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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188811301
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881130
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881130
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-11
- Tag1888-11-30
- Monat1888-11
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1888
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Erscheint täglich früh 6V, Uhr. Krs«ti«u und rrpe-Mo, IohanneSgasse 8. Aprechftun-ku drr Lrdacliou: vormittag« 10—1» Uhr. RachmlttagS 5—S Uhr. ->» »I« Nü«^»« «„»Irrt»», »«cht sich »I, N«»Lal»u »ich« »«rdtndUch. Annntz»« »er für »tr ni»sts«l,rntz« vu««rr sestt»»trn Ankeret e aa »«chenta^n »1« S Udr Nachmittag«, aa Ea«»- aa» Feftlagea früh 3t»'/,s Uhr. 3» dru FUlalru für Zus.-A«uah«e' vtt» Ale««, Unlverfit-tSftraße 1. Saal» düfchr, lkathart»eastr. »8 Part, und Kösigrplatz 7, „r bi« ',.3 «tzr. UchMtr Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Abonnementspreis vierteljährlich 4'/» Mk. iacl. Vringerloyn 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mt. Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gefalzt) ahne Postbesürderung 60 Mk. Mit Postbesörderung 70 Mk. Inserate «gespaltene Petitzeile L0 Pf. Größere Schriften laut uns. Pr-i-verztickiniß. Tabellarischer n. Ziffernsatz nach hohen» Tarif. Kerlamen »ater dem Nedaction«ftrich di, «aeipalt. Zeile bOPs^ vor den Fa Milieu nach richte» die bgefpaltene geile 40 Pf. Inserate sind stet« aa die Expedition zn senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenmoerancko oder durch Post» Nachnahme. 335. Arettag dm 30. November 1888. 82. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekannlmchuna. Da» AV. Stück de- die-jähriaen Reichsgesetzblattes ist bei «n» eingeganaen und wird bis z»« AA. T)ece«,ber ds. 2s. rmf dem Rathhau-saale zur Einsichtnahme öffentlich au-bänaen. Dasselbe enthüll: Nr. 1829. Berorvullna über die Inkraftsetzung des Gesetze- vom 5. Mal 1880, betreffend die Unfall» und Kranken Versicherung der in land- und sorstwirth- schaftlichen Betrieben beschäftigten Personen, für da« Herzoglhum Braunschweig. Vom IS. No vember 1888. Leipzig, den 27. November 1S88. Der Rath der Stadt Letnziß. Or. Georg». Krumb iegel. VtlmunNiiiihmi-, de» diesjährigen Ehristmarkt betreffend. Wegen des am L7 Deeember L888 beginnenden Ehrtst»ar1t«s, aus weichem seilzubletea aur hiesigen Semeindemttglteder« gestattet ist, verordnen w,r hier- dnrch Folgende«: 1) Diejenigen» welche Stände auf dem Christmarkt» zu erhalten wünschen, haben sich bis Sonnabend, de« AA. Roveinber dieses Jahre» bei unserem Marktvoigte, Inspector R-nlsch (Nasckmarkl 1. 2. Etage) zu meiden. Später eingehende Anmeldungen müssen unberücksichtigt bleiben. Für die Zuweisung eine» Stande- und d>» Aus fertigung de- Scheine- hierüber sind 25 Pfennige zu entrichten. Wird dies« Gebühr nicht sofort entrichtet, so wird über den Stand anderweit verfügt. 2) Wer einen ihm angewiesenen Stand nicht spätesten» a» LS. Deeember besetzt hat, ist desselben verlnstig, hat auch zu gewärtigen, daß ihm für spätere Christmärkte Stände nicht wieder überwiesen werden, sobald er nicht einen genügenden Behindernng-grund nachwrist. S) Der hiesige Woehenmartt wird zuletzt Dien-tag, den 11. December diese« Jahre«, auf dem Marktplätze, von v» an über ans dem Fleischerplatze vbgehalten, auch wird «ährend der Markttage vom gedachten Tage aa den htrffge» Verkäufern von Lvpsrr« und Steingutwaare» die Benutzung des Töpferplatzc- gestattet. Ln den in den Christmarkt fallenden 8 Wochenmarkt» tagen» also am 18.. 