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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1891
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18910918026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891091802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891091802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-09
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Napoleon und Alexander I. erschiene» damals „vor einem Parterre von Königen", d. h. begleitet von einer Gefolgschaft von 4 Königen und Ol deutschen Fürsten, und der Zweck des Ganzen war, die Herrschaft Europas zwischen Frankreich und Rußland zu theilen. Zn einem geheime» Ver trage vom l2. Oktober wurden auch die beiderseitigen Erobe rungen förmlich bekräftigt und der gegenseitige Beistand gewährleistet. Der russische Kaiser war damals so von Napoleon eingenommen, daß er ihn, den corsiscken Parvenü, »für mehr als seinen Bundesgenosse», für seinen innigste» Freund und sein Muster" erklärte. Die deutschen Fürsten traten in Erfurt ganz als Vasallen auf und wurden als Vasallen behandelt. Zn der gegenwärtigen Zeit, nach der Kronstädtcr Enlrcvue, lag eS nahe genug, daß bei Sr. Maje stät diese historischen Reminiscenzen wieder wach wurden. Wie aber damals die sranco-russtsche Allianz in Trümmer ging, so wird auch jetzt, wie wir zu Gott hoffen, Deutschland zuletzt wieder triumphircn. * Zn neuerer Zeit ist wiederholt von Aenderungen in dem Wortlaut der dem Dreibünde zu Grunde liegenden Ver träge die Rede gewesen. Heute taucht wieder eine solche Lesart auf. Tic „Times" erfährt über Pest auS angeblich zuverlässiger Quelle, die amtliche Fassung der Erneuerung des Dreibundes beschränke den Bündnißfall in bestimmter Weise. Ungeachtet häufiger Zdeenausiauschc über den Gegenstand sei der Punct erst seit den Manövern in Ungarn zwischen beiden Kaisern endgiltig geregelt worden. Ter Kaiser von Oesterreich habe als Fälle, in denen das Bündniß wirksam werde, nur folgende drei vorgeschlagen: wenn Frankreich Ztalien oder Deutschland angrcift, oder wen» Rußland Oesterreich angreift. Diese Einschränkung des Bündnißsallc« sei überwiegend dem Einstuffe der ungarischen Staatsmänner zuzuschreiben, welche darauf bestanden, als weiterer Bürgschaft für die friedlichen Versicherungen des deutschen Kaffcrs. Die ganze Mittheilung ist, wie die „Vofsische Zeitung" Wohl mit Recht betont, vollkommen un glaubwürdig. Einmal ist riue Verlängerung des deutschen Ver trages mit Oesterreich überhaupt nicht erfolgt, weil er nicht zu erfolgen brauchte. Der Vertrag ist auf uubegrenztrZeit geschloffen» konnte also auch nicht ablaufen. Sodann bezieht fich da- Bündniß Deutschland» mit Oesterreich-Ungarn gar nicht auf drn Fall, daß Deutschland von Frankreich angegriffen werde. Für diese Möglichkeit ist nur da» Zusammengehen Deutschlands und ZtalienS vorgesehen. Endlich schließt da- Bündniß mit Oesterreich, wie sich auS dem Wortlaut de« Vertrages crgiebt und wie sich auch von selbst versteht, den Fall ein, daß Deutschland von Rußland angegriffen werde. Die Angaben des Berichterstatter- der „TimeS" tragen daS Gepräge einer zur Verdächtigung der Friedensliebe de- deutschen Kaisers und zur Erschütterung des Glaubens an die Einigkeit der verbündeten Mächte bestimmten, willkürlichen und haltlosen Erfindung. * Morgen tritt in Berlin im ReichsaesundheitSamte die durch den Reichskanzler einberufcne Weincommission zusammen. Die Hauplgegenstände, welche zur Bcrathung vor- liegcn, lassen sich folgendermaßen znsammensassen: I. Wie sind diejenigen Behandlungen zu beurtheilcn, welche die Halt barmachung oder Verbesse rurg des Weines bezwecken, ohne die Menge wesentlich zu vermehren? 