Skierniewicze seine Freundschaft für Oesterreich viel besser betbätigtc als im Jahre 1878 in Berlin. Sonst werde auch anerkannt", schließt die „Nowoje Wremja", „daß die Friedensliebe, die Uneigen- nühigkcit de« Petersburger Cabinct« und die von der russischen Diplomatie bewiesene Zurückhaltung und Bereitwilligkeit zu Zugeständnissen alle Erwartungen weit übertrosfen haben." 'Durch die hier wiedergegebcucn russischen Prcßslimnieu wird allerdings, wie erwähnt, der eigentliche Stand dcS Ver hältnisses zwischen Rußland und Oesterreich, und umgekehrt, wenig geklärt. Im Hinblicke aus die Aeußerungen der öster reichisch-ungarischen Blätter über die bekannten Lücken in der ungarischen Thronrede, gemahnen unS die Darstellungen der russischen Icurnale geradezu an daS französische Sprichwort: ..O'est uno doutoille L l'encro, an n'/ voll xas clrür". (Klar wie Tinte!) Hoffentlich wird aber die nöthige Klärung dieses Verhält nisses wohl früher oder später erfolgen. Die Wichtigkeit deS Gegenstände« erfordert dies gebieterisch. Leipzig, 7. Oktober 1884. * Die Beachtung, welche einem „Deutsches Bürger thum" überschriebenen Artikel Ludwig Bamberger'« in der „Nation" seiten« der Presse zugewendet wird, dürste zumeist aus Rechnung des blendenden Stil« de« Autors zu setze» sein. Inhaltlich kann der Artikel köchstenS wrgen der heftigen Ausfälle gegen die Partei, welcher der Autor früher selbst angehört hat. allgemeinere« Interesse erregen. Aber auch diese Ausfälle baden im Grunde nur Werth als Beitrag zur Eharakkrrisirung deS Autors. Die auS dem einstige» Lobredner TiSmarck'S der bissige Satiriker wurde, welcher den Ncich-k.,nzler dcS EäsarismuS beschuldigte, so wirst jetzt der chemali^e Nationallitcralc seinen trüberen Parteigenossen niedrige- «trcbcrthum vor. Cbarakleristisch ist ferner, daß er daS Bürgerlhnm nur alS politischen Stand betrachtet und «ine politische Verkümmerung der oberen Schickten desselben erkannt haben will. Daß der politische Unterschied der Stände »lehr und mehr schwindet und dafür ihre sociale Vedeutuug von Tag zu Tag wächst, kümmert den Manckestcrmann nickt. Herr Bamberger — so schreibt ein Berliner Corrrspondent der „Schlesischen Zeilung" — hat wiederholt dem Staat den Berus adgr- sprocken, sich in die socialen Verhältnisse einzumischen. Trotzdem dachte früher auch er in dieser Beziehung ganz ander». Wir können ihn wenigste»« aus eine Autorität verweisen, an deren Bedeutung er selbst beute nicht zweifeln wird. In Auerbach'« LolkSkalcndcr für daS Jahr >808 finden sich folgende goldene Worte: „Wie kann der Staat so thöricht sein und sage»: ich gebe nicht-, kr, der zum Einzelnen sagt: Gieb mir Dein Blut, denn ich bin in Gefahr, der sollte ein andermal sagen: Stirb Hunger«, denn ich kenne Dich „ich,? Er. der den, unmündigen Kinde da-Lehrbuch aus- jivingt, der sollte nicht dem Baier beistehcn wollen, ein Stück Bros zu suchen? Und e« gebe ein Priucip, das ihm so etwa« verböte? Thorheit, Unsinn, Widerspruch! Geburtshäuser errichtet er und Todtenhäuser, dem Kinde, bas zur Welt kommt, streckt er die Arme entgegen »nd den Gestorbenen besieht er sich, ob er auch wirklich tobt sei; des Lebendigen sollte er spotten? ... Er schreibt unS ein, er schreibt uns um, er schreibt uns au«, und nur wenn wir unsere Hände nach Arbeit auSstrecken, um de« geheiligten täglichen Brode« willen, da wollte er ua« nicht kennen? Thorheit, er muß wollen. .. Wer aber sagt, der Staat kann nicht mehr alS bisher, der würde ihn unter da« Menschliche herabdrückcn. Denn menschlich sein, heihk vorwärts streben." . , . Es folgt dann die Prophezeiung, daß die sociale