2V. und 22. December» ebenso am Mon tag, den 24. December, an welchem Markt zu halten aus nahmsweise hiermit gestattet wird, ist die Dauer de- Marktes an eine bestimmte Srhlutzreit nicht gebunden. 4) Der Aufbau der Buden auf dem Christmarkte ist vom 14. December ab und auch am 18. December, an letzt genanntem Tage jedoch erst nach Beendigung deS VormittagS- gotte-biensteS, also nach 10'/, Uhr Vormittags, gestattet, wogegen da- AuSpackcn und Einrüumen der Waarcn nicht vor Mittags 12 Uhr de- 16. December beginne» darf. 5) Der Verlauf der Maaren findet bis zum 24. December, 12 Uhr Mitternacht-, statt, doch ist am 23. December, dem in den Christmarkt fallenden vierten Avventsonntage, der öffentliche Handel in Läden, auf Straßen und Plätzen erst nach beendigtem BormitlagSgoltcSvienste» d. i. nach 10'/, Uhr Vormittags, gestaltet. 6) Die Inhaber von CbristmarktstSnden dürfen nur ihre Angehörigen und solche Personen al» Verkäufer verwenden, welche ständig in ihren Diensten oder hier wohnhaft sind und es werden alle Stände sofort etagezogen, an denen auSwärtS wohnhafte selbst ständige Personen, welche »ichl hiesige Gemcinvemilglicver sind, als Verkäufer belrofsen werden. 7) Sämmtlichc Bude» und Slände, sowie die auf dem Augustu-platze zum Feilhalten von Christbäumen benutzten Plätze sind von den Inhabern noch am 24. December bis Mitternacht« 12 Uhr zu räumen. 8) ES bleibt auch diesmal gestattet, die für den Christmarkt benutzten Buden aus dem Markte noch am 25. und 26. December stehen zu lasten. Es haben aber die Mietber sowohl, als die Verleiher der Buben dafür zu sorgen, daß sämmtlichc Buden nach Ausräumung der darin befindlichen Maaren sofort gut geschlossen, d. h. die Klappen zngebolzt. die Thüren verschlossen oder vernagelt, sowie die Buvenplanen nebst den dazu gehörigen Planenstaiigcn beseitigt werden. 9) Sämmtlichc Cbristmarkibuden, soweit dieselben nicht mit Einwilligung der Meßbndendepulation in der Neujahrs» messe benutzt werte» sollen, sind am 27. December abzubrechen, und deren Forlschafsung muß noch an demselben Tage er folgen, auch bis Abcnt» 8 Nbr beendet fein. 10) DaS Lege» von Triltbretern vor den aus dem Markt- Platze ausgestellten Cliristiiiarktbuden ist nicht gestattet. 11) Der Verlaus von Chnstbäumcn wird vom 17. December ab aus dem Augustu-platze gegen rin Standgeld von 3 Mark für jeden gleichmäßig große» Platz gestattet, jedoch unter ausdrücklichem Verbot deS Einschlagen- von Psählen ober sonstiger Beschäoigung der Oberfläche VeS Platzes. Wegen Ausstellung der Cbriflbäiime und sonst allenthalben ist den bezüglichen Anordnungen unsere- MarktvoiglS, Inspector Rcnisch, unbedingt Folge z» leisten. Zuwiderhandlungen gegen Viele Vorschriften werden mit Geldstrafe biS zu Ütt Mark oder entsprechender Haftstrafe geahndet werden. Leipzig, am 24. Oclober 1853. Der Nath der Stadt Leipzig. IX. S03S. Ilr. Georgs Hennig Lonntag. den 2. Teccnibcr. Nachmittags Z Uhr, soll der nruerr chi, e „ILnpellv» L rtkälioO' hier eingeweiht werde». W r laden hierdurch die Gemelnbegliedcr zu dieser Feier freundlich ein mit dem Bemerken, daß man sich vou V,3 Ut>r an aus deni „Neuen Friedhöfe", als der bisherigen Begräbnißslätte, ver sammeln wird. Gohli-, 27. November 1888 Der Kirche uvarftand. l)r. 17. 