1) Kellerbehand- Inng; 2) Verschnitte verschiedener Sorten; 3) Herabsetzung des Säuregehaltes: 4) Ausgleich geringen Zuckergehaltes; 5») Färbung des Weines; 6) Zusatz von Bouquetstoffen; 7) Zusatz von gerbsäurehaltigen Stoffen: 8) Erhöhung des ExtractgehalteS; S) bedarf die Bezeichnung der Wrinsorten in drn Preislisten und auf den Etiketten einer besonderen Regelung? II. Wie sind diejenigen Ver fahren zu beurtheilcn, welche eine Verbesserung LcS WeineS, aber unter wesentlicher Vermehrung der Menge, bezwecken? Hl. Wie sind diejenigen Verfahren zu beur- lbeilcn, durch welche weinähnliche Getränke hergestcllt werden ohne jeden Zusatz oder mit nur einem geringen Zusatz von Traubensaft? IV. Wie sind die Strafen für Zuwiderhandlungen gegen die im Vorstehenden sieb er gebenden Vorschriften zu bemessen? V. Sind Erleichte rungen vorzuscbcn für: Liqueur oder Süßwein? Schaum wein? HanS- und Gesindewein? Sind sür Medicinal- oder Krankenweine Verschärfungen angezeigt? * Der Reichstag hat durch eine Resolution vom 6. Februar dieses ZahreS ausgesprochen, daß die Immunität der Abgeordneten während jeder Vertagung des Reichstags fortdauere. Angesicht- drr neurrding- eingeriffencn Praxis wiederholter ausgedehnter Vertagungen und >ahrelang wäh render Reich-tag-sessionen ist die Sache nicht ohne praktische Bedeutung. Anläßlich der Vorladung eines socialdemokra- tiscken ReichStagSabgeordneten hat nun der Zustizminister durch ein schreiben vom 9. September diese Auffassung an erkannt und verfügt, daß von der verantwortlichen Vrrneb- mung ,n diesem Fall Abstand zu nehmen sei. ReichStagS- abgcordnete sind also vom 8. Mai 1890 bis jedenfalls in das Jahr 1892 hinein von jedem strafgerichtlichen Einschreiten befreit. Man sicht, welche früher unbekannte Ausdehnung die Zmmunität der Abgeordneten durch die langen Vertagungen erfahren hat. * Zu den Gerückten über erneute militairischc For derungen bemerkt die demokratisch-ultramontane „Gelscnkirckener Zeitung": „Ob angesichts drr jetzigen gespannten Lage eine Volksvertretung sich finden wird, welche die Verantwortung sür die- Verweigerung wichtiger Militair- serderungcn übernehmen will, ist eine große Frage, wir glauben es nicht." Das Ecntrum scheint danach in sehr zahmer Stimmung in die ReichstazSscssion einzutretcn. * DaS „Berl. Taaebl." bringt folgende, gestern Nach mittag um 4 Ubr 40 Minuten i» Bagamvyo aufgcgebcne Depesche: Die Ueberbleibscl der Expedition Zelew-ki, nämlich die Lieutenants Tettenborn und Haydcbreck und die Unterofsicirre Eay und Wutzcr und 65 Mann Schwarze, sind soeben hier eingetroffe». ES ist kaum Hoffnung vorhanden, daß von der zersprengte» Expedition noch weitere Ueber- ledrode vorhanden siad. * Die Opposition in der Socialdemokratie ist nachgerade den Führern der Partei so lästig geworden, daß sie Alles aufbieten, um sic aus dem bevorstehenden Erfurter Parteitage gründlich abzutbnn. Obne Zweifel wird ihnen daS, vielleicht unter großein Lärm, aber im Grunde mit wenig Anstrengung, gelingen. Die Schwäche der Opposition liegt darin, daß sie sachlich unbegründet und tactisch tköricht ist. Die mehr oder weniger unbestimmten Klagen der Opposition kommen, bei Licht besehen, aus die Beschuldigung hinaus, daß die Parteileitung Len principicUcn Stantpunct der Socialdemokratie verlassen und sich aus das Pactiren mit der bestehenden Staat«- und Gesellschaftsordnung verlegt habe. DaS ist, wie man den Herren Bebel, Liebknecht n. s. w. gern bezeugen kann, einfach unwakr. Die »Alten" erwarten in der Thal die Erreichung ihres Ziele« beute noch gerade so von der Revolution, wie die „Zungen", der