Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.10.1891
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18911016025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891101602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891101602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-10
- Tag1891-10-16
- Monat1891-10
- Jahr1891
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abo««ement-pretS in der Hauptexpeditlon oder den Im Gtodt- be»l: nd ' n Bororten errichteten Au», aabeslellen abgeholt: vierteljährlich «t4.50. kei zweimaliger täglicher Zustellung inj Pa>« .>» Ü.50. Durch bi.' Post bezogen i.ir De-!.,chland und Lefferreict': vie>lel„U»lich -St 6.—. Direele tägliche »treuzluinbicuLung ins Auclond: monatlich ./ä !).—. Tie Mrrgen.?l»jgabe erscheint täglich '/,7 Uhr, die Adcnd-Auegade wochentags 5 Uhr. Rc-artion und Lrpeditiou: Iohauiiesgasse 8. Li« Expedition ist ununterbrochen ge öffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ttt« Alkmm'ü Sortim. tAlsrcd Hahn), Univerjltütsstrabe 1, LouiS Lösche. Katharinenstr. 14, Part, und KönigSplatz 7. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Abend-Ausgabe. >4. e PetttieU« etionlffrsch Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. Jnfertton-Prei- vroraea-Aulgab«: dt« 6,«spalte« >«M» zette LO>^, Reclam«u unter dem NedactioaS- Urich «gespalten) bO-4. vor den FanMea» »achrichten (6 gespalten) 40/ Abend-AuSgab«: die 6gespaltene 40 Reclamra unter dem RedaetionSß «gespalten) I ^1, Familiennachrichte« und Anzeigen verlorener Gegenstände IS gespalten) 20^ Grügere Lchristen laut nnserrm Preis- verzcichnib. Tabellarischer und Ziffernfatz nach höherem Tarif. Extra-Vetlagan (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsürderuag " 60.—, mit Postdesörderuog ^l 70.—. Ännahmeschlaß fir Inserate: Abend-LnSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgea-AuSgab«: Nachmittag- «Uhr. Sonn- and Festtag» früh S Uhr. Bei de» Filialen und Annatzmeftelle» je «tue halb« Stund« früher. Inserate sind stet» an die Expk»m*«t zu richten. -N 328. AreitaH den 16. October 1891. 85. Jahrgang. Universitäts-Bibliothek. Die für nächsten Sonnabend, den 17. October, angesagte Feier der Einweihung des neuen Gebäudes muß wegen eines Todesfalles auf Sonnabend, den 24. October, um 11 Uhr verschoben werden. Leipzig, den 15. October 1891. vr. Lrelil. Zur inneren Lage. §Z. Berlin, 15. October. Der socialdcmokratische Parteitag, welcher gestern in Erfurt eröffnet worden ist, nimmt den Verlauf, welchen wir vvrbergesagt haben. Tie Opposition wird von der großen Mehrheit der „Delegirten" für unberechtigt erklärt, und die „Zungen", welche sich nicht reumüthig unterwerfen, werden in den großen Bann gethan. Sie „stiegen hinaus", weil cs die Herren Liebknecht, Bebel und Auer wollen. Und da cs doch nicht ganz »»einträglich ist, „Genosse" zu sein, besonders wenn man auf Parteitage gesandt wird oder gar Aussicht bat, als „Redactcur" angestcllt oder zum Abgeordneten gewählt zu werde», so werden die „Jungen" mit geringen Ausnahmen sich beeilen, sich zu unterwerfen. Aus Leni Bericht, welchen der Parteivorstand erstattet bat, geht hervor, daß die Sccialdemokratic dem deutschen Botte recht viel Kosten verursacht. Die Reichstagö- abgcordnetcn, welche von auswärts kommen, erhalten, falls sie durch den Berliner Aufenthalt irgend „eine Schädigung in ihrem Geschäft erfahren" ll tägliche Diäten und außerdem 25 ./«! monatlichen WohnungSgeld- ruschuß. DaS bedeutet eine MonatScinnahmc von 300 .