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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920130020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892013002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892013002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-01
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Mls linier dem Vorsitz desVicc-Präsitciiten des StaatSministcriuins, Ltaatssecretairs deö Innern llr. von Boetlicher abgchaltcnen Plenarsitzung mehrere A>lsführu»gsbesti»imu»geii zu den neuen Handels- und Zollverträgen, insbesondere die durch dieselben erforderlich gewordene Abänderung deS amt lichen Waarenverzeichnisscs, und crtbcilte den Gesetz-Ent würfen für Elsaß-Lothringen über die Rechtsverhältnisse der Lehrer, über das Notariat, sowie wegen Ausführung deS NeichSgesetzes vom 6. Februar 1875 über die Beurkundung deS Personenstandes und die Eheschließung die Zustimmung. Der Entwurf einer Verordnung über die Classcneintheilung einzelner Orte wurde dein Auchchuß sür Rechnungswesen und dem Ausschuß für taS Landheer und die Festungen, die Reso lution deS Reichstags wegen Herbeiführung einer statistischen Aufnahme über die Lage der arbeitenden Klassen dem Reichs lanzler überwiesen. Endlich wurde über die Wiederbesetzung einer Mitgliedstelle bei dem Bundesamt für das Heimath wesen Beschluß gefaßt. * lieber kaS Austreten Eaprivi's in der gestrigen Sitzung deS preußische» Abgeordnetenhauses äußert sich die „Nationalliberalc Eorrespondenz": Der Ministerpräsident Gras Caprtvi schlug heute in dieselbe Kerbe wie der CultuSminifler. Er erblickte in der »othgcdrungcncn Ab wehr eines solchen Gesetzes eine höchst überraschende Kriegserklärung der nationalliberalen Partei und lhat, als ob eine geheime Ver schwörung gegen die Harm- und arglose Regierung rum Ausbruch gekommen sei, die gor nicht begreifen könne, wodurch sie das eigent lich verdient habe; er machte die Bemerkung, die Regierung habe, als sie den Entwurf auSarbeilete, kein« Atmung gehabt, mit welchen Parteien sie dabei werde gehen können. „Wie konnte sie wissen, daß Sie eine allgemeine groge liberale Partei schaffen wollten?" Er drohte auch, die Regierung werde gegen den Strom schwimme» können, er verschmähte auch nicht die abgenutztesten Redewendungen iiltramontaner und hochconservativer Hetzredner, daß es sich um Religion oder Atheismus, ChristeuthiiM oder Unglauben bandle und dag die liberale Weltanschauung, wenn auch nicht bewußt, so doch thatsüchlich aui Beförderung deS Atheismus und der Socialdemokratie hinauslause. Tie Rede ries aus der ganzen linken Seite deS Hauses berechtigtes Befremden hervor. Unter diesen Umständen ist freilich auf eine Verständigung kaum mehr der Schimmer einer Hoffnung, und es wird, wenn nicht noch unvor hergesehene Wendungen cinlreten sollteil, gegen den Widerspruch der gesäumten liberale» Bürgerschaft und ihrer Vertreter ein Volksjchul- gesctz aus Grundlage des starrsten ConsessionalismuS und KlerikaliSmuS zu Stande kommen. Das ist der „allerncucste Curs". UebrigenS nimmt man allgemein an, daß der Minister Präsident Graf Eaprivi gestern nur zu dem Zwecke im f Abgeordnetenhaus«: erschienen war, um seine volle lleber- cin st im »tun g mit dem Eullnsminister Grafen Zedlitz und dessen Angriffen auf die Nationalliberalen öffentlich durch verschärfte Angriffe aus die letzteren