Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189006214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18900621
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18900621
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-06
- Tag1890-06-21
- Monat1890-06
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1890
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erscheint «glich früh 6'/, Uhr. Lrtartton und LrprdMon Johannr-gassr 8. -Prkchstnndrn drr iirdattiou: BormittagS 10—12 Uhr. Nachmittag» ü—6 Uhr. - - ^ »matz«« »er für »te «tchftfal,e«»e »,«mcr »efttmmten Inserate au Aecheutage» »t» L Uhr Nachmtttaa«. «Gau«-»«» Sestta»enfrütz bis' ,S Nhr. Z, trn /iliaten für Ins.-Äniialime: vits Slcmm's Garttm. (Alfred Hahn), Untversität-straße 1, Laut» Lasche. -athannenstt. 14 pari, und König-Platz 7, «ur bis '/,z Uhr. MbonnementSpretS vierteljährlich 4»/, Mk. incl. Bringerlohn 5 Ml., durch di» Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nununer 20 Pf. Brlegercmpiar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen (in Taqebiatt-Forinat gesalzt! ohne Poilbesörderung 00 Mk. Mit Pvstbefürderuiig 70 Mk. Inserate 6 gespaltene Petitzeile SO Pf. Größere Schriften laut uns. Preisverzeichnis,, Tadellarischeru. Zifsernsatz nach höher« Tarif. Peclamen unter demRedactionSstrich di« Sgespalt. Zeile SO Pf., vor denFamitien nachrrchteu die Ogespaltene Zeile 40 Pf. Inserat« sind stets an die Expedition za senden. — Rabatt wird nicht gegeben.1 Zahlung prueumucrancio oder durch Post nachnahme. ^ 172. Sonnabend den 21. Juni 1890. 81. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den SS. Juni, Bormittags nur bis V-V Uhr mPuet. LxpeilMon ü«8 I.eip/^vr ^asedlrittess. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Da- 18. Stück de- diesjährige» Reichsgssetzblatted ist bei unS eingegangen und wird vis zum IS. Jalt d. I. auf dem RathhauSsaale zur Einsichtnahme öffentlich auShängen. Dasselbe enthält: Nr. l902. Gesetz, betreffend die Ergänzung de» §. 14 der Gcvührenortnung für Zeugen und Sachverständige. Born 11. Juni 1890. Leipzig, den 18. Juni 1890. D«r Rath der Stadt Leipjia. vr. Georgs. Krumbiegel. Bekanntmachung.' Die öffentlich ausgeschriebenen Grd», Maurer», Zimmer», Sandstein- und Granit»Arbeiten zur Erbauung einer neuen Volksschule am Länbchenweg in Leipzig-Reudnitz sind vergeben. Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden daher ihrer Angebote hiermit entlassen. Leipzig, am 17. Juni 1890. .. 9218 Der Rath der Stadt Leipzig. 8S7 vr. Georgs. Lindner. Bekanntmachung. Die am 18. und 19. Juni d. I. vorgeaommen« B«nrth«ilung der für den Ban der St. AndreaSkirche eingegangenen 27 Pläne durch die Preisrichter Herrn Geh. RegienmgSrath Prof. Otze« auö Berlin, » Baurath Miickel au- Doberan, » Architekt Vosjdach, - BroudversicherungS-Oberinspector Ttzün»«ler und den ünterzeichueien Pfarrer hat zu dem einstimmig gefaßten Beschlüsse geführt, daß ». daS Projcct mit dein Motto: „Gott zur Ehr", Verfasser: Herr Architekt Richard Fussel, den ersten Preis von 1S00 h. da- Projekt mit dem Krniizcichen () Verfasser: Herr Architekt Georg Wetdenbach, den »weiten Preis von 1200 >i, c. da- Project mit dem Kennzeichen M (blau), Verfasser: die Herreu Architekten Schmidt und Johlige, den dritten Preis von 900 erhielt, während der Entwurf mit dem Motto: ,A>li Vvo glorin" zum Ankauf empfohlen wurde. Da» ausführlich« Sitzungsprotokoll wird nach seiner Drucklegung