-i! ES läßt sich begreifen, daß Eigarrenmacher und ähnliche Leute lieber sich in Berlin aufhallen und nichts thun, als in I ihrer Heimath der Arbeit nachgche», wenn sie dafür so gut bezahlt werden. Und diese Leute bilden selbstverständlich auch eine getreue Gefolgschaft der „Führer" —, denn andern falls ist cS mit dem schönen Leben zu Ende, sic „fliegen hinaus!" Auch sonst ist für die der Partei gewährten „Leistungen" eine gute Besoldung vorgesehen. Wir sehen davon ab, daß die Rcdaclcure des „Vorwärts" höhere Gehalte beziehen, als sie vielfach bei „Bourgeois-Blättern" gezahlt werden, so wird einem Saltlergescllen, welcher als „Secrclair" sungirt, rin IahreSgehalt von 3000 -<e gewährt. Außerdem bcziebr der Mann aber noch seine Diäten als Abgeordneter und als Delegirtcr zum Erfurter Parteitag, zum Brüsseler Partei tag u. s. w. Wir glauben, cS ist in de» Arbeilcrkrcisen viel zu wenig bekannt, wie die Arbeitcrgroschen, die böchste, sehr oft die einzige Steuer, welche die Socialdcmokratcn zahlen, verwandt werden. Sämmtllchc Agitatoren gehen darauf aus, einen möglichst einträglichen Parteiposten zu erhalten, sie sämmtlich hängen möglichst schnell ibr Handwerk an den Nagel, in weichem sie übrigens meist auch nur schlechte Leistungen zu bieten vermögen. Die socialdcmokratische Agitation ist ein gar verlockendes Geschäft geworden, und das Mindeste, was die Agitatoren aber jedenfalls und sebr schnell erreichen, ist, daß sie aufhörcn zu arbeiten, daß sie ei» „Geschäft" errichten, wozu immer daS Geld aus der Partci- casse vorgeschoffen wird. Die beliebtesten Geschäfte sind die Gastwirlhschast und der Cigarrenhandel. Zu berücksichtigen bleibt, daß der Parteibcricht nur über die „Eentralcafse" Auskunft gicbl, »nd nur, soweit die Ge schäfte die Eontrole der Oeffentlichkcit vertragen. Weiteres wird nicht veröffentlicht. Es bestehen aber noch sehr zahl reiche locale Caffen, über deren Verwaltung gar nichts in die Ocffcntlichkcit dringt, und man wird wohl nicht fehl gehen, wenn man annimml, daß in Deutschland jährlich ein paar Millionen Mark, welche zumeist aus den Taschen der angeblich zu schlecht gelohnten Arbeiter stieße», auf die Agitation und die möglichst behagliche Ernährung der social- demokratischen Agitatoren und „Beamten" verwendet werten. Es ist eine Pflicht der ehrlichen Presse, den Arbeiter und „kleinen Mann" auf diese Dbatsachcn aufmerksam zu machen und dcni die Leistungen der Sociakbemokralic, welche lediglich in Aufreizung und Verhetzung bestehen, gegenüber zu stellen. Im klebrigen boffen wir, daß die bürgerliche Presse, wenn sie auch mit Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit die Vor gänge im socialtcmokratischen Lager verfolgt, doch nicht wieder dem Fehler verfällt, welcher im vorigen Zähre vielfach begangen und mit Recht gerügt worden ist, nämlich durch spailcnlaiige Berichte über den Erfurter „Parteitag" in in- dirceter Weise der Agitation der Socialdcmokratcn Vorschub leistet, gewissermaßen für die dortigen Schwätzercien Reclame macht und die Zänkereien der im Grunde doch sehr unbedeutenden Leute als wichtig binstellt. Je weniger die urtheilösäbige und gebildete Welt, von den Reden der Herren Singer, Auerbach, Werner und sonstiger „Größen" Kenntmß nimmt, um so bester. Die seichten Schwätzer und gewissenlosen Hetzer darf man nickt als Staatsmänner hinstellcn, und je weniger sie von Anderen beachtet werden, um so mehr zanken sie sich unter einander. Wie Recht Fürst Bismarck batte, die „Freisinnigen" als die Vorfrucht der Socialtcmokraten zu bezeichnen, ersehen wir auch aus dem Ergebniß der am 13. abgehaltenen Er- gänzungSwablcn zur sächsischen Zweiten Kammer, denen man in diesigen polilitchcn Kreisen »nt dem größten Zntercssc ge folgt ist. Zm Ganzen genommen sind die Socialbcmvkraren um so viel stärker geworden, als die „Freisinnigen" zurück gegangen sind. Man darf daraus folgern, daß cs durchaus richtig und aiiHezeigt ist, wenn die patriotische» Parteien einheitlich und geschloffen immer nnd überall den „Freisinn" bekämpfen, weil sie dadurch von vornherein ein Wachsibnm der Socialdemo- kraie» verhindern. Im Weiteren bestärkt der Ausfall der sächsischen Wahlen uns in der Zuversicht, daß die gemäßigt Liberalen und Eonscrvativen sich immermebr von der Uebcr- zeugung durchdringen lassen werden, daß sie Hand in Hand zu gehen haben und daß ihre Organisation fest und dauernd begründet bleiben muß. daß sie nicht erst, wenn Wahlen vor der Thür stehen, die Organisation in Angriff nehmen. Wenn wir in Deutschland überall uns in dieser Hinsicht das König reich Sachsen zum Muster nehmen, wo wegen der gewaltig entwickelten Industriecentren die Verhältnisse doch besonders schwierige sind, werden wir in absehbarer Zeit auch der socialvemokratischen Agitation Herr werte» können und im ganzen Reiche wieder ruhigere und friedlichere gesellschaftliche Zustände bcrstcllcn zum großen Vortbeile Aller, und ganz besonders auch der heute noch vielfach irregeführtcn und von Agitatoren mißbrauchten Arbeiterklasse. Leipzig, 16. October. * DaS Kaiscrpaar verweilt zur Zeit noch im Jagd schloß Huberlusslock, von wo auö der Kaiser alltäglich Iagd- partic» in die Schorsbaide unternimmt. Die Rückreise »ach dem Neuen Palais dürfte am Sonnabend erfolgen. * Der Bund eSra t h hielt Donnerstag wieder eine Plenar sitzung ab, auf deren Tagesordnung indessen nur Gegenstände von untergeordneter Bcdcnlung sich befanden. * Den Mitgliedern des am 21. October Vormittags im Auswärtigen Aint in Berlin zusammenlrelendcn Colonial- ratheö sind, wie wir börcn, bereits einige Vorlagen zugegangen, so die Entwürfe zu den Local-EtatS der Schutz gebiete von Kamerun, Togo und Südwest-Asrika; die beiden crsteren balaneircn in^Eiiinahme und Ausgabe; für Südwest- Asrika wird dieselbe Summe wie im Vor>abre gefordert; für Tcutsch-Lstafrika wird ein Pauschgnantum verlangt. Ferner ist ciugebracfft: Der Entwurf einer Zollordnung für Deutsch- Ostafrita. Sodann wird ein Gutachten darüber erbeten, in welcher Weise die Verzollung der für die Missionögesell- schaftc» in den Schutzgebieten cinzuführcnden Gegenstände erfolgen soll. Ob noch weitere Vorlagen zu erwarten sind, ist noch unsicher. * Nach einer Mittbeilung der „Allgemeinen ReichS- Correspondenz" beabsichtigt die deutsche Marine Ver waltung fortan den ganzen Bedarf an Mannschaften den Küstenländern zu entnehmen und mit dem System de« frei willigen Dienstes möglichst zu brechen, weil der bisherige Modnö betreffs prompter Heranzickung zur Dienstleistung des Beurlaubtcnstandcs, besonders aber im Falle einer Mobil machung, Schwierigkeiten hervcrrief. * Zn der Presse ist die Rede davon, daß bei mehreren Truppentkeilen ei» praktischer Versuch mit der zwei jährigen Dienstzeit gemacht werden soll. Es werden daS 4. Garde-Regiment und die Infanterie Regimenter 13 k und 115 als solche bezeichnet, bei welchen je ein Bataillon in der Art sormirt würde, daß die im nächsten Monat ein- trctendcn Recrnten ein Bataillon für sich bilden werden, während die älteren Mannschaften den anderen Bataillonen zugewiesen werben. Dies dürste nach der „Kreuzzeitung" kaum correct sein; die Sache würde wobl so vor sich geben, daß die betreffenden Bataillone zur Hälfte aus Mannschaften, welche bereits ein Jahr gedient haben, und zur anderen Hälfte aus Recrnten gebildet würden * lieber die Handlungsweise des seit einiger Zeit von den Antisemiten zum Partcigötzen erhobenen Rectors Ahlwardt äußert sich der Stöcttr'sche „RcichSbotc", indem er den Proccß Manchö beleuchtet: „Erschloß der vorige (SensationSproceß), der Proccß Heinze, unS nach unten un heimliche Abgründe des Lasters und der Schande, so enthüllt der jetzige nach oben hin Dinge, die nicht minder schmerzlich und fast noch bedenklicher sind, da sie an die Integrität un seres BeamtcnthumS rühren. Zwar sind nur ein königlicher Hofrath und ein jüdischer Kaufmann Meyer bestraft worden,— aber ein Finanzminister und ein Polizeibeamter, sowie eine hochgestellte Dame sind in die Affaire bineingezogcn worden, und ein Rector erscheint als der eigentliche Veran lasser und Einfädler der Affaire, der sich gleich ein Trinkgeld von 2000 ausbedingt, cs auch erhält »nd sich sonst noch gegen Vorschüsse für Erlangung eines Ordens für den Fabrikanten Dboma« bemüht — und der trotzdem hernach die ganze Sache öffentlich denun- cirt! Im Interesse der öffentliche» Moral muß man sich freuen, daß er da« gctban hat, und so daS schändliche Treiben enthüllt wurde, aber auf die Person dcS Mannes wirft cs ein desto ungünstigeres Licht. * Die „Hamb. Nachr." führen in einem Leitartikel aus: In den leitenden russischen Kreisen herrsche die Ueber- zeuguug, daß. so lange der jetzige Zar regiere und Giers Minister des Aeußcrcn sei, kein Krieg gegen Deutsch land entstehen könne. Der Zar werde die jetzige Stellung Rußlands nicht anss Spiel setzen, um für Frankreich die Kastanien a»S dem Feuer zu holen. * Man schreibt uns ans Weimar: Der hiesige „Deutsch- freisinnige Verein" liebt es — zumal seitdem er den be kannten vr. Fränkel als Agitator „gewonnen" hat — bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit von sich reden zu machen und seine sehr unmaßgebliche Meinung in koch- lrabendcn „Resolutionen" zum Besten zu geben. Heute „entrüstet" sich diese Creme der weimarischen Demagogie über irgend einen Vorfall »n Heere, morgen „fordert" sie die Aushebung der Getreidezölle und übermorgen „dictirt" sie unserem Landtage das Arbeitspensum. Allerdings hat man an competenter Stelle bi« jetzt alle diese marktschreierischen Kundgebungen unbeachtet gelassen, und dies wird wohl auch in Zukunft geschehen, zumal mit dieser Art von Politik kein Zweig des staatlichen Lebens geleitet werden kann. Nun ist cs nicht die Erkenntniß der eigenen Nullwerlbigkcit, welche den genannten Verein bestimmt, von jeder Erörterung der Romsahrt des weimarischen RcichStagSabgeordnetcn Sam- Hammer abzusehrn, sondern wohl nur der Mangel sedwedcn Verständnisses für nationale Politik. Herr Samhammer, dem eS ja seine Mittel erlauben, muß natürlich auch dabei sein, wenn in Rom über die Erhaltung des Friedens geplappert wird, —unbekümmert um die bekannten Vorgänge, die auch einen reisinnigen Parlamentarier bewegen sollten, dieser Komödie crnziibleiben. Unser Herr Abgeordneter gebt aber noch weiter und schreibt ein Brieslcin »ach der Diberstadt, dessen Inhalt in der That ein sonderbares patriotisches Bewußtsein zeigt und selbst dem „Berliner Tageblatt" nickt gefallen will. Hier sollte der „Freisinnige Verein" einmal eine Resolution taffen und seine» Abgeordneten darüber belehren, waS die Pflicht, was die Liebe zum Vaterland fordert! Davon ist aber natürlich nicht die Rede, wie cS ja wohl auch eine schwere Aufgabe sein mag. Andere über DaS zu unterrichten, was man selbst nicht zu bethäligen versteht. * Am Donnerstag Vormittag fand in Eiscnack die Wahl cincö Land kagöabgeordneten durch die Wabl- »iänncr der Stadt Eisenach statt. Von den Nationallibcrale» wurde die Wiederwahl des Oberförsters BlattbeS in Vor schlag gebracht, dagegen schlugen die Freisinnigen den Forsl- commiss.rr a. D. Eaffclinann zur Wabl vor, welcher für „Beseitigung des alten Zopseö »nd Schaffung eines neuen Wahlgesetzes" cintrcicn würde. Nach längerer Debatte nahm Herr MattbeS daS Wort und erklärte, datz er für daS direele nnd allgemeine Wahlrecht sei, aber nicht für daS gleiche Wahlrecht, da er bei de» bcutigen Tendenzen der Arbeiter diesen nicht einen zu großen Einfluß aus die Siaatölcitung cinräumcii wolle. DaS Ergebniß der Wabl war, daß aus Herrn MattbeS 33, auf Herrn Caffclmann l'3 Stimmen fielen; erstercr also gcwäblt wurde. * Ter baycrisckc Gencraldircctor Scffnorr v. CarolS- fekd äußerte sich i» der Münchener Abgeordnetenkammer über den Eisenbab nunfall bei EggolSheim. Mit ab soluter Bestimmtheit seien die Ursachen dcS Unfalles, da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen, vorerst nicht fcstzn- stellen. Eines sei richtig, daß die Spur, auf weicher der Zug passirte, am UnglückStagc nicht ganz in Ordnung war Am 2. Juli, also zwei Tage vor der Katastrophe, seien die Geleise verschoben worden. Am 3. Abends war daS kritische Geleise fertig, bis ans eine kleine Strecke, auf welcher gerate auch der Unfall passirte. Auf dieser Strecke waren wobl Schienen nnd Schwellen vollständig in Ordnung gelegt, doch die Ausfüllung dieser Strecke noch nicht ganz vollendet. In der Nacht vom 3. bis zum 1. Juli »»n seien abnorm starke Regengüsse gefallen nnd cS müsse wohl angenommen werden, daß hierdurch die Ausfüllung stark beschädigt worden, so daß duxch die Schwankung der Fahrzeuge, besonders der schweren Loj^inolivrn, eine Verschiebung der Schienen bewirkt und hi^»".rch daS Unglück veranlaßt worden sei. Nicht aus geschlossen sei übrigens, daß auch ein Scbienenbruch statt- geftinden babc, doch lasse sich darüber Positives noch nicht sagen. Die Geschwindigkeit, mit welcher der Zug fuhr, war 35 Kilometer in der Stunde. Der Zug hatte fahrplan mäßig an der Station nicht anzudallen, sondern nur dort zu kreuzen, so daß der Führer, da der andere Zug bereits daslanv, die Station durchfahren konnte. Eü sei dies auch mit normaler Geschwindigkeit geschehen. Wären die Regengüsse nicht gefallen, so wäre die angcwcndetc Geschwindig keit absolut gefahrlos gewesen. Eine Vermeidung des UngliickS- fallcü habe unter diesen Umständen nur bei einer absolut geminderten Geschwindigkeit oder noch besser durch ein Anhallen des ZngcS und darauf erfolgendes Hinübcrleitcn im langsamen Tempo über die UnraUstcUc geschehen können. Von welcher Seite das Unterlasse» dieser Maßregel ver schuldet war, werde die Untersuchung erweisen. * Aus München wird uns geschrieben: Die Abgeordneten kammer des bayerischen Landtages wird gemäß de» Aurschußbeschlüssen das Gesetz, bctr. die Aenderung des Strafgesetzbuches, tz. 134, betr. Agcutenbestrafiing nicht concesstonirtcr Caffen, Gesellschaften rc., nach kleinen Ab änderungen am nächsten Sonnabend annehmen. Aus de» socialislischcn Protcstrummel, daß mit der vorgcschlagencn Er gänzung des P.-Llr. G--B. die freien Hilfscassen der ConccssionS- pflicht unterworfen werden sollen und die EoalilionSfreiheit der Arbeiter bedroht ist, hat der Ausschuß nicht weiter reagirt, jedoch gab der Minister des Innern die Erklärung ab, cs sei ihm Derartiges nicht in den Sinn ge kommen. Damit geben sich die Socialistcn aber nicht zufrieden und deren Organ erwidert heute hierauf: „Die ministerielle Versicherung ist ja sehr schön und dankenSwcrth, aber sie genügt nicht. Ein Gesctzesparagraph darf nicht aus Kautschuk sei», sondern muß präcis aussprechc», was er will. Deshalb verlangen wir mit Recht, cö wolle klar und be stimmt im Gesetze ausgesprochen werden, daß die bereits ge kennzeichneten Caffen ausgenommen sind." Diesem socialistischen Verlange» wird nicht Rechnung getragen und daS Gesetz ohne daraus bezügliche»Vermerk angenommen werden. Die zehnjährige Ministcrthätigkeit des Baron Feilitzsch weist nicht einen ein zigen Fall auf, daß Staatsininister von Feilitzsch je ein gegebenes Wort gebrochen oder nicht gehalten hätte, was er versprochen. Mit seiner Erklärung vom 13. dsö. könnte sich die socialdemokratische Partei in Bayern völlig beruhigen, wenn sie wollte. Sie scheint aber nur ein neues, von einem Partei- furisten ausgeklügeltes Agitationsmittel in die breiten Massen werfen zu wollen, das allerdings in dem Falle, daß vielleicht einmal eine untergeordnete Behörde einer Hilsscasse im Ueber- eifer unter Berufung auf das neue Gesetz nahetreteu würde, recht wirksam werden könnte, gleichgilUg dann, ob die mini sterielle Remedur sofort eintrilt oder nicht. Unter diesem Gesichtspunkte wäre es vielleicht angezeigt gewesen, den Be griff „Caffen" doch näher z» präcisiren und weiterer Wühlerei vorweg einen Riegel vorznschiebcn. * Wenn Herr Bong hi für seine auS tiefster Unkcnntniß der Thatsachen geschöpften Bemerkungen über die deutsche» Erfolge in Elsaß-Lothringen noch einer Abfertigung bedurft bätte, so wird sie ibm jetzt anf« Kräftigste »nd Schlagendste von der sachverständigsten Seile z» Thcil. Der elsässischc RcichStagsabgcordncte llr. Höffel, ein geborener Elsässer, Mitglied der Rcichspartei, zieht jetzt seine anfänglich erklärte Zusage, zu dem parlamentarischen Congreß in Rom zu erscheinen, mit Rücksicht aus die Veröffentlichung Bonghi'S zurück und bemerkt dazu: „Bongki babe von der Stimmung in Elsaß keine Ahnung; die Zeit babe hier da« Stadium der Versöhnung herbeigesührt, eine neue Generation sc» herangewachsen, die von Frank reich nichts mehr wisse und von den Allen habe sich die große Mehrzahl mit den bestehenden Verhältnissen ehrlich abgc- sunden." Herr Höffel befindst sich damit völlig n, Urberem- stimmung mit seinem College» vr. Petri, dem Straßburger Reicl'StagSabgeordneren Wenn Herr Bonghi, der ebenso red selige als unwissende „Staatsmann", seinem eigenen Kopf mcbr vertraut als solchen compctcnten und gewiß keiner un gerechten Voreingenomwenbeit gegen Frankrcich verdächtigen stimmen, so muß man ihn eben seinen Weg geben lasten. Er gicbt jetzt jeden Tag eine Erklärung ab. Tie neueste an Professor RegelSbcrgcr in Götlingen schließt mit den stolzen Worten: „Ich will nicht, ich kann nicht, ich werde niemals etwas Anderes sage», als waS ich gesagt babc." DaS ist bekancrlicb, aber wir werken es tragen müssen. Wunderbar ist nur, daß ein solcher Manu in Italien anscheinend noch ernst genommen wird. * Mit dem badischen Staatsmann InliuS Iolly ist ein Man» aus dem Leben geschieden, der sich um die nationale Neugestaltung Deutschlands und um den Ausbau dcS badischen Staatöwcseiis in gemäßigt liberaler Richtung die größten Verdienste erworben bat. Mit den älteren badischen Staats männer». Matbv, Lamcy, Noggcnbarb, Blunlscbii war er in den ersten scchSzigcr Jahren, als die nationale Be wegung begann, iiiit iinernindlichcr Energie bestrebt, die Sacke der deutschen Einbeit, die Reform der BundeS- vcrbältnisse unter preußischer Führung z» fördern. Als die Entsibcidung des Jahre« 1866 im Sinne der nationalen Politik erfolgt war, fand er für seine Be strebungen einen reich. » und fruchtbaren Boden der praktischen Wirksamkeit, als Präsident dcö Ministeriums dcS Innern, dann nach Malby's Tod als Leiter dcS GcsainmtniinistcriumS. In jene» für Siidtcutschland so überaus schwierigen Iabre», da sich der norddeutsche Bund bildete nnd be festigte und die Südstaaten in unbaltbarcr Selbstständig keit für sich standen, bat Iolly sich die entscheidendsten Verdienste um die Vorbereitung zu dem Anschluß Badens und der anderen süddeutschen Staaten, zu dem Zusammenschluß dcS gcsaminten Reichs erworben, wie er dann durch die Versailler Verträge, bei denen er selbst die Verhandlungen führte, erfolgte. Auch in de» siebziger Jahren Kat er dann als Leiter des badischen StaatsministeriuinS »nd Mitglied dcS BundeSratbs lebhaften »nd ersolgreiwen Änlbcil a» den grundlegenden Arbeiten der RcichSgcsetzgebung genom men. Iin Herbst 1876 trat er aus der Regierung und über- nahm daS Präsidium der Oberrcchinnigslammer. Auch in der inneren badische» Politik hat Iolln tiefe Spuren seiner Wirksamkeit hintcrlasscn. An der Rcsornigtscygcbung auf den verschiedensten Gebieten de« StaatSlcbeiiS, die Baden zu einem der vorangeschritteufteri und -bestverwallclen der deutschen Staaten machte, hat Iolly den thätigstcu Antheil genommen und viel Nützliches gewirkt, wenn man ihm auch vielfach eine elwaS rücksichtslos durchfahrende Energie und einseitigen Doktrinarismus vvrgeworsen hat. Die Tbatkraft und Entschiedenheit, mir der er die Rechte »nd Interessen des Staates gegen die Ansprüche der katholischen Geistlichkeit wahrte, bat ibm von dieser Teile bcstige An feindungen eingetragen, was auch bei seinem Rücktritt von der Regierung in Zeilen, wo man in den kirchenpolitischen Streitigkeiten mildere Saiten auszuziebcn wünschte, von Ein fluß war. Mit einer Sckrift: „Der Reichstag und die Par teien" ist er »ach seinem Rücktritt vom Ministerium auch publicistisch ausgetreten. * Der „Staatsanzeiger für Württemberg" ver öffentlicht eine Bekanntmachung des StaatSniinistcriumS, nach welcker der König beschlossen habe, in Zukunft den Titel „Wilhelm II., von Gottes Gnade» Köni^ von Württemberg" zu führen. Der „Staatsanzeiger" veröffentlicht ferner eine große Anzahl von Ordensverleihungen anläßlich des Rcgie- rungSwechfelS. . * . * Die „Italic" versichert aufs Bestimmteste (!), daß bei der Zusammenkunft des Königs mit Rudini und Giers keine politische Frage angeregt worden ist »nd kein politische« Gespräch (?) geführt wurde. Die ganze Unterredung be schränkte sich anf den Austausch herzlicher Versicherungen zwischen dem Könige und dem Vertreter deS Zaren. * Eine Privatdepcsche auü Bana na meldet die Ermor dung von fünf belgischen Missionaircn am oberen Congo. * Fast alle Pariser Blätter sprechen sich dahin auS, daß die bevorstehende parlamentarische Tagung offne ernste Zwischenfälle verlausen werde. Zwar macht ein Theil der Radikalen unwirsche Gesichter, aber auch sie werden sich wegen der äußeren Lage ruhig verhalte». Den größten Trumps, welche» das Ministerium gegenwärtig in der Hand hat, ist die Unterstützung, die cS beim Kaiser von Rußland zu finden scheint. Der Zar, so sagen die Depulirtcn der Mehrheit, hat zu verschiedenen Malen und sehr deutlich den Wunsch ausgedrückt, daß die ministeriellen Krise» in Frankreich seltener werden mochten, und nur seine Ansicht, daß daS Cabinel Freyeinct Aussicht auf Bestand habe, sei für ihn der Anlaß gewesen, mit Frankrcich in direele Beziehungen zu treten. Um jeden Preis die Freundschaft der Russen zu erhalten, ist heute das politische GlaubenSbekennt niß in ganz Frankrcich, und der bloße Gedanke, daß der Zar sich wieder von der Republik abweiidcn könnte, erzeugt fieder- bafte Unruhe. Deshalb berührt auch die Zusammenkunft in Monza, obgleich die Regierungsblätter ibr jede Bedeutung absprcchen, in den amtlichen Kreise» höchst peinlich. Man siebt mit Besorgniß, daß der russische Minister des Acußern un mittelbar nacff den Kundgebungen gegen Frankreich dem König Humbert in Monza seine Aufwartung machte »nd dir Be sorgniß wird dadurch gesteigert, daß Herr von Mohrenheim, der getreue Eckebard der Republik, sich in bedenkliche« Schweigen hüllt. An Arbeiten wird eS übrigens in der be vorstehenden Session nicht fehlen und wird kaum als möglich betrachtet, den neuen allgemeinen Zolltarif und das Budget »och vor Ende diese« Jahres vollständig zu erledigen. Die Kammer wird bereits am Montag die Budgetbcratbung be ginnen, aber der Senat kann wegen der Saumseligkeit seine« Ausschusses erst in 14 Tagen in die Berathung des ZolltarisS eintreten, so daß ihm schwerlich Zeit bleiben wird, noch das Budget zu bewältigen. * Mit welchen Mitteln in Paris für die Russcn- anleihe gearbeitet wird, zeigt ein Artikel Cassagnac'S. welcher die Juden beschuldigt, gegen Rußland zu arbeiten und fortfäbrt: „Wenn die Juden ihre vaterlandSfeindlichm
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite