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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920531024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892053102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892053102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-31
- Monat1892-05
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I» H« H»»pterpeditio« oder de« i» Stad^ Adend-ALsgave. dezoq«, lär vterteliährlich » Utzu Rrtzvti», E»tzs»»e«aaß« A. »»uutirtzeech» kt« Abock« 7 Utz» Ffliilt»: Dito KIe»«'s Eortt«. lAlfre» lluiverMMtraße t, e„t» r»^h«. Kath»rt»«chr. 14. part. «d 7. 'chMerTagMalt Anzeiger. LM« fiir Politik, LocalgeMte, Handels- und Geschäftsverkehr. JnsertionSprel- Die ssgcspaltene Petltzeilr 20 Pfg.- Reclam», unter dem R»dactto»«strich («am ipalle»; üO^, sor den Famtliennachrichl«» it» ^ripalteu) 40 Llrövere Schrillen laut unsrem Preis- vcrjeichnib- Tabellarischer und Ziffern!atz »ach höherem Tarif Grtrn-Bcilnnen kgesalzy. nur «it de» Morqea-Attsgaöe, obn« Postbesörderni.g 30.—, «it Poslbriörderuug 70.—. Lnnahmtschluß fSr Inserate: Adend-Aulgab«: Bormittag« 10 Uhr. Biorg«»«Ausgabe: Aachmittag« «Uhr. kann« und Festtag« früh S Uhr. Bei da» Filiale» und Annahmestelle» je «i»r bald« Htuud« früher. Znlerat« siud stet« ,» di« ErKrdtttsu zu richte». Druck »ud «erlag von L. Pol» tu Letvjig ^-27«. DieuStag dev 31. Mai 1892. 86. Jahrgang politische Tagesschau. * Leipzig, 81. Mai Al« kürzlich di« ultramoat»»«» hochconservativru und .freisinnigen" Gegner der Rationalliberale» über die .Dreistigkeit" sich ereiferten, mit der diese Partei der Aut- wvrt»d«p«schr de« Kaiser« aus da« huldigende Telegramm der in E»s «nach versammelt grwisenea gesrgrnoffen eine politische Bedeutung beirumrfsrn versucht hatte, wachten wir den Borschlag, die Verurthriler jene« .dreisten" Ver suche« möchten auch ihrersrit« bei festlichen Veranstaltungen, bei denen die Partei,ielr mit vollster Offenheit zuui «»«druck gelangte«, an da« Reichshaupt mit Telegrammen sich wenden; aut den Antworten, die ihnen eveutuell zu Thril werden würden, werde sich ja von selbst ergeben, ob dir Eisenacher Festgcnossen zu dreist gewesen feien, al« sie der kaiserlichen Antwort eine erfreuliche politische Bedeutung beimaßen Bon ultra montaner Seite ist dieser Vorschlag befolgt worden. Al« am Himmelfahrtötage in Magdeburg Tausend« von Ultramonianen unter dem Vorsitze de« Herrn von Schor- lemer-Aist versammelt waren, sandten sie an den Kaiser nach Pröckelwitz folgende Depesche: „Eurer kaiserliche» und königlich«« Maiestät bringen viertausend zu Magdeburg veriommelte Katholiken der Provinz Sachsen ihr« allerunterthämgsie und ehrfurchtsvollste Huldigung dar mit dem Ge löhnt» »nverl'ruchlicher Treu»/' In dieser Versanimlung erklärte der Vorsitzende, e« wehe wieder ein anderer Wind — de» Wind weine er freilich nicht, der sich beim Voltsschulgesetz erhoben, denn da« sei schon wehr .blauer Dunst" gewesen sondern e« wehe wieder die Lust de« Culturkainpse«, und dieser sei ein alter Bekannter von ihm. Dir gefaßten Beschlüsse waren ganz im Geiste dieser Worte; e« wurde darin die Zurückziehung de« Zedlitz'schrn volttschulgesrtze« bedauert, die Zulassung aller Orden, auch der Jesuiten, und dir Wiederherstellung der territorialen Unabhängigkeit de- Papstthuw« gefordert. Das war ein Kampfprozramm in aller Form, ein K.rnipfprogramni auch gegen di, Regierung, in deren Namen erst vor einigen Monaie» Herr y Egprip, der Aijshebung de« Jesuitengesetze« ein entschiedene- Veto entgegtngesetzi hatte. Gleichwohl erhielt Herr v. Schorlen»,r am ?