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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189010158
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901015
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901015
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-10
- Tag1890-10-15
- Monat1890-10
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.10.1890
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Erscheint täglich früh ü'/, Uhr. Letaclion und Lrprdition IohanneSgasie 8. Aprrchllundrn drr Nrdaction: vormittag» 10-12 llhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. ! m«»« ft» d« »x«I »«-du-ti»». eWM Annahme »er für »te nichftsalgende Nummer bestimmten Inserate an Wochentagen bi» 3 Nbr Nachmittags, au Kann- uu» Festtagen früh di»' ,0 Uhr. In drn Filiale» für I»s.-^nnahmr: ktt» klemm » Partim. iAifre» Hahn», Universitätftsirabe 1, i>'aui» Lasche, kathariaenstr. 14 part. und KöntgSptatz 7, nur bi» ' ,S Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. vierteljährlich 4si, Mk. incl. Bringerloha b Mt., durch dt» »M bezogen 6 Mt. Jede eiazeiue Nummer Hst Pt. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabetl»«», lta Tageblatt-Format gelatat) ahne Poslbesörvermig SO MI. «tt Postdesö roernag 7V M. Inserate 6 gespaltene Petitzeile tO Pf. Größer» Schriften laut uns. Pretsverzeichaiß. Tabellarischer,». Ziffern sah »ach Höhen» Torts. kitttlnuen unter dem RedactlouSstrtch die 4>^p«l1 Zeile 50 Ps-, vor den Familien Nachrichten dir Sgrspatteae Zeile 40 Pf. Inserate sl»d stet» an dl. «r»e»ttta» »» sende». — Rabatt wird nicht gegebeu. Zahlung xratmuinftrsuSo oder durch Post» uachnahme. 288. Mittwoch den 15. October 1890. 81. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. GruMncksliken betr. Für die Zwecke der bevorstehenden Volkszählung, sowie drr in jedem Jahre statifindendcn Zählung der leerstehenden Wohnungen und Gewerbsräume werden von unserem statistischen Amte Grundstückslisten auSgrgeben und wieder eiugesamniclt. Wir fordern die Grundstücksbesitzer und deren Stell vertreter auf, diese Listen sorgfältig nach dem Stande vom 18. Oetobcr d. I. gemäß der auf den Listen befindlichen Anleitung au-zufülfin und vom 16. October an zur Wieder- »bhvlung bereit zu halten. Leipzig, dru 5. October 1890. Der Rath der Gtadt Leipzig. 8t. 1415/90. vr. Georgi. Ist'. Haffe. Lckanntmachullg. Die Leuchtkraft des städtischen Leuchtgases betrug in der Zeit vom ti. Ortober bis 12. October dsS. JbS. im Argandbrcnncr bei 2,5 Millimeter Druck und 150 Liier» Mndlichein Consum das 18,9fache der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von 50 Millimeter Flammenhöhe. Das specifische Gewicht stellt sich im Mittel auf 0,457. Leipzig, am 18. October 1890. DeS RatkS Deputation zu den Gasanstalten. Viebstahls-Lekannlmachung. Gestohlen wurden laut hier erstatteter Anzeige: 1) ein schwär,stederner'Partemonuate mit ca. 14 und einem Zehntellos 4. Elaffc der Süchs. LandeSlotterte Nr. 28318, sowie et»en PostriiilleseriingSfcheia über 50 ^4, am 29. v. M.; 2) et» Lkinmaiivbeiitel mit es. ISO tu verschiede»« Münze, am 4. d. M.: 8) eine silbern. Aiikcr-Ne»o«t«tr:Nhr mit monogrammähn licher Berziernng auf der Rückfettr, am 7. d. M.; 4) eine alte filderne Daxreu-Gchlinder-Nhr mit Fabrtkuummer 165753, in einem rothbraunrn Etui mit Auffchrist „Gustav-Vdols- Ettstuna 1883", am 6. d. M . eine silberne töylinber-Nrmontoir- Uhr »nt Goldrand, Secunde, Fabrtkuummer 52307, Monogramm II." und der Firma ,Aiek»rcl Llüllor am 6. d. M.; 