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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188708026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18870802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18870802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1887
- Monat1887-08
- Tag1887-08-02
- Monat1887-08
- Jahr1887
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1887
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YUr d Mkrskyeiut taglicy ftüh 6'/, Uhr. Redaktion und Lrpeditiou Johaune-gasse 8. Aprechstnnden der Redaktion: BormittagS 10—IS Uhr. Nachmittags 5—6 Uhr. Rück,,de einarlandter Manulcriple ma-l sich Nedacii»» nichl verbindlich. die > Lagcblalt Auflage Lv,7»0. Jibonnrmrntsprno viertelj. 4'/, Mt >ncl. Brlnaerlohn 5 Mk., durch dt« Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf Gebühre Belegexemplar 10 Pf. bren für E Extrabeilage» sin Tageblatt-Format grfah ilag „ - s°l»t) »hur Postbk,0rder»ng M Mk. «tt Postbejürderuag 70 Mk. A««atz«« der für die nächstf«l,e«de Nummer bestimmte» Inserate an Wochentagen bis 3 Uhr Nachmittags, an Lona- und Festtagen früh bis'/,v Uhr. In den Filialen für Ins.-Aunahme: Ltt« Klemm, UniversitiitSstraße 1. Lsui» Lösche. Kathariacnstr. 23 part. u. Königsplatz 7» nur bis V.S Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Inserate 6gespaltene Pelitzeile SO Pf. Gröbere Schriften laut uns. PreiSverzrichnib. Tabellarischer u. Zistcrnsatz uach höherm Tarif. Reklamen Meter dem RrdactionSstrich die geil« bOPf., vor denFamilirnnachr die Kgespalteue geile 40 Pf. Juserate sind stet- an oie Erbebitt«« z» senden. — Rabatt wird nicht gegeben, gahlung praonninsrnnäo oder durch Post- Nachnahme. palt. ten ^-214. Dienstag dm 2. August 1887. 81. Jahrgang Amtlicher Theil. Mlmnloililhlliig. Da- SO. Stück de- diesjährigen ReichSgefetzblatteS ist bei un» eingegangen »nb wird bis zum 2U. August d. I. aus dem Rathhau-saale zur Einsichtnahme öffentlich auS- hängen. Dasselbe enthält: Nr. 1741. Verordnung, betreffend den EigenthumSerwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke im Schutzgebiete der Neu-Guinca-Compagnie. Vom 20. Juli 1887. Leipzig, den 30. Juli 1887. Der Rath der Ttadt Leipzig. Dr. Tröndl in. Krumbiegel. Städtische Lparcaffe beleiht Werthpapicre unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 20. Januar 1887. Die Sparcaffen-Deputation. Jel-verpachtung. Die zwischen dem Töscncr Wege und der Bayerischen Eisen bahn gelegeoe fiskalische Fcldpareelle Nr. 8488 de» Flurbuchs für Leipzig mit einem Flächeninhalte vou 1 da 18.4 » — 2 Acker 43 LUR. soll Sonnabend, den a. August diese» Jahre«, vormittags lt» Uhr in der Expedition der »»iterzrtchneten Vauvrrwalterct — Bahnhosstrabe 17. H., Eingang an der Giebelseile nach dem Magdeburger Bahnhofe zu — auf die 6 Jahre vom 1. Ort. 1887 bis SV Sept. 18SS im Wege der öffentlichen Versteigerung unter den im Termine be kämet zu gebende» Bedingungen und mit Vorbehalt der Auswahl uuier den Liciianten andcrweit verpachiet werden, wa» mit dem Be- merken hierdurch bekannt gemacht wird, dab die Bedingungen schon vorher an hiesiger ExpednionSstelle eingesehen werden können. Königliche Vanverwaltcrrt Leipzig, am 86. Jnli 1887. Vrkanntmachung, die Melbonrnrr Weltausstellung im Jahre 1888 betr. I» Melbourne soll rom 4..AuguN 1888 bis zum 31. Januar 1889 e«ne teatoualul 1ntvrn»tio»»l Lxklbltlon ftatlfiudeu, zu welcher die