Unter- tchiet zwischen den beiden Richtungen liegt lediglich in der Taktik. „Es giebt Tinge, die mau wokl tbut, aber nicht sagt", hat Herr Liebknecht ans dem Brüsseler Eongrcß erklärt und damit ist das Wesen der Taktik der „Alten" aus Treffendste bezeichnet. Während die „Zungen" sozusagen da« Herz fort während auf der Zunge haben und ihre Befriedigung in der Berauschung mit blutdürstigen Umsturzphraseu suche», sind die „Alten" darauf bedacht, in eifriger, aber möglichst geräusch loser Arbeit Alles zur Revolution vorzubcreiten, bis unter einer günstigen Gestaltung der Verhältnisse der Augenblick der Erfüllung gekommen sein wird. E« ist nicht zu leugnen, daß diese Taktik zu Mißverständnissen führen und daß sic sür den Einen oder Andern zur schiefen Ebene werden kann, auf welcher er, mit oder ohne Absicht, auf den Boden der bestehenden Ordnung zurück gelangt. Der Parteileitung muß indeß »ackgcsagt werden, daß sic derartigen Erscheinungen sofort und unzweideutig entgegentritt. Die seltsame Evolution des Herrn v. Vollmar wird allem Anscheine nach damit enden, daß dieser ehemalige Heißsporn der Socialdemokratie ein stiller Mann wird; zum niindesten ist vollständig ausgeschlossen, daß irgend ein anderer Führer ihm aus seinem Wege folgt. Zn einem Nürnberger focialdcmokratisckcn Verlage erscheint soeben eine Schrift, welche die Möglichkeit des sich aus friedlichem Wege voll ziehenden alliiialiacn Hinrinwacksen« der socialdemokratischen m die bestehende Staat«- und Gesellschaftsordnung plausibel zu machen sucht. Zum Zwecke de« Stimmenfänge- bei Dahlen haben sich socraldemokratische Redner dieses Gedankens Wohl öfter bedient; jetzt aber, wo sie dafür von einem, wie eS scheint, etwas naiven Gesinnungsgenossen beim Wort genommen werden sollen, zerstört der „Vorwärts" den ganzen schönen Traum niit der Bemerkung, die historische Erfahrung lehre, „daß sociale Umwälzungen von solch' revolutionairer Tiefe niemals ohne Zuckungen, ohne Katastrophe sich vollziehen." DaS genügt Wohl, um erkennen zu lasse», daß auch die Alten nach wie vor eine Revolution im Sinne haben, in welcher dem Blutdurste der „Zungen" vollauf Genüge ge schehen wird. Selbst was den bauptsächlickstcn unter den »eueren Anklagepunctcn der „Zungen", die schroffe AbwcisungdcS auf dem Brüsseler Congreß für den Fall eines Kriegsausbruchs vorgeschlagcncn Wettstreite« anlangt, so könnten sich die Un zufriedenen bei der Versicherung keS Herrn ZuleS GucSte ini „Vorwärts" beruhigen: „Uebcrall, wo die Socialistcn stark und organisirt genug sind, werden sie — beim Ausbruch des Krieges — Besseres zu thun haben, als die Arme zu kreuzen und die Hände in den Schooß zu legen." Was sie zu thun haben, daS gehört eben zu den Dingen, die man nach Herrn Liebknecht thut, aber nicht vorher öffentlich ankündigt. Da die „Zungen" dies Letztere wollen, so wird es den „Alten" nicht schwer fallen, die ungeheure Mehrheit der „Genoffen" von der Thorheit der Oppositionstaktik zu überzeugen. Für die Beurtheilung der von der Socialdemokratie unserem Staats- und Gesellschaftszustande drohenden Gefahr aber ist der bevorstehende Sieg der sogenannten Gemäßigte» ganz gleichgiltig. * Die Berathungen über die Verhältnisse in den Reichs landen unter der Thcilnabme des Fürsten Hohenlohe führten in Betreff des Paßzwanges zu dem Resultate, daß der .