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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188411046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18841104
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18841104
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1884
- Monat1884-11
- Tag1884-11-04
- Monat1884-11
- Jahr1884
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1884
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Erscheint täglich früh SV,Uhr. Kr-aclion un- LrPrtittio JohauueSgasse SS. Sprechkun-en her NrörtN«L: Vormittag» 10—18 Uhr. Nachmittag» ö—6 Uhr. 1: t>« »MSj-d, nagi^mdtrr Nlaouscrwt, r» Ne»«crw» »ich« «er»m»Uq. A»«ah«e »er für »t« «stchstfalgenäe «„««er teftimmte« 2 «Ir rate «» Wncheutage» bis S Uhr Nnckmttta««. au Sann- »u» Kefttagen fr»» »tä'/,» Utzr. I» den Filialen fiir Z»s.-A»,»tz«: Ltt« Klem», UuiversitätSstraße 21. Laut» Löscht, Katharinenstraße 18, p. uur »i» '/,r Uhr. UchMerIagMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschüstsverkehr. Auslage L «0Q ^donnementsprei» off -lj. 4'/, MlL iucl. Bnngerl-Hn 5 ML, durch dir Post heuigen 8 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebübren für Extrabeilage» (in Tageblatt.Format geialzt) «hue Poslbesörderung Ä ML «it Postbesörderung 48 ML Inserate «gespaltene Petitzeile 80 Pf. Gröbere Schriften laut unserem Hreit- verzeichniß. Tabellarischer u. Ziffernsatz nach höher«, Tarif. Lerlamrn unter dem Ledactionsstrich die Spaltzcile SO Pf. Inserate sind stet» an die Expeditta« za senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prnvmuiierancko oder durch Post. Nachnahme. ^ 309. Dienstag den 4. November 1884 78. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Nachstehend bringen wir den von uns unter Zustimmung der Serien Stadtverordneten diersclbst errichteten, durch daS beigesügte Decret der königlichen Kreishauptmannschaft ge nehmigten Zweite» Nachtrag zu dem OrtSstatut für da» GewerbeschledSgencht in Leipzig zur öffentlichen Kenntniß. Leipzig, den 28. Octvber 1884. Der Rath der Stadt Letpzia. vr. Tröndlin. Schecker. Zweiter dtaehtrag zu de« OrtSstatut für das GewerbeschiedSgertcht in Leipzig. 3m Hinblick aus die Bestimmungen deS ReichSgesetze«, Le» treffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883 haben Rath und Stadtverordnete zu Leipzig unter Genehmigung der höberen Verwaltungsbehörde folgenden Zweiten Nachtrag zu dem Ortsstatut für da- Gewerbeschiedsgericht in Leipzig 18. Januar .. . st. Februar" Soweit nach gesetzlichen Bestimmungen aus Streitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und den von ihm beschäftigten ge werblichen Arbeitern über die Berechnung und Anrechnung der Krankencassenbeiträge der letzteren Z. 120» der Gewerbe- Ordnung Anwendung finden soll, ist für die gewerblichen ArbeltSverhältaisie, welche im Stadtbezirke Leipzig bestehen oder bestanden haben, das das,ge GerverbeschiedSgericht zur Verhandlung und Entscheidung zuständig. Leipzig, den 2. Oktober 1884. Der Räth und die Stadtverordnete» zu Leipzig. I-. 8. vr. Georgi. I-. 8. vr. Schill. Schecker. Die Königliche Kreishauptmannschaft hat den vorstehenden Zweiten Nachtrag zu dem Ortsstatute für das Gewerbe- schieVSgericht in Leipzig genehmigt und zu Nrkund besser» gegenwärtiges Decret autaef—tigt. ' Leipzig, de« 20. Oktober 1884- Königliche KretShauptmanaschaft I-. 