A»»ieldung-n bis zum 31. August 1887 zu ersolgen haben. Die Unterzeichnete Handelskammer will nicht Unterlasten, dies auch ihrerseits hierdurch in Erinnerung zu bringen und auf die Wichtigkeit einer Bctheiligung der deutschen und insbesondere der sächsiichea Industrie hinzuweisen. Ui» betreffs einer eventuellen Unterstützung de» Unternehmen» auS öffentlichen Mitteln eine» ungefähren Anhalt zu bekommen, er- suchen wir die im diesseitigen Kanimerbezirk vorhandenen Inter essenten, welche sich an der gedachten Ausstellung zu betheiligen ge neigt sind, von diesem ihren Entschlüsse spätrsteiis bis ;»,» V. August b. A. gefällige Miltbeilung a» unsere Kanzlei, Neue Börse, Tr. 4, 1., gelangen z» laste», bei welcher eiuige auf die Angelegenheit bezüg. liche Schriftstücke einzusehen sind. Leipzig, den 22. Juli 1887. Die Handelskammer. Vr. WachSmuth, Bors. Sieb-ahls - Vekannlmachnng. Gestohlen wurven vier erstatteter Anuige »usolge: 1) eine silberne <5hlt»Scr»hr mit verziertem Goldrand, Secunde, arabeSkenartiger Verzierung aus der Rückseite, mit anhängender kurzer breiter Stahlkette, am 20. Juni d. I., auS einem Zimmer Nr. 15 am König-Platz; 2) eia goldener Klemmer (Glas-Nummer 20), ein kleine» Portemonnaie von imnirtem Krokvdilleder, mit weißem Bügel und Knüpschenverschlub, enthaltend: 5V Pfennige sowie eine MeerschaiiM-tkigarrrn-Pseisc mit Bernsteinspitze und einer Pferde, uud Hundefigur iu blausciden gefüttertem Etui, vom 23. bi» 24. v. M> Nacht-, auS einer Wolmung in Nr. b der Brüderstraße; 3) ein ManuSrock, wenig getragen, von grau- und braun- gestreiftem wollenen Stoff mit schwarzem Futter, einer Reihe brauner «teinnußknöpfe und Billcttäschchen, eme hellbraune gestreifte Ttosf- bose mit eingeletztem Kreuz und ein Paar getragene laugschäsnge Stiefeln mit Doppelsohlc», Lederstrippen und Absatzeisen, aus einer Wohnung in Nr. 86 der UlrichSgaffe, am 24. vor. Mts.; 4) eine Trompete mit 3 Ventilen, aus der Stürze „krisch Leklott, Oodlis-I-eiprix" signirt, aus dem Probezimmer der Alberi- halle, am 25. vor. Mis.; 5) ei» 4rädriger Kitldcrwagen, olivenfarbig, mit eisernen Rädern und Palenlvcrdcck mit olivcnfarbigen Vorhängen, auS der offenen Hausflur in Nr. 13 der Eutritzscher Straße, am 25. vor. MtS.; K) eia schwarzlederner Geldtäschchen mit weißem Schlößchen, enthaltend ca. SV Mark, ein LooS I. El. 112. Kgl. SSchs. Lotterie, div. ausländische Münzen und ein Stück eines Sv-Tollarscheins, aus dem Marktplätze oder in der Katharineustraße mittelst Taschen- diebftahl», am 23. vor. MtS.; 7) ein schwarztcderneS Portemonnaie mit gelbem Schlößchen, Jnnentäschchen mit gelbem Bügel und Inhalt von 21 SV sowie einem Loo» Nr. 855 der Etrehlacr Gewerdclotterie im Fischer. Jnnung-'bade am Schlcußiger Wege, am 26. vor. MtS. Nachm.; 8) eine goldene Halskette von starken breiten Gliedern mit einem großen ovalen Medaillon, in der Mille mattgolden, mit lila Stein, aus einer Wohnung in Rc. 16 der Schloßgasse, am 28. vor. MtS. AbeudS; S) ein goldener breiter Trauring, ou» einer Wohnung tn Nr. 27 der Wiesenstraße, in den letzten zwei Wochen; 10) eine silberne Ehltndcr-Ubr mit Secunde und geriefter Rückseite, sowie der Graviruug: „ckobu Valüsr, London» Regent- Street". aus der Lüvctte, (engl. Fabrikat) mit anhängender silberner Uhrkette, rund- und langgliedrig. aus dem offene» Garderoberanme im Fischer-Jnnuiigsbade am Schlcußiger Wege, am 30. vor. MtS.; 11) ein Tamen-Pclz mit schwarzem Ueberzug, ein hellblaue- Latin-Kleid mit ciSniefarbiaem SpitzkN-Ucberwnrf und eine dunkle flockige Stofi-Winter-Jacke, au» einer Wohnung in Nr. 27 der Wcststraße, am 28. vor. Mts. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Gegenstände oder den Thäter sind ungesäun» bei unserer Lriminal« klbtheilung zur Anzeige ru brinaen. Leipzig, am 1. August 1887. Ta» Poltzet-Amt »er St«bt Leipzig. . I , Junck, Pol.-Rath. K. Gefunden wurde in einem hiesigen Geschälte ein Portemonnaie, enthaltend einen Hundertmarkichein und em Goldstück. Der sich legitimirende Eigenthümer kann den Betrog im Polizei- Bureau iu Empfang nehmen. Weißens«!-, den 88. Juli 1887. Dte Polti»t'ver»gtt»««. Nichtamtlicher Theil. Depretis Der Tod de» italienischen Ministerpräsidenten Depreti» stellt Italien aufs Neue vor eineMinistcrkrisiS, daSMinistcrium bat nach dem Ableben seine» Vorsitzenden dem König seine Entlastung ringereicht, und e» ist kein Zweifel, daß sie an genommen werden wird, denn wenn auch alle bisherigen Minister in daS neue Cabinet eintreten, so hängt doch die Neugestaltung von Demjenigen ab, welcher mit der Bildung de» Ministerium» beauftragt wird. Ministcrkrisen sind in Italien erfahrungsgemäß von langer Dauer, weil e» sehr schwer ist, Männer zu finden, welche» die Mehrheit de» Parlamente» folgt. Depreti- war der italienische Patriot, welchem die Mitglieder aller Parteien ihr Vertrauen ent gegenbrachten, und deshalb ließ sich auch Depreti» trotz seine» Alter» und feine» kranken Zustande» auch noch da» letzte Mal wieder bereit finden, dem Vaterlande den Rest seiner Kräfte in weihen. Er war e», welcher die verschiedenartigen Be- standtheile de» CabinelS durch die Würde seiner Person zu- sammenhielt und die Wünsche der Mehrheit, so weit möglich, erfüllte. Ob der biSberige Einklang fortbestehen oder oi> die mühsam hergestellte Eintracht wieder verloren gehen wird, bleibt abzuwarten. Bekanntlich war e< in erster Linie die Nothwendlgkeit, die vom Grasen Nobilant vertretene auswärtige Politik fortzu führen, welche Depreti» bewog, da» Ministerium ve» Au», wärtigen zu übernehmen, da ein anderer geeigneter Nachfolger de» Grafen Nobilant nicht zu finden war. Obwohl CriSpi einmal vor Jahren seiner Zuneigung für Deutschland und besten erfolgreiche Einheitsbestrebungen bei einem Banket in Berlin Ausdruck gegeben hat, so war doch andererfeil» die Vorliebe des italienischen Staatsmannes für Frankreich zu bekannt, als daß eS angemessen erscheinen konnte, EriSpi die Leitung der auswärtigen Politik Italien» zu übertragen. Jetzt nachdem CriSpi schon einige Monate dem Ministerium Depretis angehört hat, ist die Sachlage verändert, und eS märe sehr wohl denkbar, daß CriSpi den Vorsitz im Mini sterium übernähme, während die Leitung der auswärtigen Politik einem Gesinnungsgenossen von Depreti» übergeben würde. Daß dies schwerlich Gras Nobilant sein wird, daran ist die Katastrophe von Dogati Schuld. Der diesmalige Ministerwechsel findet in Italien unter ausnahmsweise schwierigen Verhältnissen statt, die Erbschaft, welche daS Ministerium Depretis feinem Nachfolger hinterläßt, ist nicht der Art. daß sic aus diesen einen besonderen Reiz auSüben könnte. Italic» verlangt die Bestrafung RaS Alula'S für den Uebersall bei Dogali, und der Papst hat die Wieder herstellung seiner weltliche» Macht a»fS Neue auf die politische Tagesordnung gesetzt. Nach Heiden Richtungen hi» liegen bereits