-siLtus quo erhalten bleiben muffe, eine Verschärfung aber in keinem Fall eintreten werde. * Wie der „Pester Lloyd" meldet, ist der Minister- Präsident Graf Szapary gestern zur Theilnahme an drn gemeinsamen Ministerberathungen nach Wien ab- aercist. Heute und uiorgen sollen Consrrenzen unter den Ministern stattfinden. Nächsten Sonntag beginnen die Schluß berathungen unter dem Vorsitz deS Kaiser-. Die Mchr- fordcrungen für die HeereSauSrüstung betragen, wie eS beißt, 16 bis 18 Millionen Gulden, außerdem sind 2 Mill. mehr erforderlich in Folge Vrrtbcucrung der Lebensmittel und der Fourage. ES heißt, daß beide Finanzministcr, namentlich der ungarische Finanzministcr Wekerle, den Mcbrforderungen lebhafte Opposition machen, so daß wahrscheinlich eine nam hafte Restriktion erfolgen wird. * Die meisten französischen Blätter veröffentlichen interessante Reminiscenzen aus dem Leben Zules Grevy'S. Insbesondere erinnert der „Tcmps" daran, daß Boulanger eine der liefen Antipathien des sonst wohlwollenden Mannes ewescn sei. Nach der Wahl vom 29. Januar 1889 abc Grevu zu seinen Getreuen Folgende« geäußert: Ich habe Boulanger acktzclm Monate lang im Minister rathe beobachtet und beurtheilt, und weiß, daß er nur Dummheiten zu machen im Stande ist. Wenn ich ibni nicht entgegengetretcn wäre, so bättc er den Krieg entfesselt. Eines Tages, mitten im Scbnaebele-Handel verlangte er, daß man Deutschland ein Ultimatum schicke, und warf, als man ihm nicht beipflicktete, sein Portefeuille auf den Tisck. Ich machte ihm ein Zeichen, daß er eS liegen lassen könnte, aber er nahm eS wieder an sich. AIS man ibn mir jcdock nack den, Sturze des EabinetS Goblet von Neuem als Minister ausdränaen wollte, da webrte ich mich nach allen Seiten, und heute würde ich genau wieder Dasselbe thun." * Die Erfurter Rede de- Kaisers wird in der französischen Presse zum Gegenstände der lebhaftesten Erörterungen gemacht, welche sich gegen Deutschland richten Auch die meisten gemäßigten Blätter stimmen in die Angriffe ein. Sie betrachten die Rede als eine Antwort auf die Tor^ äuge von Kronstadt. Ein Telegramm der „Nationalzeltung Die gelammte Pariser Presse erklärt die Rede des KaiierS sur eine uncrbörte Provokation Frankreicks, weiche einen Contra» vlic^ mit den friedlichen Reden der französische» Mimsier. Namentlich die bonapartislischen Organe sind maßlos heftig wegen der aiigelillchen Bezeichnung Napoleons als corsii'che» Parvenü. Ueberdies hat die „Agence Obre" den Journalen eine besondere Version der kaiserlichen Rede initgelheilt, welche folgende Stellen enthält: „Niemals durien die Ossiciere der deutfchen Armee die Tage der Schande vergehe», welche Erfurt in Erinnerung bringt; niemals wird ein Preuhe, der die Uniform trägt, vergessen, daß in Ersurt der Cerberus Napoleon das Herz der augebeleten Königin Luise gebrochen hat: niemal» wird ein preußischer Soldat vergesse», daß im Idealer zu Cnurt Napoleon seine» Günstling Talma von einem Parterre von Könige» applaudiren ließ. Heute erscheint wieder ein Kaiser i» Crfurt; aber es ist ein deutscher Kaiser und Frankreich ist jetzt besiegt und gedcinülhigt. DaS vergesset nicht und seid wachsam, dachst die Tage des Congresses von Ersurt niemals wiederkehren.' Diese phanlasiische Version wird natürlich von den Hetzblättern bevorzugt. Es ist zu hoffen, daß die Pariser Presse über diese dreiite Fälschung rasch aufgeklärt wird. Uebcr die kaiserliche Rede in deren anthenlischein Wortlaut in Entrüstung zu gcrathcu, fehlt den Pariser Blättern jede Berechtigung. * Der Lohengrin-Feldzug der Pariser Cbau- vi nisten hat mit einer völligen Niederlage seiner Anstifter geendet. Zn ihrem Bestreben, die Lohengrinfrage zu einer Haupt- und Staatsaction aufzubauschen, hatten die Wagner- nnd Dcntschcnhetzer sich zu Extravaganzen verstiegen, deren Duldung seitens der leitenden Kreise der Republik mit ihrer eigenen Würde und Autorität schlechterdings un vereinbar erschien. An das Schicksal der erstmaligen