5) eine silberne Broch« in Blattsori» mit ElfenbetnknoSpen, eine runde silberne Brache intt beweglicher Platte und der Nachbildung zweier Sckasköpsc, 2 kleine silberne Lössel au« alten Münzen mit Stiel vo» Silder-Drahi und Vergoldung, ein golbener Ning mit Granatrosktte »I.d 4 wcijjletnene gestickte Hrmbrn-Einsätze, im Lause des Jahres: 6) ein schtoar-wolleaer getragner Winterübcrjteher mit schwarzem Saiiimetlragen, ein« Reihe schwarzer Hornknüpfe, schwarzem Futter und Stvffhenkel, am 5. d. M.; 7) 2 Taiucn-Iuckrts, ein schwarzblaues mit schwarzseidenem Besatz und einer Reihe Perlmuttrrtnöpfe und ein hrllgraugestreisies mit ichwarzcn Fäden durchzogen und einer Reihe goldgelb« Metall knöpfe, am 10. d. M.; 8) ein Tnmrn-Iackkt von grauem Tuch mit grauem Futter, Hornknöps.n und schwarz« Spitze an den Aermeln, während der letzten 3 Wochen: 9) ein Packet mit Stoffmustern, in schwarz« Glanzleiuwand, am 8. d. M.: 101 ein Hanitkoffcr von grauem Segeltuch, ca. V, w lang, mit 809 Stück Verschluß-Kapseln für Weinflaschen, vom 28. bis 30 v. M.; 111 ein Morgeilkletd von blau- und rothgestreiftem wollene» Stoff mit rvlhcm Sammet-Äuspuy, «in Kleid (Rock und Taillel von braunem geblümten wollenen Stoff mit 3 schwarzseidenen Quasten, ein schwarzer Kaschiuir-Klctörock mit schwarzseiden« Schleife, ein rolhbraunwolleues Kletb mit Taille, mit rothbraun- seidenem Plüsch aucgevntzl, ein Wintermantel von schwarzem Tricotsloff nut liriinmeroesatz, ein Sommer-Iacket von glattem Kammgarnstoff mit Spitzen- und Perlenbesatz, eine schwarze Tammrt-Tciillr mit weißen Pcrlmuttrrknoplen, ein blahrothwollener Uuterrock, mit schwarzer Schnur benäht, ei» crämefarbiger Kragen ms. Spitze und blauer Speise, ein schwarzer Damen-Filzhuk mit s-warg'eld. uem und ein weißer Tamen-Strohhut mit gelbjeidenem Bandanrputz, am 7. d. M.: 12) ein Handwagen, klein, vierrädrig, blau gestrichen, am 8. d. M: 13) ein Kiiider-Leiterwagen, mittelgroß, blau gestrichen, mit ungestrichene» Brettern auSgeiegl, am 8. d. M.: 14) ein vanölvagen, groß, 2rädrig, ungestrichen, mit 50 tig Thcer ian ber linke» Seite „Stahl" gezeichnet), vom 8. bis 9. d. M.; >5) ein Ballen, signirt: „3. o. L. 5738", enthaltend 4 Stücke Stoff und zwar ca. 10 Meter braunen carrirten hellgetupften 6 Meter dunkelbraunen gestreiften, über 10 Meter grauen braun carrirten, blanbclupsten und 11'/, Met« graubraunen, dunkel carrirten Stoff, am 9. d. M.; 16) ein Tommernberzteher von dunkelgrünem glatten Stof mit schwarzem rolhgesireisten Futter und einer Reihe Perlmutt« knöpfe, am 7. d. Pt. Etwaige Wahrnehmungen üb« den Verblieb der gestohlenen Gegenstände oder den Thäter sind ungesäumt bei unser« Ertininai Abtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 12. October 1890, Tas Polizei-Amt der Stadt Leipzig. Bretschneider. D. Lekamitmachung. Am 11. October 1890 Abends 6 Uhr hat das kgl. Amtsgericht Naila beschlossen: lieber das Vermögen der Firma F. R Einsiedel in Lichten barg, sowie des FirnikniiihaberS Friedrich Einsiedel und deßen Ehest«» Sophie Einsiedel in Lichtenberg wird der ConcurS eröffnet. Gleichzeitig Hai genanntes Gericht den kgl. Gerichtsvollzieh« I. L. Löscher hi« als ConcurSverwall« ernannt, zur Beschluß- sassung über die Wahl eines anderen Brrwaliers, sowie üb« die Bestellung eines GläiibigerausschuffeS und üb« die in den HZ- 120 und 125 der Eoncursordnuim bczeichncien Fragen Termin auf Montag, dr» 27. Lcto»er 1800, Born». 