Frage einstmals die erste, ja die einzige dcS Staates sein werde. Und wie beißt der Prophet, der diese trefflichen Worte schrieb? Ludwig Bamberger. Damals freilich war Herr Bamberger noch nicht Fortschritts»»!,»». WaS er damals als die höchste Ausgabe de» Staates bezeichnet?, ist ihm heute eine frivole Störung des inneren Friedens und Erregung von Classenbaß. * Eine äußerst amüsante Beleuchtung findet die Wahl taktik der Herren Eugen Richter unv Genossen in, „Berliner Volksblatt", dem Organ der Berliner Arbeiter, welche- zu diesem Thema Folgende« bemerkt: Eugen Richter ist bekanntlich kein schlechter Taktiker und er ver steh! e« auch, seine Leute auszuwählen und an die geeigneten Orte hin zu dirigire». Soll auigewiegelt werden, dann geht er selbst zur Versammlung oder schickt den sonst so gemäßigten Herr» Rickert hin, der sich nämlich immer in die Wolle hiueinredet. Soll abgewiegclt werden, so muß Traeger mit seinem elegischen Tone herhalten und eine seiner beiden Reden mit Aufwand aller ihm zu Gebote stehenden Liebenswürdigkeit dahinreden. Herr Hänet ist dort am Platze, wo e« gilt, mehr rechtsstehende Liberale zu sangen. Der Herr redet nämlich noch immer gern von ver große» einigen liberalen Partei. Ilm Arbeiter z» bethören, bedient sich Eugen Richter gern neben dem elegischen Traeger des Rechtsanwalt« Munekel, der mit allerlei Späßchen die Grenzlinie zwischen Fortschrittspartei und Arbeiter pariei zu verwischen versucht. Dr, Hermes aber muß strenge wie ein Gendarm den alten Stand der Foriichriti-vartei intact Hallen, deshalb wird er als Vorsitzender »nd Redner in den Parteiveriammlungen gebraucht. Nur i»it Ludwig Löwe weiß der „Höchftcommandirende" nicht« Rechte« anzusangen, da der edle Ludwig bekanntlich ein guter Mensch, aber ein schlechter Mutitnnt ist. Mit de» besten Vorsätze» der Welt betritt er die krwu-e. »in für sinne Partei Propaganda zu niachen, jedoch der- habbcrt und vc, haspelt er sich im Lause seiner Red« immer derart, daß i»a» siebt, bei ihm Hai mit der Fusion auch die Consusion ihren Einzug gehalten. In Berlin ist man an ihn gewöhnt, aber nach außen kaiin man ihn nicht verwenden. Auf dem Lande muß Herr Lejcune Dirichlei, selbst ein „Bauer", auf Baneinsang ausgeben, der es auch fertig bringt, den Beweis z» sichern, daß die Deuischsrcijiiinigcn in erster Linie die Interessen des Bauernstandes wahrten. Während Herr Büchkeman» klar dar- stellt, daß d>e dkuilchsreisinnige Partei vor allen Dingen die Privat- wirch'chast beim Verkebiswesc» schütze, erwärmte» sich die deutsch- sseisinnigeii Redner i» Mittel- und Siwdeutschiand sür Staalsbahnen. Uebcrall, wo und wie eS gerade paßt, wie der „parlamentarische Eorrespoiident" recht naiv verräth. „Immer nur heran, heran, nur hinein in die gute Stube" — und jeder deutschsreisinnige Redner schmückt seine gute Stube ganz nach dem Geschmack derjenigen Leute aus, denen er sie cmpfiehlt. Für die verschiedenen Wahlkreise werden die verschiedenen Redner ansgesucht, die sich gegenseitig widersprechen." * lieber die schon erwähnte Sachlage betreff- de« evan gelischen BiSthumS Jerusalem wird der »Schlesischen Zeitung" auS Berlin geschrieben: Ob die Wiederbelebung des BiSthumS, bezw. die Ernennung eincS cvaugclischcn Bischofs durch de» König von Preußen inner- halb einer naheliegenden Zeit ersolgen wird, läßt sich gegenwärtig auch nicht annähernd angcbcn, da dein Anscheine nach die Erledi- gu»g dieser Frage jetzt von einer Entscheidung cnglischerseits abhängt. Wie verlautet, ist man in de» hiesigen maßgebenden Kreise» der Ansicht, daß das britischerseitS erhobene Verlangen, der durch die