Meinungsäußerungen dcS Ministeriums Depretis vor. Der KriegSminister bat zivar die Rache für Dogali abzelehnt, aber doch die Errichtung eine» Colonialcorpö für nothwendig erklärt, für welche« jüngst 20 Millionen bewilligt worden sind, und CriSpi hat eine Interpellation wegen der Forderungen dcS Papstes dahin beantwortet, daß Italien nicht daS Be- dürfniß nach einer Aussöhnung mit dem Papste empfinde. Mit diesen beiden Meinungsäußerungen sind die beiden Angelegenheiten aber keineswegs abgethan, man erwartet viel mehr demnächst einen Zusammenstoß der Italiener in Massauah mit den Abessiniern, und durch daS Rundschreiben Rampolla'S an die Nuntien ist die Frage der weltlichen Herrschaft dcö Papstes in ein neue» Stadium getreten. Wie die Dinge in Abessinien stehen, darüber giebl eine Acußcrnng, welche Lord Salisbury in der Sitzung dcS englische» Oberhauses vom 29. Juli gcthan hat, mittelbaren Ausschluß. Lord SaliSbnry sagte, daß die englische Negierung einen Krieg zwischen Italien und Abessinien mit großem Kummer sehen würde, weil die Beziehungen Englands zu beiden Ländern srcund- schasllichc seien, und gab die Versicherung, daß die Negierung ernstlich zu Gunsten der Erhaltung de« Friedens wirken werde, ihre Vermittelung könne sie aber nur anbieten, wenn die Annahme derselben sicher wäre. Danach scheint ein Zn- sammcnstoß der Italiener mit den Abessiniern in nächster Zeit bcvorzustehen. DaS ist für den neuen Minister deS Auswärtigen eine sebr schwierige Sache, weil er mit der Zu stimmung zu einem solchen Feldzuge auch die Bürgschaft für den Erfolg übernimmt, und dieser hängt doch wesentlich von der Entfaltung von Streitkrästcn ab, welche den zahlreichen Abessiniern gewachsen sind, ein Angriff mit unzureichenden Strcltkrästen würde voraussichtlich nur ein zwecklose» Unter nehmen sein, oder der Niederlage von Dogali eine zweite, vielleicht noch ernstere folgen. Die Agitation deS Papstes für die Wiederherstellung seiner weltlichen Macht ist zwar in Italien nicht populär, aber sie bat doch wohl mehr Anhänger, alS man zuaestehen will. Der von der .Kölnischen Zeitung' angeregte Gedanke, daß die fremden Negierungen in Zukunft die Annahme von Noten dcS päpstlichen Stuhles verweigern mögen, welche sich aus die Wiederherstellung der weltlichen Macht deS Papste» be ziehen, weil sie einen Angriff gegen die Unverletzlichkeit de» Gebiete- de- Königreichs Italien enthalten, verdient gewiß Beachtung und Unterstützung, dadurch würde aber der Papst nickt verbindert werden können, die Agitation in Italien selbst und im AuSlande mit Hilfe der Geistlichkeit eifrig zu be treiben, und der neue italienische Minister de» Auswärtigen wirv oft genug in die Lage kommen, gegen dies« Agitation entsprechende Maßregeln zu ergreifen. Italien erwartet von dem Nachfolger de» Minister» Depreti» eine feste uns erfolgreiche Politik sowohl gegen Abessinien, al» auch gegen die Versuche deS Papste-, seine weltliche Macht wieder zu erlangen. In beiden Fällen wird e» großer Besonnenheit bedürfen, um da» Richtige zu treffen, und dock wieder der erforderlichen Kühnheit, um hinter den Erwartungen de» Volke» nickt zuruck;»ble>bcn. In solchen Fällen lrill die Unserligkeit der Zuslände Italien- klar her vor, da- Land entbehrt derjenigen Männer, welche erst eine längere Periode rnbiger und gleichmäßiger Entwickelung hervor zubringen Pflegt. Die Männer, welche heute an der Spitze stehen, sind hervorqegangcn a»S der revolulionairen Bewegung der Jahre 1848 und 1860 und haben Mühe gehabt, sich in die Verhältnisse hincinzusinden, welche sich seil dem Jahre 1870 nach Gewinnung der italienischen Einheit gestaltet haben. Italien spürt in sich einen unbestimmten Töatendrang. e» fühlt da» Bedürfniß, seine Kräfte nach außen hin zu erproben, wie Mancini zur Zeit der Besetzung Massauah'« ganz rückhaltlos erklärte, und aus der anderen Seit« rütteln die Jrredentisten und da» Papstthum an dem neu aufgerichteten EinheitSgedäudc. Italien hat im Gegentheil die Aufgabe, an der inneren Befestigung seiner Einheit zu arbeite» und sich von abenteuerlichen Unternehmungen feru zu halten. In diesem Sinne faßte Depreti» die auswärtige Politik JtalienS auf, und e» ist im Interesse der Wohlfahrt de« Lande» und de» europäischen Frieden» zu wünschen und zu hoffen, daß sein Nachfolger dieselben Wege wandelt. * Leipzig, 2. August 1887. * Wir lesen iu der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung": Di« letzten Deceunien unsere» Jahrhundert» «erben die nachkommenden Gelchlechter wohl al- da» Zeitalter der socia len Reformen bezeichnen. Und daS mit Recht. Nicht etwa, weil soetale Reformen nicht auch früher erstrebt und zum Theil auch erreicht wären, wenngleich die Lrsolge je nach der Natur der Staate« und der Weisheit ihrer Lenker sehr verschieden waren. Aber unsere Zeit ist» wie keine frühere, von der Nothwen- digkeit der Socialresorm überzeugt, und zieldrwußt arbeitet sie au derselben. In dieser mit Bewußtsein durchgeführtra soclalrekormatorischen Arbeit liegt eben da» Charakteristische unsere- Zeitabschnitte», und eS ist dieser Umstand um so bedeutsamer, als diese» bewußte Ar beiten al» Folgeerscheinung einer Periode eiatrat, tn welcher die menschliche Tultur aus dem Gebiete der Production, der Technik, de- Verkehr- Triumphe gefeiert hatte, wie sie kein frühere» Zeit alter erlebt hatte. Angesicht» jener Triumphe wurde von verschiedene» Setten die Forderung erhöbe», de» Vorlhetl derselbe» auch, »»d zwar l» größerem Maße al- dt- dahia, de» arbeitenden Elaste» zuz»wende». Diese Farderung war eine ziemlich allgemeine; sehr verschieden waren aber die zu ihrer Verwirklichung empfohlenen Mittel. Da waren eS namentlich auch die Männer der auf dentscheu Hochschulen gepflegten Socialwifleoschait, welche die Fragen aus wissenschaftlichem Boden zum Au-trage brachten. Dem »eue» deutschen Reiche aber war e- beschieden, daß eS unter dem «eisen Regiment seine» Heldenkaiiert al» der erste aller Cultvrstaatcn die Socialresorm durch die Lösung großer legis- latorischer Ausgaben praktisch verwirklichen sollte. Und bekanntlich ist eS nicht blo» der innige Wunsch deS Allerhöchsten Herrn, e- ist auch daS eifrige und rastlose Bemühen der maßgebenden Staats männer. baß daS Gebäude der Socialresorm seiner Vollendung baldthunlichst enlgegengesührt werden möge. Andere Länder sind un» bereits aus dem Wege der social- resor,- torischen Gesetzgebung gefolgt. Und wenn diese gesetzgeber.ichen Arbeiten auch nicht alle schon aus dem ersten A«-> laus in solcher Vollendung hervorgeheu täune», daß sie bei de» »rat- tilchcn Ausführungen nicht noch Verbesserungen im Einzel»«» wün schenswert!, machten — so ist da« für die hohe» Ziele, die erstrebt werden, von nur vorübergehender oder untergeordneter Bedeutung. DaS Entscheidende ist die Zuversicht» daß wir und uach unserem Vorgehen die