«. Mai folgende« Telegramm: „Seine Meifftät her Kaiser habe» den telegraphischen Huldigung», grub Lee vmsiamuwltewKhchoUIt« mit Vesriediguna «ntsegeu- gcnsmmtn Udo lanetz mrmeie» «»«druck treuer Anhänglichkeit freundlich danken. Ans <klmh>»s>»» «esehl v. Luc,NU»." Darob natürlich großer Andel bei Allen, die der kaiser lichen Antwort auf da« Telegramm de» Eisenacher Fcstgrnossen jede politische Bedeutung abgesprochen und den Nationab liberalen den Borwurf der .Dreistigkeit" wegen ihrer An »ahme, jener Antwort sei eine solche Bedeutung beizumessen, gemacht Hallen. Dir demokratische .Franks. Ztg." frohlockt: „Wie wird der nationalliberal» Vogel jetzt pfeifen? Wir denken, er pfeift gar nicht mehr, sondern bläst Trübial in der Erkenntniß, daß man aus dem Fundament eine« freundlichen Danke« keine parteivolitilchcn Lustschlösser bauen bars, wenn man sich nicht vor aller Weit di» aus di« Knochen blanüre» will." Nun, Trübsal werden dir NationaUiberalen deshalb nicht blasen. Sir werden sich nicht einmal wegen eine« JrrtbumS schämen, der ihnen sicherlich kaum Unehrr macht. Sie irren auch jrdenfall« nicht in der Annahme, daß der Kaiser, als er Herrn v. LucanuS mit der Absendung eines DankcStelr gramm« an Herrn v. Schorlcmer beaustragte, von den Be lchlüssen und dem Geiste der Magdeburger Versammlung keine Kenntniß hatte. Daß trotzdem rin solche- DankeStelrgramm erfolgte, können dir Nalionallibrralen nur bedauern. Und, daß sie dazu berechtigt sind, beweist drr Jubel derDrmo- kratie» den der Kaiser hervorzurusen ganz gewiß nicht beabsichtigt hat Am selben Tage, an dem Herr von Schorlemer-Alst da rum kaiserliche Telegramm empfing, ist der westfälische Freiherr ersten Male wieder in die parlamentarische Arena ein- artrrte» Er erschien Im Herrenhause und ergriff da« Wort zum Nachtrag««tat. Ueber die symptomatische Be deutung diese« Vorgänge« schreibt man den „Hamb. Nachr ": „Nach Aeuberungen, welche Herr v. Schorlemer vor etntge» Tagen in Megdrdurg geihan — er glaubte Eulturkampftust zu wüte»» —. schien r« nicht au«g»schlossc„. das, er ein« mehr oder »«Niger ausgesprochen» Opposttionssiell ung einncdmen würde Pr hat da« mdeh durch»»« vermieden. Selbst die Mink, welche eine Gesinnungsgenossen im Abgeordnetenhause an der Zurückziehung »er «olt-schnlvorlagr geübt, hat er sich verjagt. Nur dadurch machte er srtann Herzen Lust, dcß er den Ansturm gegen diese Vor lage al« eine tendenziös« Mach« bezeichnet«, über die er mit Verachtung biaweggeh«. Im klebrigen floh er über von Loyalität und trug einen stark unterstrichenen Optimiömu» zur Schau. Die Bedeutung des Debüts kann nicht verkannt »erden. Warum Herr v. Schorlemer stch seinerzeit vollständig au« dem politiicheu Leben zurückgezogen hatte, st ui«mal« ganz aufgeklärt worden; doch wird wvbl die verbreitete Annahme nicht ohne Grund getveirn sein, daß seinem Streben nach einem engeren Berhaltnib zur Regierung der verstorben« Windthars» nl« uaüderstcigdare» Hindernis, im Weg« ge« landen Hab». Nach Windthorsl'» Tod« ist jenes «rüredle Verhältnis, ihatjächlich «»»«trete», di« r« durch die „Katastrophe" vom 18. März diese« Jahre« plötzlich zerrisse» schien. Wen» Angesicht« der erstaunlichen Uniahigkeit, welch« die dermatigen parlamentarischen Führer de« Lentrum« infolge diese« Ereig nisse« an de» Tag legte», al-bald der Name v. Schorlemers wieder i» den Vordergrund trat, so konnte da- nicht über- raichen- Di« Frage war nur. wie dieser Politiker, der »Hedem nührend de« Lulinrkompss zu den rücksichtSloje»«» Opposition», männern gehört hatte, die neue Situation nehmen würde. Je», sieht man deuilich, das, er daraus «uegeht, da» eben erst zer- rissen» Vand wieder enzuknilpse». Und ohne Zweifei ist durch diese Ltelluugnahme de« nunmehr bedeutenden Führer« auch diejenige des Lentrum« überhaupt gegebe». Mil anderen Wauen: gestützt auf die auSschlayaedende Positiv» de« Een- trum« im «etch-tage, holst man. dir Negiernug-uu» fernerhin im Ginne der ultramonta»«» Bestrebutzge» beeinflussen zu können. Da« Mißgeschick «it /dem Schulgesetz erscheint al« eine überwundene Episode, dir mau am liebsten vergrsstu möchte. Noch alledem ist eine schroffe Oppo sition de« Lentrum«, trotz der schärferen Tonart, welch». Herr Lieber und Ander» ojueüem raeinao neuerdings vorgeschlaj zunächst nicht zu erwarten. Die ganze Schwterigk aber wird ans die Siegiernng fallen. Wird sie auch eS Gras Laprivi geihan, die vesriediaung de« Eenlei»»« schnür ihrer Politik nedm«»'? Dies« Frage ausiversen d>« ganze Unklarheit kennzeichnen, der wir noch übemehru". , Daß diese Unklarheit durchs«» vor-M«MWil liche Telegramm beseitigt oder auch nur vermindert worven wäre, wird gewiß kein Mensch behaupten. Um so großer natürlich da« Behagen der Demokratie, die vergnügt ii» Trüben fischt. Ueber denR eisepläncn de» Zaren ruht »ach wie vor ein gewisses Dunkel, das nur zu begreiflich ist. Ein Telegramm der „Franks. Zeitung" auS Kopenhagen vom .iv. d. meldet: „Der Zar reist Donnerstag »ach Uiel, um Len deutschen Kaiser zu begrüßen, und kehrt gleich wieder hierher zurück." Und die „Köln. Ztg." berichtet: „Tie Kaiser-Zusammenkunft in Kiel kann jetzt al- eine feststehende Tdalsache betrachtet werden. Am Dient tag verlädt der Zar und drr Grotzsürst.rhronsolg>>r aus dem „Polar- stcrn" Kopenhagen und begtebt sich nach kiel, wo Kaiser Wilhelm den Zaren empfangen wird. Wie nn« au« Kopenhagen seiner mit« gcthkilt wird, werden die dort liegenden russischen Kriegsschiff» den „Polarstern" noch Kiel begleiten." Dagegen verbreitet der osficiös« Draht von Berlin au« folgende Mitthrilung: „Ueber die von der Kopenhagen»,: „Nationaltid." verbreite«: Nachricht, der Zar werde Donnerstag zu «ine» Begegnung mi» dem deutschen Kaiser auf dem „Polarstern" nach Kiel gehe», ist in den diesigen destunterrichieten Kreisen nicht« bekannt." Die nächsten Tage werden zeigen, ob letztere Meldung nur auf eine Silbenstecherei hinau-lauft. Ein Berichterstatter, drr au- Hofquellen schöpft, tritt der Meldung entgegen, daß Großfürst Georg Michaelvwitsch einen politischen Auf trag in Berlin auSzurichlcn batte, und schreibt: „Der Ärosjfürst, der inkognito unter dem Namen »ine« russischen Barons in der hiesige» Botichast wohnte, war einige Tage in per- sönlichen Angelegenheiten hier, die aus leine Gesundheit znrück- »sühre» sind, vor mehrere» Jahren schon war der Grosiiürst mit einen Litern hier, um sich einer Ovcralion durch de» Geheimrath von Bergmann zu unterziehen, die aber unterblieb. Auch letzt hat er die Httsc von Bergmann « in Anipruch genommen, der thm den Gebrauch eine« Bades angerathen hat" In jedem Falle ist die Anschauung allgemein verbreitet, daß die Begegnung des russischen Kaiser- mit dem deulschc» Herrscher im Lause dieser Woche stattfinde und daß der Gegenbesuch de- Zaren für Narwa mehrere Tage dauern werde. Wie man über diesen Gegenbesuch, besonders wenn er wirklich in Kiek erfolgen sollte, denk«, brauchen wir nicht zu wiederholen. Der „BorwärtS" erläßt eine sehr eindringliche War nung vor der Auswanderung nach den Bereinigten Staaten von Nordamerika. Man kann c- dem sveial- temokralischen Ccutralorgan und seine» Patrone» bezeugen, daß sie niemals Freunde der Auswanderung gewesen sind. Natürlich, mit de» Auswanderern, die ja >n ihre» großen Mehrheit de», Arheilerslande angehöre» und sorlziehe». weil sie mit den hcimlschen Zuständen unzufrieden sind, geht der Tecialkemokralie da« beste Material verloren, zumal es meistens Leute sind, die für ikr Ideal, die Berdesscrung ihrer Lage, noch matericlle Opser zu bringen im Staute sind. Außerdem weiß gar mancher alte Soclakdemokrat von dem erträumten Glück« in der Neuen Welt auö eigener Anschauung ei» Liedchen zu singen. Es gab eine Zeit, wo selbst socialdcmokralische Berühmtheiten, denen da« Warten aus die Verwirklich»»;; ihres Staat«- und Gcsellschasisideals in Deutschland zu lang wurde, sich dem Lande der demo kratischen Freiheit und der vermeinten wirthschastlichen Glück seligkeit zuwandlen. Sie haben cS meistens bitter bereut. Für Diejenige» aber, welche trotz Allem noch immer nicht ge nügend gewarnt sind, veröffentlich» der „BorwärtS" jetzt folgende Stelle au- dem Briese de« Secretair« einer, wie er sagt, der bestorganisirten Gewerkschaften Amerikas: „Warnen Sie Ihre Lantlcute, herüber zu kommen, sic würden hier nur Elend und Noth finde», vielleicht schlimmer als zu Hause. . . . Wer nicht besonderes Glück hat, findet jetzt lner zn Land kein menschenwürdiges Auskommen!!" Da- ist da« Unheil eines nach der eigenen Ansicht de« „Vorwärts" klassischen Zeugen über dir Zustände in dem Lande, welches nicht allein de« Arbeitern eine absolute politische Freiheit für die Bestrebungen zur Berbesserung ihre- Looses gewährt, sonder» auch vollständig verschon» ist von jenem „Militari«- muS", der nach der Entdeckung drr Socialdemokratie in dem alten Europa die Ourlle alle« Uebels sein soll. Wir wollen nickt mit dem „Vorwärts" darüber rechten, daß er seinen eigene» Theorie» in« Gesicht schlägt, wir sind vielmehr ganz eüiverstande» mit seinem Wahlspruch: „Bleibe im Lande und kämpfe rechtschaffen, aus daß es besser werde!" Aber auf dir Art de« „Kämpfe,iS" kommt e« au. Wir stimme» dem „Bor wärtS" auch darin bei: „Hier in der Heimath ist Raum für nn« Alle", nur muß ei» Jeder auch mit dem Raum zu frieden sein, den er sich vernünftigerweise gewinnen kann. Dies« Zufriedenheit aber ist es eben, die der Svcialdemokratie rin Dorn im Auge ist. Wenn irgend etwas, so müsste die Tbatsachr, daß die socialiststche» Ideen sich auf einem Boden, wie demjenigen drr Bereinigten Staate», nicht haben verwirklichen lassen, daß dort Elend und Reih sogar „vielleicht schlimmer al« zu Hause" sind, die deutsche» Arbeiter stutzig machen nnv sie ihrem Loose gegen über versöhnlicher stimmen. Aber der „Vorwärts" benutzt auch diese Gelegenheit, ihnen die alten Utopien vorzuspiegeln „In der Heimalb," ruft er an«, „liegt unsere neue Welt Erobern wir sie!" Da« klingt ganz so kindlich, wie die Decrete, mit denen man 1848 Dynastien absetzle und Re mbliken gründete. E« wird mit drr „Eroberung" auch gute Wege haben. Aber die arme» Arbeiter, welche sich von den Vorspiegelungen gefangen nehmen lassen, werden die Zagt nach dein Unmöglichen bezahlen müssen. Die Rumänen Siebenbürgens befolgen feit nahe,» zwei Jahrzehnte» eine Politik vollständiger