preußische Krone zu ernennende Bischof müsse vorher die von der englischen Hochkirche vorgeschriebencn drei Ordinationen alS Diakon» Presbyter und Bischof erhalten, durch die vorhandene» Acteiistiicke nicht begründet sei; es würde also der Würde der Krone Preußen« und ebenso jener der deutschen evangelischen Kirche widersprechen, ivenn mau daraus einginge. Dem Vernehmen »ach sind von hier ans au die betreffenden britischen Amtsstellen Ausführungen in diesem Sinuc gemacht worden; eine Antwort daraus scheint aber lange auf sich warten zu lasse», da man offenbar «inen Gegenbeweis nicht führen kann, die erhobene Forderung aber nicht ausgebeu will. Bon welcher Ausfossung die englische Hochkirch« bei der gemeinsame» Stiftung ausging, dafür spricht die Bekanntmachung des Erzbischofs von Eanterbury vom S. December 1841, wonach er selbst als Primas der Hochkirche das absolute Vetorecht gegen die von dem Könige von Preuße» Lnianiilcn habe: der preußsschen Krone war aber ein solches Veto gegen die von England Beruscncn nicht «„geräumt. Man scheint jedoch jetzt durchaus nicht gewillt zu sein, sich der Heber- Hebung der britischen Hochkirche zu fügen. Sollte man britischerseitS harlnäckg ans der unbegründelen Forderung bestehe» bleibe», so kan» eine Kündigung des l84l abgeichlossencn Vertrages als nicht ausgeschlossen aiigejeken werde». Die deuiichenJnteress'cn imOrient haben sich seit jener Zeit in vielfache», Masse erhöht, außcrdcnl sind die Beziehungen des Reiches zur Psorle ganz andere geworden, und ein von den, Kaiser «nd Könige berufener Büchos würde eine viel günstigere Stellung dort haben als ein Angehöriger drr englischen Hochkirchc. «> » « * In dem „Uegyvedi Közlöny* gab vor Kurzem F. Sandor eine treffende Schilderung über de» Zustand der Rechts pflege und die Besahignilb der Richter in Ungarn. Tie Frage: Warum die ungarische Rechtspflege so kostspielig sei? beantwortete Sandor in folgender Weise: „Die Mit glieder deS AbgeordnetciibauseS und die Herren Beamte» sagen, der Advokat arbeite tlieuer und schinde die Parteien mit den übermäßigen Erpensen. Weit geseblt! Der Advocat kann seine Parteien nickt schinden, denn thul er dies, so bringt er sich um seine Eliciitcl. Sein vhnchi» schmal gewordener Verdienst würde auflwre». Und dann regelt ja daS Honorar deS Advoeaten entweder ein vcrauSgcbellter schriftlicher Vertrag oder die Willkür de« Gerichtes. Die ungarische Rechtspflege wird vertbenert »nd überhaupt vcrsibtschcrt dadnrck, daß sebr vielen Richtern die z» ihrem Berufe erforderliche Fähigkeit fehlt. Bei der im Jahre 187l ersclgten Reorganisirung der Gerichte ist fast jeder untere Beamte zum llntcrrickker ernannt worden, sö- oald er neben irgend welchem Sinsslrickker infolge der VolkS- wahl in, acliven Dienste war. Unter diesen Ilnterrichtern giebt e« viele, welche die RcchlSwisienschasten nicht studirt baden Es giebt auch B-;>rkSrichter und Beisitzer der Gerichtshöfe, ja selbst Gerichtspräsi denten, die entweder gar kein In« studirt oder nur die alten abgekommenen Gesetze vor 30—40 Jahren aus einem schwachen Collegium oder Lyceum gehört haben, dann 10—12 Jahre außer Dienst waren, alle- RecktSwissei» aus- geschwitzt hatten und darnach von der neuen ungarischen Re gierung aus politischen Partei- oder sonstigen Rücksichten und Absichten zur Rechtspflege berufen worden sind. Diese un fähigen Richter sprechen unter schwachen Vorsitzern oder al« schwache Einzel» und Unterrichter die auffallend vielen ver- sehlten Urtheile, welche durch die höheren Instanzen gewöhn lich ausgehoben werden. Diese Herren sind nicht einmal im Stande, nach