den Interessenten in unserer Kirchenexpedition zur Verfügung gepellt werden. Leipzig, den IS. Juni 1890. Der Kirchenoorftaud der St. AndreaS«e»eiudr. vr. pi>. Schumann, Pf. Bekanntmachung. Die für den Bau einer AndreaSkirche eingegangenen 27 Ent- würfe sind nunmehr in der Aula der sechsten Bürgerschule öffentlich ausgestellt und können an den Tagen Sonntag, Montag und Dienstag, als am 22., 29. und 24. Juni, in der Zeit von 11 Uhr Bonn, bi- b Uhr Nach«, besichtigt werde». Leipzig, den 20. Juni 1890. »trchcnvorstand der St. AudreaSgemeind«. vr. pk. Schumann, Ps. SktMlh»-. Die von der Firma Eduard Benndorf Rachf. für ihr Möbel- izin ermiethet« I.sttage vom UntoersttätAgrnndstacke »um ldrnea Var", Uui»erjität»ftrahe Nr. 11, ist vom l.keto- der d. A. ab, ans Wunsch auch früher, anderweit zu vermiethen. Bewerber wollen sich an das unterzeichnet« Rentamt wenden. Leipzig» am SO. Juni 1SS0. UntverfitätS-Aentamt. Gebhardt. Zur Gesammtlage. Da- bezeichnende Merkmal der gegenwärtigen politischen Lase ist die Verbesserung der Beziehungen zwischen Mächten, welche früher in gespannten Verhältnissen lebten. Am stärksten ist die Annäherung zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland und zwischen Frankreich und Italien. Die Tagung der Delegationen in Pest hat wesentlich zur Verbesserung der Beziehungen Rußland- zu Oesterreich-Ungarn beigetragrn, obwohl doch im Laufe der Verhandlungen manches herbe Wort gesagt worden ist, was nur im Sinne de» Fortbestehens der Spannung gedeutet werden kann. Gras Kalnoky wies r B. auf die Thatsachc bin, daß die Verschwörung gegen den Prinzen Ferdinand von Bulgarien nicht »n Lande selbst ent standen, sondern von außen ber hincingetragen worden sei. Ferner sagt der Minister Kallay bezüglich Bosnien- und der Herzegowina, daß die Agitation der auswärtigen Preffr gegen die Fortdauer der Besetzung dieser Gebiete durch Oesterreich-Ungarn einen durchaus feindlichen und tendrn- riesen Eharakter trage, obae die Hinneigung drr Bevöl kerung zu Oesterreich-Ungarn gcschätigt zu haben. Auch der gegen Serbien ausgesprochene Tadel kann in Rußland nicht mißverstanden worden sein, denn auf wa- sonst sind die feindlichen Stimmen der serbischen radikalen Presse gegen Lesterreich-Ungarn zurückzusühren als auf russischen Einfluß? Tie russische Regierung ist sich offenbar der Berechtigung dieser Magen bewußt, und deshalb schweigt sie dazu. Im Ganzen und Großen ist aber doch da« Berhaltniß zwischen Rußland und Oesterreich Ungarn heute erbeblich besser als noch vor einem Jahre, unk dcSbalb erscheint auch der neuer liche versuch der bulgarischen Regierung, dir Türkei zur An erkennung d«S Prinzen Ferdinand zu vewegen. au-sichtSlvS. Die Türkei wird in dieser Frage nur im Einvcrständniß mit den europäischen Mächten bandeln, und eine Bereinigung derselben gegen Rußland ist beute unwahrscheinlicher als je seit dem Rücktritt deS Fürsten Alexander. Gras Kalnoky erklärte in der ungarischen Delegation, daß die Frage der Anerkennung deS Fürsten Ferdinand doch nur eine Frage zweiten Ranges sei, also hat die bulgarische Regierung keine Hoffnung, bei Oesterreich-Ungarn Unterstützung für ihren bei der Türkei gethanen Schritt zu finden. Dieser hat deshalb nur die Bedeutung einer Kundgebung, welche dazu dient, die Sache nicht in Vergessenheit geratben zu lassen. Die Annäherung Italien« an Frankreich ist lediglich pla tonischer Natur. ES sind Höflichkeiten auSgetauscht