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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.07.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-07-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189007190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18900719
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18900719
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-07
- Tag1890-07-19
- Monat1890-07
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.07.1890
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Lrtartion und Lrprdition Johannesgasie 8. Aprechüundrn drr Urdartion: Vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag« b—6 Uhr. KLr die SttlSßabe einqeia»dter Ma»«1crwt« »«cht sich d»c Nrds»cUoa »icht »er^mdlich. Snnahme »er für »tr uichfkf»l«e»»« -t«»«rr »estt«»«e» A»jer«t« «n Wschenkagrn hi« 8 Uhr «MchMttt»,«, an To»»- un» Frst1»,enfrüh tt»si,9 Uhr. 2u drn Ulialtii für Ins.-Annahmr: ktt« Sir»«'« Lortt«. (NIsrr» Universttättstraße 1, L«ut» L»sche, Aathariueustr. 14 pari, und -SuigSplatz7, «ur bi« '/.» Uhr. AbonnementSpreiS vierteljährlich 40, Mk. tncl. Brtnaerlohn 5 Mk, durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pi. Belegeremplar 10 Ps. Gebühren für Extrabeilagen <in Tageblatt-Format gesalzt) «dnr PosldefSrdrrung 60 Mi. «tt Postbesörderung 70 Pik. Inserate 6 gespaltene Petitzeile 20 Ps. Grührr, Schnsten laut uns. Preisverzeichnis,. Lubellurischau. Ztffernsatz nach höhenu larrf. Kerlamea mrta dem RsdacttoaSftrtch di« 4gespa1t. ZetlsvOPs., vor drn Familien nach richten dt« Ügespaltru« Heile 40 Ps. Inserat« stad stet» an die Grpcdition zn feadeu. — Rabatt wird nicht gegeben/ Zahlung pruenuweruaüo oder durch Post- aachaahm«. ^ M. Sonnabend den 19. Juli 1890. 84. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den SO. Juli, Bormittags nur bis V2O Uhr gcvssnet. kxpeMlou <1e8 I^elpLlxer lüssedlntte«. Amtliche Bekanntmachungen. Ausschreibung. Die Maurer- und Zimmerarbeiten zu einem Pferdestallgebäude in Lindenau sollen io öffentlicher Aus schreibung vergeben werden. Bedingungen und Zeichnungen liegen auf unserem Bau- ainte, Hochbauverwaltung, RathhauS 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 5, zur Einsichtnahme auS, auch werden daselbst Kvsten- anschlagSformulare und Bedingungen gegen Erlegung von o,60 abgegeben. Versiegelte und mit der Aufschrift: Maurer-Arbeiten bez. Ztmmer-Arbette« zu einem Pferdestalle in Lindenau" versehene Angebote sind bis zum 25. Juli er., Nachmittags 5 Uhr, an oben genannter Stelle abzugeben. Jede Entschließung über Vergebung drr Arbeiten behalten wir unS vor. Leipzig, den 17. Juli 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. Id. S948. vr Georgi. Lindner. Gefchiiftslocal-Vermietliung. Im UntversitätSgrnndstücke Universitütsstraße Nr. b ist die Hälfte de« von der Firma Ernst Gör« ermirtheteu «rschästSIocal», welche« gelheilt vermiethet werden soll, noch frei Hierauf Refleetireud« wollen sich an da« Unterzeichnete Rentamt wenden. Leipzig, am 17. Juli 1890. Universität« - Rentamt. Gebhard t. gewerblichen Thätigkeir zu geringe Löhne gezahlt werden, daß besonders weibliche Handarbeiterinnen weil unter den berechtigten Anforderungen auf Lohn arbeiten. Hier mag die Arbeitseinstellung da- richtige Mittel sein, um zu besseren Zuständen zu gelangen. Aber im Allgemeinen wird der streik zur Durchsetzung viel zu hoch geschraubter Ansprüche benutzt und eö werde» von einzelnen Kreisen von Gewerb- treibendcn ganz unwürdige Experimente angestellt, um den Lohn aus