der Weisung der höheren Instanzen vorzugehen. ES ereignet sich sehr oft, daß da« Urtheil zweimal, sogar dreimal in ein und derselben Sache aufgehoben wird. In anderen Fällen fand der gerichtliche Augenschein in einem entfernten Gebirge ^wiederholt mit großen Kosten statt, die an Ingenieure und Zeugen gezahlt werden mußten, weil die leitenden Richter nicht im Stande waren, die richtige Aus tragung zu treffen und die entsprechende Ausnahme de« Terrains zu bewirken. In anderen Fällen ist zu staunen, wie die Richter in RcchnungSproccssen sich nicht zu oricntiren, wie sie Rechnungsabschlüsse nicht aufzusassen verstehen «nd durch unrichtige- Urtheilen und Anordnen den Parteien groß« und un- nöthige Auslagen ausbürden. Man siebt da, wer die Vertheuerung ter Proccsie verursacht, die schwachen Richter sind eS. Die vielen Ergänzung--, TagsatznngS-Arbeiten und Stempel, die vielen ErgänzungS-Allgenscheine und die vielen AppellationSarbeiten und Stempel sind die Folqen dcö Rechtsprechens unfähiger und schlecht disciplinirter Richter. Diesen Fehlern in der Organisation der Justizbehörde scheint die hohe Justizver waltung gar nicht abhelseu zu wollen. Die Gerechtigkeit gegen daS Volk aber und die Reputation der ungarischen Rechtspflege verlangen dringend, daß endlich diese Hätschelung der unfähigen richterlichen Individuen aufhvre. Die Justiz verwaltung muß eS doch selber empfinden und einsehen, daß ihre Aufgabe nicht die Unterstützung schwacher Richter, son dern die Verbesserung der Justiz ist. Fast möchte man zweifeln, daß sie e« einsehen, denn die Beschwerden gegen die schwachen Richter werden nicht beachtet. Selbst die höheren Gerichtsinstanzen haben in vielen Fällen die schwachen Richter so weit in Schutz genommen, daß sie, wo der ungeschickte, fahrlässige und da« Gesetz blindlings verletzende Richter eclatant in die verursachten Kosten hätte verurtheilt werden müssen, nickt verurtheilt haben, ja den Grundsatz ausgesprochen, der Richter könne wegen seiner Auffassung de« Gesetze« nicht ver antwortlich gemacht werden. Die Bestimmungen über di» Verantwortlichkeit der Richter stehen aut geordnet auf dem Papier. Zur Anwendung kommen sie nicht. Bei solchen Vorgängen wird die migarische Iustizpflcge immer schlecht »nd theuer sein Man darf sich nicht wundern, wenn man sieht, wie die Bürger und besonder- vie Fremden vom Abschließen von Rechtsgeschäften in Ungarn abgeschreckt werden. Fürwahr, eS ist zu wünschen, daß dem Hätscheln der Unfähigen >m Richterstande ein Ende gemacht werde." * Ueber den französischen Ministerpräsidenten JuleS Ferrh wird der „Kölnischen Zeitung" geschrieben: Der französische Ministerpräsident wird all Politiker auch von seine» Landsleute,, sehr verschieden beurtheilt; natürlich, denn er hat nach Gambclta sich in der September-Republik am meisten hervorgethan. Etienne Vacherot, einer der Bürgermeister während der Belagerung von Pari«, der also Ferry ans dem Stadt- Hause an der Arbeit gesehen, erörtert im „Figaro" die Frage, wie eS Herrn Ferry bei seinen keineswegs hervorragenden Fähigkeiten ge lungen sei, sich nun bereits zwei Jahre an der Spitze der Ne gierung zu Hallen, während Gambetta schon nach dem mittelmäßigen Versuche von zwei Monalcu die Last zu schwer fand. Bacherot'- Antwort lautet im Wesentlichen: Um das zu erklären, muß der ganze Mann mit seinen Fähigkeiten der That noch mehr als mit seinen Fähigkeiten der Auffassung ins Auge gefaßt werden. Aus den, Stadthause während der Vertheidigung von Paris entwickelte kein Mitglied der provisorischen Regierung mehr Eifer, Entschlossen heit und Mulh sür die Sache, und schon