worden, und dadurch hat sich die früher vorhandene Erregung auf beiden Seiten etwas gemildert, aber der Grundton der beider seitigen Gesinnung »st derselbe geblieben. Italien grollt Frankreich wegen Errichtung der Schutzberrschaft Uder Tunis, und Frankreich kommt nicht über die Thatsache binweg, daß Italien Mitglied des Dreibundes ist, also beim Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und Deutschland auf Seiten deS letzteren stehen wird. Dennoch ist die Annähcrung selbst unter diesen Umständen nicht werthlo«, weil dadurch der rein defensive Eharakter deS Dreibundes für jede» unbefangen Ur- theilenden schärfer hcrvorlritt. Man wird sich doch nicht be mühen, das gute Einvernehmen mit jemandem bcrzusteilcn, den man anzugreifc» beabsichtigt. Derartige Praktiken mögen früher in der Politik Anwendung gefunden haben, heute ist daS nicht mehr möglich. Den Bestrebungen zur Annäherung einstmaliger Gegner an einander entsprechen Bemühungen, bestehende Gegensätze zwischen befreundeten Mächten oder solchen zu beseitigen, die in gutem Einvernehmen stehen. Tie Beziehungen zwischen England und Deutschland waren in neuester Zeit durch die Streitigkeiten in Afrika mehr getrübt worden, als man offentlick zugestehen wollte. Die brache lag nicht so, daß ein feindlicher Zusammenstoß zu befürchten war, aber die Freund schaft hatte doch einen Riß erhalten. Täglich Klagen zu lesen und zu hören über die angebliche Absicht Deutschlands, England in Afrika zu übervorthcilen und sich Rechte anzu maßen, die durch die vorauSgcgangcne Entwickelung nicht be gründet waren, gehört gewiß nicht zu den Annehmlichkeiten, und dieser Uebelstand machte sich täglich bemerkbar. Da« Ab komme» bereitet dieser unerquicklichen Lage ein Ende und liefert zugleich den Beweis, wie ungerechtfertigt die englischen Klagen über deutsche Habsucht und Aninaßnng waren, die Engländer haben den Löwrnantbeil bei der Theilung davon getragen und haben »ur gewisse unscheinbare Bestimmungen mit in den Kauf genommen, die ihre Kraft erst in Zukunft bewähren werden. Sie glauben »nS durch die Ucbcrlassung von Helgoland zum Verzicht ans vortbcile von weit größerer materieller Bedeutung veranlaßt zu haben, wir werken aber hoffentlich in die Lage koninicn, zu zeigen, daß wir, wenn auch nicht so gewandte Kauflcutc, so doch bessere Politiker sind als die Engländer. Die noch zu erwähnende Angelegenheit, welche gegen wärtig bestimmend ans die Gesamintlage cinwirkt, ist daS Bestreben Frankreich«, England z»in Rückzug ans Egypten zu veranlasse». Frankreich beruft sich zu diesem Zweck auf daS von England gegebene Beriprechen, Egypten nur bis zur Regelung der dortigen Verhältnisse, aber nicht dauernd zu besetzen. England bat darauf »ur indirect ge antwortet, indem der Vertreter der Regierung im Parlament die Thatsachc zur Sprache brachte, daß Rustem Pascka im Aufträge der türkischen Negierung die Räumung Egypten« durch die Engländer von Neuem angeregt habe, aber auf die Bedingungen verwiesen worden sei, welche Dnimmond Wolff in Konstantinopcl für die Räumung al« maßgebend bezeichnet hatte. England wird sich zu dieser Räumung freiwillig niemals versieben, oder doch unter Bedingungen, welckft ihm die Schutzhcrrschaft über Egypten sicher». DaS weiß Frankreich sehr wohl, besonder« nach Ver öffentlichung der dentsch-engiischen Ucbercinknnst, durch welche England die Verbindung EgyptcnS mit Centralafrika bi« südlich vom Aequator gewährleistet