Lobengrin - Ausführung in der Pariser Großen Oper knüpfte sick fonach nicht nur ein eminent künstlerisckes, sondern außerdem noch ein nickt minder hervorragendes politisches TageSinteressc, sofern die Frage zur Entscheidung stand, ob die Regierung des Herrn Carnot oder die wahn witzigen Impulse einer haßvcrblendetcn Rotte von ganz- und halbwüchsigen Gassenjunge» in Frankreich den Ton angebe. Hätte c« sich um weiter nichts gehandelt, als um sicheres Geleit für den Lohengrin, so dürste Herr EonstauS weder sich noch seine Untergebenen in so große Unruhe gestürzt habe»; wo man, ohne sick selbst zu compromitlirc», >d«u verhaßten Deutschen eine Demüthigung zu Theil werden lassen kann, herrscht bei allen französischen. Parteien ein stillschweigendes Verständniß und Einvcrständniß vor. Allein, nachdem einmal die Lohengrin-Äufführung im Princip beschlossene Sache war, bättc ein zaghaftes Zurück- weichen vor dem Lärm de- Straßenpöbels dem moralischen Credit der republikanischen Regierung einen zu gefährlichen Stoß versetzt. Zwar über den Eindruck eines etwaigen Lohengrin-Vcrbots aus die öffentliche Meinung Deutschlands und der Künstlerwelt im Allgemeinen würde man sich auch an leitender Stelle der französischen Politik mit philosophischem Gleickmuthhii'weggcsctzthaben —was kümmertcödaSvonscincn 1870/71 erhaltenen Wunden völlig wiedcrhergestclltc und zu neuen kriegerischen Tbatcn „erzbereite" Frankreich, ob sei» Verhalten auS irgend einem Anlaß bei den Deutschen Acrgerniß erregt! Aber ungleich wichtiger war es, nach einer bestimmten Richtung hin de» Beweis zu liefern, daß die Republik in ihrer derzeitigen Verfassung kein stcuerloseS oder steuerschwachcS Fahrzeug ist, das heule diesem, morgen jenem Curse folgt, aber absolut keine Grundlagen für Berechnungen darbietct, die auf eine etwas länger dauernde Frist gestellt sind. Von der Lohen- grin-Premiere in der Pariser Großen Oper darf mit Fug und Reckt der Satz gelten: pro zmtriu est, clum luclers viclo- mur! War der Erfolg der Oper in künstlerischer Beziehung ein durchschlagender, den Genius Wagner'S über alle feind lichen Machinationen hinausbcbender, so ging dock Hand in Hand mit deni künstlerischen auch der politische Sieg, der Herrn Constans und seinen AmtSgcnoffcn durch die vnträo Irinmplisln deS deutschen Meisters in den geheiligten fran zösischen Kunstteinpcl nickt zu thcuer erkauft dünkt. Welche Hoffnungen Frankreich auch auf die Zukunst setzen mag: als unerläßliche Bedingung ihrer Erfüllung steht die Ueberzeugung der Stabilität deS politischen CurseS der Republik oben an. Dieser Urberzeugung sollte das Eintreten der Regierung sür Lohengrin Raum schaffen, und n»i das zu erreichen, hat Herr ConstanS sick redliche Mühe gegeben. * Zn Vi try brachte, wie wir bereits in einem Tbeile der Morgennummer mittheilen konnten, der Präsident Carnot bei dem Dejeuner, welches er zu Ehren der Generale der besichtigten Truppen gab, einen Toast auS, in welchem er bervorhob, daß die Revue einen würdigen Abschluß der Manöver bilde. Die Armee habe erneut gezeigt, waS Frank reich von ihr zu erwarten habe. Das Land sei der Armee dankbar dafür, daß sic sein Verträum und seine Liebe zu ihr gerechtfertigt habe. DaS Land wisse, daß, wenn Ruhe, Festig keit. Besonnenheit und eine loyale Haltung nach außen hin ihm aufrichtige Freundschaften erwerben könnten, ein berechtigtes Vertrauen auf seine Hilfsquellen ein sicheres Unterpfand dcö Friede»« bilde, welchen daS Land nicht gestört wisse» wolle. Die Armee gewähre dem Lande dieses Vertrauen. Er danke ikr im Namen des gesaminten Frankreichs. Die Anwesenden hörten die Worte stehend an und begleiteten die