8ex«I«I, Pastor, Vorsitzen»«. Steikbriefs-Lrle-iguny. Der gegen den Former Ncinhold Vhltg au» BreSlau erlassene Lieckbrief vom IS. Oktober d. I. wird hierdurch zurückgezogen. Vernpnrg, den 25. November 1888 verzogt. ««halt. Staat-anwalt. Schiele. Veliinmtmlichimg. Schnee und Eis ist in diesem Winter aus folgend« Plätzen adzuwerfen: 1) auf der am Fahrweg« «ach de« Berliner Güterbahnhose gelegenen Parzelle Nr. 2786 der Stavlflur, 2) ans der am Wiudmühlenwege gelegenen, zum Gute Thonberg verpachteten Parzelle Nr. »7 der Flur Thonberg, 3) auf den Abtheilungen 1. 2. 8. 4. 5 und S de» Eilen- burgrr Rodelandes, zu beide« Setten des Wege» von der heiligen Brücke nach der ehemalige» Raths,tegelei befindlich, 4) aus Abtheilung St» der Nanstadter Vieh weide, rechts vom Veutzscher Wege gelegen. Die vorgedachlcn Plätze sind durch Piacatlafrln be zeichnet. DaS Abwerse» von Schnee und Ei- au» den Grundstücken auf Straßen und öffentliche Plätze ist ebenso wie die Ablage rung desselben aus direct an den öffentlichen Verkehr-raum angrenzende« Privatareal bei 15 ^tl Strafe für jede Zu- widerhandlung verboten. Leipzig, de» 21. November 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. H 9765. Or. Georg«. Hennig. Vrlmnntoiaihuitg. Unter Aufhebung unserer Bekanntmachung vom 6. Juli diese« Jahre-, die Beförderung von Schlachtvieh im hiesigen Stadtbezirk betreffend, verfügen wir hierdurch, daß Bullen, Ochsen, Kühe, Jungvieh, Kälber und Schweine überhaupt nicht mehr durch die Stadt getrieben, sondern nur aus Fahrwerk befördert werden dürfen, gleichviel, ob dieselben dem Zwecke der Schlachtung n hiesiger Stadt zu dienen bestimmt sind oder nicht. Da« Treiben von Ziegen und Schaafvieh bleibt auch jetzt noch gestattet. Zuwiderhandlungen werben unnachfichtlich und, soweit nicht nach allgemeinen Strafgesetzen eine höhere Straf« «in- jutreten hat. in der Weise geabndet werden, d-ßBe treffenden für jede« etauetna hwoUDWWUWMMbr! st getriebenen Thier« eine Geldstrafe bez entsprechende Hast ln Anrechnung gebracht wird. Gegenwärtige Bekanntmachung tritt mit dem 1. Deeember diese» JahrcS m Kraft. Leipzig, den 27. November 1888. Der Nath der Stadt Leimig. Ilr. Georgi. Hennig. Submission, ThonrohrMusrcn betr. Im nächsten Jahre soll eine Thourohrschleußc vom Marktplätze durch die Schulslraße über den Kirchplatz nach der Pleiße und, im Anschluß an diese, eine bergt, au- der Knechgasse über den kirchplatz angelegt werden. Bewerber um diese Anlage wollen ihre Gebote bi- längstens den 22. December d. I. versiegelt, nnt der Aufschrift „Schleußeubau betr.", bei dem Unterzeichneten Bürgermeister abgcben. Der Plan ist aus unserem Nachhause einzuselieu, woselbst auch die Submiision-bedingungeu und AnschlaqSblauquclS gegen Erlegung von 60 Lopialgebühren zu erhalten sind. Rötha» am 28. November 1883. Der Ttadtrath. L. tlllotrvl» Burge> Meister. Nichtamtlicher Theil. Die Rede Liebknechts. Herr Liebknecht ist durch den leidenschaftslosen, jeder lieber raschung mangelnden Ton der Thronrede überrascht worben, die Rede des Herrn