k»nd- zuthun, hierdurch die Freiconservativcn einzuschüchtern und zugleich mittelbar der Auffassung zu begegnen, als könne zu- iolge eines Wunsches von hoher Stelle das Gesetz nur ;n Stande kommen, wenn auch die Nationalliberalen dafür ge wönne» würden. Was die Freiconscrvativen anlangt, so hat sich der Ministerpräsident, wenn ander« Herr von Zedlitz- Neukirch die Auffassung der ganzen Fraktion zum Ausdruck gebracht hat, umsonst bemüht. UebrigenS sah man beute aufincrksame Zuhörer in de» Logen: Grasen Waldersee, v. Wedcll-PieSdors und Hinzpeter. Miguel war im Minister zimmer, wo eine Bcrathung statffand. * Die „Mazdeb. Ztg." schreibt: Angesichts der Erregung, welche der von der SlaatSrcgierung eingebrachtc neueste Entwurf eines Volksschulgesetzes in breiie» Schichte» der Bevölkerung hervorgebracht hat, ist eS gewiß von Interesse, zu erfahren, daß der Magistrat der Stadt Magdeburg die Anregung gegeben bat, eine Beratbung dieser Vorlage durch die Städte der Provinz Sachsen mit über 10 000 Ein wohnern auf einem, sei eS nach Halle, sei eS »ach Magde burg zu berufenden Städtetage schleunigst vorzunehmcn, um die Stellung der Städte zu diesem Entwürfe durch eine an den Landtag zu richtende Petition klar zu lege». Es ist kaum zu bezweifeln, daß dieser Slädtetaz sich den Grund principien der Vorlage gegenüber ablehnend verhalten wird, da sicher, würde sic Gesetz, daö durch die stete Fürsorge der größeren Eominuncu zu hoher Blütbc gebrachte städtische Schulwesen einen schweren Schlag erleiden würde. * Außer der obigen Stimme gegen den preußischen Volksschul ge setzeutwurs liegen noch eine Reihe anderer Protestkundgebungen vor. Wir beben daraus folgende hervor' In Berti» waren sämmtliche Abgeordneten Hessen-Nassaus und Frankfurts versammelt (mit Ausnahme der dem Centrum angehörigen) und beschlossen, im Interesse der dortigen Simultan schulen sich gegen das Volksschulgesetz, LaS die letzteren bedroht, aus- zusprechen, bezw. dessen Abänderung hcrbeizusühren. Alle Ab geordneten, ohne Unterschied der Parteirichtung, waren, wie wir in der „Vosstschen Zeitung" lesen, einmülhtg der Ansicht, daß der neue Volksjchulgeietzcniwurs die Simultauschute und die Selbstverwaltung der Gemeinden schwer gefährdet und daß i» Uebcreinstimmung uii- der 1Ict>erzeug»»g der dortigen Bevölkerung Alles aufzubieten se^ um die bewährten jetzigen Einrichlnngen zn erhalten und ihre Fort- entwickelung zu sichern. Nach einer Meldung der ,.Rheinisch-Westfälischen Zeitung" tritt der Vorstand deS westfälischen StädtetagcS am 80. d. Mts. in Hain», zusammen, um über einen Antrag der Stade Bielefeld aus Einberusuiig eines außerordentliche» Städletages zur Besprechung deS Volksschulgesetzes zu beschließen. Ferner sollen zum gleichen Zwecke demnächst Städtctage in Hannover und Rheinland statlsindc». In Breslau wurde, der „National-Zeitung" zufolge, in einer kürzlich abgehalleiien Generatveriammliuig solgende Resolution gesoßt: Die nationalliberalc Partei Breslaus spricht der »ational- liberate» Fraktion des Abgeordnelenhanies ihr volles Vertrauen daki» aus, daß sie das Volksschutgeictz lieber ablchnen, als der conservaliv-klerikalen Mehrheit Zugeständnisse machen wird. * Das kaiserliche Patentamt soll bekanntlich inso fern eine bedeutsame Umgestaltung erhalten, als mit der Neu regelung des Patentwesens zur besseren Erledigung der Geschäfte auch die Zahl ^ ü Oktober allmälig eine Vermehrung erfahren 1 . Sie allmälig eine Bcrmevruug »oraenommc». S>c 1802 au w.rb diese Aeubcruug ber^ für findet denn auch ,» kc»>, kürzlich ^ dem taS Deutsche Reich aus je, kine neue Rubrik Pateulamte darin st-wiN,.eien ->b llui,g t Dieselben cs -MM-' - MM-".- td-il-ii «im m , sn, 'Hkbronä'SMMI.r ablheiluiigcn, sowie der H» den crstercn beauftragt sink, und ,u techiuschc M.tglttder. gehöre» 5, zu de» letzteren 80 , G"'I,, stizctat eine * Die deutschst'«:,,innige Partei bat ,"»l O Resolution cingebracht, welche oder ver - Gesetz über die AuS l,cseru»gsrug s ö eaieru»ge» wurde dem Rcichslag ein 2o. Niarz 1 d85 unt r;e ch ne,er Ausliescruugsvcrlrag zwischen ^ voraelcat der wegen ,einer weitgehenden Be,iinniiuugeu «^uo liescruug' wegen 'Beleidigung von Fa»iiliciii»>Iül>cbcn, de- SwL-r^auptes. schlaue, kenuuug . des pol. ch n Edaraklerö eines Vergebens ,...k tcrgl.) m der offen,t.äcu Meinung aUgcmciitki, Widerspruch fand. In> la.n die erst an. Schluß der ^'''°^/7Ä', W.de P uch gar nicht zur Verbantlung. sonder» b >eb, ohne Wider,Prum der Regierung, einfach liege». Der RcichsvcNrag » er Auslieferung stimmte »ul ciiiem „„ Januar 188» zwischen Preußen und Rußland getroffenen Abkommen udcrciii. In Preußen, wie in andern dculschcn Bundesstaaten lch"»:t d Bcrsassung die Genehmigung solcher auswärtigen Vertrage durch die Lantesvcrlretung nicht vor, wie eS », der Reichs Verfassung der Fall ist. daher konnte» die russischen Abkommen mit einzelnen deutschen Bnntesstaaten obne Weiteres ,n-Kr-,t treten. Indessen stieß das Bcrfahreu. d,e Mitwirkung des Reichstags durch solche Particularvertragc. wie mit Preußen und Bayern, zu umgeben, doch vielfach auf Bedenken und Widerspruch. Die Angelegenheit ist ,'e.t der Zeit nicht wieder berührt worden; jetzt soll sic durch den freisinnige» Antrag wieder in Fluß gebracht werden. * Hu dem ffenftffen Besuche deS G»oßfürstcn AlepiS am "Berliner Hofe wird der „Schlesischen Zeitung" aus Berlin geschrieben: ^ ^ Wenn der Bruder des Kaisers Alexander nicht durchgereist sondern zu dem ausgesprochenen Zwecke auSgestiegcii ist, unsere» Kaiser aus Anlaß deS Geburstages zu beglückwünschen, so kan» an- genommen werden, datz an maßgebender Stelle am russischen Hose gegenwärtig eine Gelegenheit zuin Austausch von persönlichen und un Zusammenhänge damit von politischen Höflichkeiten vorhanden ist, wie sie bis vor nicht langer Zeit vollständig zu vermissen war Sehr im Sinne einer freundlichere» Gestaltung der Beziehungen zwischen Rußland und Teutfchland bemüht sich nach wie vor in erster Linie der Großfürst Wladimir. Bei dessen letzter Durchreise durch Berlin war unser Kniser gerade zur Jagd, und eS konnte deshalb dem kundgegehene» Wunsche, hier Betuch zu mache», nicht entsprochen werden. Wie demnächst die Anfrage, ob ei» Gratu- tationsbesuch des durchreisenden Großfürsten Alexis genehm sei, beantwortet worden ist, rrgiebt sich auS der vollendeten Thatsachc, haß der Besuch inzwischen staltgesunden hat. * Der Landtagsabgeordnete Professor Mithoff (nat.-lik) auö Göttingen ist in Berlin gestorben. * Der vierte Band der gesammelten Schriften Moltke'S wird Anfang Marz auSgcgeben. Derselbe wirb einen LcbenS- abriß deS Feldmarschalls auS der Feder eine« koken General stäblcrü erhalten »nv besonderes anziehendes Material aus Moltke's Iugentjahren, sowie die Motive seines UebertrittcS aus dänischen in preußische Dienste bringen. * Aus Fulda wird uns geschrieben: Es verlautet auf das Bestimmteste, daß die Grundzüge des preußischen Volkssckulgesetz-Eiitwurfs bereits der letzten BischosS- con seren: Vorgelegen hätten und von dieser im Großen und Ganzen gebilligt worden seien. Fürstbischof vr. Kopp habe der Staatsregieriing daS Gutachten und die weiteren Wünsche des Episkopats übermittelt. * Wir baden jüngst von einer Mittheilung Notiz ge nommen, wonach die Handelskammer zu Osnabrück Schritte gctkan haben solle, um eine weitere Ausdehnung der Verantwortlichkeit sür Preßerzeugnisse auf den Eorrcctor u. s. w. anziiregcii. Diese Mittbeilung beruht, wie aus dem Sitzungsbericht der Handelskammer hervorgcht, aus falscher Auffassung. Die Handelskammer hat im Gegrntheil beschlossen, sich a» den Reichstag zu wenden, um der „un geheuerlichen" Ausdehnung der Preßveranlwortung, die sich aus da« bekannte Rcichsgerichlserkcnntniß stützt, ein Ziel zu setzen. * Die „Kölnische Volkszeitung" bezeichnet die Blätter- meldung, gegen de» Geheimen Eommerzicnrath Baare sei die Anklage erhoben worden, als durchaus unbegründet. * Auf einen Brief de« französischen Journalisten Wald teufel, welcher dem Abgeordneten Bebel vorschlug, in Frank reich und Deutschland ein gemeinsames Eomitö zur Agitation sür den Rückkaus-Elsaß-Lothringens zu gründen, ant wortet Bebel, laut der „Frankfurter Zeitung": Die deutsche Socialdemokratie würde jeden, Arrangement zwischen Frank reich und Deutschland über Elsaß Lothringen zustimmcn; sie besitze aber »och nicht die nölbigc Muckt, um solches herbei- zusübrcn. Er müsse daher den Vorschlag als undurchführbar adlehncn. » * * * * Aus Pest wird über die Wahlen gemeldet: Nach den nunmehr bekannten 358 Watilresultatcn wurden 204 Liberale, 57 Nationale, 73 Unabhängige, 13 Ugronisten und K Partei lose gewählt. Die Liberalen verloren l2, die Nationalen gewannen lo, die Unabhängigen verloren 14, die Ugronisten verloren 3 Sitze. Unter de» Gewählten befindet sich auch der Liberale August PulSzcy. Bei den Wahlen in Baussy Hunt, ad, Siebenbürgen, wo der Eandidat der Liberalen gegenüber demjenigen der Unabhängigkeitspartei in großem Vortbeile war, stürmte die unabhängige Partei da« Wahllokal und zerriß die Wahldocumente. Der Wahlvorsteher und niedrere Anwesende wurden verwundet. Die Gendarmen mußten von der Waffe Gebrauch machen. Drei Personen wurden gctodtet und eine verwundet. Die Wahl mußte unterbrochen werden. Eine Militairabtheilung trieb die Volks menge auseinander. * Mehrere Pariser Blätter melden übereinstimmend, die Regierung beabsichtige die fünf Eardinäle vor dem StaatS- rath wegen Amtsmißbrauchs zu verfolgen, und beklagen einen derartigen Entschluß als politischen Fehler. Fe»»»lletoii. Die schöne Polyrena von Freiberg. Historische Novelle von Adolf Lippold. N-td,»a verdoteu. In der Herberge zum güldenen Adler, auf der Burzgasse der alten getreuen Bergstadt Frciberg, war in den ersten Tagen deS MonatS Juni unuo ckumini 1522 ein so großer Verkehr von Gästen, daß man schier glaubte, der Herzog kalte eine seiner Festlichkeiten, wie etwa ei» ritterliches Ringel reiten, wie solche Herzog Friedrich des Oesteren in dem von ihm oft und mit Vorliebe besuchte» Freiberg stattfinden ließ, hier ab. Hauptsächlich aber bestand die Menge der ini Adler Ouartier Genommenen auS Kauf- und Handelsherren, und tie zahlreiche mit Hariiisch oder doch Ledcrkoller bekleideten Knechte, welche ebenfalls daselbst wohnten, bildeten in den jetzigen unruhigen Zeiten nur die Bedeckung der Kauslcute, gegen die die Landstraße» unsicher machenden Ueberfälle des Raubadels und andere Strauchdiebe. Vom naben Böhme» sowohl wie von Bayern, ja selbst vom Nkeinc und aus der Pfalz waren viele Handelsleute erschienen, zumeist solche, welche Hopfen und Malz ans die Märkte Sachsen- und RortdeutschlandS lieferte», galt eS dock dem Ehrentage eines ih-'er besten Kunden liier in Frciberg bcizuwobncn und durch ibr Erscheinen zum Glanze de« Festes möglichst teizutragen. Der reiche Brauberr Herr Andreas Böhme zu Frciberg beging uämlick', obwohl er schon am Ende der fünfziger Jahre stand, seine eheliche Verbindung mit Jungfrau Polyxena Gertewitz, den« ob seiner großen Schönbeit weit und breit bekannten und hochzepriesencn eiizzigcn Töchterlcin deS vor zwei Jahren verstorbenen Eanonicus Johann Gcrtewitz von Freiberg, und die ganze Stadt war in Aufregung wegen diese- Ereignisses. Im Gcsindczimmcr des Gasthoses, welches rechts vom Thoreingange desselben lag, während die Kaufherren und an- .zesehencren Gäste im Hcrrcnstübleiu links vom Thorweg ihre ^chankstubc batten, war eine Menge Diener und Knechte bei Bier und Wein versammelt, und die Unterhaltung drehte sich auch hier nur um die morgen stattfiudente Vermäh- lungSfeier. „Wer hätte das gedacht", ließ sich ein älterer Mann im Lederkoller und mit dem kurzen Schwert an der Seite ver nehmen, indem er seinen Eisenbul vom Kopse nahm und ans einen Pflock an die Wand hing, „daß ich, alö wir vor über zehn Zohren den seligen EauonicuS, der damals freilich noch ein simpler Weltgeistlicher war, in Rom trafen, Las kleine aber schon damal» bildschöne Kind noch hier in der Heimatb als Braut eines so reichen Mannes Wiedersehen würde — na — ich gönn' eS ihr von ganzem Herzen, denn etwa« Lieberes und daö Herz Erquickenderes konnte man schon damals gar nicht scken, als daS kleine Ding!" „Sie muß eine sehr schöne Mutter gehabt haben", sagte ein Anderer, „denn der EauonicuS. de» ich sehr gut gekannt habe, war wahrlich keine große Schönheit." „Hm!" antwortete der Erste, „das war eine traurige Geschickte!" „Erzählt, Günther — was Ihr davon wißt", drängten die Verjammelten, „man erfährt ohnehin nickt« Ordentliches davon — der Eanoniciis war, so viel wir wissen, früher doch gar nickt geistlich und soll cs erst später geworden sein." „So ist eS!" bestätigte Günther, „Herr Gertewitz — oder Magister Gertewitz bat früher als junger Student in Leipzig gelebt und ging später als gelehrter Mann nach Bologna in Italien, wo auch eine Universität ist und wo er Lebrcr der Studenten wurde. Er muß aber doch in seinen jüngeren Jahren ein ansehnlicher Mann gewesen sein; ja — ich kann Wohl sagen — er war es eigentlich nock, alö ich ihn vor 10 oder 11 Jahren zum ersten Male, wie ich mit meinem Herrn in Benedig und Rom war, sah ; denn die italienischen Frauen sollen ganz toll hinter dem blondhaariaen deutschen Magister her gewesen sein. Ich lernte damals seinen alten Diener Elaus kennen, der schon den Magister, wie derselbe noch ein Jüngling war, mit nach Leipzig begleitet hatte. „Ter lebt nock immer — und wird von der Jungfrau wie ein Vater in Ehren gehalten!" sprach der die Gäste be dienende Hausknecht, „ich kenne ihn recht gut, kommt er doch manchmal zu unS; freilich 'nüber in die Herrenstube, wobin er von den Herren de« Ratbs »nd der Bürgerschaft ein- sür allemal geladen worden ist." „Wie? der alte KlauS lebt noch?" ries der Erzähler von vorhin freudig aus, „wie mich da- freut, kann ich gar nicht sagen, gleich morgen such ich ihn aus, waren wir doch immer gut Freund mit einander!" „Erzählt weiter, Günther", drängten die anderen Gäste, „Ihr wolltet uns ja von de» seligen Eanoniku» früherem Leben berichten!" „Ja so — Ihr habt Recht! — Nun also, was unter solchen Umständen kaum auSbleiben konnte, geschah; der Magister schenkte seine Liebe einer überaus schonen, jungen Dame von hohem Stand, die aber leider arm wie er selbst war. Dock sollen die Beiden, wie mir Elaus erzählte, trotz dem daß oft Schmalhans bei ihnen Küchenmeister war, dock so glücklich und zufrieden als Eheleute zusammen gelebt baden, baß es mir der alte Elan« gar nicht genug schildern konnte Leider hielt die Glückseligkeit nicht lange vor, denn als nach Jahresfrist die schöne Frau einem Töchterlein da» Leben gab. be- »ablte sie e« mit dem eigenen Leben und schier verzweifelnd stand Er versank nach der Beerdigung seiner Fra» in die liefst Schwermlith, die- benutzten die Herren von der Kutte, ur einen so gelehrten Man» für sich zu gewinnen, und so nähr er richtig kurz darauf die Weiden. Als wir ihn damals vo I l Jahren kennen lernten, war sein Töchterlein etwa 6 Jahr alt, aber schon von so wunderbarer Schönheit, daß sich soga Fürsten erboten, da- .Kind zu adoptirc» »nd zu sich zu nekmcr aber der Magister ding mit abgöttischer Liebe an seiner Kinde, »nd da er an dem Leben in Italien keine Freude meb batte, faßte er d«» Entschluß, wieder nach seiner deutsche Heimatk zurückzukebrcn, obwohl auch da keine Verwandte mehr von ihm lebten, denn seine Eltern waren beide scho gestorben, als er noch in Leipzig studirte, und der gering Nachlaß derselben hatte kaum ningereicht, seine Studien ) Leipzig zu vollende». Später kabc ich nun wohl erfahre! daß der Magister seinen Entschluß anSgefübrt bat »nd da er es schnell zum EauonicuS gebracht hat, wiedergesebe aber bade ich weder ihn nock seine Tochter seit jener Zeit. „Ja. ia", siet ihm der Schenkknecht ein, „der Canonicu war als Prediger an unser»! Dome gar sehr beliebt, abe immer einsam und allein, mit Niemandem verkehrte er, nn auch seine Tochter mußte sein klösterliches Leben theilci Seine Hinterlassenschaft war auch nur gering, da er all seine Einkünfte auf den Ankauf von Büchern verwendet AIS er nun vor zwei Iabren nach langem Sicchthu», star! befahl Herzog Friedrich, der ihm gewogen war, die Büche: sammlung für sich anzukaufcn, auch setzte er dem Jim« sräulcin eine jährliche -Lunime aus, welche wvbl auSreicbt dasselbe in einfacher Weise zu ernähre». Eine Heit lau hieß es auch, Jungfrau Polvrcna werde in unserIlrsulincrinnei Kloster treten, aber obwohl die Geistlichkeit dies gern q sehen batte, tbat sic es doch nicht, sondern lebte einfach m bescheiden beim Pförtner unseres DomeS." „Wie aber ein so junge» und überaus schöne« Mädch, eS über sich gewinnen kann, einen dicken Bierbrauer, dl mehr als drei Mal so alt ist als sie, zu heiratken. ist m verwunderlich, denn Herr Andreas Böhme ist wahrlich ke Mann für e.n solche« Mädchen", sagte ein Anderer a> dem Kreise. »Ot ""ch sie mochte wohl zu der Einsicht gekommen sei daß sie bei ihrer Armutb wohl kaum ein Anderer aus d großen Zahl der sie Umschwärmendcn zu seiner Ebewirth nehmen würde, dazu ist Herr Andrea« Böhme ein ho. aeackteter und sehr reicher Mann, den sie sicher um d I Finger wickeln kann — freilich war trotzdem die ganze Sta critaunt, als c- ruchbar würbe, daß Herr Böhme nickt dl er'balttn b^be*" "'"d' s°"d"n auch deren Iawc »Ich sehe auch gar nicht rin, warum da» gute Ki nicht mit Herrn Andreas Böhme glücklich und zu Heden leben sollte, Kinder aus besten früherer Eke ind nicht da, und thut er einmal die Augen zu, so kann die Frau dann bei ihrem Neichtbuni »och immer einmal nach ihrem Herzen wählen", sagte Günther, „ick freue mich, daß die Jungfrau so vernünftig ist, einen guten Man», der ihr ein sorgenfreies Leben bietet, einem jungen Sause wind vorzuzicbe». NahrungSsorgen sind der erste Stein des Anstoßes ii» Ebcleben, und vor diesen ist sie wenigsten» aus diese Weise für immer geschützt." Eine rauschende Musik, welche draußen auf der Straße hörbar wurde, veranlaßte fast alle Anwesende», die Stube zu verlassen und hinauszilcilen. Es waren die Zunstnieistcr und Gesellen de« Brau gewcrkeS, welche jetzt beim beginnenden Abend mit Musil voran durch die Straße» und zuletzt nach der bescheidene» Wohnung des Innzfräulrinö Polyxcna Gcrtewitz im Häuschen deS DompförtnerS am Domplatz zogen, um der Braut ihres Ober meistcrS ein Ständchen zu bringe» Eine llnmassc Volkes drängte sich hinterher. AIS der Zug Len Domplatz erreicht und vor dem Häuschen Ausstellung genommen batte, schwieg die Musik und der stellvertretende Obermeister der Innung H>err Renatus Schorlcr trat vor die Schaar und brachte in zierlicher Rede der zukünftigen Frau Obcrmcisterin ein dreifaches Hock aus, in welches die festlich gekleidete Schaar der Gewerksgenoffe», sowie das ganze versammelte Volk jubelnd mit einstimmte und auch die Musik rauschend einsiel. Kaum war aber das dritte Hock verklungen, so öffnete sich die Pforte des be scheidenen Häuschens und im cinsackc» Zwillichhauskleide mit vorgebundener blcndciidwcißcr Schürze erschien Jungfrau Polyxena, gefolgt von ihrem alten Diener Elaus, welcher aus einem großen silbernen Brei zwei mil Wein gefüllte, ebenfalls silbernc Humpen trug, aus der Schwelle de« Hauses. ES war »och vollständig bell genug, um zu erkennen, dasi der Name „schön" der Jungfrau in der Thal >m vollsten Maße gebührte, ja mau konnte cs angesichts dieser herrliche» Mädckcngestalt gar nicht begreifen, daß der Ruf ihrer tavel- loscn Schönheit selbst in ferne Länder gedrungen war, und viele Neugierige rigcnS nach Freiberg gekommen waren, um die schöne Polyrena zu jeden, sei cs auch nur aus Augenblicke. Die stolz ausgcricklctc, königliche Gestalt ersreute sich eines tadellose» Ebenmaßes, an eine köstlich gerundete Büste schloffen sich zwei volle Arme, welche aus de» kurzen Aermeln in niarmorncr Weiße hervortraten und in zwei winzig kleine mit Grübchen bedeckte Hände endigte». Der schlanke, dabei aber volle ebenfalls blendend weiße Hals trug ein Köpfchen, dessen GesichtSzüge geradezu entzückend schöne und reine Linien zeigten, ein rosiger Mund Mit kleinen Pcrlenzädnen, die prächtig geschnittene, leicht gebogene Nase, daö prachtvolle tiesdunkle. von langen Wimpern gedeinmißvoll beschattete Auaenpaar,
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