anderen Lulturvölker die socialreformatorischeu Auf gaben, die sie sich gestellt, nicht au- dem Auge verliere» werden, damit das Zeitalter der socialen Resormen sich so für die Menschheit auch zu einem segen-reichen gestalte. * Der Chef der Reichskanzlei. Gebeimer Ober-RegierungS- rath von Rottenburg, wurde, der .Post' zufolge, am Montag von England, wo er sich mehrere Wochen mit Urlaub aufgehaltcn, in Berlin zurückerwartet. Wie eS heißt, wird derselbe den Reichskanzler »ach Kissingeu begleiten. * Die für Preußen im Jabre 188t durch den Minister der öffentlichen Arbeiten berufene „Commission zur Untersuchung und Prüfung dcr SickerheitSmaßregelu gegen schlagende Wetter" halte »ach Abschluß ihrer umfang reiche» Arbeiten als Ergebniß der letzteren, im Juni 1885, ibr technische- Gutachten in der Form kurzgcfaßter „Grund sätze für den Betrieb von Schlagwetter-Gruben" aufgestellt. Diese Grundsätze sind seiner Zeit veröffentlicht worden und haben seitdem nicht nur unter den BrrgwerkSbetreibern bereits die vielseitigste praktische Berwerthung gefunden, sondern namentlich auch bei den Bergbehörden de» Staat» al» Unter lage für die Umänderung und Erweiterung der hestchenden bergpolizeilichen Verordnungen gedient. Inzwischen sind auch die von Seiten der Commission zur näheren Begründung ikreS Schluß-Gutachten- erstatteten eingehenden Berichte der Ocfsentlichkcit übergeben worden und liegen nunmehr voll ständig in einem abschließenden Hauptbencht uud flink, die Einzelarbeiten umsaffenden Anlage-Bänden nebst einem Atla« vor. ES ist damit die TbLtigkeit der Commission auch äußer lich zu einem Abschluß gelangt. * Wie der .Bossischen Zeitung" mitgetheilt wird, ist die Gerichtsverhandlung gegen deu RechtSconsulenten Sparr im Frühjahr unter streugstem Ausschluß der Oeffent- lichkeit geführt. Auf Hochverrath konnte aber die Anklage nicht lauten, da diese» verbrechen zur Competeuz de» Reichs gericht» gehört. E» ist auch unrichtig, daß Sparr bereit» die Zuchthausstrafe verbüßt. Derselbe wird vielmehr ärzt lich observlrt. o * « * In einzelnen Blättern tauchte dieser Tage die Nachricht von einem angeblichen Vorschläge de» St. Petersburger Cabinet» auf, wonach General JmeretinSky zum General- Gouverneur, respective Regenten von Bulgarien ernannt werden soll, mit der Mission, die gegenwärtige Regentschaft und Regierung zu beseitigen, eine neue Sobranje einzuberufen und die neue FUrstenwahl einzuleiten. Daran wurde die weitere Meldung geknüpft, daß Rußland über diesen Vorschlag mit den Cabineten in Unterhandlungen stehe. Dem gegen über ist die officiöse „Politische (Korrespondenz" in der Lage, zu versichern, daß diese Meldungen gänzlich unbegründet sind, mit dem Bemerken, daß eingezogenen Erkundigungen zufolge weder ein solcher russischer Vorschlag vorliegt, noch dergleichen Verhandlungen zwischen deu Cabineten stattsinden. * Laut dem ruksisch-officivsen in Brüssel erscheinenden .Nord' wäre der Zar bereit, seiue Mitwirkung zur Bei legung der bulgarischen Wirren anzubiete», sobald irgend eine Großmacht Borschläge dazu mache. * lieber den gemeldeten Postraub auf der Straße vou Alessio nach Tirana in Albanien ist da» Dunkel noch nicht ausgrhellt und e» ist auch nicht grlnuaen, die Schuldigen zu ergreifen, obwohl die Regierung e» an Anstrengungen nicht fehlen läßt. Trotz der vom Bali vou Seutari äugewen- deten Bemühungen zur Rückerlangung de» geraubten Selbe« befindet