eine Höhe zu treibe», die mit dem Werthe der ge lieferten Arbeit in schreiendem Mißverhältniß steht. Diesen Bestrebungen entsprechend ist die Hauptforderung der Eocialdcmokraten heute die gesetzliche Einführung des NormalardcitStageS. Sie wollen volle Freiheit zur Ver tretung ihrer Interessen haben, um de» Arbeitgebern gegen über den höchsten Druck auSübcn zu können, dabei sollen nicht Neffe des Unheils und Besonnenheit die bestimmenden Kräfte auf Seite der Arbeiter sei», sondern die Zahl soll Au-schlag gebend wirken. Deshalb soll auch das Alter der in den Ärbritcrvertrctungen Sitz und Stimme habenden Personen weit in den Bereich der Unersahrcuhcil und UrthcilSlosigkcit hinein greisen. Diesen Zumuthungeil ist bisher erfolgreicher Widerstand entgegengesetzt worbe», und dies wird auch in Zukunft geschehen. WaS wir als wirksamstes Gegenmittel gegen dir Aus schreitungen der Socialdemokralie im Augenblick der Auf hebung des Socialistengesetzrö bauplsächlich nölhig haben, ist cinigeö festes Zusammenhallen der Arbeitgeber gegen alle übermäßigen Ansprüche der Arbeiter. Wir haben am l. Mai gesehen, welche günstige Wirkung dieses Mittel gehabt hat, der ganzen Bewegung ist dadurch die Spitze abgebrochen worden. Angesichts der Aussicht, auS der Arbeit entlassen zu werden, haben cS die meisten social- demokratischen Arbeiter vorgezoge», ruhig sorlzuarbcitrn. Diese Einigkeit soll keine feindliche Tendenz gegen die Arbeiter haben, im Gegeiltbeit ist als Ziel friedliches und wohlwollende» Zu sammeuwirkcn beider Thcilc sestzuhaltcn. Die Gesetzgebung gewährt schon jevl den Arbeitern Schuy gegen Krankheit und Unfälle,gegen dicFolgeu vonAlter und Arbeitsunfähigkeit,und eS liegt nur im Interesse einer gedeihlichen Fortentwickelung der gewerbliche» Thäkigkcit, wenn die Arbeitgeber bemüht sind, für die materiellen Bedürfnisse der Arbeiter »ach Möglichkeit Sorge zu tragen durch Errichtung von Arbeiter-Wohnungen, Stiftungen für invalide Arbeiter und ihre Angehörigen u. si w. Wir muffen drn Versuch machen, mit drr socialdemokralischen Partei unter dem Schutze der bestehenden Gesetze in Frieden auSzukommeu und unS deshalb aller drr Vorrheile be diene», welche unS für diesen Zweck zu Gebote stehen. * Die Zukunft der Socialdemokratie. Am 1. Lctober tritt da- Sgcialistengesetz außer .Kraft und damit wird der Zustand wiedcrhrrgestcllt, wie er bis zum l. Octobcr 1878 in Deutschland herrschte. Aber in den dazwischen liegenden zwölf Jahre» hat sich eine Entwickelung gestaltet, welche die Wiederkehr der Ausschreitungen im VercinSwesen und in der Presse der Socialdemokralie sehr unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich macht. Ucber den Unwerth der Redensarten, welche die Wiedererwechgna deS goldenen Zeitalters znm Gegenstand haben, ist wobt jetzt auch in socialdemokratischen Kreisen volle Klarheit verbreitet, man hat den Streik als das wirksamste Mittel erkannt, um die Lage der Arbeiter zu verbessern. Aber auch in dieser Be ziehung sind Erfahrungen gesammelt worden »nd man hütet sich jetzt, Arbeitseinstellungen inS Werk zu setzen, deren Erfolg zweifelhaft ist. Die Streikcassen verfugen nicht über aus reichende Mittel, um brodloS gewordene zahlreiche Arbeiter mit ihren Familien so lange über Wasser zu halten, bis sich neue Arbeitsgelegenheit findet, und wer einmal eine längere Arbeitspause mit allen ihren Schwierigkeiten und Bedrängnissen, mit ihrem Elend und der daraus entstellenden Verzweiflung durchgemacht hat, hütet sich vor der Wiederholung. Streiks baden überhaupt nur einen