8. Graf z» Münster. Gläsel. Nichtamtlicher Theil. Die Serufsparlamentarier. Ein Krebsschaden deS deutschen BerfassungSlebenS sind die Berufsparlamentarier. Erfahrungsgemäß ist diese Claffe von Leuten stets auf Seiten der Opposition zu finden, in der Organisation des Widerstandes gegen die Regierung finden sie ihren eigentlichen Beruf, daS Ziel ihrer Thätigkeit. DaS Muster eine« solchen Berufsparlamentariers haben wir in Eugen Richter vor unS. Seine ganze parlamentarische Thätig keit seit seinem Eintritt in die deutsche Volksvertretung hat darin bestanden, der Regierung Steine in den Weg zu wälzen, ihre Arbeit zu lähmen öder vergeblich zu machen. DaS wäre an sich kein Fehler, wenn die Regierung durch ihr Verhalten dazu Anlaß gegeben hätte, denn dann hätte ja der opponirende Abgeordnete nur im ganzen Sinne des Worte- seine Schuldigkeit gelhan und viele Mißgriffe und Nachthcile für da- Volk ver hindert. So liegt die Sache aber keineswegs, vielmehr würde da- deutsche Reich heute nicht exiftiren, wenn die Mehrheit im constituirenden Reichstage aus Parlamentariern vom Schlage Richter'- bestanden hätte. BerusSparlamentarier werden von dem Augenblick au überflüssig, von welchem ab sie sich mit der Regierung in Uebereinstimmuiig befinden, und deshalb finden wir unter den Anhängern der Regierung selten oder nie Beruf-Parlamentarier. ES versteht sich von selbst, daß eine maßvolle Opposition, welche aus pflichtmäßigcr un befangener Prüfung der Regierung-Politik entspringt, nur zu billigen ist, aber diese unterscheidet sich himmelweit von der grundsätzlichen Opposition, welche an Alles, was die Regierung thut, mit der Absicht herantritt, daS Gegentheil al« zweck mäßig anzuprcisen und die Vorschläge der Regierung für un annehmbar zu erklären. Eine solche Thätigkeit. wenn sie geschickt betrieben wird, verfehlt ihren Eindruck aus weite Kreise der Bevölkerung nicht, die Zahl der Tadler überwiegt in der Regel die der Zustimmenden. Man kommt so leicht in den Ruf de- urtheilSlosen Jasagers, wem, man der Re- gierungSpolitik Lob spendet und sie unterstützt. Und doch haben wir in Deutschland alle Ursache, mit der RegierungS- politik im Ganzen und Großen zufrieden zu sein; man kann über Die» und Jene» verschiedener Meinung sein, man kann Freihandel für ersprießlicher erachten als Schutzzoll» man kann directe Steuern den indirecten vorziehen, man kann die zweijährige Dienstzeit für ausreichend halten, aber man kann nicht sagen, daß Deutschland unter der Herrschaft deS neuen Zolltarifs, der indirecten Steuern und der drei jährigen Dienstzeit zurückgegangen wäre in seiner Entwickelung. ES würde demgemäß nur dem Gesammtinteresse deS Landes entsprechen, wenn man diese Fragen vorläufig ruhen liege, so lange es gilt, so wichtige Angelegenheiten zu einem gedeih lichen Abschluß zu führen; wie die Gefahr, welche uns von der Ausbreitung der Socialdemokratie droht. Aber weit ge fehlt, der BerufSparlameptarier nutzt auch diese Gefahr nur in dem Sinne au», daß er daraus Capital für seine berufs mäßigen Zwecke schlägt, daß er die vfsentliche Meinung dahin zu leite» sucht, daß die sociale Gefahr nur in der Ein bildung besteh« und daß die Regierung diese Gefahr nur als vorhanden erkläre, um die politischen Grundrechte de« Volke« in Frage zu stellen und zu verkleinern, mit einem Wort: der BerusSparlamentarier macht au« dieser Sristenzfrage «ine Parteisrage. Wie ist unser ganze« Parteileben in Deutschland gestaltet? Ei» redegewandter Parteiführer entwirft ein Programm, für welche» er eine Anzahl Abgeordneter zu gewinnen Ir eiß.' Da» Programm al- solche» enthält meist Grundsätze und Forde rungen, welch« man ohne Bedenkeen unterschreiben kann, aber einzelne Puncte sind, trotz ihrer unbestreitbaren Richtigkeit, doch