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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920525028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892052502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892052502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-25
- Monat1892-05
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Abomreme«tSPrer- d« Haaptexpedttion od« den im Stadt bezirk u,L de» Vororten errichtete» Aut- gabefteve« «b>»holt: »tertrljLbrlich ^lS.bO, bei zweimaliger täglicher Anstellung in« Haut ückO. Dur» di« Post bezog«» »ür Deutschland und Leiierreich: vierletiädrllch 8.—. Direct« täglich« Areuzbandieuduug tut AuSlaud: monatlich S-—. Di« Morgen-Lutgab« «richrint täglich'/,7 Uhr, dt« Sbend-Au-gab« Wochratagt b Uhr. Nrdirliou,»tz LrveLitio»: L«dtMt,e«,afie 8. DirLnndiüon ist Wochentag» ununterbroch«» ««t-Z-l vo» früh 8 btt Ab«»dt 7 U»L FUialku: Vtt» <!«««'« Eortim. (Alsretz Hod»). U»iv«rsi»äl»llratz« I. e»»t« voiche. Aatharinrnstr. 1«. pari, und Atnigtplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. LWN för Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. JnsertionspreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg.' Reklamen unter demRedactionsstrich («go- chaltrn) 50Z. vor d«n Familicnnachrichle» (tzgejpalten) 40 ^ Größere Lchristen laut unserem Preit- «erjkichnis. 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Da« Septennat, wegen dessen jene« Lartel damals abgeschlossen worden, sei selbst von den Re- gierungen ausaegeben. Die Militairsragen würden daher in nächster Zeit „rein bedeutsames Kriterium der Parteiunterschiede, abaebeu". Jene« alte Lartel sei daher „unrettbar verloren". Zwar suchten die sächsischen Lonservativen „nicht ungeschickter Weise" dieser Entwickelung der Dinge durch Erneuerung de- Lartel« in Sachsen zu begegnen: sie suchten die Liberalen (soll wohl heißen: „National- liberalen^ „von dem drohenden Bundniß mit der Linken abzu- halten". Allein, wenn außerhalb Sachsen« die nationalliberale Partei „rin liberale« Lartel" hcrzuslellen suche, würden die Parteien in Sachsen diesem Beispiel folgen müssen. Dieser Artikel des Dresdner Blatte- scheint uns denn doch die wirkliche Sachlage einigermaßen zu verkennen. Zunächst ist dir Ansicht, daß, wie die „Dr. Z " sich auS- drüat, „die Militairsragen in nächster Zeit kein entscheidendes Kriterium für die Partciuntcrschiede abgebcn dürften", wohl allzu sanguinisch. Bei dem Streit um das Septennat im Reichstag von 1886 standen sich bekanntlich gegenüber auf der einen Seite die Lonservativen und Nationalliberalen, auf der andern Centrum, Deutschsreisinn, Socialteniokraten, Welsen, Polen u. s. w. Wie werden nun die Parteistellunaen >eyt sein, wenn zwar keine siebenjährige, aber doch immerhin eine, vielleicht nicht unbedeutende Erhöhung de- Militärbudgets und Verstärkung de- HeereSbestandeS gefordert wird? Von dem Eentrum. ist nach der Vorprodr mit der Kreuzrr- corvette L als ziemlich sicher anzunehnien, daß eS bei dieser Gelegenheit sich für die beim preußischen Schulgesetz erlittene empfindliche Niederlage rächen und gegen bie Vorlage» der Regierungen stimmen wird. DaS wäre nun nicht ausschlag- gebend, wenn die Deutschsreisinnigen gemeinsam mit den Conservativen, Freiconservativcn und Nationalliberalen für die Vorlagen stimmen würden. Die Dcutschfrcisinnigen zäblen im gegenwärtigen Reichstage 65, die Conservativen 69, die Freiconservativrn oder Reich-Partei 19, die National liberalen 41, macht zusammen 194, also ein kleine- Mehr gegenüber dem Centrum, den Polen, Welfen und .Social demokraten. Eine solche Combination wäre von höchster Bedeutung sowohl für taS Reich, wie für Preußen. Sie würde nicht allein die wichtigsten Interessen dcS Reichs, bie Interessen seiner Sicherheit und Machtstellung nach außen, gegen ikrr Schmälerung durch eine grundsätzliche Opposition, wie solche im Reichstag von 1886 bestand, sicherstellen, sondern sie würde auch die preußische Regierung von Rücksichten ähnlicher Art gegen da- Centrum entbinden, wie solche zweifelsohne bei der unglückseligen Vorlage deS Zcdlitz'schen Schulgcsetz- entwurf« mit im Spiele gewesen sind. Allein wir fragen die „Dresdner Zeitung": welche Bürg schaft hat sie dafür, daß die Deutschfreisinnigen so stimmen werden? Hat sie vergessen, daß Herr Eugen Richter in seiner „Freisinnigen Zeitung" laut verkündete: „Selbst um den Preis der zweijährigen Dienstzeit dürfe und werde der Freisinn nickt für eine abermalige Erhöhung deö HeereS- bestandes und des HeereSbudgetS stimmen"? So lange aber der Deutschsreisinn in solchen und Lbn- lichen nationalen Fragen seine Stellung als ei» Thcil der grundsätzlichen Opposition nicht aufgiedt (während er in liberalen Fragen, wie z. B. bei den Verhandlungen über Wahlrecht und WablbczirkSeintbeiluiig im preußischen Ab- acordnetenhause, von den Nationalliberale» als einer „liberalen" Partei HeereSfolge verlangt), so lange kann von einer prin- cipiellen Annäherung der beiden Parteien aneinander nicht die Rede sein, höchstens von einem Zusammengehen dei ein zelnen Abstimmungen, wie neulich beim VolkSsckulgesetz. UebrigenS will uns scheinen, als ob bei den mancherlei öffentlichen DiScussioncn über das Cartcl, die in neuester Zeit gepflogen worden sind, der eigentliche Sinn und Zweck de« CartelS nicht immer richtig aufgesaßt worden sei. DaSCartel sollte, seiner geschichtlichen Entstehung nach und nach dem Wortlaute der zwischen der nationalliberalen und den beiden conservativen Fractionen deS Reichstag« am 21. Februar 1587 diesfalls voll zogenen Abmachungen, lediglich für die Wahle» berechnet sein und ein Zusammengehen der genannten Parteien bei diesen sickern. Abgesehen davon, sollten beide Tbeile in ihrer politischen St«llung und ihrem parlamentarische» Gebühren völlig unab hängig von einander bleiben. So ist es auch in Sachsen gehalten worden. Als einmal conservalive Blätter cS wie eine Verletzung Le- CartelS rügte», daß die Nationalliberale» im Reichstage nicht sämmtlich für ihre agrarischen und sämmllich gegen ihre zünstlerischen Anträge gestimmt hatten, ward dies von nationalliberaler Seite als eine durchaus ungehörig: Zumutbung zurückgewicscn. Hat aber da- Cartct nur bei den Wahlen Giltigkeit, so ist unS in Sachsen unsere Stellung daher durch die besonderen Verhältnisse unseres Lande- ziemlich genau vorgezcicknet. Unsere erste und größte Sorge wird eS immer sein müsse», von der in bedenklicher Weise fortwäbrend anwachseudcn Social- demokratic nicht gänzlich übcrflnlbel zu werden. Scho» bei der ReichSlagSwahl von 1590 gingen trotz dcS damals bcsicbeiiden und ehrlich gehandhabtcn CartelS zwischen Nalio»alliberalen, Conservativen und Mitgliedern der allen sächsichen Fortschritts partei sechs Wahlkreise, da- ist mehr als >/« aller, au die Social- demokraten verloren. Wollten die Natioiialliberaleii, wie der Artikel der „Dresdner Heilung" verlangt, die Füblung mit den Conservativen Dtzi den Wahlen aufgebcn und dafür einen Anschluß nach der andern Seile suchen, so wäre damit der Socialdcmokratie nicht bloS wiederum in ihren seckS Kreisen, sondern wahrscheinlich in noch viel inebreren der Sieg so gut wie gesichert. Denn die Zahl der linkslibcralen Stimmen (selbst wenn man Deutschsreisinn und alten Fortschritt zusam- menrcchnet) ist viel zu klein (1890 war sie etwa 50 000), um gegen die damals schon 205 000 betragenden socialdcmokra- tischcn Stimmen ein ausschlaggebendes Gewicht m die Waag schale zu werfen. Anders steht eS, wenn die Linksliberalen sich — immer nur für die Wahlen! — rückhaltlos den „staatserhaltenden Parteien" anschließen wollen, um mit ihnen vereint die Feinde des Reich- und der bestehenden Gesellschaftsordnung zu be kämpfen. In dieser Beziehung ist die Erklärung der 103 Ständemitglieder insofern mit Freuden zu begrüßen, als durch dieselbe auch solche Mitglieder der Linken, die bisher für Parteigänger C. Richter'S galten, mindesten- sich nicht offen von ihm lossagen wollten, sich verpflichten, „für Sicherung eines Zusammengehens der staatSerbaltenden Parteien bei öffentlichen Wahlen cinzutreten". Es erscheint dies als eine sehr erfreuliche Wendung in unserem sächsischen Partei wesen, wenn man sich erinnert, wie oft bei srübercn Wahlen der Sieg über die Socialdemokratie den staatserballenden Parleien durch die Dazwischenschiebung eines dculschsrcisinnigen Candidaten oder durch die Wablentballung der deutschsrcistnmgen Wähler erschwert, wo nickt gar entrissen wurde — nickt zu ge denken jenc« auf cinerLandeSversawmlungderDculschfreisinnigen in Chemnitz gefaßten förmlichen Beschlusses, daß, wo die Wakl zwischen einem Cartelgenossen unk einem Socmldcmokraten stehe, der Deutjchsrcisinnige keinesfalls für de» Cartelgenossen stimmen dürfe. Eine andere Frage ist die folgende: Der „Besitzstand", der nach dem Cartel von 1887 (Punct 2) für alle RcickSIagS- wablen (auch die nicht focialtemotratisch gefährdeten) und, nach besten Ucbcrtragunz auch auf die LandtagSwahlen, wie sie in Sachsen erfolgte, ebenso für alle Landtagswahlen galt, ist mit dem Cartel erloschen. Wie soll eS nun daniil künftig im einzelnen Falle gehalten werden? Wie vollends da, wo keine oder nur eine ganz bedeutungslose socialdemokralische Candidatur in Betracht kommt, also nur Candidaten von den anderen Parteien einander gegenüberstehen? Doch, das ist, da LanttagSwablen erst im nächsten, ReichStagSwaklen gar erst im drittnächstcn Iabre bevorsteben, eine zur Zeit noch müßige Frage, die daher besser für jetzt unerörtert bleibt. politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Mai. Je schöner und erhebender das nationalliberale Partei- fest in Eisenach sich gestaltet bat. um so unbequemer ist es ualürlich allen offenen und versteckten Gegnern und Neider» der nationalliberalen Partei. Und da sich im Verlaufe dcS Festes so gar nichts findet, was zu einer Verdächtigung sich ver- wertben ließe, um so eifriger wird darnach geforscht, ob in Eisenach nicht etwas unterblieben sei, was zu einer un günstigen Deutung sich auSnntzcn lassen könnte. Ein wahrer Trost für diese „Forscher" ist es, daß Herr v. Bennigsen nicht nur nicht gesprochen bat, sondern gar nicht einmal erschienen ist. WaS läßt sich daraus mit gutem Willen und hämischer Erfindungsgabe nicht seiger»! Wäre der Lbcrprästtent von Hannover nach Eisenach gekommen und hätte dort geredet, so Kälten ohne allen Zweifel alle seine Gegner und Neider nicht nur diese Betbciligung eine« hohen preußische» Staatsbeamten an einem Parteiscstc als höchst unpassend bezeichnet, sondern auch jede» seiner eigenen und in seiner Gegenwart gesprochenen Worte einer giftigen Kritik unterzogen. Da er ,bnen diese Gelegenheit genommen, so muß sein Verhalten zur Handhabe für die Unterstellung dienen, daß er entweder ein zu lauer und zu ängstlich nach oben schauender Parteiführer sei, oder sich ge fürchtet habe, von seinen versammelten Parteigenossen, die angeblich mehr nach recht- neige» als er, deS- avouirt zu werden. Die eine dieser Unterstellungen ist so albern wie die andere. Daß der Oberpräsitcnt von Hannover weder lau noch ängstlich ist, bat er erst unlängst wieder durch seine im Reichstage nach oben gerichtete Warnung vor Durchdrückung des Zcdlitz'schen Schulgcscy- cntwurfeS bewiesen, und daß die in Eisenach versammelt ge wesenen Nationalliberalen diese Warnung nicht als ein» LinlS- schwenkung, sondern als eine von der Gesammlpartci begrüßte Großtbat anseben, das bat der stürmische Jubel bewiesen, niit dem die Reden und Trinksprüche ausgenommen wurde», die dem verehrten Führer und seinem ebenso mannhaften wie wirksamen Auftreten gegen da« Zcdlitz'sche Opus alten. Wäre Herr von Bennigsen in Eisenach erschienen, so ätten die Ovationen für ihn kein Ende gesunden — da- muß Jedem klar sein, der die Fcstberichte gelesen bat und nicht an unheilbarer Begriffsstutzigkeit leidet. Aber solche Ovationen sind nicht nach dem Geschmacke deö Mannes, der für sich nie mals etwa- erstrebt hat, sondern nur für da« Vaterland und seine nationalen und liberalen Ideen. Er entzieht sich sol chen Ovationen, wenn er eü kann, ohne der Sache zu schaden. Wäre er ,n Eisenach nöthig gewesen, hätte er da etwas zu schlichten oder in daS rechte Licht zu stellen gehabt, so wäre er — daS weiß Jeder, der ihn genauer kennt, und wir habe» die Ebrc, ihn so zu kennen —, trotz seiner Abneigung gegen Ovationen erschienen und hätte gesprochen, selbst aus die Gefahr bin, nicht bei allen Parteigenossen unbedingte Zustimmung zu finden. Aber in Eisenach war »ichis durch ibn zu schlichten oder in das rechte Licht zu stellen; er durste fehlen, ohne eine» Nachtbeil besorgen zu müssen; er durfte sich entschließen, da zu fehlen, wo er »ur gefeiert worden wäre, und da zu wirken, wo daS Vertrauen seine« Kaisers ihm ei» großes WirkungSseld zugewiesen. Wir achten und ebren einen solche» Entschluß; wir zählen ihn den hohen Ver diensten des seltene» Manne« hinzu und beneiden Keinen, der cnttveter kein Verstäntniß für solche Entschließungen besitzt, oder unehrlich genug ist, um sich so blöd zu stellen. Die Partei aber, die einen Führer besitzt und versiebt, der die treue Arbeit der Ovation verzieht, die strenge Pflichterfüllung de,» Vergnügen und der Ebre; einen Führer, der seinerseits die Partei durch da« feste Vertraue» ebrt, sie werde an einem Fest- und Iubcltage sich von selbst in seinem Sinne und Geiste führen: eine solche Partei ist zu beglückwünschen. Schließt der Freisinn diesem Glückwünsche sich nicht an, so ist da« allerdings begreiflich genug: Herrn Eugen Richter hätten zehn Pferde nicht abgebailen, bei einem Feste zu er scheinen, wo er keine andere Müde gehabt hätte, als Eichen laub für Kränze zu seinem Ruhme drecken und binden zu helfen. ES ist eine höchst bemerkenSwertbe Erscheinung, wie — wir wellen nicht sagen die katholische Kirche — aber die ultramontanen Macher und Agitatoren, die an der Spitze der clericalcn Bewegung stehe», neuerdings mit immer plumperen »nd roheren Mittel» arbeiten. Ter „heilige Rock" durste nach sünszigjährigcm Schlummer wieder im Hellen Licht des zu Ende gebenden Jahrhundert- vorgefiibrt werden, die Jesuiten werden »nS alle Tage als die edelsten Söhne der katholische» Kirche gepriesen und dafür unsere großen historischen Männer, an deren Andenken der überwiegende Theil der Nation mit Liebe bängt, ein Lutber. ein Hutten, aufs niederträchtigste geschmäht und verlästert. Die große» Massenwallfabrten blühen in einem srüber nicht gekannten Umfang, ein fanatischer Bekedrung-druck tritt wieder in den ab stoßendsten Formen auf, TeusclSauStreibungen und Hepenver- solglingen feierii wieder tolle Orgien. Dertrefftich« Pater Aurelian verübt mit Billigung zweier Bischöse einen so heillosen gottes lästerlichen Unfug an einem „besessenen" Knaben, daß die Welt mit Schreckt» und Grauen vor solchen unglaublichen Zeiterscheinungen siebt. Zu derartigen Vorgängen' kann man Analogien überhaupt nicht mcbr aus unserem Jahrhundert schöpfen, man muß in die Zeiten bald nach dem dreißigjadrigcn .Krieg znriickgreifen, wo Robbest und Aberglauben in ibrer finstersten Gestalt die Köpfe beherrschten. Und angesichts solcher trüben Erscheinungen wagen Männer wie Graf Ballcstrem und Herr v. Hucne spöttisch und verächtlich von der „sogenannten" Culiur der Neuzeit z» sprechen! Trotz mancher Auswüchse ziehen ^ wir sie der Culiur der Kapuziner von Wemding mit ihrer natur wüchsigen Kirckweikranfcrei mit zebn leibhaftigen Teufeln denn doch noch vor. Nur vereinzelt und sehr schüchtern wird aus katholische» Kreise» Widerspruch gegen derartiges Treiben laut. Und einer GeisteSricktung, die zu solchen Verirrungen führt, sollte in Preußen der entscheidendste Einfluß auf die Leitung der Bolkserziebung eingeräumt werden! Seitdem die nltramontanc Agitation nirgends in Deutschland mehr sich aus Forderungen und Klagen stützen kan», denen auch nur einiger maßen Berechtigung znerkannt werden könnte, hat sie sich in stets wachsendem Maße zur Aufstachelung der religiösen Leiden schaften und des confesstvnellen Unfrieden« der royesten Mittel bedient. Es wäre wirklich an der Zeit, daß die besseren Ele mente der katholischen Kirche endlich mit sich zu Rathe gingen, Feuilleton. Europas Schwiegereltern. Zum goldenen Ehejubiläum (25. Mai 1892) Bon Lonrad Dohany. Ra-druS vkrbsie». Den Mächtigen dieser Erde ist es nicht oft beschieden gewesen, da» Fest der goldenen Hochzeit zu feiern; außer dem glorreichen Kaiser Wilhelm I. waren nur Wenige von diesem gütigen Geschick begünstigt. Gewinnt solches Ereigniß bei regierenden Häuptern dock überdies eine erhöhte Bedeutung, wenn man bedenkt, daß sie nicht wie andere Sterbliche nur die Interessen und Pflichten de» eigenen HauscS zu erfüllen, sondern auch für die Zukunft eine« ganzen Volkes Sorge zu kragen haben, daß da« Wohl und Webe de« Lande- ihr eigene« Leben innigst bewegt und baß ihnen demnach weit höhere und schwerere Ausgaben obliegen als dem Einzelnen. König Christian IX. von Dänemark ist am wenigsten von den großen Heimsuchungen, die der Herrscherberus mit sich bringt, verschont geblieben. Als er im Jahre l863 am fünfzehnten November den Tbron bestieg, drohte ihm eine Katastrophe von innen sowohl wie von außen. Sein Vorgänger König Friedrich VU. war kinderlos gestorben und hatte ihn in Uebereinstimmung mit dem Reichstage schon im Jahre 1853 zu seinem Nachfolger eingesetzt Al ber junge Könia nun, der leidenschaftlich erregten Volks- Meinung nackgebend, die Herzogthümer Schleswig-Holstein mit Dänemark verschmelzen und seine unbeschränkte Herr schaft über diese« so erweiterte Reich au-drhnen wollte, widerfrtzten fick die Herzogthümer diesem Thronfolgegrsetz und verhalten zum Zwecke der Wahrung ihrer Sonderrechte dem Kronprätendenten Erbprinz Friedrich von SckleSwig- Hclstein-Sonderbura-Augustenbura — dem Vater der jetzigen Kaiserin von Deutschland — zur Regierung. Diese Vorgänge fanden erst durch den Krieg vom Jahre 1864 ihre Beendigung, da Dänemark die Herzogthümer Schleswig-Holstein und LNurnborg nach den Frieten-rräliminarien an den Deutschen Bund adtrrten mußte In Kopenhagen kam r« hierüber zu AnfAandSversuchen, aber der König verstand r«, durch rnrr» ßtsch« »»d weis« Maßregel» drr Bewegung bald H«rr zu werden und durch diplomatische Geschicklichkeit dem Sieger noch manche Bortheile abzugewinncn, die geeignet waren, die Nation zu beruhigen. Es blieb das schönste Bestreben des König«, den neu geschaffenen Zustand entschieden festznballcn und allen Revanchcgelüsten edclmütbig zu entsagen. Er hoffte sein Volk durch die Segnungen des Friedens und durch die Pflege der Cultur groß und glücklich zg, machen. Bei dem glühenden nationalen Eifer der Dänen hatte der König einen schweren Stand, und oft kam eS zu vcr- häitgmßvollen Consticten, die die ernstesten Folgen über daS Land zu bringen drohten. Dem Volke verlieh der König die weitgehendsten Selbstbestimmung-rechte auf dem Wege der Verfassung. Die Folge hiervon war, daß cs den fanatischen Elementen möglich wurde, durch die be denklichsten Mittel den VolkSwillen umzustimmen und zu den abenteuerlichsten Revancheplänen zu verführen. Wah rend der König gerade den größten Werth aus die freundnachbarlichen Beziehungen zu Deutschland legte, wurden ih.n anhaltend große Schwierigkeiten durch eine Partei bereitet, die gegen Deutschland conspirirte. Aber eS gelang ihm, seinen richtigen und zweckentsprechenden Zukunst-ideen, die er mit vorauSlchaueodem Geiste erwog, endlich den Weg zu bahnen. Im Jahre 1870, während, des deutsch-franzö- fischen Krieges, war man auf das Verhalten Dänemark« höchst gespannt, ob e- sich Frankreich anschließen werde. Dies mal bewies sich aber der wohlthätige Einfluß, den die Wirk samkeit de» König« im Lande auSzuüben vermocht batte. Denn wie inzwischen bekannt geworden, war drr französische Herzog v. Cadore in außerordentlicher geheimer Mission nach Kopen hagen gekommen, um Dänemark zu einer activrn Unterstützung zu bewegen. Mit einigen Agitatoren hatte er sich bereit-vereinigt, um rmen VolkSausruhr zu Gunsten der französischen Sache der- beizufübren und den König zu einer Action zu drängen. Der Krieg-minister Ra-löff unterhandelte schon mit Nordamerika wegen dr» Verkaufs der westindischen Inseln St. Thoma- und St. Jüan, um d,e nöthigrn Mittel zur Kriegsführung zu beschaffen. Aber de« Monarchen Umsicht wußte all diese wahnwitzigen Pläne zu vereiteln. Der AuSgang de« großen Kriege« belehrte di« Danen auf da» Deutlichste, vor welchen Gefahren drr König sie zu schützen verstanden hatte, und von diesem Augenblicke an wuchs da» Vertrauen und di» Liebe de« Volke« »u seinem Herrschrrhause. De» schönsten Lohn fanden dir s» glänzend bewiesenen friedfertigen Bemühungen des Königs in den freundschaft lichen Gesinnungen, die ihm säst alle Cabinette Europas cnlgegenbrachlcn. An seinem Familiengiücke sollte er nun mehr die Erfolge genießen, die er sich im öffentlichen Interesse erworben. Kein StaatSintcrefse und keine politische Erwägung konnte eS verhindern, daß die erste» Herrscher häuser Europas sich mit seiner Familie verschwägerten. Der König ist seit 1842 mit der Prinzessin Luise vermählt, der dritten Tochter des Landgrafen Wilhelm von Hessen- Cassel und der Prinzessin Luise Cbarlotle von Dänemark. Das königliche Ellernpaar erfreut sich de« Besitzes dreier Löhne und dreier Töchter, die nun längst fürstlich versorgt sind. Die in, Iabre 1844 geborene Prinzessin Alexandra feierte ihre Hochzeit mit dem Prinzen von Wales, dem englischen Thronfolger, am zehnten März 1863 —, die Zweitälteste Tochter Prinzessin Dagmar, im Iabre 1847 ge boren, vermählte sich am neunten November 1866 mit dem russischen Tbronsolgcr Alexander Alexantrowitsch, dem jetzt regierenden Kaiser von Rußland, — der Kronprinz Friedrich, im Iabre 1843 geboren, heirathrte im Jahre 1868 die Prinzessin Lovisa. die einzige Tochter de« Königs von Schweden. Der zweite Sohn Prinz Wilhelm wurde als Georg I. zum Köniae von Griechenland berufen, nachdem die Großmächte sich über keinen anderen Candidaten hatten einigen können. Dieser ist, wie bekannt, der Schwieger vater der Prinzessin Luise von Preußen, der Tochter keS Kaiser- Friedrich. Di« Sympathie der europäischen Fürsten für den dänischen Hof bekundete sich immer mcbr und bi» in da» Greisenalter hinein genießt da« KönigSpaar allseitig« Liebe und Verebrung. Ganz besonder- da« Deutsche Reich, da- ebedem stet« gezwungen war, wegen der dänischen Großmackl-pläne kriegsbereit zu sein, beeilte sich, sobald die- thunlich war, sein Vertrauen zu bekunden Als im Iabre 1873 der deutsche Kronprinz ten königlich schwedischen Hof besuchte, wurde er auf der Rückreise von dem dänischen Kronprinzen in Malmö erwartet, der ihn ans da« Freundlichste und Ehrenvollste nach Kopenhagen geleitete Hiermit war die erste Annäherung gegeben und König Christian sorgte nun dafür, daß in seinem Lande die von ibm aufs Neue geknüpften Beziehungen weiter gepflegt wurden. Die« that der König selbst auf die Gefahr hin, seine Beliebtheit bei dem Volke zu erschüttern. Bei seiner Rundreise im südlichen Jütland ließ er di« geplant» Frier der Schlackt von Idstedt untersagen, um Deutschland gegen über jede Demonstration zu vermeiden. Im Winter des IabreS 1879 statteten der König »nb die Königin von Dänemark der kaiserlichen Familie einen Besuch in Berlin ab, der als ein nm so erfreulicheres FreundschastSpsand angesebcn werten konnte, als seit 1840 kein Mitglied der dänischen Königsfaniilie Berlin besucht batte. Im Jahre 1878 feierte die jüngste Tochter, Prinzessin Thyra, ihre Hochzeit mit dem Herzog von Cumberland, dem Exkronprin; von Hannover, die in Wien rcstdiren. Im Iabre >888 beiratbete der jüngste KönigSsokn, PrinzWaldemar, in Paris Prinzessin Marie von Orleans, die Tochter des Herzogs von CbartrcS. Aber alle hierbei zu Tage tretenden Manifestationen erschütterten bei den Nachbarstaaten nickt den festen Glauben an die zuverlässige Friedensliebe des Königs. Bald darauf sollte er vielineor die Früchte seiner ancrkcnncnswcrtden Bemühungen allmälig gedeihen sekcn, denn gelegentlich der Wahlen wurde von der Mehrheit de- Volke- eine Re solution gefaßt, in der es beißt: „Wir würden cS sehr beklagen, wenn sich in Deutschland die Vorstellung ausbrcitcn würde, daß das dänische Volk zu einer gegen Deutschland gerichtete» Allianz Politik geneigt wäre. Wir sehen sehr wobl ein, daß wir durch solche Politik unser Vaterland einer drobenden Gefahr au-seyen. Diese Erkenntniß wird im Großen und Ganzen von 'den politischen Parleien getheilt. Wir halten cS für richtig, die- auSzufprcchen und wir ersuchen ganz besonder- deutsche Zeitungen jeder Partrifarbe um Auf nahme dieser unserer Erklärung." Nachdem auch der dänische Reichstag bei dem Tode Kaiser Wilhelm - l. eine edle, tbeilnahmSvolle Haltung be wiesen, beschloß der jetzt regierende deutsche Kaiser, durch einen Besuch in Kopenhagen seinen Dank auszusprechen, bei dem er in der dem dänischen Ministerpräsidenten Estrup erthciltcn Audienz erklärte, daß aus der allgemeinen FriedenS- grundlage, wie sie Deutschland gewähre, jeder Staat sich ungestört den socialpolitischen Fragen zuwendcn könne; habe ja Dänemark stet» ein bohr» Äntrresse für die deutsche Socialgeseygebung gezeigt. Noch reichlichere Beweise der Anerkennung waren dem dänischen KöniaspEt zugegangen, al« dasselbe da- fünfund- zwanzigjäbrige Regierung-jubilaum am fünfzehnten November 1888 gefeiert hatte. Mit Recht konnte damals drr Köoig X
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