damals wurde er fort während von der Partei, welche seit den, 4. September von der Eomnuinc träumte, ongegrisfe». Bei gewöhnlichen Talenten besitzt Ferry drei Haupisähigkeiien, die sein Glück erklären: er trachtet ungleich leidenschaftlicher nach der Gewalt als nach Popularität, was ihn gründlich von Gambetta unterscheidet, und deshalb läßt er in seinen Zuknnftshoffnuiigen ander» die Präsidentschaft der Republik und bebäü sich die Präsidentichast des Ministeriums vor. Er liäli sich zur Thaikrasl geboren, liebt weniger den Titel als die wirkliche Gewalt, will die kräftigste Ausübung derselben so lange wie möglich in der Hand halten, wird, wen» die Republik Dauer behält, unter der Last sterben, er wird die Macht nicht ausgcben, wenn sic seinen Händen nicht unter der Wucht von Ereignissen höherer Gewalt entrissen wird. Die zweite Eigenschaft, die ihn von dem „großen Demagogen" unterscheidet, den er als Ober» aner kannt hatte, ist die Behandlung der Politik als einer Angelegenheit, in der es sich weder »m Empfindungen noch um Grundsätze Han- delt: „Es heißt, Ferry drnke ernstlich daran, Frankreichs Gluckt» die Hand Deutschlands zu lege», um nilt China fertig zu werden und in Egypten Rache an England zu üben; Gambetta würde geglaubt haben, daß seine Hand verdorre, wen» er sie dem Eroberer von Elsaß-Lothringen darbictc." Andere Staatsmänner, die stärker sind als Ferry, ein Bismarck, ein Cavour, ein Beaconssield, hatten, wie Pascal sagt, eine Idee hinter dem Kopse; Ferry hat weder eine große Leidenschaft im Herzen, »och eine solche Idee im Geiste; er bat nur Ideen vorn im Kopse, die er erstrebt, ohne rückwärts zu blicken. Diese Ideen sind einsach verschiedene Geschäfte, deren Zusammenhang durch keinen höheren Gesichlspunct verbunden ist; diesen paßt ee sich je nach den Ereignissen, di« ihm dir Geschäfte bringe», an. Faßt er eine aus, so läßt er sie nicht wieder loS, bis er damit, koste cs waS es wolle, scrtig ist, ohne die Folgen für die Zukunft vorhcezuss'ien. Seine Gegner behaupten, er fthe nicht weiter als seine Nass' reicht, die aber lang ist. Sicher ist, daß er weder in die Ferne, »och in die Hölw sieht: seine Politik Hot leine» Horizont. Er nimmt die Dinge im Einzelnen wie ei, Em- piriter. Fern, trat mit einem sehr positivistischen Glaubensbekenntniß in die politische Lausbahn ei»; als Geschäftsmann kam er auf die Welt, wird er lebe» und von Acten umgeben wird er sterben. Die drille Haupicigcn'chast Ferry's ist eine Arbeitskraft, die ihresgleichen sucht: dieie macht ihn zum wirklichen Manne drr Regierung und pnlersch-idet ihn von seinen Freunden »nd Gegnern, die der Mehr zahl nach nur Männer der Partei sind, Waldeck spricht, Madier ^e Montjau declamirt. Ehallcmel ist Schönredner. Brisson grübelt, Floquet macht sich wichtig, Frcycinet träumt, Ferry allein arbeitet, .aber er ist mehr arbeitsam alS »achsorschend und kennt seine Akten stöße^ besser als seine Bücher, Mit dieser Leidenschaft hat Ferry als Fachministcr Wunder getfian: sür den öffentlichen Unterricht war er weniger geschaffen: dazu gehörte noch Vacherol's Ansicht ein Geist wie JuleS Simon. Als Premierminister yat er zur Präsi dentschaft des Ministerraths, die eine allgemeine Richtung erfordert, wenig Beiäbignng: er ist nicht der Mann, der seine stcit in Wori- geicckien venchweiidel: aber ein Premierminister dar, nicht wie ein einfacher Labinelsches sich ganz der Arbeit des Augenblicks hin- aeben, sondern must b-e Laa« Frankreichs, den Stand Europas, die Schachzüge der d-i>i'chen Diplomatie, die Wechleltällc der Krieg-
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