in einem bestimmten und zwar gerade in dem vor liegenden Falle nicht anwendbar. Ein solcher Proaramm- punct ist z. B. die Forderung der deutschfreisinnigen Partei: Gleiche« Recht für Alle. Aus dieser Forderung beruht in der Theorie das gesammte DerfassungSlebcn eines Volke- und dennoch ist sie bei der augenblickliche» Sachlage im deutschen Reiche ganz unerfüllbar. Die gleiche Bewandtniß hat eS mit der Forderung: „Man soll dem Volke die noth- wendigsten Leben-mittel nicht verthcucrn." Welcher nach Recht und Billigkeit urtheilcnde Mann möchte diesen Satz nicht unbedenklich unterschreiben? Aber im deutschfreisinnigen Programm bedeutet dieser Satz Aushebung der Gctreidezölle und der Zölle auf eine Anzahl anderer Verbrauchsgegen stände, welche einen großen Theil der SlaatSauSgaben decken, ohne die Verbraucher in merklicher Weise zu belasten. Es wäre ja denkbar, daß eine Steuer ergründet werden könnte, welche dem vorhandenen Betürsniß noch zweckmäßiger Abhilfe verschaffte, aber vorläufig ist die Steuer eben noch nicht ent deckt und eS ist sehr zweiselhaft, ob die deutschsreisinuiae Partei diesen besseren BcsteueruiigSmvduS erkannt hat. Alle diese Fragen sind der Art, daß sic sich zu einer fortwährenden Aufstachelung und Beunruhigung der Wähler verwenden lasten, und Ladurci» wird schließlich der Regierung da- Leben so sauer gemacht, daß sie nicht mehr weiß, wo au« und wo ei». Im Jahre l88l war da« Tabakmonopol von der RcichSregierung vor geschlagen worden, um die durch die socialpolinschen Pläne nölhig werdenden Au-gaben zu decken. Dieser Vorschlag fand lebhaften Widerstand bei allen Parteien und in Folge Vesten wurde er abgelehnt. DaS war ein durchaus ordnungsgemäßer Vorgang, und wir sind weit entfernt, die Ablchner deS Ge setzentwurf«» deswegen zu tadeln. Aber wa» haben die Be- rnsSparlamentarier aus dieser Niederlage der Regierung ge macht? Eugen Richter hat den Wählern stets daS Schreck bild von mehreren hundert Millionen »euer Steuern vor gehalten und hat sie damit auf den Weg der Opposition gelockt, als ob die Steuern etwa in die Taschen der Mit glieder de» BundeSraths flössen, al« ob sie nicht im Interest« der Gefammtheit und für Ausgaben Verwendung fänden, welche ganz unerläßlich sind. Der Berufsparlamentarier bedarf für seine Zwecke der fortdauernden Mißstimmung der Wähler gegen die Regierung, sie muß in den Augen stet« al« unfähig und ungerecht er scheinen. uur so ist eS möglich, daß der BerusSparlamentarier die nüthige Anzahl Stimmen für sich gewinnt unp sein Wese« im Parlament sortlreiben kann. Worin besteht nun aber dies» parlamentarisch« Thätigkeit? Der BerusSjmrlamentarier führt in den FractionSsitzungen da« große Wort, er wendet den vorliegenden Fall auf da« Programm an und beweist den FractionSgenosten baarschars, daß die betreffende Regierungs vorlage auS Rücksicht aus die Grunvsatztrcue der Partei bekämpft werden muß. Nach einigen bescheidenen Einwen- düngen der anders Urtheilenden kommt dann mit Stimmen mehrheit ein FractionSbcsckluß zu Stande, welcher die Frac- tionSmitglieder verpflichtet, der Vorlage die Zustimmung zu versagen. Natürlich übernimmt der BerusSparlamentarier, welcher die längste Erfahrung im parlamentarischen Leben und die größte Revnergewandtheit für sich hat, die Ver tretung deS FractionSbeschlusteS im Parlament. ES wird eine große Rede im Reichstage gehalten, welche mit den üblichen Bravorufen, mit clngestrruten „Sehr richtig" und »Sehr gut" oder „Hört, hört" begleitet wird, und der sensationelle Effect ist fertig. Die Gegner innerhalb