sich letztere» noch bei den Leuten vou Aesrlla, und r» liegt kein Anzeichen vor, daß sie zur HeronSaab« de« Geld«» gesonnen wäre». Man erzählt sich, daß Abm«d vey au« Alessio, welcher sich für die gut« Sicherheit aus der Poststraß« verbürgt hatte» nach Bekanntwerden de» Postraube» drei Personen umbringen ließ, welche aber an dem Verbrechen gänzlich unbetheUigt Ware«. Lhatsach« ist auch, daß der Diener de» katholischen Erzbischof» von Durazzo. welch erster« sich in Gesellschaft de« beraubten Postcourier» befand, bei feiner Ankunft in Alessio verhaftet wurde, wobei man e» als verdächtigen Umstand bezeichnet, daß er bei der Asfaire un verletzt blieb. Derselbe wurde gefangen noch Seutari ge bracht und vor da» Militairgericht gestellt. Vom Erzbischof versönlich beim Bali unternommene Schritte zur Befreiung feiue» Diener» sind bi-ber erfolglos geblieben, und wurde ihm nur da» Gepäck auSgefolat. Viel wichtiger erscheint es. daß einige ehemalige miriditische ZeptiehS an der Angelegenheit betheiligt erscheinen. Diese ließen nun dem Vali Nachricht zukomiuen, daß sie die geraubten Postbeutel insolanae nicht herausgeben wollen, al» lynen nicht der Sold für fünf Jahre, den die Regierung ihnen bei ihrer Verabschiedung schuldete, ausbezahlt werden würde. Es ist nun sehr wahrscheinlich, daß die türkischen Behörden diesen Fall zum Vorwand für ein mililairische» Einschreiten im Districle von Kcsella nehmen werden. * Der traurige Fall mit dem abgefrtzten belgischen GeneralstaatSanwalt Demaret hat am 27. Juli in Brüssel vor dem Militair-Gerichtshöfe seinen Abschluß gesunden. Der 20 Jahre alte Soldat Berercken stand aber mals vor dem GerichlSbose, um sich wegen seine» Desertiren» zu verantworten. Die Verhandlungen erwiesen di« Richtig keit der von ihm früher gemachten Angaben. Demaret hatte au» Beforgniß, daß seine Schaüdthaten zur Entdeckung kommen, ihm nicht nur zur Flucht gerathen, sondern ihm auch nach seiner Festnahme eine milde Straf« zugesichert. Da letztere» nickt rintraf, so denuncirte der Soldat „seinen Freund". Nachdem ein krieg-ministerieller Erlaß derlesea worden, nach welchem Berercken au« der Arme« auSaestoßen wird, wurde derselbe mit einem Jahre Gesängniß bestraft. Der abgesetzte Demaret bleibt unbehelligt» da er öffentlich nicht» Unsittliches grthan und seine zahlreichen Urbel- thaten al» Gesetzeskundiger nnr in seiner eigen« Wohnung verübt hat. * Ein Bataillon Infanterie ist nach der äußersten Grenz» dcr von drr niederländischen Regierung besetzten West küste Sumatra» ausgcbrvchen, um den Radiah von Trocmon. der sich empört und atjehsche Banden m Dienst genommen hat, zu züchtigen. Ein Kriegsschiff hat mit der Bestrafung desselben bereit« begonnen und einige Campong» bombardirt. D»ß man sich in Indien wegen der Abstimmung dcr Zweiten Kammer in der TjomaS^Angelegenheit keine grauen Haare wachsen läßt, daß man vielmehr gesonnen rst, den Lanveigenthümern den Brodkvrb womöglich noch höher zu hängen, beweist ein Rundschreiben de« Assiflentresidente« von Buitenzora, v. Czernicki, an die Landeigenthümer; de« Ton desselben ist derart, daß man glauben konnte, di« Regierung stehe einem Haufen Banditen und Wegelagerer gegenüber, denn kurzweg sagt der Beamte am Schluß: „Nunmehr Hab« ich gewarnt, werde die» aber in Zukunst nicht mehr thun; jede Uebertretung der giltigen Verordnungen, betreffend die Bcschützung der Inländer gegen Unterdrückung durch di« Land» eigenthümcr, werde ich alsbald streng untersuchen und t« Falle der erwiesenen Schuld den Uebertreter alsbald auSwrise» lassen." DaS sieht wahrlich nicht darnach au», als ob die Kammer ge- den Land- al< unum gänglich nvlhig sei» zu entsprechen. * Mit welcher Leichtfertigkeit, ja Gewistenlostakeit in Italien mitunter die wichtigsten öffentlichen Bauten durchgesührt werden, besonder- wenn Privatgesellschaften diese Bauten übernehmen, beweist der Umstand, daß die mit einem Kostcnauswande von 60 Millionen erbaute Wasserleitung in Neapel bereit» seit mehreren Tagen gar nicht oder so mangelhaft simctionirt, daß der Wasser mangel sich in der empfindlichsten Weise bemerkbar macht. Abgesehen von dem Schaden, welcher Hunderten von Ge bäuden durch die mangelhaften CanalisirungS-Arbeite« der genannten Wasserleitung zugcsügt wurde, so daß man auf Schritt und Tritt Gebäuden begegnet, welche von der Gefahr de» Zusammensturzes bedroht werde», sind die Röhren, welche da» Wasser den Wohnungen und öffentlichen Brunnen zu führen, so mangelhaft construirt, daß dieselben bei dem ge ringsten Anlasse platzen, wa« tie Einstellung der Wasserzusühr zur Folge hat. Die französische Gesellschaft, welche den Bau dieser Wasserleitung durchgesührt hat, ist den von ihr über- nommenen Verpflichtungen in geradezu empörender Nach lässigkeit auS dein Wege gegangen, und die Entrüstung ist eine so große und allgemeine, daß ernstliche Ausschreitungen befürchtet wurden und blo« der gutmüthige Charakter dcr Neapolitaner die Gesellschaft vor der wohlverdienten Züch tigung bewahrte. Glücklicherweise hat der energische Minister de» Innern auch hier Vorkehrungen getroffen, um diesem Ucbelstande abzuhelfen, und man hofft von seiner Energie, daß er die pflichtvergessene Gesellschaft zur strengen Rechen schaft ziehen werde. * In den Verhandlungen de» englischen Unterhauses spielte sich am 23. Juli wieder eine irische Schimpf episode ab, bei welcher der Parnellit Healy auf acht Tage von den Sitzungen auSgeschlosscn wurde. Er ries dem irisch- katholiscben Conservativen De LiSle zu: .Fkomm her, wenn du ein Mann bist, ich werde dir den HalS zerbrechen." Die» ging noch über I)r. Tanner'S Liebling-wort „ÜLwoock" hinaus; und da Healy jede Abbitte verweigerte, blieb nur sein Aus schluß übrig. Zur Entschuldigung der Iren ist allerdings hervorzuheben, daß sie von den Jungtorie» in jeder Weise herauSgeforderl werden: durch höhnische» Lachen, Zurufe und Unterbrechungen. Sie sitzen im Hause einander gegenüber, schauen sich tagtäglich feindlich in die Augen, und bei dem hitzigen keltischen Charakter der Iren wird die Maßhaltung schwer; ganz abgesehen davon, daß eS der Berus der Par« nelliten ist, sich dem Haufe unleidlich zu machen, klebrigen» ist da» Unterhaus längst nur noch mit einem Bärenzwinger zu vergleichen und den Besuchern London« in dieser Be ziehung al» eine Ergänzung de« Zoologischen Garten» zu empfehlen. * Dien«tag Nacht wurde ein Versuch gemacht, die Polizeistation in Llanerchymedd in Irland in die Lust zu sprengen. Alle Fenster der Vorderseite de» Gebäude» und dir de» Gericht-Hause-, welche» die Gefangenenzellen und dir Wohnung de» Constabler» enthält, wurden zertrümmert, vor dem Hause fand man einen Kessel, an dem eine Lunte befestigt war. Wahrscheinlich handelte r» sich bet dem Ber» freiung von brechen um di« Bef von Gefangenen.
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