ist. vorläufig ist diese Verbindung nur theoretisch al« möglich festgcstcllt, thatsächlicb ist sie noch so weit von ihrer Verwirklichung entfernt, daß der Machtbereich Englands im Norden mit Wadybalsa, Assuan und Suakim abschließt und südlich »ur sogenannte Interessensphären als Grenze angegeben werden können. Die Frage, wem die Herrschaft in Afrika zusallcn wird, ist in diesem Augenblicke die interessanteste und am meisten erörterte. Frankreich hat trotz seiner Besitzungen in Nord- westafrika und am Congo, endlich auf Madagaskar vorläufig sehr geringe Anwartschaft, der Hauptkainpf, und zwar ei» voraussichtlich friedlicher Kampf, wird zwischen England und Deutschland auSgcfockten werden. Die Engländer werde» in diesem Kampf nach Lage der Sacke und nack ihrer ganzen Natur die Schützlinge drr Deutschen sein, welche sich überall, Wohin sie dringen und sich festzusctzcn beabsichtige», Achtung erzwingen werden. Die Einleitung de« Abkommens bildeten die militairischen Erfolge WissmannS und die weitere Ent wickelung wird sich auf der Grundlage der Widerstandsfähig keit der Deutschen vollziehen. Auf solche Bundesgenossen können die Engländer gewiß stolz seinl * Leipzig, 81. Juni. * Wie aus Petersburg berichtet wird, werden die großen russischen HeereSmanover, denen Kaiser Wilhelm beiwohnen wird, nicht bloS wegen der sebr bedeutenden Truppen Massen, die zur Theilnabme an den Manövern bestimmt sind, sondern auch wegen der Heranziehung verschiedener Special- Truppengattungen besonderes Interesse dardicten. ES werden nämlich außer einer Anzabl von Eisenbahnbataillonen auch Luftschlffer-Brigaden, Velocipedisten und Abtbeilungen de« Bricstauben-PostdiensteS korgesübrt werten. Ini Verlaufe dieser Manöver, denen daS weite, zwischen dem Lager von KraSnoje Selo und drr Stadt Narva gelegene Terrain zum Schauplatze dienen wird, werden auch einige mit Gewehren de« neuen Systems ausgerüstete Truppen-DetachementS Ucbungcn mit rauchlosem Pulver auSfübren. * In der deutschfreisinnigen Partei scheint es wieder zu nähren. Herr Eugen Ri chter fordert, daßsämmt- liche Mitglieder der Fraktion erscheinen und die Vorlage wegen Erhöhung der Frieden-Präsenz um 18 000 Mann b'S 1894 ablchncn sollen; er hat bereits öffentlich angekündigt, daß ru diesem Behuse „die freisinnige Partei vollzählig auf dem Platze sein wird". Aber in anderen Parteien lcnnt man diese Richter'schen Großsprechereien und man siebt bereit- einige Kopfhänger, welche trotz aller Winke im Stile Eugen Richlcr'S nicht cinschen wollen, warum sie 1887 die vollen 408 419 Mann aus die Dauer von drei Iabren bewilligen durften, dagegen jetzt die neuen 18 000 Mann für drei Jahre ablehnen und sie höchsten-noch auf ein Jahr bewilligen sollen. Wenn noch wenigstens eine auch »nr ganz kleine »nlitairiscke Autorität auftreten und erklären wollte, dass diese 18 000 Mann nicht unbedingt nothwendig, daß man vielleicht auch mit 17 000 auskommen könnte! Aber soweit das bangende Auge dieser tapfer» FortschritlSmänner auSschaut, nicht der kleinste General vermag sich zu dieser Nachgiebigkeit aufzuschwingen. ES hat keinen Zweck, jetzt schon vorauSzusagen, wie dieser neue Froschmäusekrieg in der Fortschrittspartei enden wird. Aber da Herr von «tauffenberg wieder von seinem Gzcht- anfall genesen, Herr von Forckenbeck in Berlin, Herr vr. Siemens bi-zur Entscheidung von seiner türkischen ssceise wieder zurückgekchrl sein dürste, Herr Hauptmann