Liebknecht hat unS durch den M»ig»l an Gedanken und überzeugender Kraft überrascht. Wir finden darin nichts als die alten verbrauchten RcdenSarlen von der Herstellung de- deutschen Reiches durch die Initiative der Fürsten, von dem politischen Febler, den die Annexion Elsaß Lothringen- darstelle, von der Nolbwenvigkeit der Abrüstung, der Zwecklosigkeit der socialpolitischen Gesetzgebung, der Vcr sebllh-.il der Colonialpolitik, der Schädlichkeit der Getrcive- zölle und der Verwerflichkeit deS SocialistengcsetzeS. Interessant erscheint unS an der Rede nur die auffallende lieberem» stimmung in Beurtheilung der Lage und der Verhältnisse mit den vom Abgeordneten Richter ausgesprochenen Ansichten. Herr Liebknecht stimmt Herrn Richter darin bei. daß der Reichstag ein Angslproduct sei, er ist mit ihm einverstanden über den Unwertst der osficiösen Presse, über die Verwerflich keit der Zoll- und Steuerpolitik, die Verkehrtheit der Colonial- unv Socialpolitik, eS fehlte nur noch, daß der Abgeordnete Richter ebcnsallö für »ne Rückgabe von Elsaß-Lothringen an Frankreich einträte, dann bestände kaum noch ein Unterschied in der beiderseitigen Beurtbeilung der Verhältnisse. Nach Herrn Liebknecht ist die Gesammlheit der nicht in den Fabriken beschäftigten Menschheit ein dnrch Materials- mnS versumpftes, mit allen möglichen Gebrechen bebaskeleS Geschlecht. daS nur durch Gewalilbätigkeit und Rechtlosigkeit ein elendes Dasein fristet, während die socialbemokrakisch geartete Arbeiterwelt allein noch Ideale verebre. „Man muß die Arbeiter gesehen haben", sagt Liebknecht, „wie sie z» den Wahlen geben, Regierung und besitzende Classen gegen sich, oft mit hungrigem Magen, um für ihre Ideale eiiizntrelcn, und jeder ehrliche Deulscüe, der neck Respcct vor der Mannhaftigkeit hat. wird diese Mannhaftigkeit der lieber zeugung anerkennen müssen. Ich bin überzeugt, auf diesen Felsen wird sich die europäische Cultnr retten." Wenn Herr Liebknecht stall „Ideale" gesagt hätte „Hirn- qespinnste", dann würde er der Wahrheit näher gekommen sein; auf seine Schlußbemerkung von dem Felsen, aus dem sich die europäische Cultur retten soll, hat der Abgeordnete v. Bennigsen die richtige Antwcrt ertheilt. Er bat ans daS Beispiel von Frankreich blngewiesen. wo sich die Umgestaltung von unten aus vollzogen hat, aber nicht, um zu einer fried lichen und gesunden Entwickelung zu führen, sondern um eine Bern von fortwährenden Umwälzungen und Kriegen hervor, zuruscn, welche noch immer nicht zum Abschluß gekommen ist Da- sind die Segnungen, welche Herr Liebknecht Deulschland gewähren will, wen» er die gesellschaftliche und politische Umgestaltung von Grund auS als das Heil der Zukunft be zeichnet. Auch Herr Richter hat den socialbemokratischen Staat al- Schreckbild aufgestellt, er hat zur Charakterisirung unserer „bodenlosen" Zustände auf da- Dasein einer Partei hingewiese», die unter den bestehenden gesellschaftlichen und und staatlichen Einrichtungen an der Gesundung unserer Zu- lände verzweifelt. Herr Liebknecht hat die ihm dargebotene Hand ergriffen und Herrn Richter dnrch seine Zustimmung zu den von ihm entwickelten Lehren geehrt. lieber die Neve des Herrn Liebknecht werden sich besonder» die Franzosen gefreut haben, eS wird ihnen darin da» Zeuqniß au»gestellt, daß sie die