Zweck in Zeiten wirtlffchaftlichen Aufschwunges, in Zeilen wirllffchaftlicheii Niederganges können die gewerblichen Arbeiter froh sein, wenn die Arbeitgeber die Arbeit nicht einstellen. Es hat sich auch aus diesem Gebiete gezeigt, daß allem mcnschlicheii Thun bestimmte Grenzen gezogen sind »nd daß die allgemeine Wohlfahrt aus dem Zusammenwirken aller Kräfte beruht. ES ist ein verhängnißvollrr Jrrthum, daß sich auf die Tauer ein feindlicher Gegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitern durchführen laßt. Dieser Gegensatz führt nolbwendig zu einer Stockung und Gefährdung deS wirtk- schaftlichcn Lebens, und die sich daraus ergebenden Nach- «keile treffen beide gleichmäßig, Arbeitgeber wi; Arbeiter. Wo ist die Grenze, bis >u welcher die Fort- sükrung deö Unternehmens dem Arbeitgeber noch lohnend erscheint? Diese Frage legt sich drr streikende Arbeiter nickt vor, ihm ist cS bloS darum zu thun, eine augen blickliche Lohnerlhöhung zu erreichen, gleichviel ob der Arbeitgeber dabei auch unter ungünstigen wirthschaftlichcn Verhältnissen bestehen kann. DaS wirklich Gefährliche für die Eristenz der gewerblichen Arbeiter ist der Streik von oben, die Arbeitseinstellung von Seiten der Arbeitgeber, und diese wird durch ungerechte Streiks der Arbeiter vorbereitet und bei fortgesetzter Steigerung drr Anforderungen auch mit ^icherbeit srüber oder später erreicht. Bor diesem Unglück schützt kein Socialistcngesey, sondern nur vernünftig« maß volle Handlungsweise der Arbeiter. Wenn die Ansprüche der Arbeiter so hoch geschraubt sind, daß sie von drn Arbeit gebern nicht mehr befriedigt werden können, dann hilft drn Arbeitern auch der Besitz der Maschinen nichts, denn auch die Fortsetzung der Arbeit auf eigene Rechnung und Gefahr vermag nicht den Ertrag zu erreichen, den die Arbeiter nöthig baden, um ihren Ansprüchen Erfüllung zu sichern. Die Haupttricbfcdcr für alle menschliche Thätigkeit, be sonders auf gewerblichem Gebiet, ist die Eoncurrenz. So lange kiese ein ergiebiges Feld für ihre Anstrengungen finde«, in die Blütbe in Handel und Wandel möglich, wenn die Gleichgiltigkeit und die Verdrossenheit an die Stelle der freien Krastenlsaltnng tritt, dann ist kein Gewinn mehr zu erzielen, und unter solchem Zustande leiten Arbeitgeber und Arbeiter gleicherweise. Es zeigt sich dann jene traurige Erscheinung, die bei allen Kriegen von längerer Dauer cinzutreten pflegt, daß alle- gewerbliche Leben stockt und daß die ikrcr Habe beraubten, in Armulb und Elend gcratbcnen, ebcnialS fruchtbringender Tbätigkeit bingegcbencn Leute in eumpser TbeilnahmSlosigkeit ihr Schicksal erdulde». Es kann nutzt geleugnet werden, daß m cuizelncn Zweigen der Leipzig, 19. Juli. * Trotz gegcnthciliger Blättermeldungen erkält sich in unterrichtete» Kreisen LaS Gerücht, daß der Kaiser die Insel Helgoland demnächst zu besuchen gedenke. Er werde allerdings nicht der Ucbcrgabc der Insel an die deutschen Behörden beiwohne», sondern etwas später, also wahrscheinlich ans der Rückreise von England nach Deutsch land, dort eintrcffen. Der Aufenthalt deS Kaisers auf Helgo land werde dann wohl nur wenige Stunden dauern. * Betreffs der Holen ialabtheilung deS Aus wärtige» Amtes ist bereits darauf bingcwiescn, daß, soweit cS sich um die Beziehungen zu auswärtigen Staate» und um die allgemeine Politik handelt, dieselbe dem StaatSsccrctair des Aus wärtigen Amts unterstellt bleibt, während in allen eigentlichen Eolonialanaelcgcnhritc», insbesondere auch in alle» organi satorischen Fragen, in Zukunft die Eolonialabthcilung