a. D. Goltschmidt. der im Feldzüge das Eiserne Kreuz erworben hat, schwerlich von der Abstimmung fernbleiben wird, so werten wir ja schon am nächsten Dienstag oder Mittwoch beobachten können, wie weit Herr Richter seine vornehmern Fractivnsgcnossen unter sein caudinischeS Joch zu zwingen vermag. * Zur „Sachsengängerei" schreibt der „ReickS- a »zeig er": Die wirthschaftlicbe Lags der arbeitenden Be völkerung auf dem Lanke in Ostpreußen wird als eine be friedigende bezeichnet. Den Arbeitern wurde durch die viel zeitiger als sonst beginnenden Arbeiten zur Frühjahrsbestellung um so mehr Gelegenheit zu lohnendem Verdienst geboten, als die Arbeitskräfte in Folge der immer zunehmenden Aus wanderung der Leute nach den westlichen Provinzen ohnehin sehr knapp waren. Die in letzterer Hinsicht stattgefundenen Erhebungen lassen erkennen, baß fast in allen Kreisen de» Regierungsbezirks Königsberg während der Jahre l885 bi» l889 der Umfang der Auswanderung eine schnelle Steigerung erfahren hat und daß insbesondere daS Jahr 1889 eine ganz erhebliche Zunahme aufweisl. * Am 27. d. M. findet in Graudenz die Prüfen» tationSwahl zweier Vertreter de« alten CnlmerlandeS für daS preußische Herrenhaus statt. Wahlberechtigt sind 19 Deutsche und 12 Polen. * Die im Reichstage sitzenden antisemitischen Ab geordneten Vr. Böckcl, Pickenbach, Werner und Zimmer- mann haben sich am Donnerstag zu einer „Antisemitischen Fraktion" consiituirt und dieses dem Präsidium angezcigt. Vorsitzender der Fraktion ist der Abg. Vr. Böckcl (Marburg in Hessen), Schriftführer der Abg. L. Werner (Cassel). Der deutsch-sociale Abg. Licbermann von Sonncnberg lehnte es ab, wie da- „Volk" mittheilt, der Fraktion beizutreten. Der selbe erklärte, er könne sich keinen irgendwie gearteten Borthcil für die antisemitische Sache von einem solchen Zusammen schlüsse versprechen und zöge cS vor, volle Freiheit der Ent schließung zu behalten. Dagegen werde er stets, wenn cS gewünscht wird, bereit sein, von Fall zu Fall sich mit den anderen Herren über gemeinsames Vorgehen zu verständigen. * * * * Der Statthalter von Tirol, Ritter v. Widmann, ist ans sein Ansuchen auS Gesundheitsrücksichten in den Rube- sland versetzt worden und erhielt da« Comthurkrruz des Franz- IosesSordenS. * Ans Pest, 17. Juni, wird der „Schlesischen Zeitung" geschrieben: Dcr magyarische GroßmachtSdünkel führt zu eigenthümtichen Consequenze». Der von Oesterreich und Ungarn gemeinsam iubventionirte Triestrr „Lloyd' ist da« einzige größere Schiss- sa Iirtsunternehinen, welche» dein überseeische» Handel Lester- reich-Ungarns zur Verfügung steht. Man sollte glauben, daß ein derartiges Unternehmen an den beide» Regierungen, die ja da« größte Interesse an dem Gedeihen derselben haben, einen festen Rückhalt haben müsse, zumal der „Lloyd" auch berusen ist, im Kriegsfälle die Operationen der Flotte zu unterstütze». Tdatsächlich wird jedoch dem „Lloyd" von dieser Sette nur ein sehr bedingte- Wohlwollen entgegeiigcbracht Tie österreichische Regierung wäre zwar geneigt, dem „Lloyd" in der bedrängten Lage, in welche er yauvisächlich durch die scharfe iloncurrenz der englische» und italienischen SchisssahrtSgesellschaften gerathen ist, beizuipringen, aber die lediglich von chauvinistischen Gesichtspunkten geleitete ungarisch« Regierung will von einer SubventtonSeryShung für den als gemein- sameS Unternehmen in Ungarn überaus unsympathischen „Lloyd" nicht- wissen. Unter solchen Umständen hat man im Ministerium deS Acußeren, dem der „Llovd" untersteht, die Umgestaltung deS „Lloyd" in ein bloS österreichische« Unternehmen in- Auge gefaßt, wovon der Minister deS Aeußeren jüngst den Delegationen Mitthei- luna machte. Die ungarische Presse beschäftigt sich nun angelegent lichst mit diesem Plane, den sie zustimmend bespricht, wobei sie der Erwartung Ausdruck giebt, daß die ungarische Regierung nun schien- nigst ein großes nationale« SchiffsahriSunternehmen in« Leben rufen werde, welche« die Concurren, init dem „Lloyd" aufnehmen könne. Die durch die Umgestaltung de« „Lloyd'^ frei werdende Subvention solle der kleinen Fiumaner Schiffsahrtsgesellschaft „Adria" zugewendet und diese« Unternehmen unter der Ovbut de« ungarischen Staate» z» einem großen nationalen SchiisfabrtSunternehmen entwickelt werden. Die ungarische Presse bereitet die Bevölkerung darauf vor, daß sie in diesem Falle auf große Opfer gefaßt sein müsse, aber dafür, meint sie, werde Ungarn ein eigene» Schifffahrt-unternehmen besitzen, welche« die stolze Flagge des »naarischcn Staate- nach allen Tbetlen der Welt tragen werbe. Wa» Ungarn für den Trtcster Lloyd nicht thiin wolle, werde e« für das eigene Unternehmen ge- miß thun. Die Sache steht demnach, wie ein vom chauvinistischen Taumel nicht angesteckter ungarischer Parlamentarier fretmüthig dar- legte, so, daß in Kürze jede Regierung Riesensummcn für eigene SchiffsahrtSunternehmunge» auszuwenden haben wird, während da« gemeinsame Lloydunternehmen mit einem Theile dieser Opfer zu einer Leistungsfähigkeit gebracht wrrde» könnte, welche die geson derten Unternehmungen bei den zersplitterten Kräften schwerlich er- reichen werden. * Die Eröffnung de« IV. Internationalen Gefäng. niß-Congresse- in Petersburg fand, wie schon auf dem Drabtwege gemeldet wurde, am letzten Sonntag im festlich geschmückten großen Saale de- Adcl-bausc- zu Petersburg in Gegenwart de« Zaren und aller Mitglieder der kaiserlichen Familie statt, lieber den erste» Tag des CongresscS wird drr „vossischcn Zeitung" geschrieben: * Petersburg, 16. Juni. Dt» Gerüchte, welche Über die Stellung der russischen Regierung zu den, Tongrcß in Umlauf gesetzt waren, legten ihr nah«, alle- nur Mögliche anszubieten, um n ungünstioen Eindruck der zum weitaus grüßien Theil aui Wahrheit beruhende» Meldungen zu verwischen. Tic Gastfreimdschast, welche die fremden Vertreter in Petersburg finden. die Tdeilnahme der leitenden Kreise an der Eröffnung, die Anwesenheit des Zaren und de« ganzen HoseS bei der Feier, da- Alle« muß aus die zablreich versammelten Gäste natürlicher Weise einen günstigen Eindruck machen. Auch in anderer Weise sucht man «inzuwirke». Der Minister des Inner» begrüßte die Delcgirten mit einer Ansprache, worin er auf den Charakterzug deS russischen Volkes hinwies, den Gefangene», den Slräsliiig als einen Unglücklichen zu bettachten, und das tiefe Mit leid betonte, welches Gefangenen überall in Rußland entgegen- gebracht wird. Aus seinen Worten ließ sich schließen, daß er dielen nationalen Zug gewissermaßen aus der Anhänglichkeit de- Russen für seine Kirche ableite. Zugleich machte er daraus aufmerksam, daß Rußland als jüngstes Lulturvolk in Europa aufrichtig bestrebt sei, die Resultate westeuropäischer Wissenschaft sich anzueiguen. Auch dcr Prinz von Oldenburg, der Ehrenpräsident des Congresses ist, hob in seiner Eröffnungsrede die fortgesetzte Fürsorge der Regierung für das Loos der Gefangenen hervor, und damit gar kein Zweifel an dcr Aufrichtigkeit der Regierung bestehen bleibe, wird den fremden Gästen wie dein großen Publicum in der Gesananiß-Ausstellung ein »aturgetteues Modell deS Bergwerks von Nertschinsk gezeigt, in dessen dunklen Schachten man die ZwangS- sttäslinge ihre schwere Arbeit verrichten sieht. Es ist somit alles Mögliche geschehen, um für den Punct der Congreh-Borschristen zu entschädigen, ivelcker in nicht zu mißdeutender Weise die Berührung „gewisser Fragen'' untersagt und unmöglich macht. Doch aelang cs auch, politische Tendenzen, soweit die Frage über politische Sträf linge in Betracht kommt, dein Congreß sernzuhaltrn, so gelang dteS doch nicht mit derartigen Tendenzen überhaupt, und schon mit den ersten Schritte» des CongresscS kommt auch die internattonale Politik »u ihrem Recht. Es ist unmöglich, davon nicht zu sprechen, weil iranzüiischerseits bereits so viel gethan ist, baß dem Führer der französischen Vertreter Herrn Louis Herbette kaum noch etwas zu lhu» übrig bleibt. Das Liebäugeln mit Rußland wird mit echt französischem Chik betriebe». Schon aus der Gesängniß-Ausstellung macht mun die Bemerkung. Da prangt am Eingang in die fran zösische Abthciluug di« französische Inschrift: „Jnteriiattonalcr Pöni- lentiar-Longreß zu St. Petersburg. Die französische Abordnung ist glücklich, ihren russischen Wirthen ihre Anerkennung und gleichzeitig die ehrerbietigsten Wünsche für ihren edlen Herrscher mid ihr großes Vaterland darzubringen. Juni 1890." Und damit kein Zweifel über den wahren Sinn dieser Liebenswürdigkeit bleibe, krönt den Rahmen, der die Inschrift umschließt, et» Reichsapfel, den dar russische ReichSwappeu sammt den sranzösischen Rattonalsarben schmücken. Herr LouiS Herbett« gab in seinen Reden noch nähere Aus einandersetzungen. Sein« Phrase, „Rußland trage Licht und Auf klärung iu die entferntesten Gebiete", that «ine überaus angenehme Wirkung, denn mittelbar bestätigt sie dir Behauptung, alle Gerüchte über grausame Behandlung politischer Sträflinge in Sibirien seien unbegründet. Seine Rede bei der Eröffnung des CongresseS machte gewissermaßen Furore. Noch einige Lage und die Politik wird wieder die Oberhand über da« Interesse der Gesellschaft an den Arbeiten bei Congresses gewinnen. Anzeichen dafür treten schon heute tu der Presse auf. Sv äußert die „Petersburger Wed." ihre tiefe Genugthuung, daß gerade Herr Herbette die Aeußerung über die „civilisatorische Ausgabe Rußlands in entfernten Gebieten" ge- tha». Die ganze französische Nation theile aufrichtig seine Ansicht und lerne Rußland immer näher kennen. „Derartige feierliche An näherungen auf dem Boden der Wissenschaft sind zwar nicht Ereig nisse, welch« der internationalen Politik die Richtung geben; doch daß sie geeignet sind, den Boden zu ebnen, steht außer allem Zweifel." * Pariser Blätter» zufolge werden die Verhandlungen zur Abgrenzung der französischen Besitzungen bei Obock und dcr italienischen Besitzungen bei Mewonge demnächst hier ihren Anfang nehmen. * Jüngst wurde gemeldet, die Franzosen hätten ein zwischen ihnen und den Holländern streitige« Gebiet in Südamerika ohne Weiteres besetzt. Dazu wird nun von offieiöse-: französischer Seite bemerkt: „AuS holländischer Quelle wird telegraphisch gemeldet, daß die Franzosen den Aoua in Besitz genommen hätten; so nennt man einen Theil de« Marony, des Grenzflusses zwischen Französisch- und Niederländisch-Guyana. Es ist bekannt, daß dir« ein strittiges Gebiet ist und diese Streitfrage durch den Schiedsspruch des Zaren erledigt werden soll, sobald erst noch einige Formalitäten seiten« Hollands erledigt sein werden. Seit langer Zeit schon befanden sich französische Niederlassungen auf dem rechten Ufer des Aoua, aber das in Rede stehende Gebiet aus dem linken User war von Frankreich nicht besetzt. Ta ereignet« rS sich nun, daß einige ftonzüsisch« Lolonislen in diesem Gebiete Goldminen entdeckten. Holland erhob Einsprache und die französischen Behörden ver- anlaßten — wie ja das ganz in drr Ordnung war — daß die sranzüsiiche» Coionisten sich auS diesem Laiideslheile zuruckzogen. Nun gestattete aber Holland seinerseits, daß sich seine Coionisten aus diesem strittigen Gebiete verbreiteten, so daß nun Frankreich — e« war die« vor einigen Monaten — wieder prvtestirte und erklärte, daß c« unter solchen Umständen auch seinen Colonisten gestatten werde, nach den verlassenen Plätzen wieder zurückzukehren. So steht nun die Sache; von einer Besitzergreifung kann keine Rede sein, der Streitfall steht, wie er gestanden. UebrigcuS, wie «S auch sei, sehnt man sich hier sehr darnach, dt« Sache so bald als möglich erledigt zu sehen." * Die neuesten Meldungen vom spanischen Cholera- schauplatze lauten um ei» Wenige» günstiger. Die Epidemie soll anscheinend im Abnebmen begriffen sei», obgleich der Telegraph selbst zugiebt, daß noch einige verdächtige Er- krankungSfällc hinzugckomme» sind Richtiger an-gedrUckt, möchte darnach statt von einer Abnahme, von einer Ver langsamung deS FortschreitenS der Seuche die Rede sei». Indessen mag daS als mehr nebensächlich auf sich berußen bleiben. Soviel scheint allerdings aus dem Gcsammtüberdlick de« bisher zu dem CholerauSbruch vorliegenden Nachrichten- material- zu erhellen, daß die Seuche nicht mit der Heftig keit, Bösartigkeit und rasche» Ausbreitungstendenz ausge treten ist, wie bei früheren Gelegenheiten, und daß sonach die Behauptung, man habe cS in Spanien nickft mit der asiatischen Cbolera, sondern mit einer milderen Erkrankungs form zu thun, manches für sich hat, trotz drr angeblich confta- tirlen Entdeckung deS Koch'schen CholerabacillnS in den De jectionen einzelner Befallenen. Dennoch möchte jetzt eine ebenso eindringliche Warnung vor zu großem Optimismus ain Platze sein, wie wir sic unlängst gegen übertriebene Aengstlichkcit ausgesprochen. Gerade aus dcr Geschickte der Cholera ist cS bekannt, daß auf Perioden scheinbaren Niederganges plötzlich wieder Zeiten rapiden Aufschwunges de- Ucbels folgen, zumal bei einem Nachlassen der behördlichen UeberwachungS- und BekämpfungSmaßnahmen. Selbst wenn der jetzt gemeldete anscheinende Rückgang der Epidemie bis zum völligen Er löschen andauern sollte, dürfte doch noch eine geraume Zeit vergeben, bis Spanien mit gutem Gewissen von den ärztlickicn Autoritäten de« Landes für seuchenfrci erklärt wird. Bis dahin aber ist natürlich auch nicht an Aushebung ber sanilätS- polizeilichen Vorsichtsmaßregeln gegenüber spanisckicn Prove nienzen in den Länder», wo solche bisher angeordnel worben sind, zu denken. Äus dem Bilildtsratlie. * In der am 18. d. M abgehaltcncn Plciiarsitzung de« BundcSratl'S mackitc der Rcick'Slanzlc», General der Insanlcric von Caprivi Mittbcilung »der das zwislbcii dcr deutschen und dcr englischen Regierung wegen Ad
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite