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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.10.1891
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18911022019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891102201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891102201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-10
- Tag1891-10-22
- Monat1891-10
- Jahr1891
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JnsertionsPreiS Vkorge».Ausgabe: di« 6gespaltene BetN- »etl«20-4, Reel amen unter dem NedactionS« strich (4gespalten) bO^Z, vor den Familien- nachrichieu <6gespalten) 40-4- Übend-Ausgabe: dt« Kgrspaltene 40 Reelame» unter de« «ebactiout-rich <4 gespatte«) 1 ^l, Faunltennach richten »d Anzeigen verlorener Gegeuständ« <6acspalten> Anzeigen verlorener Gegenständ« I6gcspalten> 20 4. Größer« Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz »ach höhere» Tarts. Extra-veilagen (gefalzt), aur IUÜ der Mörgea-Ausgabe, ohne Postbesördernng I—, «tt -« 60.- Posthesörderun- 70.- ÄnaahouschlLb f»r Zuseratr: Abeud-Ausgabe: VorniittagS 10 llbr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- nud Festtags früh 8 Uhr. Lei de» Filialen und Annahiueslelleu je ein« halbe Stund« früher. Anserntr stad stet« an di« Er-rdtliau z» richte». ^° 338. Donnerstag den 22. October 1891. 85. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Lekannlmachung. Da» An- und Abfahren der Wagen am neuen Gewnuvtznus betreffend. Nach Fertigstellung der in der Nähe des Gewandhauses neu an» gelegten Straßen werden hiermit unter Aushebung der Bekannt, machung vom 4. December 1884 zur Regelung des Fahrverkehrs bei Gelegenheit der im nrnrn Grwandlianse zu veranstaltenden Eoocerte und sonstige» Festlichkeiten folgende Anordnungen getrossen: I) Bei der Anfahrt »ach dem Gewandhause haben diejenigen Wagen, welche aus der VeethovcnsNatze. d. h. an der nörd lichen Seite des Gebäudes, ansahre» wollen, ihren Weg durch die Kleine Vurggassr oder die Harkortstraste, entlang de» LaadgerichtsacdäudeS, über die Earolnbrückc nach der Verthovcustratze und nach erfalgtrm Absctzrn der Fahrgäste entweder die Vrelhovenstratzc weiter hinaus nach der Carl Tauchnitzstratzr zu, oder aber durch die (Srasstftratzc nach der Carl Tanchnttzstratze zurück zu nehmen. L) Diejenigen Wagen dagegen, welche auf der Mozartstraffe, d. h. der südlichen «eite des Gebäudes, ansahren wollen, haben den Weg durch die Müiijgasse oder über den Aloffplatz durch den unteren Theil der Albcrtstratzc über die Albrrt- drücke nach der Mozartstraffe und nach erfolgtem Ab seiten der Fahrgäste entweder die Mozartstraffe weiter hinaus nach der Carl Tauchnttzstratze zu oder durch die Grassistratze links nach der Hahdn- oder recht» nach der Carl Lauchnitzstratze zurück zu nehmen. 3) Es empfiehlt sich, daß dicienigen Eoncertbesuchcr, welche Plätze „recht»" im Saale haben, auf der nördlichen Seite des Gebäudes (s. vorstehend Rr. 1), diejenigen dagegen, deren Plätze „lints" im Saal« sich befinden, auf der südliche» Sette des Gebäudes (s. vorstehend Nr. 2) ansahren. 4) Die auf der westlichen (Rück-) Seite des Gebäudes an der Grasfistraffe befindliche Auiahrt ist lediglich sür die bei den Concerten mitwtrkenden Personen bestimmt und haben die dahin fahrenden Wagen entweder die «uh 1 und 2 vorgeschriebenen Wege oder aber den Weg durch den west lich der Grasststraff« gelegenen Theil der Beethovenstraffe zu nehmen. L) Die »ach Beendigung der Concerte zum Abholen der Conrertbrsuchcr ansahrendcn Prtvatequipagrn und be stellten Droschken haben auf einem der beiden «ud 1 und 2 vorgeschriebenen Wege auzufahren und sich demgemäß einer- jeits aus der Veethovenstraffe, andererseits aus der Mozartstrabe nach Anordnung der Ausjichtsbeamten auf. zustellen. 6) Die Aufstellung derjenigen Wagen, welche zur Abholung der beim Concert »iltwirkcndrn Personen bestimmt sind, ersolgt auf der Grasfistrafft zwischen Beethoven- und Mozartstraffe. 7) Unbestellte Droschken baben ihre Aufstellung auf dem unteren Theile der Albertstraffe, auf der kleinen Burg- gasfe oder auf der Westseite der Harkortstrabc zwischen Carola- und Harkortbrückc zu nehme». 8) Die Absahrt der abholrnden Wagen nach Beendigung der Coneerte hat in derselben Weise zu geschehe», wie Lies oben sub l und 2 bezüglich der vor Beginn der Eoacerte anfahrenden Wagen vorgeschriebe« ist. ö) Auch beim Abholeu empfiehlt es sich, daß diejenigen Loacert. bejucher, welche ihre Plätze „rechts" im Saale haben, idr« Wagen an die nördliche Anfahrt, diejenigen dagegen, welche die Plätze „links" haben, di« Wagen an die südliche Anfahrt bestellen. 10) Au den Eingängen des Gewandhauses dürfen di« Wagen nur so lange halten, als zum Aus- und Linstelgro der Fahrgäste unumgänglich nothwendig ist. II) Die Droschkenkutscher haben bei Fahrten »ach dem Gewand» Haus das Fahrgeld beim Antritt der Fahrt zu erheben. 12) Sowohl beim Ansahren wie beim Absahren haben die Wagen genau Reihe zu halten. 13) Der Haupteinaang an der Lstseite d«S Gewandhauses ist nur sür die zu Fuff Ankommenden bestimmt und bl«ibt daher der zwischen der Beethoven- und der Mozartslraße gelegene Theil der Wilhelm-Leyfferth- und der Simsonstraffe zur Zeit des An- und AbsahrenS der Wagen nach dem Gewandhaus für den Fährverkehr gänzlich gesperrt. Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Beitimmungcn werden mit Geldstrafe bis zu 60 ./i oder entsprechender Hast bestraft. Das Publicum wird im eigenen Interesse dringend ersucht, zur genaue» Durchführung der gedachte» Anordnuugeu thuulichst mtt- zuwirken. Leipzig, am 17. Oktober 1891. Der «ath und das Paltretamt der Stadt Leistzi,. v. k. 4299. Or. Georgi. Bretschueider. Lekannlmachung. Mt Zustimmung der Herreu Stadtverordneten haben wir be- schloffen, nach Maygabe des Plane« D. ö. V. No. 4899 k. -z. No. b538 die im Ortstheile Leipzig-Lindenau von der Lind«n-Strabe nach der Lützuer Straße führend« Schlipp« aus IlchO Meter zu verbreitern. Dieser Plan liegt in unserer Tiesbauverwaltnng (Rathhau«, Zimmer Nr. 14, 2. «stock) vier Wochen, vom Ablause de- Tages nach der Ausgabe der di« Einrückung dieser Bekanntmachung ent haltenden Amtsblätter an gerechnet, zu Jedermanns Einsicht auS. Widersprüche gegen den Plan sind innerhalb dieser Frist bei deren Verlust schriftlich bet uns anzubringen. Leipzig, de» 1k. October 1891. I». 5423. De, «ath Ser Stadt Leipzig. 1555. Dr. Georgi. I)r. Redlich. Oeffentliche Sitzung -er Handelskammer Freitag, den 23. Oktober 18V1, Nachmittags 6 Uhr, in deren Titzungssaale, Rene Börse» Tr 4, I. Tagesordnung: 1. Registrande. 2. Berichte des Bcrfaffungs- und Wahl-Ausschusses über u) das Gesuch des Comitts der internationalen Ausstellung sür daü Rothe Kreuz n. s. w. um Gewährung von Ehren- preisen; ds Neugestaltung der gesetzlichen Bestimmungen über die Handels- und Gewrrbetammern. 3. Berichte des Handelsgesetzgebnngs-Ausschusses über n) ver schiedene Eingaben, das AuSknnstSwese» betr.; b) die Ei», gäbe der Handelskammer zu Dessau, das LebcnSverfichc- rniigöwrsen betr.; c) das Rundschreiben der Handelskammer für LstsrikSland und Papenburg, den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauch» geistiger Ge tränke betr.; >1) das Rundschreiben der Handelskammer zu Mannheim, Einführung von SaatcnstandSberichteu sür ganz De»tschland betr. 4. Berichte des Verkehrs-Ausschusses über a) da? Gesuch des Gemeinnützigen Vereins zu Möckern, Herabsetzung des Portos sür Briefe aus Leipzig betr.; bl den Antrag der Handelskammer zu Mainz, die Fracht für trockene und gesalzene Häute betr. 5. Berichte de« Zoll- und Steuer-Ausschusses über a) die Ver ordnung des Königlichen Ministeriums des Innern, Er- Höhung des EingaiigazolleS ans Aether und Essenzen betr.; b) die Eingabe der Handelskammer zu Wiesbaden, di« italienischen EingangSzölle auf Alkaloide betr. - k-össc Hieraus nicht-öffentliche Sitzung. Gewölbe Vermiethung. Da? in dem der Stadtgemeinde gehörigen Grundstück Magazin gasse Rr. 27 gelegene Bcrkausügewölbe ist sofort gegen ein- halbjährigc Kündigung oder fest bi» zum 31. December 1894 anderweit zu vermiethen. Micthgesuche werden auf dem Ralhhause, 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 8, entge,qengenomme», wo über die Bermiethungsbedingungeu und auch sonst Auskunft ertheilt wird. Leipzig, den 1b. October 1891. Der Rath der Stadt Leipzig. lu. 4317.l)r. Ge orgi. Krumbiegel. GrosrherMltzum Sachsen-Weimar. Verkauf vo» Rothbucheu-Rutzholz. In dem Großherzogl. Forstrevier Ettersburg, Adtheiluug Großer Ettersberg, sollen ca. 42Z ebm Rothbuchen-Rutzholz, welche im Wirthschastsjahre 1891/92 zum Einschlag kommen, auf den« Wege des schriftlichen Ausgebotes verkauft werden. Die Hölzer befinden sich ca. 6 bis 9 Icm vom Bahnhof Weimar entfernt und werden dieselben auf Verlangen von der Grofiherzogl. ForstreviervcrwaUung zu Ettersburg bei Weimar den Kausliebhabern vorgezeigt. Tie Gebote sind auf das Cubikmcter nach Maßgabe der Kausbedingungen, welche bei der genannten Großherzogl. Forstvenvaltung eingesehen oder von der Unterzeichneten gegen Einsendung einer Gebühr von 60 /H bezogen werden können, schriftlich und verschlossen und mit der Aufschrift „Gebot aus Buchennutzholz" versehen bis zum 17. Nov. d. I. bei der Großherzogl. Forstinspection hier einzureichen, und ist dabei ausdrücklich zu erklären, daß der Bieter de» Berkauss- bedingungen sich unterwirft. Tie Eröffnung der Schreiben findet Mittwoch, den 18. November d. I„ Vorm. 10 Uhr in dein Geschäftszimmer der Unterzeichneten statt. Die Auswahl unter den Bietern wird dem Großherzogl. Staalsmintsteriuru, Departement der Fianzen, Vorbehalten. imar, den 1k. October 1891. Die Groizhcrzogltche Forsttnspeetion. Die Zustände in Rußland. Die Berichte über die Kronstädter Feste, über das Ab kommen Rußlands mit der Türkei in der Dardanellcnfrage, über die Mailänder Zusammenkunft, über die Ausdehnung der asiatischen Besitzungen Rußlands, endlich über die fort dauernden Dislokationen russischer Truppen nach der West- Grenze und nach Bcssarabicn gewähren das Bild eines von strotzenden Reiches, wclchcS im Begriff steht, die Welt äeht die grenze Kraft Herrschaft aufznrichtcn. Ganz anders siebt die Kehrseite auS. Verkauf einer amerikanischen Windmühle. Eine zur Waflerhebuug in Rochsburg (Station der Muldenthal- eiseiibahn) tu Betrieb gewesene amerikanische Windmühle mit eisernem Thurm, auS der Fabrik Karl Reinsch in Dresden, welche durch Herstellung einer Wasserleitung entbehrlich geworden, ist zu »ertausen. Wegen Besichtigung der Windmühle wolle man sich an Herrn Förster Wegewitz in RochSbura wenden. Gräflich Schöuburgische» Aeutamt Htnter-Glamhau. am 20. October 1891. Schmidt. Vargeladcn wird die Kelnrrtn Hnlda Olga Karollne Elise G«t»esell, geb. zu Jüttleben bei Gotha, zur Vernehmung als Zeugin in einer den 27. diese« Monat« Nachm. 3 Uhr vor dem König!. Landgericht hier, Strafkammer HI, anstehenden Haopt« verhaudluug. Lhemuttz, de» «. Oktober 1891. Der Kä»i»ltche Dtaat»anw>lt. I.«.: «ff. Zn einer großen Anzahl Regierungsbezirke besteht ein schwerer Nothstand, welcher bereits vielfach in Hungcrsnoth ausgeartct ist. Der Bauernstand ist meist so verschuldet und dem Trunk ergeben, daß nicht abzusehen ist, wie eine Besserung der Zustande aus dem Lande herbeigeführt werden soll, zu mal hinter einander zwei Mißernten hingugelretcn sind. Zn den Städten ist eS nicht viel bester. .Pier ist eS besonders die studirende Zuacnd, welche zu den schlimmsten Besorgnissen für die Zukunft Anlaß gicbt. Der Geist der Widersetzlichkeit wird auf den Universitäten und sonstigen höberen Bildungs stätten systematisch großgezogen, jede Regung jugendlichen Freiheitsdranges wird mit größter Strenge und Härte unter drückt, die Studenten werden als die Träger und Verbreiter nihilistischer Lehren argwöhnisch bewacht und gefürchtet, und gerade durch diese Behandlung gereizt und vielfach au« streb samen harmlosen Leuten zu erbitterten Feinden der Regierung und des herrschenden Systems gemacht. Dazu kommt die Politik der Russisicirung, welche nicht allein auf die Ostsee» Provinzen beschränkt geblieben, sondern auch auf Finnland ausgedehnt worden ist. Eine förmliche BerfolgunaSsucht gegen alle- Fremde, Nichtrussische hat sich im Lause der Zeit herausgebildet, ibr falle» nicht nur Zuden und Deutsche, sondern überhaupt alle in Rußland lebenden Fremden, oder richtiger Nichtrussen zum Opfer. Als StaatSreligion ist die griechisch-orthodoxe erklärt und ihre Hebung wird jedem russischen Untertban zur Pflicht gemacht. In dieser Be ziehung ist die Unterdrückung des Protestantismus in den Ostseeprovinzen geradezu von empörender Rohheit. Endlich wird die Verfolgung gegen alle des Nihilismus oder überhaupt irgend welcher selbstständiger Meinung und Thätigkeit verdächtigen Personen mit einer Härle betrieben, welche den Aufenthalt in Rußland selbst für Russen zu einer ernsten und keineswegs angencbmen Sache macht. Irgend ein unbestimmter Verdacht, eine Verleumdung, eine Anzeige an die Behörde, gleichviel ob begründet oder nickt, genügt, um friedliche Russen den Schrecknissen der Verbannung nach Sibirien auSzusetzcn. In, Gegensatz dazu begegnet man aber in den Kreisen der höberen Beamten und Ossiciere einer wahrhaft entsetzlichen Sittenlosigkeit und Verkommenheit. Unterschleife sind an der Tagesordnung, Staatsgelder werden in Masse sür Privatrwccke verschleudert, überall, wohin man bückt, nicht« als Willkür, Unfähigkeit, Unterwürfigkrrt nach oben, Ungerechtigkeit und Grausamkeit nach unten, eine frömmelnde, sittenlose, dem Trunk und der Völlerci er gebene, der Bestechung zugängliche und aus Bereicherung stets bedachte Beamtenschaft, eine großcntheil- stumpfsinnige, in ihr janimcrvoUeS Schicksal sich fügende Landbevölkerung, ein aus seine bevorzugte Stellung pochendes OsficicrcorpS, und eine jeder freien Bewegung entbehrende Studentenschaft — das ist in großen Umrissen daS Wesen des heutigen Rußland. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Berichte über Unruhen, welche in Kiew auSgcbrochen sind, auf Wahrbeit beruhen, gleiche Nachrichten kommen auch aus anderen Theilcn Rußlands, besonders aus den NothslandSbezirkcn, aber die russische Regierung sorgt dafür, daß niemals amtliche Be richte volle Klarheit über das Geschehene verbreiten. Im Gcgenthcil werden Blätter, welche mehr melden, als der Regierung genehm, zuerst verwarnt und dann unterdrückt, da natürlich in einem Lande von Preßfreiheit nicht die Rede sein kann, in welchem jede Aeußerung einer freien selbst ständigen Meinung verpönt ist. Selbstverständlich wird durch solche Politik ein Grad von Erbitterung erzeugt, der mit Nolhwendigkeit auf einen gewaltsamen Ausbruch hinarbcitet. Daß der «svhn eines verhällnißmäßig humanen Herrschers eines großen Reiches, wie eS Alexander II. von Rußland war, sich gegen Mordanschlägc zu sichern bestrebt ist, kann keinen Widerspruch erwecken, aber andererseits stimmt daS öffentliche Unheil darin überein, daß die für diesen Zweck angcwcndeten Mittel weit über das Ziel hiuauSgchen. Die Stille des Klosters oder des Kirchhofes ist nicht der natür liche Zustand eines in der Entwickelung begriffenen großen Volkes, und die aus Zerstörung des Bestehenden bedachten Bestandtheile de- Volkes lassen sich durch Gewalt am aller wenigsten von ihren Zielen ablcnken. Der gegenwärtig ein- geschlagcne Weg kann nur dazu dienen, ganz Rußland in die Abhängigkeit vo» einer Bereinigung von Verschwörern zu stellen und die LcbenSbcdiuzungen des Staats zu untergraben. Aus die Dauer kann der bestehende Zustand in Rußland nicht aufrecht erhallen werden, die Sicherheitsketten, welche russische Truppen an den Eisenbabncn während der Benutzung durch die allerhöchsten Herrschaften bilden, bedürfen stets der Er gänzung, und diese kann nicht mehr erfolgen, wenn die Schickte» der Bevölkerung, aus welcher sie entnommen werden, vom Geiste der Unzufriedenheit und der Auflehnung gegen die bestehende Negierung deherrsckt werden. Ein japanischer Fanatiker zuckte die Mordwaffe gegen den russischen Thronfolger auf dessen jüngster Weltreise, Prinz Georg von Griechenland eilte seinem Verwandten zu Hilfe und verhinderte daS Schlimmste. Dieses Ereigniß ist ein Beweis dafür, daß irgend welche Veranstaltungen, und mögen sie noch so sorgfältig geschehen, niemals einen Gewaltslrcich verhindern können. Wenn ein Herrscher der Gegenwart populär ist, so ist eS Kaiser Franz Zoscf von Oesterreich. DaS Neichenberger Attentat mag lediglich bestimmt gewesen sein, gegen die Fahrt des Kaisers nach Reichcnbcrg Einspruch zu erbeben, immerhin war eS eine "andlung der Gewalt, welche vou einem Mitgliedc der )iencr Stadtvertrctung sür wichtig genug gehalten wurde, um eine Belohnung von 250 000 Gulden für die Entdeckung deS ThäterS aber Souveraine auch der beste Herrscher vermag es nicht Allen recht zu machen, eS ist deshalb rin verfehltes Beginnen, durch ein be stimmtes System jede auf Umsturz des Bestehenden gerichtete Bestrebung zu unterdrücken. Der Einzelne wird stets Gelegenheit finden, seiner Leidenschaft Ausdruck zu geben und gerade an dem Ort und zu der Zeit seine verbrecherische Thätigkeit auszuüben, wo sie am wenigsten erwartet wird. Gegen Mord ist Niemand gefeit, und wenn er der beste und edelste, der weiseste und liebenswürdigste Herrscher wäre. Rußland ist daS große Näthsel der Zukunst, es ist ebenso ein Gegenstand berechtigter Besorgniß ftr die Freunde des Friedens als ein Hort der Hoffnung für diejenigen, welche mit dem bestickenden Zustand unzufrieden sind, aber daS russische Reich ist zugleich rin Hcerd der aus Umsturz gerichteten Gedanken und Bestrebungen. Der Nihili-muS ist die schärfste Form deS Anarchismus, er ist viel zu extrem, als daß er sich mit den socialistischeu Tendenzen verbinden könnte, und anvererseils ist er auch eine specifisch russische Eigentbümlichkcit. Die Flamme des Aufruhrs züngelt bereits in verschiedenen Gegenden Rußlands mit unheilvoller Gefährlichkeit empor, sie mag zeitweise unterdrückt werden, aber sie wird immer aufs Neue hervordringell, wenn ihre Ursachen nicht abgestellt werden. * Leipzig, 22. October. * Der Kaiser empfing gestern Vormittag den General Verdy, welcher sich mit dem Orden pour Is mSrite für Kunst und Wissenschaft, welchen ibm der Kaiser verliehen batte, meldete und gleichzeitig sein neue« Werk über den Krieg überreichte. * Die Berliner Blätter nehmen an, der König von Rumänien treffe in den nächsten Tagen in Berlin ein. Die Verlobung des Prinzen Ferdinand mit der Tochter des Herzog» von Edinburg, Marie, dürfe als gesichert betrachtet werden. * In der gestrigen Sitzung deS ColonialratbeS herrschte darüber Einigkeit, daß den ColonisationSgesellschaften Zoll« und Steuerfreiheit in den Schutzgebieten zu gewähren sei. Die betreffenden Vorlagen wurden einem besonderen Aus schüsse überwiesen. Im Anschluß an die EtalSentwürse gab der Vorsitzende, Geheimer Legationsrath Kaiser, eine um fassende Darlegung der gegenwärtigen Lage in den Schutz ebieten und der nächsten Absicht der Verwaltung. Hierauf egann die GeneraldiScussiou. * Ein sehr wahres Wort, was auch die wüthendsten Socialdemokraten nicht läugnen können, hat von Bollmar auf dem socialistischen Parteitage gesprochen. Er sagte nämlich: selbst hervorgehobene Thatsache von der „Heerdennatur" der Masse. — Uebrigens bat der Socialiftentag zum Ort des nächsten Parteitages Berlin gewählt; ebenso auch zum Sitz der Parteileitung. * Der „Siebener-AuSschuß" wird, der „Kreuzzlg." ufolge, erst nach Neujahr zur Bcralhung über die Be- äbigung und Stellung der Lehrer im Zusammen hang mit der Schulreform wieder zusammenlretcn, da die cingeforderten Gutachten noch nicht verarbeitet sind. * DaS Rittergut KleSzczewo im Kreise Li ssa, 940 Morgen roß, Herrn Waclaw von ZakrzewSki gehörig, ist von der AnsiedlungScommission angekauft worden. * Bei der Beglückwünschung des Berliner Oberbürger meisters Forckenbeck durch cme Deputation der beiden städtischen Behörden tbcilte der Geheimrath Reiner mit, die Errichtung einer Forckenbeckstiftung im Betrage von 200 000 .45 sür die Communalbcamteu und deren Hinter bliebene sei gesichert. Sehr zahlreiche Glückwünsche und Gratulationsschreibeu trafen ein. » * * * Der Plan einer Decentralisation der öster reichischen StaatSbahnen erregt auch in Ungarn Aufmerksamkeit. Der,,Pester Lloyd" erklärt, die Angelegenheit berühre die BertheidigungSfähigkeit der Monarchie und da habe Ungarn untzusprechen. Eine große Anzahl selbstständiger Bctriebsdirectionen könnte während der KriegS- vorbcreilungen die verhängnißvollsten Verzögerungen herdei führen. DaS gemeinsame Kriegsministerium werde hoffentlich alles aufbirten, um eine Föderalisirung der österreichischen Staatsbahnen zu verhindern, und eS werde ihm der Ersolg gewiß nicht fehlen. * DaS Prager Altczechenorgan „HlaS naroda" veröffent licht an der Spitze seine» Blattes einen Aufruf zur Schaffung einer Bereinigung zu dem Zwecke, daß dir Cie che» nur ber Czechen kaufen sollen. * Außer der bereits gemeldeten Verfolgung deS Erz bischofs von Aix durch die Zucktpolizeikammer hat der fran zösische Iustizminister ungeordnet, daß 7 Bischöfe vor den StaatSrath gestellt werde» sollen. * Lord Connemara schildert in einem Briefe an den „Standard" die Lage in China alS verwickelt und schwierig. Zede europäische Großmacht befolge ihre eigene Politik. Rußland und Frankreich heißt e« weiter, plansn territoriale Vergrößerungen. Deutschland setze Himmel und Erd« in Bewegung, um England» Stelle auf den chinesischen Märkten zu erringen. Er habe wenig Hoffnung aus den Erfolg einer Politik, welche auf die Einstimmigleit ber europäischen Mückle basirt sei. — Ein Telegramm deS „Standard" aus Bangkok meldet, daß ein ungewöhnlicher Druck aus die siamesische Regierung in der Absicht ausgeübt worden sei, um sür deutsche ReichSangehörige den Abschluß von Iahrcöcontracten zu erlangen. In Folge dessen habe der englische Bevoll mächtigte Protest erhoben, um die Einsprache der Regierung zu erlangen. * Dem Bernehmen nach wird, wie au» dem'sHaag depcschirt wird, di« niederländische Regierung dem nächst bei der Kammer eine Vorlage auf Ausnahme einer Anleihe vou 40 Millionen Gulden einbringen behuss Consolidirung der schwebeudeu Schuld und Bedeckung des DeficitS. * Nach einer Meldung au» St. Petersburg be stätigt eS sich, daß die Austragung der wegen des Pamir«. Gebietes bestellenden Differenzen mit England einer inter nationalen, auS Delegirten Rußlands, Englands, Chinas und Afghanistan» bestehenden GrenzbeslimmungS-Eominissiou an vertraut werden soll. Wie die Meldung hinzusügl, stützt Rußland seine Ansprüche aus das streitige Gebiet darauf, daß die dasselbe bewohnenden Stämme früher dem Khan von Kokand untertban waren und letztere« gegenwärtig unter der Herrschaft Rußland« steht. * Einer Depesche der „Times" an- Zanzibar gemäß wird die in Folge de» neuen UebereinkommenS gebildete Re gierung wie folgt rusammengesetzt sein: Präsident, General MathcwS; Einkünfte, Hugh Robertson; Armee und Polizei, Capitain Hatch j Hafen und Leuchlthürme, Capitain Hardinge; öffentliche Arbeiten, Bomanji; Staatsschatz, Mahomcd Ben Saif. In Zukunft werden die StaatSrcchnungen in eng lischer und arabischer Sprache geführt werden und zur Ein sichtnahme deS Gcneralconsul» ftetS bereit sein. Neue linier- nchmungen dürfen nicht veranstaltet und weitere Ausgaben ohne Bewilligung de» Geueral-Cousul» nicht gemacht werden. „ES fehlt an selbstständigem Urtbeil in den großen Reiben der Socialdemokratie. Heute erklären sich 5000 Menschen einer Volksversammlung mit Bruno Wille, morgen mit Bebel, der Entgegengesetzte« voraebracht, einverstanden." Er charakteristrt damit die schon vo» Führern der Eocialdrmvkratie Das Testament Loulanger's. — Fräulein Mathilde Artffith theiU der befreundeten Pariser Presse das vollständig« Testament Boulauger'r mit, dessen Haupt- bestiinmungen schon bekannt sind, da« wir aber al« „äocvmcul dumain", wie Zola di« Beleg« zu seinen Stomauen nennt, ganz wtedergeben wollen: Die» ist mein Privattestamentl Ich werde mich morgen tödten, da ich nicht länger daS Dasein ohne Die ertragen kann, welche die einzige Freude, das einzige Glück meines Lebens war. Zwei und einen halben Monat lang habe ich gerungen. Heute bin ich am Ende meiner Kräfte angelangt. Ich hege keine große Hoffnung, sie wtcderzusehen; aber wer weiy? Und wenigstens versenke ich mich in da« Nichts, wo man nicht mehr leidet. Ich bitte meine Mutter um Verzeihung wegen meines Ent schlusses. Ich hoffe, meine beiden Töchter werde» daS Schamgefühl besitzen, sich nickt im gesetzlichen Wege meinem letzten Willen zu widersetzen, da sie doch durch ihre Mutier reich sind. In dieser einzigen Hoffnung kann ich vergessen und ihnen verzeihen. Ich vermach« meiner Base, Fräulein Maihild« Griffitb, di« 65, Avenue de Breteull, in Parts Ihren Wohnsitz hat, die Gesammtheit des HauSratheS, der Kunstgegenstäade. Waffen, Gemälde, Pferde, Wagen u, s. w., die sich ln dem Privattwtrl befinden, dos ich 79, Nue Montvyer, ia Brüssel bewohne. Eine Ausnahme gilt sür die Möbel, die sich in dem Zimmer meiner Base Grisfilh im Hotel der Rue Montoyer befinden. Sie find gemirthet und müssen dem Bermiether zurückgegrben werden; desgleichen zwei kleine Bütten in 'Bett des 5 einer Bodenkammer und daS Zimmers, welches _ . « Herr Daten» gegenwärtig tnae hat. Ferner gehören die Möbel tu dem Zimmer meiner geliebten Marauertte zu chrem Nachlasse. Fall« mein« Töchter dt« Bitte, dir ich oben an sie Achtete, nicht erhören sollten, so würde ich Fräulein Mathilde Grtsfitd nur hinter- lagen, wozu da« Gesetz mich «rmLchtigt, nämlich ein '
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