derartig selbstständig unter der Verantwortung de« Reichskanzlers fungiren wird, daß der Abthcilungskirigent dem obersten Ehcf der NeichSverwaltung unmittelbar die erforderliche» Vorträge erstattet und unter der Bezeichnung „Auswärtiges Anit, Eolonialabtheilung" die von der letzteren ausgehenden Schrift stücke selbst zeichnet. Es wird sich empfehle», Schreiben und sonstige Sendungen, welche für die Eolonialabtbeilung des Auswärtigen Amts bestimmt sind, mit einem bezüglichen Ver merke zu versehen. * Der „Preußische StaatSanzciger" meldet die ?lbberuf»ng des Geh. LegationSratheS v. Kusserow von dem Gcsandt- schaftSposten bei den Hansestädten und seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. * Die „Nationalzcitung" wird um den Abdruck nach stehender Erklärung ersucht: „Eine Anzahl deutschsrelslniiiger Blätter brachte unlängst ein« mit geringen Variationen in Preßoraane verschiedener politischer Richtung übergegangcne Mitlheilung, der zufolge ein Mitglied der Berliner Aorehdeputatlon, welche die Ehre halte, am 22. v. Vt. vom Fürsten Bismarck empfangen zu werden, die bei dieser Gelegenheil gewonnenen Eindrücke als überaus ungünstige bezeichnet haben soll. Der vormalige Reichskanzler — so etwa hieß es in jener Meldung — befinde sich in sehr gedrückter Stimmung; er habe zwar viel, aber ohne rechten Zusammenhang gesprochen; namentlich scheine eS ihn enttäuscht zu habe», daß Niemand sich feiieigt erwies ihm wegen seiner Unterredungen mit russischen und ranzösischen Interviewern Complimente zu machen. Tie Situaiion et daher mitunter eine höchst peinliche und die Unterhaltung eine lockende gewesen; als Erleichterung müsse der Fürst es empsnndeil haben, dast schon der nächste Zug seine Gäste wieder entführte. Es ist von anderer Seite bereits daraus hingewicscn worden, daß diese Ausführungen den Stempel gehässiger Äsinduna an der Stirn trügen, und daß über ihren tendenziösen Charakter kein Ein sichtiger sich täuschen lassen könne. Auch di« Unterzeichneten, welche die am 22. v. Mts. in FricdrichSrub aus das Freundlichste empfangene Deputation bildeten, sind dieser Ansicht. Um aber jeder Mißdeutung zu begegnen, zu der ihr Schweigen etwa Anlaß geben könnte, erkläre» sie hiermit ausdrücklich, daß die in Rede stellenden Angaben, die für st» noch weit verletzender sind, als für den Fürsten Bismarck, jeder Begründung entbehren, sowohl sachlich, wle ln Bezug aus dir Behauptung, daß dieselben hsrcct oder indirect eln Tepulatwn-mitglied -um Gewährsmann hätten. Bon den hoch- erfreulichen und unverlöschbaren Eindrücken, welch« die Tclegirien aus Fricdrichsruh mit hinweggenomine» haben, lege» die eingehenden Berichte Zeugniß ab, die unmittelbar nach dem Empfange aus ihre Veranlassung »nd zum Theil unter ihrer Mitwirkung der Leffent- lichkeit übergeben worden sind. Diejenigen Blätter, welche die bedauerlich« Mitthrilung verbreitet haben, werden zweiselSohne auch dieser durch Ehre und Gewissen gebotenen Entgegnung Ausnahme gewähren. Berlin, tn» In» 1890. pyllmann, königlicher Baurath. T. Becker. Vr. Blasius. »leemann, Obermeister. Vr. Lording, Han» Tournier, Professor. Redacteur de- „Deutschcn Tageblattes". Weber, Eons ul a. D. und Mitglied des Abgeordnetenhauses. * Reichskanzler General v. Eaprivi wird, gutem Ber- nebmcn nach, zu Beginn dieses Herbste«, etwa im October, jedenfalls aber vor Beginn der nächsten ReichSIagSscssion (19. November) nach Äiünchen kommen. Vorher wird der Reichskanzler verschiedene andere deutsche Regierungen besuchen. * Drr Ketzerproceß in Sachen contra Liebknecht nimmt in der socialdemokratischen Presse seinen Fortgang. Herr Liebknecht bat zu einem französischen Journalisten den Ausspruch actda»; „Wir sind keine Revolutionäre" und sicht sich in Folge dessen aenölhigt, vom „Berliner VolkSblalt" seine socialdemokralischc Rechtgläubiqkeit verlheidigen zu lassen. Die Ankläger spreche» von einem Ausgcbrn der alten social- rcvolulivnärcn Principien der Partei und lassen die Möglich keit zu, daß Herr Liebknecht seine politische Haltung durch Rücksicht auf sein persönliche« Wohlergcden bestimmen lasse. Diese Bcrmutbung ist auch insofern krankend für den An gegriffenen, als sie die Annahme zur Voraussetzung hat, der gegenwärtige Parieichef werte im Falle einer Revolution nicht zu denjenigen gehören, welche an der Spitze stehen und also in der Lage sind, nach bekannten revolutionären Mustern ihr persönliches Wohlergehen zu den StaalSnothwendigkeitcn zu rechnen. DaS „Volk-blatt" versichert, Herr Liebknecht könne den incriminirlcn Ausdruck nur in dem Sinne gebraucht haben: „Wir sind keine NevolulionSmacher." Soll damit gesagt sein, die osficicllc Socialdemokratie wünsche eine von Andern gemachte Revolution? Diese Annahme läßt sich mit dem GeltungSbcdUrsniß der derzeit regierenden Herren von der Socialdemokratie nur schwer vereinbaren. Man wird wohl nicht fehl geben, wenn man sich denen anschließl, die Herrn Lirbkiiecht'S Bemerkung als eine harmlose auffassen und jeden Zweifel an seinem orthodox - revolutionären Standpunct als eine Beleidigung anschcn. Die Art und Weise, wie sein Organ, daS „Volksblatt", den letzten HochvcrrathSproccß bespricht, bürgt sür die revolutionäre Gcsi»nu»gStüchtigkc>t Liebknecht s und seiner Gesinnungsgenossen. * * Der von den Prager Stadtverordneten als Vertreter sür die deutsche Sectio» in den LandcSschulrath gewählte Direktor Heinrich veröffentlicht nunmehr selbst eine Er klärung, worin er behauptet, daß seine Wahl in den LandcSschulrath ohne sein Zuthun erfolgt sei. Ferner weist derselbe auf einen an den Grasen Taaffe gerichteten Brief hin, worin er geschrieben habe, Graf Taaffe könne ohne Sorge sein, er werde daS ihm übertragene Mandat mit Ruh-, Tacr und Objektivität auSübrn und im geeigneten Momente zurücktrcten. Dabei bleibe eS. * Die Zuschrift Rirger'San den Olmützer „Pozor", in welcher der bisherige Führer der Ezechen seinen Rück tritt vom politischen Schauplatz ankündigt, lautet: „Ich bin l» letzter Zelt t» jeder Weise angegriffen mid verlästert worden. Ich setze mich dagegen nicht zur Weine, überzeugt, wen» nicht früher, so doch sicher nach meinem Tode gerecht beurlkeilt zu werde». ES überraschte mich, auch von Ihrem Blatte angegriffeu zu werden, daS mich seit lange kennt. Der Angriff galt de» mährische» Führern vielleicht, und dabet mußte auch ich meinen 2beit bekommen. Glaubt man aber, daß die Sachen besser gehen werden, wen» die bisherige Organisation aushören, wen» keine Führung vorhanden sei» wird und die Leute ohne Plan hi» »nd her lausen werden? War eS denn »icht von jeher der Fehler der Sclawen, keine Autorität anzuerkennen, keine DiSeiplin und Organisation zu bewahren, so daß sie nacheinander von den organisjrien Deutschen unterdrückt wurden? Der Selbsterhaltungstrieb leitet auch die Schafe »»d die Vögel, daß sie dem Stärkeren und Erfahreneren folgen; darf da« bei einem Volke ander» sein? Ich spreche nicht lm eigene» Interesse. Ich bin 72 Jahre alt, und außerdem beab sichtige ich, vom politische» Schauplatze abziitreten. Aber eS wäre ei» Unglück, wenn solche Ansichten