der Fraktion sind schon vorher mundtodt gemacbt und dem weniger erfahrenen Parlamentarier, der außerdem auch nicht Über eine gleich zündende Beredsamkeit verfügt, wie der geehrte Vorredner, ist in den seltensten Fällen im Stande, den Effect der Rede auf die zur grundsätzlichen Opposition neigenden oder verpflichteten Abgeordneten wett zu macben. Dieser Effect wird nun in der vom BerusSparlamentarier geleiteten oder beeinflußten Presse nach allen Richtungen an«- genutzt. Man läßt triumphirende Leitartikel als Brand raketen und Leuchtkugeln emporsteigen, und damit sind alle Bedenken und oft sehr berechtigte Einwendungen abgeschnitten. DaS ist der gewöhnliche Hergang bei alten Regierungs vorlagen. Welch unberechenbarer Schaden aber wird durch diese Art der parlamentarischen Behandlung der Gesetz entwürfe hervorgerusen? Wäre eS nicht bester, daß ein weniger mit allen Kunstgriffen und Kniffen bekannter Volks vertreter Gelegenheit erhielte, seine Meinung frei und offen im Reichstage auszusprechen und durch die Unbefangenheit und Schmucklosigkeit seiner Beurtheilung auf Gleichgesinnte zu wirken und damit die Unentschlossenen und der Führung Bedürftigen mit sich sortzureißen? Aber der Berufsparla mentarier macht einen solchen Laus der Dinge von vornherein unmöglich, er übt durch seine Sicherheit, die Sache zu be handeln, durch die selbstbewußte Form seine« Auftreten- einen moralischen Druck aus einen großen Theil der Parlaments mitglieder au«, dessen sich die Wenigste» in dem Augenblick der Entscheidung bewußt sind. Es ist klar, daß unter solchen Umständen die wahre Meinung de- Parlaments sich nur ausnahmsweise Geltung verschaffen kann. Und wer trägt die Schuld daran? Der BerusSparlamentarier. ES liegt deSbalb im Interesse der Gcsammtbeit der Wähler und der Würde de» Parlament», daß BerusSparlamentarier so wenig wie möglich im Reichs tage zu Worte kommen, daß sie, wenn irgend thunlick, gar nicht gewählt werden. Der Volksvertreter soll die öffentliche Meinung zum Ausdruck bringen, aber er soll nicht die eigene Meinung, als die der Gesammtbeit auSgcben. DaS thut der BerusSparlamentarier in der Regel und deshalb sollte man fick hüten, ihm ein Mandat zu geben. In den Reichstag gehören unabhängige Männer, welche ihre Ausgabe darin sehen, da» Beste des Volkes zu finden und wahr ztuichmen, aber nicht Parlamentarier, deren Berus und alleiniger Zweck die systematische Opposition gegen die Regierung Ist. * Leipzig, 4. November 1884. * Mit Bezug auf die seiner Zeit bekannt gewordenen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem regierenden Herzog von Säcksen-Eobnrg-Gotha und dem Herzog von Edinburgh bringt die dem Hose nahestehende „Coburger Zeitung" eine bemerkcnSwerthe Kundgebung. Es halte nämlich du „Allgemeine Zeitung für Franken und Thüringen" die Nachricht gebracht, daß die Herzogin von Edinburgh ver- wickenen Sommer in Kissinge» gewesen, ohne Eeburg besucht zu haben; e» würde in Eoburg auch der Portalban am Palast Edinburgh unterbleiben und diese Vorgänge ständen mit „den bekannten Differenzen" in Beziehung. Hiergegen erklärt nu» dl« „(Hoburger Zeitung", daß die Herzogin von Edinburgh gar nicht in Kissingen gewesen, daß auch der Portalbau nicht unterbleibt, gegenüber der Bemerkung über die „bekannten Differenzen" „muß", nach der „Eoburger Zeitung", „in Be zug auf die Herzogin von Edinburgh betont werden, daß nur »«sättige Hindernisse die erlauchte Frau im vergangenen Sommer von unserem Lande ferngrhallen haben, wo sie ge wiß» wie immer, von der Coburgiscken Bevölkerung ausS