0 Uhr im SitzungSjaale des k. Amtsgerichts Naila verordnet, als End termin für die Anmeldungen den 10. November 1800 bestimmt und als Prüsungslermin den Montag, de» 24. November 1800, vormittags 0 Uhr tm Sitzungsiaale des lgi. Amtsgerichts Naila festgesetzt, endlich offenen Arrest erlassen und allen Personen, welch« eine zur Coarurs- maffc gehörige Sache im Besitze haben oder zur Eoncursmasse etwas schuldig sind, wird ausgegeben. Nichts u» die Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auserlegt, von dem Besitze der Sache uud von den Forderungen, für welche sie aus dieser Sache abgesondcrtc Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Concursverivaller bis 27. Lcwber 1890 Anzeige zu machen. Naila, den 13. Lcwber l-890. Eertchisschretderci de« k. Amtsgericht» NaUa. F. Loellinger, küoigl. Gerichtsschreiber. ZttitlitW Kkliim«»meiiOe f» Lchni». Anmeldungen zum Lonstrmauben-Uut errichte (für Mädchen wet Stunde», für Knaben ein« Stunde wöchentlich) Verden ot» mde diese« Monate» rntgeaengeuommen. Am 20. d. M.. Nachmtttag» 4'/, Uhr findet tm Shnagogeu- ebüudr, 1. St , die Zusammenkunft der Constrmaudtnoen zm» Zwecke d« Festsetzung der U»lerricht»st»»den statt. Rabbiner vr. Porges» Lessmgstr. 3, I. Vas sonaldemokratische Programm. IV. L. L. Das Dunkel, welches über der eigentlichen Beschaffen heit keS den Arbeitern anaeprirsenen sociaiistischrn ZuknnstS- taatcS schwebt und welches aufzuhellen die Wortführer der Socialdemokratie sich hartnäckig weigern, kommt ganz beson der« dann in Betracht, wenn eS die Frage gilt, .mit welchen Mitteln soll dieser ZukunftSftaat ins Leben gerufen werden?" So lange es sich nur um ein Spiel der Phantasie, um chöne Reden in Volksversammlungen oder um vieldeutige Programme handelt, mag eS ja weniger auf sich haben. Sobald aber an einen Anhänger der Socialdemokratt« im vollen, furchtbaren Ernste die Frage brrantritt, ob er zur Verwirklichung eines solchen Phantasiegebildes seine ganze Existenz, vielleicht sein Leben einsetzen wolle, so steht dir Sache doch etwas anders. Dieser Frage aber können die Führer der sogenannten .socialdemokratifchrn Arbeiterpartei" sich nicht entziehen, über diese werden sie Denen, welche sie mit sich fortzurcißen suchen, ernste Rechenschaft geben müssen. Mögen sic nun, wie die Einen thun, sich dagegen ver wahren, als dächten sie an ^revolutionaire" (d. h. gewaltsame) Mittel der Durchführung »hrrr Pläne, oder mögen sie, wie die Anderen, mit ihrem rrvolutionairen Heldenmut!» sich brüsten — darüber kann kein Zweifel sein, daß die Social demokratie, wollend oder nicht, früher oder spater, zur An Wendung von Gewalt behufs Verwirklichung ihrer Ideen ge> zwungen sein wird, und zwar einfach deswegen, weil sie nicht etwa eine Fortbildung oder Entwickelung der bestehenden Zu taube (eine solche wäre ja auf friedlichem Wege denkbar), andern den völligen Umsturz der ganzen gegenwärtigen Ge» ellschaft erstrebt, und weil diese Gefellschaft natürlich dagegen ich mit allen ihren Kräften wehren muß und wehren wird. Es ist sehr gleichgiltig, ob der socialdemokratische Eougreß von Whden das Wort .gesetzliche Mittel" aus dem Pro gramm gestrichen und wie er das gemeint bat; ebenso, waS Herr Engels damit sagen will, wenn er von einem .vorläufigen Versuche" spricht, die socialdemokratischen Ideen auf „gesetz lichem" Wege durchzuführen — eine friedliche Auseinander setzung zwischen der Socialdemokratie und drr bestehenden Gesellschaft ist ein für alle Mal unmöglich. Schon der Ge danke daran erscheint gerade so widersinnig wie der Gedanke, daß von zwei Mächten die eine von dev andern die Auslieferung ihres ganzen Gebiets und ihre unbedingte Unterwerfung unter jene etwa auf diplomatischem Wege verlangen und daß diese andere auf eben diesem Wege einem solchen Verlangen sich fügen könnte. Welche furchtbare Gestalt ein Zusammenstoß zwischen der gegenwärtigen Gesellschaft und Denen, die sie zu zerstören trachten, annehmcn kann, das hat die zweitägige Iuniscklacht 1848 und der Communeaufstaud 1871 in Paris gezeigt. Herr Bebel, der sich im offenen Reichstage zum Vertbeidiger der Commune auswarf, hat vorauSgcsagt: .wenn eS erst in Deutschland zu einem Lhnlicken Zusammenstöße komme, so werde alles Frühere dagegen ein Kinderspiel gewesen sein." Nun wohl! DaS deutsche Bürgerthum kann und wird einem derartigen Kampfe, wenn er von der Socialdemokratie entweder begonnen oder provocirt wird, mit gutem Ge wissen entgegcngcben. Es kämpft für Güter, deren Werth cö in langer Erfahrung kennen unv schätzen gelernt hat. für seine monarchisch-constitutionclle Staatsordnung im Reich »nd in den Einzelstaaten, für seinen Glauben, für seinen ehrlichen Erwerb und Besitz, für Haus und Herd. Aber weiches ist den» die Fahne, unter welcher und für welche die Gefolgschaft der Socialdemokratie fechten wird? Meinen etwa die focialdemokratischen Führer, unsere deutschen Arbeiter würden gleich den sranzöstschen Communard» ihre Befrie digung lediglich im Morden, Brennen und Rauben finden? Wenn sie dies nicht glauben (und wir wollen zu ihrer Ehre an nehmen, daß sie e« selbst nicht glauben), WaS wollen sie dem Arbeiter als positive« Ziel deS Kampfes zeigen, in den, dieser seine ganze Existenz, >a sein Leben einsetzen soll? Werden dann nicht jene .Arbeiterbataillone", die man so gern (auf der Rcdnerbühne!) ausmarschiren läßt, werden sie nickst, ehe sie in den Kampf auf Leben und Tod gehen, genau wissen wollen, wofür sic sich schlagen sollen und waS, wenn sie gesiegt und alles Bestehende in Trümmer geschlagen hätten, für sic und ihre Familien wirklich Gutes und Heilsames herauskommen würde? Und werden dann die Führer auch noch mit der Ausrede durchkommen: .Das wüßten sie nicht und könnten sie nicht sagen, da« werde sich später finden?" Der Kampf gegen den Vatican. Der Grundgedanke der Banketrede CriSpi's in Florenz war, daß die Irredentisten wider Wissen und Willen die Sache deö Vatikans führen, welcher in der Zerreißung des Dreibundes das Mittel zur Wiederberstellung der weltlichen Herrschaft des Papstes erblickt, weil er das Bündniß der katholischen Mächte an die Stelle de« Dreibundes setzen zu können hofft. EriSpi hat einen für Italien wichtigen Puncr aus dem Wesen des Dreibundes Hervorgeboben, indem er die Loyalität d«S protestantischen Deutschland der des katholischen Oesterreich gegenüberstellte und den Unterschied in der weniger demonstrativen Form drr BundeSgenoffenschaft Oesterreichs fand. Er verschwieg aber auch nicht, daß während der Isoüruog Italiens die preußische Gesandtschaft beim Vatikan als Symptom gegenseitiger Annäherung wieder hrrgestellt worden sei. Die erste Bemerkung erinnert daran, daß der Kaiser Franz Josef den Besuch deö Königs Humbert aus Rücksicht aus den Vatikan unterlaffen habe, die zweite eröffnet den ganz neuen GrsichtSpunct, daß Italien die Wiederherstellung der preußiscken Gesandtschaft beim Vatican hätte Verbindern können, wenn es sich eher um die deutsche Freundschaft be worben hätte. Das ist ein so tief in die Verhältnisse des leitenden Staates deS Deutschen Bunde« eiogreisendcr Ge danke, daß er sich nicht «it drei Worten abthnn läßt und jedenfalls nock drr näheren Erklärung bedarf. In Deutsch land war biöoer die Auffassung verbreitet, daß der Friede unl Leo Xlll. angestrebt wurde, weil er im Gegensatz zu seinem streitbaren Vorgänger ein friedfertiger Papst zu sein schien. ES hatte sich überhaupt im Laus des CultorkampscS in Preußen herausgestellt, daß der innere Fried« deS Landes unter den Agitationen der Centrumsparlei leide und deshalb war nian zur Aufhebung der Kamps gesetze geschritten. Es waren also hauptsächlich Gründe drr inneren Politik, welche die Handlungsweise der Regierung dem Vatican gegenüber bestimmten, man bedurfte deS EentrumS für die Durchsetzung des neuen Zolltarifs und für die Ge nehmigung der militairischen Ausgaben. DaS waren die beiden Hauptgründe für den Fricdenöschluß, die auswärtige Politik kam erst nebenher in Betracht. AuS der Rede CriSpi'S ist aber ersichtlich, daß die FriedenS- verbandluugen zwischen Preußen und dem Vatican drn Eintritt Italien« in den Bund der FricdeuSmächte gefördert uud viel leicht sogar entschieden haben. Crispi sagt, daß die Politik der Bündnisse der Politik der Isolirung ei» Ende machen sollte, aber er hat sich nicht darüber ausgesprochen, worin die Früchte deS seit drei Jahren erreichten vollständigen Einvernehmens drr drei Mächte für Italien besteben. Seinen Ausdruck habe da« neue VerhLltniß deS Vertrauens der Verbündeten Italiens in dem zweimaligen Besuch Kaiser Wilhelm « in Rom ge funden, aber nicht weniger loyal, wenn auch weniger demon strativ sei die Stellung de« katholischen Oesterreich Italien gegenüber gewesen. Durch die ganze Red« CriSpi'S zieht sich der Gedanke, daß drr Hauptfeind Italiens nicht sowohl der IrrcdentiSmu« als der Vatican sei und daß man alle Kräfte zur Bekämpfung dieses Feinde« vereinigen müsse. Auch die italienische Regie rung hat sich bisher darauf beschränkt, das Papstthum im Innern zu bekämpfen. Diesem Zwecke dienen das neue Straf gesetzbuch und da- Gesetz über die vperv xio (die frommen Werke); wie dem internationalen Wirken des PapstthumS beizukommrn sei, scheint Crispi noch nicht entdeckt zu haben, weil er darin bei den Bundesgenossen nicht den gewünschten Beistand findet. DaS katholische Oesterreich ist dazu ebenso wenig geeignet, wie Deutschland mit seiner einflußreichen CeutrumSpartei, aber einen wichtigen Schachzug hat Crispi dadurch gegen das Papstthum gethan, daß er eS beschuldigt hat, den Dreibund zerstören und sich dazu des IrredentiSmuS als Handhabe bedienen zu wollen, der seinerseits wiederum den ^turr der Monarchie anstrebe. Die Beschuldigungen Crispi'S haben bereits in Italien selbst Widerspruch erfahren. Der radikale Abgeordnete und Irrrdrntist Cavallottl hat am 12. October bei einem eben fall« in Florenz veranstalteten Festmahl behauptet, daß Crispi mit allem, WaS er tbue, nur persönliche Zwecke verfolge, daß er da« Land und daS Köniatbum demüthige, um sich auf Kosten beider zu erbeben, daß er e« gewesen, welcher vo» 1878—1885 Italien stets gegen Oesterreich gcbrtzt und dadurch der italienischen Regierung sortwäbrend Verlegenheiten bereitet habe. DaS Festmahl war zwar zahlreich besucht, aber viel Er folg wird Cavallotti hoffentlich mit seiner Brandrede nicht haben, da bereit« ein neue« Festmahl in Turin zu Ehren CriSpi's geplant ist, bei welchem er wieder eine große, hauptsächlich der inneren Politik gewidmete Rede halten wird. Die Strömung der öffentlichen Meinung Italiens ist gcgenwärtigCriSpi günstig, wrilerseineHauptanklagennichtgegendenIrredentiSmiis,sondern gegen den Vatican gerichtet hat. Die Jrredentisten sind nur i» einem schädlichen, von der Poesie deS Vaterlandes umwodenen Irr thum befangen, aber der Vatican will Italien der Vernichtung preiSgebcn, um die weltliche Herrschaft wieder Herstellen zu könne». DaS paßt in die herkömmlichen Vorstellungen der großen Masse des italienische» Volkes allenfalls hinein, sicher weit bester, als wenn CriSpi den IrredentiSmuS allein als den Feind deö Vaterlandes angeklagt hätte. Das Papstthum hat seinerseits dem SocialiSmus den Krieg erklärt und rühmt sich, da« Heilmittel für diese schwere Krankheit unseres Jahrhunderts zu besitzen. DaS Vertrauen auf die Hilfe deS PapstthmnS ist aber nicht allzu groß, denn wir haben bisher nicht gesehen, daß in katkolifchen Ländern der SocialiSinnS in milderen Formen anftritt als in prote stantischen. Belgien, Frankreich und Oesterreich sind die lebendigen Zeugen drr Thatsache, daß das religiöse Be krnntniß der Socialistcn, wo ein solches vorhanden, schlimme Ausschreitungen nicht zu verhindern vermag. Die Socialistcn huldigen bekanntlich in ihrer großen Masse dem AtbeismuS, sie sind also dem Einfluß der Geistlichkeit überhaupt nickt zugänglich, außerdem aber hat Bebel auf dem Eongreh in Halle den Kamps gegen den UltramontanismuS angckündigt als Waffe gegen die Bestrebungen, welche die Socialisten in den Schooß der Kirche zurückführen wolle» und zugleich als Vorbereitung für die Ausdehnung deS Socialisniuö »n katho lischen Gegenden, wo er bisher keinen Boden gesunden hat. Für den Vatican ist der Kampf gegen den SocialiSmuS Mittel zum Zweck, wie die Versammlung in .Köln ge lehrt hat, welche den Jesuiten die Rückkehr nach Deutsch land ebnen sollte. Wenn das die ganze Weisheit des BaticcniS ist, wclckc er für die Bekämpfung des SocialiSmus in Bereitschaft hat, daß die Jesuiten diese Arbeit über nehmen sollen, dann ist der Mißerfolg der großen Action schon heute mit Sicherheit voranSzusagen Be kanntlich that ein päpstlicher Nuntius in Paris vor einer Reihe von Jahren Len denkwürdigen Ausspruch: „UnS kann nur die Revolution helfen" und das war gewiß die wahre Meinung deS Vatikans, denn, wenn alles in Ruhe und Friede verläuft, wenn weder .Krieg zwischen den Völkern noch im Innern ist, dann hat da« Papstthum keine Aussicht, die well liche Herrschaft wieder zu erlangen. EriSpi hat dieselbe Meinung und beschuldigt deshalb drn Vatican mit vollem Recht, daß er den Dreibund zu zerstören trachte, um daS Bündniß der katholischen Mächte an seine Stelle zu setzen. * Leipzig, 15. Oktober. * Wie aus Berlin gemeldet wird, hatte der Botschafter Italiens, Graf Launay, am l l. October die Ehre, vom Kaiser im königlicken Schlösse in Privataudicnz enipsangcn zu werden, um ini Aufträge seines SonverciinS, de« Königs von Italien, dem Kaiser die woblaetroffcne Portraitbüstc des Königs Humbert zu überreichen. Die Büste, ein Meisterwerk de« berühmten Bildhauer« Senator- Montevcrde, wurde im königlichen Schlosse ausgestellt unk von Sr. Majestät besichtigt * Der General Frlrmarschall Gras von Moltke wirr einem Wunsche Folge leistend, den der Lbaiscr ihm gegenüber ausgesprochen hat, seinen neunzigsten Geburtstag — Sonntag, den 26. d. MtS. — in Berlin verbringen. In "olge dessen wird der Frldmarschall seinen Svmmersitz, schloß Crrisau, diesmal schon einige Tage vor seinem Geburtstage verlassen und sich zum dauernden Winter- aufenthalte »ach Berlin begeben. Bisber pflegte drr Feld- marschall seinen Geburtstag in ländlicher Zurückgezogenheit in Creisau zu verleben. * Wie die »Nationalzeitnng" meldet, war die Bestärk« tung v. Forckenbcck'S seiten« der StaatSregiernng von Anfang an befürwortet und der angebliche Eiuwand, daß v. Forckcnbrck zu alt sei, niemals gegen dir Bestätigung geltend gemacht worden, jedoch war die Bestätigung v. oorckenbeck'S infolge seiner Abflinimuna gegen die die-fäbrigc Mititair- vvrlage gefährdet. Schließlich aber habe die Erwägung, daß eö sich um keine Neuwahl handelte, daß v. Forckenbeck viel mehr bereits zwölf Jahre als Oberbürgermeister von Berlin zeamtet uud keinerlei agitatorische Thätigkcit Hegen die lliilitairvorlage geübt hat, den Ausschlag im S>uu,c deS Antrages de« Staatsministeriums gegeben. * Zur Bürgermeisterwahl in Danzig schreibt die .Kölnische Zeitung": Nachdem die Wiederwahl de» Herr» v. Forckenbeck al» Ober bürgermeister von Berlin für weitere zwölf Jahre die kaiserliche Bestätigung gesunde» hat und nachdem auch die Besetzung des Obe» bürgermeislerposlenS von Frankfurt a. M am künfligen Dienstag durch die Wahl des Oberbürgermeister? Ndictes in Aliona eine sehr glücklich« Lösung finden wird, erregt jetzt in erster Linie öffentliche Allsmerksamkrtt der Danziger Bürgermeisterposten. Der be dauerliche Mißgriff, den der Regierungspräsident v. Heppe durch die Beanstandnng der GehallSsesisetziing für diese wichtige Stelle gemacht hatte, ist inzwischen durch den Bezirksausschuß, wie daS nicht ander- zu erwarten ivar, beseitigt worden. Die Wahl des Oberbürgermeisters kann also in nächster Zeit erfolgen. Leider weiß man, daß die Fartschritttportei versucht, bei dieser Wahl ausschließ liche Parteipolirik zu betreiben, während doch lediglich die Gesichts punkte der Brauchbarkeit und Tüchtigkeit d«S Candidaten masigebend sein dürfen. Es ist öffentliches Geheimniß, daß der Abg. Baum bach von seinen Froctiousgenossen als künftiger Nachfolger d«S Oberbürgermeisters v. Forckenbeck für Berlin in Aussicht genommen ist: trotz de» großen Einflusses, den sie aus die Berliner Stadtverord netenversammlung auSüben, halten sie gleichwohl seine Wahl and namentlich auch >ciue Bestätigung so lange nicht für gesichert, als er nicht vorher in irgend einer andern preußischen Stadt Gelegen heit gehabt hat. sich Kenntnisse in unfern BerwaltiingSgrundlätzeir zu sammeln. Statt nun zu dem Ende zunächst eine tiriliere Stadt oder die Stelle eines besoldeten Magistratsncitgliedes in Aussicht zu nehmen, hielten sie zunächst Frankfurt a. M. und Hallen sie jetzt Danzig für gut genug, als Probtrmamiell verwandt zu werden. Herr Baumbach, aus Meiningen gebürtig, ha! den sachseu-meiningischen Dienst nie verlassen; seit 1878 ist er Landrath de< metntrigijchea Kreise- Sonneberg und seit 1880 zugleich RetchSiogSabgeordneler. Da- preußische Landrecht ist ihm ebenso fremd wie das prenßische VerwaltmigSrecht. Bon seiner Thüligkeit im Reichstage weiß man nur, daß er sich dort vorwiegend >i»l jvciclcu Fragen beschäftigt hat, und die Benrtheiluug dieser Lhärigkeit ist eine verschiedene Die jenigen Eigenschaften, die ihn zur Leitung einer großen Stadtgemeinde befähigen, sind bisher völlig tm Dunkeln geblieben Auch baden wir nicht gehört, daß die Kreiseingesesftnen von Eonneberg ähnliche Be mühungen, ihn in ihrer Mitte zu ballcn, gemacht haben, wie das z. B. in Altona Herrn Adtckes gegenüber der Fall gewesen ist. Seine Wahl würde also nicht auS sachlichen Gründen seiner hervor ragenden Befähigung wegen, sonder» lediglich »uo parteipolitischen Gründe» erfolgen. Wir können nicht umhin, ein solches Bestreben, wie es hier zu Tage tritt, als Mißbrauch zu bezeichnen. Wünschen seine Parteifreunde unter allen Umständen Herrn Baumbach dem Dienste feiner enger» Heimath zn entreißen, jo möchten wir rathen, ihn znnächst für die deiiinachfl frei werdende Posen er Bürger- mcisterstelle zu bestimmen. In Posen wenigstens könnte Herr Baumbach ab und zu seine politische» Talente verwerthcn »nd nach gesammelten Erfahrungen seinen Parteigenossen einige nützliche Winke und Lehren für die Behandlung der Poieusrogr ertheiie». In Danzig aber handelt eS sich nicht daruin, einen von seinen Freunden gefeierten Parteiführer, sondern einen tüchtigen, bewährten Berwal- tungsbeantte» zu finden, der den großen städtischen Ausgaben, die in Danzig seiner harren, in hervorragendem Niaße gewachsen ist. * Am 9. November findet in Karlsruhe eine Dele- girtenversammlung der nationalliberalen Partei rm Großhcrzogtbum Baden statt. Die Verhandlung der letzten LandtagSsitznng wie die Erfahrungen der Reichs- tagSwahl werden nach der „Badischen LandcSzeitung" einer eingehenden Besprechung unterworfen werden. Auch ist es nöttsig, daß die Stellung der liberalen Partei gegenüber den im nächsten Jahre bevorstehenden La»dtac,Swablen jetzt schon besprochen wird, damit die Parleigenosfen in den einzelnen Bezirken rechtzeitig ihre Thätigtcit ausiiehmcn können. Ebenso werden wichtige Fragen der NcichSgcsctzgcbung besprochen werden. * * » * In politischen Kreisen zu Wien ist das bisher unbestätigte Gerücht vom Rücktritt Veö Grafen Taasfe verbreitet. Vielleicht eilt diese Nachricht den Ereig nissen nur wenig voraus. DaS Doppelspiel deS Grafen Taasfe ist nachgerade dazu angethan, alle Parteien abzustoßc», und schließlich ist die ganze „Aera der Versöhnung" nicht« als eine blutige Ironie aus ihren Titel gewesen. * Wie nothwcndig die Errichtung deutscher Schulen in Laibach war, nachdem die städtischen Schulen 1882 der Slowenifirnng verfallen waren, geht daraus hervor, daß die vierclassige, 1885 eröffnete Schule des deutschen SchulvereinS jetzt von über 200 Kindern besucht wird und daß auch in ver ebenfalls vor fünf Jahren ins Leben gerufenen städtischen deutsche» Knaben- und Mäkchc»-PollSschule über 400 deutsche Kinder ausschließlich deutschen Unterricht empfangen. Viele Kinder mußten aber wegen Mangels an Platz noch zurück- gewicsen werden. Ganz ähnliche Erscheinungen haben sich auch in vielen anderen Orten gezeigt, z. B. in Pilsen (Prager Vorstadt), wo nach crcchischcn Angaben gar keine deutschen Kinder zu finden sein sollten, während die sünfclassiac Schule de« deutschen SchulvereinS heute von über 300 Schülern oe- sucht wird, in Holleschowitz, Lieben und Werschowitz bei Prag, wo fast 700 deutsche Kinder in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, in Iosefstadt und Königgrätz, wo die deutschen Schulen von 167 bcz. ll3 Kindern besucht sind, in Podbart-Königinhof, wo 247 -Kinder deutschen Unterricht erhalten, ganz besonders aber in Paulowitz bei Olmütz, wo sich 1882 in Folge czechischer Einschüchterungen nicht 40 deutsche Kinder finden wollten, jetzt aber 356 Kinder Aufnahme in die deutsche Schule ver langten, von denen freilich wegen Mangels an Platz 56 zurück- gewresen werden mußten. * Rußland gebt in seiner national-religiösen Propaganda einen dreifachen Weg. Wo es Slawen ankeren Glaubens findet, sagt e«: Sic sind Slawen, also müssen sic unserer Kirche angeboren. Wo eS den griechisch- orthodoxen Glauben vertreten sieht, sagt eS: Sie suid recht-
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