sich mit aller Macht in unserem Volke verbreiten würden, daß eS dann ohne Organisation und ohne führendes Haupt wäre. Außerdem ist e« tm Selbst- bestimm»ngSrechlc begründet, daß da» Volk an seine Spitze Männer stellt, denen es grögere Urthellskrast »nd laugltchkeit zuschreidt. Terrorismus hat es nie bei uns gegeben. Di» Abgeordneten wählte» ihre Veriraneiisinänner und diese bestimmten in gemeinsamer Bc- rallmng, was zu geschehen habe. Wichtigere Dinge wurden i» der Vollverlainiiiliiiig der Abgeordneten entichiebe». Kann inan es Jemandem zur Last legen, wenn die Erwählte» der Nation Jemandem den Vorrang -»erkennen, weil sie ihn sür den Fähigsten, Tauglichsten halten? Hört nicht ein solche«, ln der Thal schweres »nd un dankbares Amt ans mit der Fähigkeit dieses MnnneS, weil dann die Vertreter, diese Unfähigkeit erkennend, durch Vnllotage einen Fähigeren, des Vertrauens Würdigeren wählen? War die Führung der Nation schlecht, machte sie Fehler, so war da« die Schuld oder da» Unglück der Nation selbst und ihrer Vertretung, daß sie nicht bessere Männer hatte oder eS nicht verstand, sie heraus- ziifinden. In beiden Fällen muß sie zufrieden sei» mit Dem, was Jene erreichten, die sie hatte und wählt«. Die Dentichen sagen: „Arme Leute kochen mit Wasser." Warum hat unsere Nation keinen Cavour, Napoleon oder Bismarck? Ich würde ihr, weiß Gott, dieselben wünschen, und dann halte sie die Zwerge nicht nöthig, wie wir eS sind. Aber Groschen »nd Gulden hinauSwcrsen, so lang« man nicht Tausende und Millionen hat, und zu thun, al« ob man sie jeden Moment haben könnte, ist reiner Unsinn. Da» gilt auch für Euch i» Mähren. Prazak war ein verständiger und fähiger Führer. Nach seinem Rücktritte konntet ihr keine» bessere» als Schrom, einen rechtschaffenen und weise» Mann, siiiden. Wenn er auch geht, könnt ihr ihn ersetzen? Wen» Jemand -»iäUig eine deutsche Fra» hat und mit ibr deutsch spricht, so berührt das noch seine nationale Gesinnung nicht. Bei mir ist das »icht der Fall, aber nichts desto weniger meine ich, daß man das nicht so streng bei Euch beurtheilen sollte. ES ist eine jungczechlsche Phrase, da» man bet uns zurück und von Fehler zu Fehler schreite, daß man keinen Erfolg erziele und daß daS die Schuld der Fübrer sei. Ost mals hörte ich von de» Polen, eS sei beispiellos, welchen Fortschritt wir in fünfzig Jahren gemacht, und unsere größten Gegner unter den Deutschen, wie Herbst, Plener, Ruß, erkenne» den iliigemeffeiien ciilturellen und wirlhschastlichen Fortschritt unserer Nation an. Nur Verblendung oder Böswilligkeit könne drn großen »nd alljeitigen Fortschritt unserer Ratio» in unserem Zeitalter ableugne». die Nach welt wird ihn sicher anerkennen." Nieger'S Brief ist auS Malrtsch vom 12. Jrrli datirt. * Dieser Tage wurde der „Oesterreichische Stu dentenverein an der Wiener Hochschule" aiffgclöst und zwar, wie au« polizrilickrn Krrise» mit Bestimmtheit verlautet, vornehmlich deshalb, weil in den Verein socia- listische Tendenzen Eingang gesunde» hatten. * Der ehemalige Beherrscher dcS bulgarische» Fürsten- IhumL ist gewiß einer der competentesie» Brurtheiier drr Zustande jene- Landes, und dabcr dürste cS von besonderem Interesse sein, seine Meinung über die jüngsten Vorkommnisse in Bulgarien kennen zn lernen. Gras Hartenau (Prinz von Battenbergs, der grgenwärtig wieder in Graz wrilt, äußert« sich, wie von dort geschrieben wird, über die Pa nitza Asfairc dahin, daß er die Hinrichlnng des Verschwörer« sür einen Fehler halte, weil da« Verbrechen desselben nicht zur Tbat geworden sei und ein Bulgare nur für die Thal Bcr- ständniß bade. In Bulgarien gebe eS viel PanitzaS, die demnach gleichfalls hätten hinyerichtet werden müssen In Betreff der Gerüchte über eine Abdankung dcS Prinzen Ferdinand von Eoburg ist Traf Hartenau der Ansicht, daß jene Gerüchte nicht zur Wahrheit werden dürsten. * In drn drritalienischrn Regierung nahestehenden Krei scn wird cS für sehr wahrscheinlich erachtet, daß die allgemeinen Neuwahlen für die italienische Kammer nicht, wie viel fach angenommen wurde, im Herbste dieses JahrcS, sondern erst im Jahr« 1891 stattfindeu werden. Die Entscheidung dieser Frage soll in einem demnächst abzuhallcndcn Ministcr- rathe erfolgen. * Der italienische Senat genehmigte drn Gesetzentwurf, betreffend die Maßregeln zu Gunstr» drr Stadt Rom in der von der Deputirlenkammer beschlossenen Fassung und vertagte sich hierauf. * Der italienische Schulverein „kro katria" in Triest wurde wegen irrrdrntistischer Bestrebungen aufgelöst. Auf der letzten Hauptversammlung dcS Vereins fanden mcbr- sachc politische Kundgebungen statt. * Im englischen Unterbause erklärte der erste Lord deS Schatzes Smith auf eine bezügliche Anfrage, daß er die zweite Lesung der Helgolandbill »icht vor nächstem Donnerstag, vielleicht erst zu einem späteren Termine bean tragen werde. WaS die Unterhandlungen mit Frankreich l'etrcssS Zanzibar- anachc, jo wurde» dieselben von beiden Seiten in durchaus freundlichem Sinne geführt. Er könne zwar »icht versprechen, daß über dieselben schon bei Gelegen heit der zweiten Lesung der Helgolandbill eine Erklärung lbunlich sei, dock werde >ede Information, die ohne Nachtbcil für die Interessen de« Staate« gemacht werden könne, er- tbcilt werden. Der UnlcrstaalSsccrctair Fergnsso» erklärte auf eine weitere Anfrage, der Regierung sei keine Millheilimg darüber zugegangcn, daß der Präsident Harrison ^äußert habe, er halte c« für eine Pflicht der Vereinigte» «taalen, die englischen ScebundSstscher im BcringSinccr künftighin sumniarisch zu behandeln. — Die Vorlage», betresseno rie Volkszählung in England, Irland und Schottland, wurden in erster Lesung angenommen. * Balsour hielt am Mittwoch Abend bei vem Mable der Londoner Grwürzkrämergilde eine Rede, >m Verlaufe welcher er sich optimistisch über die Lage und die Aussichten der unionistische» Partei äußerte. Ungeachtet der Zwischenfälle, welche die gegenwärtige Tagung »nsruchtdar gemacht hätten, stände die unionistische Mehrheit im Hanse der Gemeinen fest wie ein Fels und habe weder eine Nieder lage, »och die Auslosung zu fürchten. Die Auslösung deS Parlaments sei vor den nächsten 2>/, Jabren nicht zu er warten und selbst dann wäre jede Aussicht auf einen neuen unionistische» Sieg vorhanden. Harcvurl »nd Genosscn könnten vielleicht m zehn Jahre» wieder an« SkaatSrudcr gelangen, aber auch dann werde die Union in keiner ernsten Gefahr schweben, lM>s>c»S dürste jedes Interesse der Reibe »ach bedroht werde». Aber auch das sei eine ernste Gefahr, deren Abwendung in den Händen dcS Lande« liege. * Dem „Journal de Bruxelles" zufolge spricht sich der Bericht de» Dcputirlrn Notbomb über den Gesetzentwurf, be treffend die dem Eongostaate durch Belgien zu ge währende finanzielle Unterstützung, lebhaft sür die Fortführung deS asrikanischcn Unternehmens ans unk nimmt die eventuelle Ucbcrnahnic des EongostaaleS durch Belgien in Aussicht. Sodann führt der Bericht auS, daß die Vorlage die Interessen dcS Lande« sicher stelle, weist mit Bestimmtheit nach, daß die Vorlage in keiner Weise das Land verpflichte, und setzt alle Vortkcile auseinander, welche Belgien auS der Ucberuahme dcS EongostaalcS erwachsen werden. * Einem Kabel-Telegramm aus New ?)ork zufolge be- rictk der Präsident Harrifon ani I ll.d init Hill, dem Vorsitzenden dcS Eongreß-EomiläS sür die auSwärligcn Angelegenheiten, über die Bcringmeer-Frage »nd weigerte sich, die Sache dem Eongrrs, vorznlegcii, weil er in Salisbury'« Erklärung die englischen Interessen dortselbs« wahre» zu wollen, eine Drohung erblickte. Zur Lage. b>UO. Berlin, 18. Juli. «Der preußische StaatShails- halt. II.) Die Ausgabe» sür das lausende Rechnungsjahr sind bei den eigentlichen Staatsverwaltungen im Wesentlichen ans den- selben Stand veranschlagt, wle diejenige» drr beide» Voriahre. Die Ausgabe» der Betriebsverwaltungen sind natürlich noch in der Steigerung begriffen, was den wachsenden Ausbrüchen der arbeitenden Classen und dem Bedllrsntß nach einer alisföimnlichere» Besoldung der unteren »nd mittleren Beamten ans der einen, der sortschreilenden Ausdehnung de« Staat«-Eisknl>al»ibelriebcs auf der andere» Seile entsprich«. Gruppirt mau zunächst die Ausgaben t» persönliche, sachliche und außerordentliche oder elmnalige, so ergiebt sich, daß der Vlniwand de« Staates sür persönliche Dienstleistungen bl!»«!,,'»7 Mit Itoncn) kaum die Hälfte der sachlichen Koste» (lOG.ltl Mil lionen) erfordert. Die einmaligen »nd außerordentliche» Ans- gaben beziffern sich aus 48,2l Millionen. De» größten Etat für persönlich« Ausgabe» haben, wie erklärlich, die Betriebs- Verwaltungen. Sie nehmen allein 802,55 Millionen sür Besoldungen und anderre persönliche Ausgaben ln Anspruch, und zwar die Eise» - bahnen 225, der BergwerkSbetrleb 44,!»>, dle höheren Bergb» Hörden, die Berglehranstalten l,58, das Ministerium sür Handel und G, werbe 1,51, die Forstverwaltung 12,81, die landwirihichaslliche Bei- wattnng 5,17, die Bau Verwaltung 4,55, der Hülteiib.'trikb 2,15, der Salinenbetrleb 1,!>1, dle Gesliltverwaltnng 1,0!« Millionen u. s. w. Im Etat deS llullnsnilntsteriiim» beläuft sich der Betrag der per sönlichen Ausaaben ans 45,15 Millionen, wovon allein 22.82 ans aus da« Volk-sch»Iweien entfallen »nd 5.5 zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen aller Bekenntnisse bestimmt sind. Tie innere Verwaltung bedarf .81,27 Millionen zu BeioldiiiigS- und anderen persönlichen Ausgabe», wobei die Koste» der Provinzial-und Bezirksregieriingen nicht eingerechnet sind, die aus dem Etat des Finanzministerium« bestritten werden. Dort sind insgesamt»« 11,78 Millionen sür persönliche Ausgaben in Anspruch genommen. Tie Justizverwaltung verausgabt für Gehälter n. s. w. 68.81, die Verwaltung der dlreete» Stenern 10,87, diejenige der iiidirecle» 25,8l Millionen, doch stehen dem letzteren Ansioand die Entschädi gungen au» der ReichScafle gegenüber, wodurch sowohl die periö». liche», al» dle ans 6.46 Millionen veranschlagte,> sachlichen Kosten der lndlrerten Sleuerverwaitiing annähernd gedeckt sind. Bei den sachlichen Ausgaben hat die allgeinrtne Fincinzverwalliina in An- betracht de« Matricularbeltrags der Schnldentilgimg und -Verzinsung den Vertritt vor den Betriebsverwaltungen. Die Verzinsung von Staatsschulden erfordert 201,68 Millionen, «tn Aiisivand, den die llel>erlchüffe des SlaatseltenbabnbetrlebeS well überragen Dort slebe» de» Ausgaben von insgesamt»« k-17,27 Einnahme» in der Höhe von 652,!N> gegenüber. Ter Ucberschuß beziffert sich also auf 805,69 Millionen oder rund 105 MUlivllli« hoher, als die
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