friedliebendsten Leute von drr Welt ind und daß sie nur einen Angriff von deutscher Seite Urchtrn und sich gegen diesen zu schützen suchen. Herr Lieb knecht sagte: .Ich würde mich freuen, wenn der Reichstag einmal dafür sorgen wollte, daß diese- ewige Hetzen gegen Frankreich aiifhört." Die Franzosen sind im Puncte der Vaterlandsliebe anders geartet al- Herr Liebknecht, in der französischen Kammer wurde sich kaum Jemand finden, der eine ähnliche Aeußerung zu Gunsten Deutschland- thäle, und wenn sie auch gerechtfertigt wäre, wovon bei unS in Bezug aus Frankreich nicht die Rede sein kann, denn jede» Ki»d in Deutschland weiß, daß Frankreich seit siebzehn Jahren sich mit alle» ihm zu Gebote stehenden Kräften aus den Rachekrieg gegen Deutschland vorbereitet. Und wenn wir die nothwcndigen Gegenmnßregeln ergreifen und dafür sorgen wollen, daß Frankreich den Frieden nicht ungestraft brechen kann, dann nennen die Herren Richter und Liebknecht die auS solchem Streben bervargchendcn Wablen ein Angst- provuct. Glücklicherweise ist im veulschcn Volke noch so viel volilischcS Verstäiidniß, so viel unbefangene Würdigung thät» sächlicher Verhältnisse anzulrcffen, daß daS Unzutreffende solcher Bezeichnung der großen Mehrheit einleuchtet. Herr Liebknecht hat aber auch de» weniger UrlheilSsähigen die Augen geöffnet, indem er die hirnlose Behauptung aufstcllte, daß Deutschland gegen Frankreich betze. Wenn Jemand die Dinge so leichten Herzen- ans den Kopf stellt, waS kann solche Per sönlichkeit noch auf Glauben Anspruch machen? Herr Liebknecht hat einen töollichen Streich gegen die socialpolitischc Gesetzgebung zu führen vermeint, indem er sie eine verbesserte Armenpflege nannte. Gerade da» Eingreifen der Armenpflege soll verhindert werden, da» ist der Haupt zweck der socialpolitischen Gesetzgebung. Wenn der Staat sür die Wittwen und Waisen der im Kriege gefallenen Sol daten sorgt, wenn er Vorkehrungen trifft, daß die Hinter» bliebencn der Beamten keine Noth zu leiden brauchen, so ist c» noch Niemandem eingefallen, diese Sorge al« eine Form der Armenpflege anfzufaffen. L» ist ein« For derung der Gerechtigkeit, daß in Au-Übung ihre- Berus erkrankte oder verunglückte Arbeiter in ihrer Nolh nicht verlassen, sondern so lange unterstützt werden, bis sie ihre Thätigkeit wieder aufnehmen können, und wenn sie alt und gebrechlich geworden sind und nicht mehr arbeiten könne», so muß ihnen di« Möglichkeit, ihr Leben sorlzusvhren, gewährt werden. DaS sind die Ziele der Socialgesctzgebung, und sie sind gut und edel, sie vervienen eS nicht, mit Almosen verglichen zu werden, die man spendet, um übler Nachrede zu entgehen und damit im Grunde ge nommen doch nichts Ncchlcö und Ausreichende- thut. Minister v. Bötticher sagt sehr richtig: „ES ist schon um deswillen keine Armenpflege, weil der Arbeiter zu diesen Leistungen selber berangezogen wird, weil er durch eigene Sparsamkeit den Fonds ansammelt, der später sür seine alten Tage Subsistenz mittel gewährt." Die Angriffe, welche der Abgeordnete Liebknecht gegen die Sccialgesetzgcbung richtet, sind um so weniger angebracht, weil er die Socialgesctzgebung nicht unbedingt zurückweist, sondern nur verlangt, daß sie in den Weg der Socialresorm ciiilenken soll. Herr Liebknecht verlangt also nicht mehr und nicht weniger, als daß die Gesetzgebung selbst die Hand bieten soll, um die bestehenden Staats- und GesellschastSeinrichtungen zu zerstören, um die Entwickelung, welche sich geschichtlich gestaltet hat, gewaltsam zu unterbrechen und Experimente anzustellen, über deren Gefährlichkeit und NnanSsührbarkeit kein Zweifel bestehen kan». Herr Liebknecht hat der Social- dcmokralie durch seine vorgestrige Rede gewiß keine Anhänger gewonnen, er bat nur die willkommene Gelegenheit geboten, die ganze Nichtigkeit und Wcrthlosigkeit der focialdemokrati scheu Lehren darzuthun. * Leipzig, 30. November. * Im Auswärtigen Amte steht die Ernennufug von zwei Vortragenden Rächen bevor: sur den als Gcneral- Consul nach Konstantinopel versetzten Geh. Lcg.-Nath Gillet und sür den durch den Tod adberusenen Geh. Leg.-Nath v. Heyvebrcck. Außerdem kommen demnächst wieder einige Stellen im diplomatischen und in, ConsulakS-Dienst zur Be setzung: in Konstantinopel ist bei der Botschaft kein erster BotschafkS-Secretair vorhanden, nachdem der frühere Inhaber v. Kivcrlen-Wächler zum Vortragenden Rache im Auswärtigen Amte ernannt ist; offen ist ferner die Stelle eines Legations- SecretairS bei der Gesandtschaft in Washington, von wo der bisherige LcgotioiiS-Sccretair v. Zcdtwitz als Gesandter nach Mexiko versetzt wurde. Ferner wartet daS durch den Tod des BanrathS Bartel- erledigte Consulal zu Bombay aus Wiederbesetzung; dann ist leit der Berufung de- Ör. Schmidt zum Geucral-Consul nach Yokohama da- Cvnsulat zu Batavia, welche- als BerusS-Consulat in Aussicht genommen war, noch nicht wieder besetzt. Endlich wurde der NeichScommiffar sür den BiSmarck-Archipel. V.ce-Consul v. Oertzen, vor einem Jahre »ngesäbr von Malupi abbernsen und zum Consul in Serajewo (Bosnien) ernannt; seitdem ist aber ein neuer NcichScommissar sür den Bi-marck°Archipel nicht berufen worden. * Ueber da- Gebühren des osficiösen Organs der unga rischen Regierung de« „Pester Llo Yd" bringt die „Nord, deutsche Allgemeine Zeitung" die folgende halbamt liche Auslassung: Der „Pester Llovd" beschwert sich darüber, daß „ernste, an ständige Vertreter der öffentlichen Meinung Deutschland- ein System verdächtigender Nörgeleien fortsetze»", welche« nur zu sehr geeignet sei, eine Verstimmung, ja Verbitterung in daS Berhältniß zwischen Deutschland und Oesterreich hineinzutrogen. E- gereicht uns zur Befriedigung, auch im „Pester Lloyd" ge legentlich einmal den Wunsch nach ungetrübtem Fortbestand der sreundschasllichen Beziehungen beider Nachbarreiche zu lesen; in der Regel halten wir gerade in dem Blatte deS Herr., Falk zu unserem Bedauern ein System „verdächtigender Nörgeleien" in» Sinne de-Wochenblatt-„Schwarz-Gelb", theilweise unter Reproduktion der -ligunieiile diese- Blättchen-, zu erkennen gehabt. Hoffe» wir daß diese Wendung mehr Bestand haben werde, als wir beim Rück blick aus die -teußerungen deS Bester Lloyd" bei ihm zu finden ,ewohnt find. Bon Blätter» wie „Schwarz-Gelb". la deren Text >er Glanz ausländischen Belde« sich wiederspiegelt, Notiz »u nehmen, istunterunIererWürde, und wir bedauern, daß deutsche Blätter ich haben bereit finden lassen, diese bezahlten Bosheiten eine- Winkel- blatteS zu revroducireu und aa dieselben unrichtige und gehässige Commeniare zu knüpfen. — Wenn aber ein Blatt von der Verbreitung wie der „Pester Lloyd" damit droht, daß „di« österreichische Monarchie sich zum Mittelponct einer deutsch- gegnerischen Loalition mache» könne", da sie von Frank- reich durch keinen natürlichen Gegensatz getrennt werden und sich in da- russische Büuduiß durch Zugeständnisse im Orient einkausen könne, dann macht e< doch einen wunderlichen, man kann ast sagen, unverschämten Eindruck, wenn dasselbe Blatt „ernsten und anständigen Vertretern der öffentlichen Meinung Deutschlands" Vorhaltungen über die Pflege drr Freundschaft beider Reiche machen will. Der Eindruck, welchen un« dergleichen Bor- kommnisse machen, wird in seiner politilchea Tragweite zu unserer Befriedigung abgeschwächt durch die Wahrnehmung, daß der „Pester Lloyd" nie ausgchört hol, den Einflüssen drr undeulschen Opvo- liion im freisinnigen Lager der Berliner Presse seine Thür offen zu halten, und daß wir durch da« Sprachrohr deS Herrn Falk vorwiegend die Stimme unserer eigenen reich-feind lichen Landsleute durchznhören glauben. » » » * Die Bestimmung de- neuen österreichischen Wehr- gesetzeS, daß das OfficicrSexamen in deutscher Sprache ab- gciegt werden soll, sängt in den slawischen KronlLnVern dereit« an, Skandal zu veranlassen. Vor drr czechischcn Universität in Prag waren am Montag über tausend Studenten ver sammelt; der Nector hielt eine Beschwichtigung-rede; die Studenten beschlossen jedoch, durch den Iungczechen Herold eine Petition gegen da- Wehrgesetz an den ReichSralh zu überreichen mit der Forderung» daß sie die OssicierSprüsung in ihrer Muttersprache oblegen dürsten. * DaS „Journal de St. PSterSbourg" bemerkt bei Dar legung de-Zweckes der neuen Anleihe, es sei klar erwiesen, daß dieselbe weder einer kriegerischen Bestimmung, noch zur Erhöhung deS Deficit» diene. Außer den ökonomischen Bor» lbeilen werde die Anleihe dem Staatsschätze eine jährliche Ersparniß von 483 000 Metallrubcl während 25 Jahren ein- bringen. Die Anleihe treffe vielmehr Vorsorge für die Be dürfnisse de» Handel» und drr Industrie. Ungeachtet von Perioden einer großen industriellen Thätigkeit, sei eine zeit weilige Emission von Creditbillel» nolbwendig. Die erste Emission von 15 Millionen stehe aus dem Puncte, zurückgezogen zu werden, aber man sehe sür nächsten Sommer eine zeit weilige Emission von 75 Millionen Rubel vor. Die Anleihe von 1889 werde also den Interessen de» Handel- dienen, ohne auf den Werth de» PapterrubelS zu drücken. Schließlich be merkt da- Journal, beim aufmerksamen Lesen de- betreffenden UkaseS, wird man inne, daß e» sich um ein allgemeine« System einer stufenweisen Conversion der Staatsschuld handle. * TrikupiS legte der griechischen Kammer einen Con- versionSentwurs mehrerer Anleihen vor, deren Totalsumm« 75 Millionen beträgt. * DerBundeSpräsideut der schweizerischenEidgrnoffen- schast, Wilhelm Friedrich Hertenstein, dessen schneller Tod an den Folgen einer Benenthrombose bereits gemeldet wurde, hat ein Alter von 63 Jahren erreicht. Er war im Jahre 1825 zu Kyburg im Canton Zürich geboren, widmete sich erst dem Forstfache, dann dem mililairischen Berufe unv bekleidete seit dem Iabre 1872 in der schweizerischen Armee den Rang eine- Obersten der Artillerie. Zuerst Mitglied der Regierung de» CantonS Zürich, wo er zu den gemäßigt Liberalen gehörte, wurde er daraus Abgeordneter im National- ralh und später Mitglied de« schweizerischen Bunde-rathe«. Seit seinem vor etwa zehn Jahren erfolgten Eintritt in den BnndeSrath leitete er daS Mililair-Dcpartement und verstand e« trefflich, die schweizerische Armee aus der Höhe der Zeit zu erhalten. Hertenstcin war ein tüchtiger Milttair von seltener Arbeitskraft unv wegen seines Charakter- und seiner Bieder keit allgemein hochgeschätzt. Während sonst bei der schweize rischen Regierung bie Travition besteht, daß der Bundespräfi- dezit zugleich Chcs deS Departements für auswärtige Angelegen heiten ist, wurde seinetwegen von dieser Gepflogenheit Abstand genommen und ihm die Leitung deS Militair-TepartemenlS be lassen, als er am l. Januar 1888 da« Amt VeS Präsidenten antrat. Da die AmtSdauer de- Präsidenten stets nur ein Jahr beträgt, und am 1. Januar abläust, so wird sür die wenigen Wochen eine neue Präsidentenwahl nicht vor- genommen werden; vielmehr soll der gegenwärtige Vice- präsivent Hammer vie Präsivialgeschäfte bis zum 1. Januar führen. Ohnehin tritt verfassungsmäßig am ersten Montag im December — diesmal also am 3. December — der Nationalrath und Stdnderalh in Bern zur Wahl deS BundcS- präsidenten und Vicepräsidenten sür daS Jahr 1889 zusammen. Da eS Tradition ist, baß der Vicepräsibent stets zum nächst jährigen Präsibenlen gewählt wird, und da der gegenwärtige Vicepräsibent Hammer schon mehrfach BundeSpräsibent war, so »st vorauSznsehen, daß diesmal Hammer zu diesem Amlc berufen werden wirb. Derselbe ist gegenwärtig daS älteste Mitglied de- BundeSratheS, im Jahre 1822 geboren, bat Iura sludirt und in Solothurn ein Geschäft geleitet. Später widmete er sich ebenfalls dem Militairwesen und war Obcr- instructor in der schweizerischen Armee, als er 1868 zum Gesandten an den Berliner Hof gewählt wurde. Aus vem dortigen Posten wurde er im Jahre 1875 von dem jetzige» Gcsanvtrn, Oberstlieutenant Vr. Roth, abgelvst, während er selbst in den BnndeSrath gewählt wurde, wo er im Lause der Iabre verschiedene Departement- leitete. Gegenwärtig ist Vice- präsivent Hammer Chef de- Finanz- und Zoll-Departements. * AuS Paris wird gemeldet: Die radikale Linke der Deputirtenkammer beschloß, sich Sonntag an der Kund gebung am Grabe Baudin'S zu betheiligen. — Die Blätter veröffentlichen eine Depesche auS Havre, nach welcher m der vergangenen Nacht ein Einbruch in daS Bureau deS dortigen deutschen ConsulalS verübt und ein Schrank daselbst gewaltsam erbrochen worden sei. — Nachrichten au- Havre bestätigen, daß in der vergangenen Nacht Diebe in die Bureau« tcS deutschen ConsulatS daselbst eindrangen und versuchten Schubläden ausznsprcngen. um Geld zu entwenden. Da dies jedoch mißlang, warfen sie die Acten durcheinander, scheinen aber nach den bisherigen Ermittelungen nichts entwendet zu haben. — In der Budgetcomnnssion gab Rrbot eine Darlegung über die Arbeiten der Subcommislion, welche mit drr Vorprüfung des außerordentlichen KriegSbndgel- beauftragt ist. Tie Subcommission hat erhebliche Herabsetzungen an diesem Budget vorgenommen. Ribot lehnte eS ab. al» Bericht erstatter zu fungircii. Die Budqetcoinmission beschloß, den Krn'gSininssier Freycinct über eine Frage technischer Natur und den Finanzminister Peytral über die den AuSgabefor-
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