letzten Worte mit lebhaftem Beifall. Der Kriegsminister Frencinet dankte Namens der Armee und erwiderte mit cincm Toast auf den Präsidenten Carnot. Die MilitairattachöS der auswärtigen Mächte nahmen an den, Festmahl Theil. * Der verstorbene Cardinal Rotclli, bisher Nuntius in Paris, galt unter den Cardinälen italienischer Nationalität als der lebhafteste Freund der Verständigung mit Frankreick und Rußland und demgemäß als der bc ihm hat diese Partei ihren befähigtsten Diplomaten verloren. * Eine der „Polit Corr." ans Warschau zugebende Meldung betont, eS dürfe als feststehend angesehen werden, daß die ansehnlichen Truppcnansamm lnngen in den westlichen Gouvernements nur auf die ordentlichen Herbstfcld- übungen zurückzusühren sind. Dagegen erscheine eS aber noch ass f.lne offene Frage, ob sammtliche Truppen, welche zu den diesjährigen Hebungen berangezogrn wurden, nach Beendigung der letzteren wieder nach dem Osten zurückverlcgt werden. Für eine bestimmte Bejahung dieser Frage fehlen bisher zuverlässige Anhaltspuncte. — DeS Weiteren wird von dort berichtet, daß die russische Regierung der militairischen Ver vollkommnung und zweckmäßigen DiSlocirung der Grenz wache fortwährend die sorgsamste Aufmerksamkeit zuwcnde. Letzthin ist eine kaiserliche Verfügung erslossen, durch welcke der russische Finanzministcr ermächtigt wird, im Einvernehmen mit dem Gencralgouverneur von Warschau für den Bau von kleinen Casernen für die Grenzwache in einviertelstündigcr Entfernung von der Grenze vorzusorgen. * Zur Dardanellenfrage schreibt die „Neue Preußische Zeitung": Tie „Nowoje Wremja" freut sich fcstzustcllcn, daß die Anstrengungen, welche der Dreibund gemacht habe, um gegenüber der russisch-französischen Einigung eine Gegenwirkung zu erzielen, in nicklS verpufft sei. Der Empfang, den Eng land den Franzosen bereitet habe, werde ohne Folgen bleiben, da die Haltung der englischen Presse in der Dardanellen srage den StimmungSerfolg wieder verspielt habe, von Sckwarzcnau rede kein Mensch, weil dort eben nicht« erreicht worden sei, ja nicht einmal die geplante Ver stärkung der österreichischen Armee werde erfolgen, da der öslcrreichiscke Finanzminister energisch dagegen prolestirt habe. Wer seine Nerven ansrcgen wolle, dem bleibe nur noch Sofia und Belgrad, die aus bekannter Quelle (!) immer neue Stiisationsnachrichten lieferten. Es werde demnach eine poli tische Stille eintreten und das sei ein großer Erfolg Ruß lands und Frankreichs, da die Erneuerung des Dreibundes ein gewiß bedenkliches Symptom war, daS durch die englisch- italienische Verständigung noch verschärft worden sei. Jetzt könne die Gefahr als verschoben gelten, da England keinerlei formelle Verpflichtungen dem Dreibünde gegenüber eingehe und die Mächte zweiten RangcS keinerlei Neigung zeigten, die Tyrannei Deutschlands aus sich zu nehmen. „Dies alle« bat sehr schnell zu den bekannten Ereignissen von Konstan tinopel geführt, welche bewiesen haben, daß der Dreibund, der geflissentlich bemüht war, Frankreich und Rußland in Europa zu isoliren, leicht selbst in jene isolirte Stellung ge- rathen dürfte." Ter Dreibund habe daher beschlossen, ab- zuwartcn und die von ihm künstlich geschaffene Dardaucllen- frage nicht weiter zu urgirrn. Er hoffe früher oder später einen neuen Anlaß zu finden, das zu erreichen, was drr Sturz KiamilS undurchführbar machte. DaS Zufammcnsteben der russischen und französischen Diplomatie aber werde diesen Bestrebungen cntgegenarbciten und so lasse sich auS alledem der Schluß ziehen, daß der Friede jetzt sicherer stebe als zu An fang des ZahreS. Ohne auf diesen uns problematisch er scheinenden Schluß, der, wie wir überzeugt sind, zur Zeit einem dringenden Wunsche Rußlands Ausdruck giebt, näher einzugeken, heben wir die interessante Thatsache hervor, daß die russische Presse hier offen den Sturz Kiamil's als ein Werk französisch-russischen Ursprungs feiert. DaS ist sehr lehrreich, dürfte aber mehr zugestehen, als der russischen Regierung lieb ist, die allezeit behauptet, diesen orientalischen Dingen im Unschuldskleide der naivsten Ueberraschung gegcn- überzusteben. * Nach einer der „Polit. Corr." aus Konstantinopel zugehenden Meldung ist der bisherige französische Botschafter bei der Pforte, Graf Montcbello, vom Sultan in AbschicdS-Aukicnz empfangen worden. * Die Cassalionskammcr de- schweizerischen BnndeSgericktS hat die Cassation der Beschwerde der Civilpartei gegen das Urtbeil der Criminalkammer in dem Tessincr Processe in Zürich mit 3 gegen 2 Stimmen abgewiesen. * Der italienische Botschafter in London, Graf Tornielli, ist auf seinen Posten zurückgekebrt. Zn den Unterredungen deS Botschafters mit dem Ministerpräsidenten wurde das Verhalten Italiens gewissen Eventualitäten gegen über festgestcllt. * Die römische „Opinione" sagt bei der Besprechung der Reden Kaiser Wilhelm'« in Schwarzenau, München, Cassel und Ersurt, dieselben bewiesen, daß der Kaiser die Ueberzeugung gewonnen habe, seine ehrlichen Bemühungen, den Frieden zu erhalten, seien nutzlos, die deutsche Einheit werde nicht anders als kerro igniczus vertheidigt (?) werden könne». * Wie verlautet, hat der portugiesische Gesandte am spanischen Hofe Madrid verlassen in Folge eines Artikels des „Imperial", der von einer spanischen Intervention in Portugal redet. Wie eS heißt; will der Gesandte erst nach einer officiellcn Zurückweisung dieses Artikels durch die spanische Regierung auf seinen Posten zurückkehren.— Der spanische Kricgsminister tbeiltc mit, daß demnächst mit der Herstellung von 200 000 Mausergcwebrcn nach im Auslande gekauften Mustern be gonnen werde. Zn Bilbao wird gegenwärtig rauchloses Pulver fabricirt, welches in nächster Zeit geprüft werden soll. * Ueber ein skandinavisches Studentenfest schreibt man auS Kopenhagen, 14. September: Vorgestern haben sich nach einer Zwischenzeit von vielen Jahren wieder einmal Studenten aus den skandinaviscken Ländern zu einer Vcr- brüderungSfcier versammelt, welche in dem bekannten andert halb Stunden von Kopenhagen entfernten Badeorte Lkods borg abgcballcn wurde. Die skandinavischen Stutententagc spielten bekanntlich in den Fünfziger Jahren eine nicht unbe deutende Rolle in der damaligen politischen Bewegung. Man erwartete, daß dieselben die Idee der Union der drei skandinavischen Länder mäcktig fördern werden, anderer seits batten diele Veranstaltungen den Zweck, darzuthnn, daß der ganze skandinavische Norken in dem damals drohenden Kampfe Dänemarks gegen das Tcutschthum auf Seiten des ersterc» stehen werde. Nachdem eS sick im Zabrc 1861 er wiesen batte, daß von den begeistert verkündeten Versprechungen nur herzlich wenig geholten wurde, war eS mit den Studciiten- tagen bald zu Ende; der letzte derselben scheint im Sommer >869 abgcbalten worden zu sein. Mag nun der Brauch der skandinavisckcn Studcntcnvcrbrüdcrung zu welchen» Zwecke immer erneuert worden sein, keinesfalls kann derselben unter den beutige» Umständen eine thatsäcklicke politische Bedeutung zukommen. Die Zeiten, wo die Hvckschuljugend den Anspruch erbeben durste, in den Gang der Politik einzugreifen, sind auch im skandinavischen Norden vorüber. * Nachdem man von russischen Machenschaften im Orient genug vernommen hatte, konnte man gespannt sein,
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