Freundlichste begrüßt worden wäre. Um so mehr, als man bürt, daß der Herzog von Edinburgh dem Herzoge von Coburg, dem Ckef de« Hause«. und seinem Onkel voll kommene Ehrenerklärung für da« Geschehene gegeben hat, so daß damit daS alt« herzliche Einvernehmen völlig wieder hergestellt ist." * Bon der mecklenburg-hannoverschen Grenze wird der „Kölnischen Zeitung" vom 3V. Oktober geschrieben: „Die jüngsten Bestrebungen der Welfenpartei. den Herzog von Eumberland in den heißersehnten Besitz des Herrog- thum« Braunschweig zu setzen, sind bekanntlich glücklicher Weife vollständig gescheitert. Auf Jeden, der Gelegenheit hat, die gegenseitigen Beschuldigungen und Schmähungen, vieler Glieder der Partei über daS Mißlingen diese« Planes auS erster Quelle zu vernehmen, macht die» ganze Getriebe jetzt einen ungemein komischen Eindruck. ES leidet gewiß nicht den mindesten Zweifel, daß Windthorst dem Herzog Ernst und dessen ganzer Umgebung unendlich weit an Scharfsinn über legen Ist — wozu freilich kein besondere» Maß geistiger Gaben gehört —, und so sind die welsischen Führer jetzt sehr entrüstet» daß ein so gescheiter Mann eine so alberne Proclamation, über deren gänzlichen Mißerfolg er selbst sich keine» Augenblick täuschen konnte, anzurathen oder wenigsten- nicht zu verhindern vermochte. Dem Ultramontanen Windt- borst »st aber im Innern seine« Herzens wenig an dem be schränkten Herzog Ernst und besten etwaiger Thronbesteigung in Vraunschioeig gelegen und der ihn beeinflussenden lhätigeii Jesuitenpartei noch viel weniger. Diese wünscht in Hannover den Fortbestand einer bitter grollenden, rastlos intrignirendcn Welfeapartei. um solche» weun die politischen Verhältnisse die« einmal begünstigen sollten, al» Feindin gegen Preußen und da« Reich der Hohenzollern benutzen zu rönnen; und so freut man sich, daß Herzog Ernst auch fernerhin in Gmund« bleiben wird, wo man seine großen Geldmittel desto besser kür allerlei Pläne auSbeuten kann. Die Ritter Partei — fln» aber letzt wüthend, daß ihr Wuosch. nach eine« welsischen Fürstenhof in Braunschweig so gänzlich mißglückte. Sie hatten eS sich so hübsch auSgemalt, daß dort ein mög lichst gut bezahlter zahlreicher Hofstaat au- hannoverschen welsischen Edelleuten gebildet und zum Mittelpunct aller Jntriguen und Schmähungen gegen Preußen gemacht werden sollte. Auch die allmälige Besetzung aller Osficiersstellen in den braunschweigischen Regimenkern mit welsischen Edel leuten war geplant. Dieser schöne Plan ist jetzt gänzlich ge scheitert, daher die vermehrte Wuth der welsischen Junker gegen Preußen, aber auch ihr Schmähen über Windhorst, das m den vertrauten Kreisen und Briefen oft drastisch znm AuS druck kommt." * Die frciconservative „Schlesische Zeitung" bringt die folgende Wahlbetrachtnng: Herrn Lugen Richter'» „Reich-freund", da« Haupt- agitationSorgan deS „Fortschritts in Wasserstieseln", vermag den tiefen Unnmth über das von seinem Standpunct allerdings kaum erfreulich zu nennende Wahlresultat nicht zu verbergen. Etwa» mehr al» 100 Mandate besaß die Partei de» Herrn Richter, seit sie, wie Krono» die eigenen Kinder, die RIckert-Bamberger'sche Gefolgschaft verspeist und die fortschrittliche mit der deulschsreisinnigen Fahne vertauscht hatte, aber noch viel stärker gedachte sie in den neuen Reichstag ein zurücken: in nicht weniger als ISO Wahlkreisen glaubte sie mit Ans- sicht auf Erfolg eigene Candidaten ausstellen zu dürfen — der Zählcandidaten nicht zu gedenken. Und nun sind nach dem Kampfe 30, vielleicht einige 30 Mandate ihr verblieben, und wenn, mit Hilfe des Tentrum», die Stichwahlen ganz besonders günstig verlaufen, wird die Schaar der Getreuen, über welche Herr Richter gebietet, bei Eröffnung der neuen Legislaturperiode immer noch um etwa 40 Köpfe geringer sein als bisher. Das ist in der Lhot bitter, sehr bitter, und man wird die Worte de« „Reichssreund" unter diesen Umständen nicht auf die Goldwaage legen wollen. In der Schmähung der Gegner leistet er nämlich in feiner neuesten Nummer geradezu Erstaunliche». Al- Stilvrobe seien hier nur folgende Sätze auS einem „Zur Stichwahl!" überfchriebrnen Artikel de- fortschrittlichen AgitationSorganS hervorgehoben: „Den Ansturm der un» feindseligen Parteien würden wir trotz aller ihrer Bündnisse glücklich zurückgeschlagen haben, weun nur die Bahn frei gewesen wäre. Aber in wie vielen Kreisen haben nicht RegieruagSbeamte mittelbar oder unmittel bar die Wahlfreiheit der Bürger in Stadt und Land beeinträchtigt, die Furchtsamen oder Abhängigen eiageschüchtert Sind die Schwankenden durch Zusicherungen ermuntert und oeködert. Vielleicht aber »och mehr als die Wahlbeeinflusfungen der Beamten wirkte gegen »n« in vielen Kreisen die Furcht vor Rachtheileu, di« allen Denjenigen von oben werden würden, welche sich die Unterstützung freisinniger Wahlen angelegen sein lassen könnten. . . . Niemals, so lange da» Reich steht, ist in Zeitungen und in Flugblättern — oft ohne Angabe de» Verlegers — ei» solcher Wust von niedrigen Schmähungen und Bcrleumdunqen gegen eine angesehene Partei des Lande» nnd ihre Mitglieder gehäuft worden. als jetzt von den Nationalliberalen und Tonservativeu in trautem Wetteifer gegen die Deutschen Freisinnige». Es ist, als ob alle Kostgänger des Reptilienfond- zugleich zu diesem Zwecke losgelassen wären. Aber gleichviel! — Mögen di« Gegner dadurch eine Anzahl von Sitzen durch Lug und Trug erobert haben oder noch er obern, — sie werden daran wenig Freude haben. Mögen sie im Reichstage mit Liebedienerei. Heuchelei und Verzicht auf eigene Meinung prahlen, — vor der Ration sind sie gerichtet! Sic mäkeln und handeln und schachern in PreiSgebunq früherer Ueberzeugungea mit den Rechten und Freiheiten des Volks und werben für den übermllthigsten feudalsten Landjunker die Stimmen, wenn sie dadurch einen Freisinnigen um einen Sitz bringen können." Alle« wa» vom „Reichssreund" hier der Regierung und den re gierungsfreundlichen Parteien vorgeworsea wird, fällt in Wahr heit den deutschfreisinnigen Agitatoren zur Last. Ja ihren Wahl- siugblittern ist im wahren Sinne d-s Worte» der Bauernfang betrieben worden. Ein solche«, 1« Nimptscher Kreis« vertriebenes Blatt mit der Ueberschrift „Ein DevtlcheS Wort au» einem schlesischen Torfe" und unterzeichnet ..EinerDorfe", dabei aber ge druckt und verlegt in Berlin bist chei-rn Meyer, streut die Lüge aas. von den Freunden de« Getreiö*ta1e« werde der Wunsch aus- gesprochen, „der Staat solle nicht n«z den Getreide,oll je nach Bedarf erhöhen, sondern die Rqiaenvcktolle dem Landwirth auch allemal vorschreiben, wie theuer er seinMrn zu verlausen bade"; e« rast die kleinen Landleute auf. gegen eine solche Bevormundung, den ersten Schritt zur Verstaatlichung ihre» Grundbesitze«. Mann sür Mann Front zu machen. Mi« vollem Bewußtsein, daß e« um eine Unwahrheit sich handelt, wirst ein große« fortschrittliche» Blatt die Bebauvtuug unter die Wähler, die Regierung mit ihrem Anhang im Reichstage wolle die Einführung d«S Tabaknionopols. um den mindeiiiverthigen Tabak zu 5 pro Pfund verlausen zu können. Der „Reichssreund" beschuldigt die Gegner elenden Schachers und Handel«, obwohl er sehr wohl weiß, daß da« widernatürlichst: Wahlbündniß von den eigenen Parteigenossen abgeschlossen ist durch ihren Wahlpact mit dem Tentrum; er klagt über Preisgebuug von Ueberzeugungen. über eia Handeln mit den Rechten und Freiheiten deS Volks, obwohl er selbst die PreiSgebung de- nationalen Inter- esses anempsohlea hat, sofern in deutsch-polnisch-n Wahlkreisen die Wahl deS LandrathS, de« deutichen regierungsfreundlichen Eaaididate», durch solche Felonie j» hiutertreiben sei. * Ju Wie« ist der ehemalige Finanzminisier de» CabinctS Toaste, Freiherr V. KriegSau, gestorben. Freih. v. AriegSau war ein Schwager de« ehemaligen Ministers Bach. Nach einer längeren Laufbahn als politischer Beamter i« Ungarn und Siebenbürgen trat Baron Kriegsau iu DiSpemibilität. bi« ihn Graf Äelcredi im Jahre 1865 als SectiomSches im Unterrichtsministerium berief. Im Jahre 1866 sungirlr Baron KriegSau als Eivilcommissair bei der Eordarmec. Man erzählte damals, er habe die Proclamatio« an das preußisch-schlesische Volk verfaßt und in einigen Tausend Exemplaren mit sich geführt. Al« da- SistirungS-Ministermni vom Schauplatze verschwand, wurde Baron Kriecz-au pensio nirt. Er trat im Jahre 1870 al« AdministralioiiS-Seeretair in den Dienst der Donau-DampsschifjfahrtS - Gesellschaft mit einem zehnjährigen Vertrage, der im Jahre 1880, kur> nach seiner Ernennung zum Finanzminister, abgelause» wäre. In der Zwischenzeit hatte sich KriegSau um den Posten eine« Civil-EommistairS in Bosnien beworben. Die Verlegenheiten der Grafen Taaffe, das Cabinet zu er gänzen. brachten ihn aus den Posten eine« FinanzmsnisterS, für welchen er, wie sich bald in den Verhandlungen de» Finanzausschusses des Abgeordnetenhauses zeigte, sehr wenig Eignung hatte. Als da« Ministerium Taaffe in- Leben gerufen wurde» besaß eS keinen Ainanzminister; da« Finauz- restort wurde uur durch einen Leiter d«S Finanzininissteriuni^ verwaltet. Di« Zerwürfnisse de» Eabinets Taaffe mit - Leiter de« Finanzministerium«, Baroil Chertet, hatten de, Entfernung und die Ersetzung durch Baron Kriegtian zu. Folge, der. ursprünglich zum UnterrichtSminister bestimmt, so geringe Oualification für das Fach eine» FinanzeainisterS mitbrachte, daß er sehe bald in seinen Aeußrrnnigen im Budget- «»d StenerauSschuste de« Abgeordneten ha oste» dem vollen Widexftemd der OaReien begegnete. Dem allgemeinen Sturm« aegenüber sah sich der CabinetSches schließlich ge- nvthigt, Baron Kriegs«» fallen zu lassen. * Die römisch-katholische Kirche bemüht sich jetzt «ach Kräften, in Bosnien und der Herzegowina immer festeren Fuß zu fasten. Die Zahl der Katholiken in drn occupirten Ländern beträgt zwar nur 210,000; 'ooch haben diese in dem FranziSkaner-Orden, der zur Zeit der türkischen Herrschaft ganz allein die Seelsorge versah, wie neuerdings in den Jesuiten eine starke Stütze. .Allem Anscheine nach soll die österreichische Occupation als ein Mittsl zur Aus breitung der katholischen Kirche unter den grie«hisch-orien- talischen Christen der Balkan-Halbinsel dienenp wenigsten- arbeitet der Erzbischof Stadler in Serajewo emsig daran, diese- Ziel zu fördern. In seinen Bemlihunge« wird der selbe unterstützt von dem neuen österreichischen Hitsjsverein sür Bosnien und der Herzegowina. Eine Reihe von neuen katho lischen Kirchen erheben sich jetzt in den occupirten Ländern; viele andere werden gebaut, so z. B. in Dcrvant, Bufowaca, Bugoino, Brcki und Petriccvac bei Banjaluka. Ju Banjaluka und Serajewo arbeitet man an dem Bau von Kathedralen. Ob freilich die KalholisirungSversuche in Bosnien und der Herzegowina einen Erfolg haben werden, ist mehr als zweifel haft. Die früher von de» Franziskanern und Jesuiten be wirkten Versuche sind durchgängig gescheitert. * Auch in Portugal scheint sich eine richtigere Auf fassung der Congofrage Bahn zu brechen. Als nämlich vor Kurzem ein Telegramm die Runde durch die europäischen Blätter machte, worin die Ansicht auSgrvrückt war. daß die Berliner Conferrnz sich zwar zur Anerkennung der portugie sischen HoheitSreckte auf daS linke Congo-User entschließen, da» rechte Ufer dagegen frei erklären wolle zur Besitznahme durch eine beliebige Macht, bezw. durch die Internationale Afrikanische Gesellschaft, entstand unter den Lissaboner Blättern ein ZeitungSkrieg, weil die einen auf den alten Behauptungen fortreiten wollten, andere indessen rirthen, sich in Ermangelung eine- bessern Bescheide- mit dem erwähnten zufrieden zu geben. Letztere Ansicht vertritt der „Diario Populär" folgendermaßen: „Wir haben bereit« wiederholt zu beweisen versucht, daß wir al« die natürlichen Grenzen der Provinz Angola im Norden das linke User de- Longo«, im Osten den Laus des Ouonao. eine Berg kette, deren Namen uns entgeht, sowie den daraus folgenden See und einen Theil des Laufes de« Cubango. im Süden endlich den Toaene annebmen könnten. Mag dieser Gedanke gut oder schlecht sein, gewisse Blätter, welche den Aufschwung deS Lande» zu fördern vorgeben, bekämpfen und bespötteln denselben, da sie nicht wisse», daß Derjenige, der ihn zuerst ausgedrückt, niemand ander- al» der Marquis de Sa da Banderia ist, dessen Patriotismus und dessen Kenntniß der Lolonialangelegenbeiten nicht angezweilclt werden können. Dieser Staatsmann bebauptete seine Ansicht mit vcr- schiedenen Beweisgründen, worunter wir uns begnügen «ollen, bervorzuheben. daß die Provinz Angola eine bedeutende Gebiets- Erweiterung erhielie, daß die Grenzen derselben deutlicher bestimmt würden und daß eS überhaupt besser fei, in einem kleineren, aber genau bezeichnet«» und vollständig freien Gebietstheile feine Hoheit auSzuüben, als in einem ausgedehnten Gebiet, dessen Grenz- theile sich mit Denjenigen anderer Staaten verlaufen, so daß zahlreiche Schwierigkeiten entstehen. Sind die von nu« angegebenen natür lichen Grenzen einmal anerkannt, so würde der Longo zwei oder mehrere» Mächten angehören und e« könnte kein Zweifel mehr auskommen über die freie Schifffahrt aus dem Strome. Auch könnte in diesem Falle kein ernsthafter Einwurs mehr gegen die Einsetzung eine- internationalen Ausschusses nach der Art der Donaucommiision auskommen: der Ausschuß hätte dir Schifffahrt zu leite» und für deren Sicherheit und Entwickelung Maßregeln zu treffen. Die Wirksamkeit derartiger Ausschüsse erklärt sich vollständig da, «o die User eine« großen Strome» verichiedenen Staaten angehören, deren keiner da« Recht hat, die Schifffahrt für sich allein in Anspruch zu nehmen. Was jedoch vernuajtwidrig war, ist die Bestimm»»« dr< englssch-portugiesischen Vertrag«, wodurch die Hoheit-rechte Portugals üb«, die beiden User bi« zu einer gewissen Breite anerkannt «nrden, während gleichzeitig die Regelung der SchisisahriSverbältnisse rin,,» englisch-portuaiesischen AuSichusse übertragen wurde, obgleich Eng- land in diesem Theil Afrika» Hoheit-recht« weder besitzt noch vorgiebl. Der Vertrag verlieh un- allergnädigst die Lasten der Hoheit, während wir dieselben nicht au-üben und deren Vortheil nicht genießen dursten. Die portugiesische Nation wurde zum Ge»-
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