Enthaltung, in dem sie an den Reia»siagSwahlen gar nicht mehr Tdeil nehmen Am Freitag und Lonnabctid ist nun in Wien, wie schon kur; gemeldet, eine Deputation von 237 Mitgliedern der rumänischen Nationalpartei eingetroffen, um dem Kaiser eine Denkschrift Uber die Lage der Rumänen i» Ungar» zu überreiche». Ta die Partei während de- er- wähnte» Zeitraums an den ungarischen Reichstag niemals werer Petitionen »och Beschwerde» gerichtet hat und da die Abreise de« Kaisers nach Pest zur Begehung des .Krönung« jnbilänw« am Pfingstmontag bevorsteht, so tritt der Zweck der Demonstraiio». nämlich mit Umgehung drr ungarischen Instanzen in Wie» Anklage gegen die Zustände in Trans lcilhanttn zu erheben, klar zn Tage Die Hoffnung der Deputation, beim Kaiser Audienz zu erkalten, hat sich den» auch als trügerisch erwiesen; ;,e wirk nicht empfangen werde» und auch der Wiener Gemeinderath und Stakt rald habe» von derselbe» keine Notiz genommen. Mit um so größerem Lärm habe» die Antisemiten i», Reichs r^rtb und Gcmeinderalh unter Führung von Lueger unk Schneider die Deputation empfangen unb gefeiert. Da auch zahlreiche Mitglieder des Hohenwarlcliibs nch hieran bclhci- ligten, so nimmt man in Ungar» die Sache trotz der korrekten Haltung des Kaisers »nd der Wiener Behörden, welche alle öfsenttichen Ktindacbuiigen tu Ebrcn der Deputation verboten, doch etwa« crnsthaster. Man findet eö auffallend, daß eine Partei, auf deren Freunbschasr Gras Taasfe so sehr große Stücke bält, a» solchen Demonstralioneu gegen dt« u»ga rischen Berhaltnisse tbeilnimml, und der „Pester Lloyd" droht jenem, falls er sein Berhältniß z» dem Club, der den nationalen Frieren Ungarn« bedrohenden Tendenzen seine Hilfe leibe, nicht löse, werde man ibm ungarischer- seilS bald zn sühlen gebe», daß man seine Haltung nicht für eine loyale kalte. Nach einem von gestern katirtei, Wiener Telegramm hat die Deputation mit ihren Wiener Freunde» eine Versammlung abzubalten versucht, dieselbe ist indessen, da Len bezügliche» Gesetzesbestimmungen nicht genügt war, polizeilich aufgelöst worden. Sie soll nun heule stattsindru. Bei dem ungaiischcn Minister am kaiserlichen Hoslager v. Ezögyenni hatte sich die Deputation bi« gestern nicht an- gemeldkl. Die gegcntheiligcn Meldungen der Blätter sind unbegründet Dem Vernehmen nach wird die Deputation von dem Minister auch nicht empfangen werde». — Bon gestern liegen noch folgende lelegraphischc Meldungen zu der Angelegenheit vor: Wien, 3t). Mai. Den Führern der rumünlschen Deputation gestattete die Behörde lür deute dte Abhaltung einer Ber- ammlniin, nachdem die erster» der Forderung des Bereinsgeietzes durch die Vorlegung des Verzeichnisses der Thcilnehiner der Ver sammlung entsprochen hatte. Wie», 30. Mai. Die hier eingetroffenc Abordnung von Numänen an« Ungarn und Siebenbürgen entsandte heute «in LoyaUtälstelgrami» an den Kaiser. Dieselbe Irifst Abends mit antiseinstilchen Freunden zu einem Loniiner« zusammen. Wenn der morgige letzte Schritt behufs Erlangung einer Audienz bet dem Kaiser sruchllos bleibt, beabsichtigt die Deputation nach Ueberreichung eines Memorandums tn der Ladinet-canzlei nach Hause zu reisen. Je näher die Festlichkeiten in Nancy heranriickcn, desto mcbr zeigt sich die sranzösische Regierung bemüht, das officielle Programm so zu gestalten, dag jeder Zündstoff für unliebsame Scenen entfernt wird. Bon gestern wird wieder in dieser Beziehung an« Pari« gemeldet, daß die große T rupprnschau, welche wäbrend Earnot'S Anwesenheit in Nancy über die siebente Division statlsindc» sollte, unter bleibt »nd durch einen einfachen Vorbeimarsch ersetz^ F«uillets«i. Der Großrusse -er Gegenwart in -er Eheschließung und im Familienleben. (Nach dem Russischen bearbeitet »o, S. Fleischer.) «achtel vers^a. ll. Di« Brautwerbung. — Dir Besichtigung der Wirthschaf» de« Bräutigam« von den «ngehSrigrn drr Braut und die .Brautschau". — Da« Braut geld, dir Mitgift und dir Verlobung. Obwohl gegenwärtig der Jugend die eigene Wahl bei Eheschließungen gewährt wird, so verfügen über da« dabei sonst in Betracht Kommende gewöhnlich die Eltern selbst (selbstverständlich wenn di« Hochzeit nicht heimlich veranstaltet wird). Nachdem die Wahl aus eine gewisse Person gefallen ist, so beginn» gewöhnlich von Briten der Eltern de« Bräntiaam« da« Freien. E« kommt «ber auch vor, wenn auck srltrn, daß dir Eltern drr Braut, di« keiur Söhn« habe», wegen Mangel« an männlicher Lrbrit«- krast selbst da« Freien anfangr«, um diese Urdrit-kraft im künftigen Schwiegersohn zu finden. Hat der Bauer mehrere Töchter, so ist e« gewöhnlich die jüngste, di« rr bei stch mit dem Schwiegersöhne behält; dann sucht rr abrr »ur Brr» meidung von Unannehmlichkeiten zurrst auch dir altern zu verhriratben Di« Art de« Freien« hängt wesentlich davon ab, ob die Eltern de« Bräutigam« oder d,e drr Braut freie». Im letzteren Falle ist di« Stimme de« Bräutigam«, dem e« ja bevorsteht, ein fremde« Hau« zu betreten, uubeschräukt maßgebend; dafür abrr verliert seine Braut riuru Theil aktiver Rolle „Sie komm» ja nicht untrr frrmdr Leute, »hr Leben wird sich nicht ändern, — e« bedarf d««halb ihrer Ein mischung nicht." Kommt aber dir Braut ia« Hau« de« Bräutigam«, so kau» dieser nicht mehr so uubrschränkt bandeln Ein neuer Mensch findet in drr Familie Ausnahme. Ob »u» derselbe §»1 «de, schlecht ist, ist eine wesentlich« Fra,« für die ganze Familie, für deren gemeinsame Interessen zunächst die Eltern zu sorgen haben. — Wenn die Ehe mit dem Freien de- Bräutigams beginnt, was im Bauernstände meisten« der Fall ist, so ist dasselbe mit vielen Eercnionien verbunden, welche je nach Oerllichkcit nur geringe Unterschiede eigen. Nachdem die Eltern beschlossen haben, den Sohn zu ver- eirathrn, und dieser selbst seine Aufmerksamkeit noch aus keine Braut gerichtet bat. so schlagen sie ihm mehrere von ihnen brmerlte Mädchen zur Wahl vor. Der eigenen Wahl de« Bräutigam wird hier also keine Schranken gesetzt; die Eltern geben nur dieser Wahl ihr« Weib«, indem sie den Bräutigam segnen. E« wird alsdann in« Hau« der gewählten Braut eine Braut werberin geschickt, meistentheil« eine alte Anverwandte (am häufigsten eine Tante de« Bräutigam«), zuweilen aber auch eine Frau, welche sich damit Erwerbe« halber beschäftigt. Der Wichtigkeit de« Anftr.rgeS gemäß gekleidet, begirbt s>» die Brautwerbrrin zu den Eltern der Braut und beginnt ihre Red« gewöhnlich mit versibiedrnrn Allegorien, deren Sinn jedoch den Eltern immer ganz klar ist. „Gab e« keinen Schnee, so gab r« keine Spur: nachdem e« nun geschneit bat, so führt die Spur zu den Bräuten." ,Jn einem gewissen Hofe verschwand rin weißer Schwan. Ist er nicht zu ihnen gekommen?" Mit solchen und ähnlichen Allegorien werden di« Eltern »naeredet, dir, wenn sie ihre Tochter nicht vrr- heirathe« wollen, je nach der Allegorie etwa antworten: ,Dir wissen nicht, wohin Ihr weißer Schwan gekommen ist" »der etwa« Arhuliche«. Di« Brautwerbrrin ent fernt sich daun unverrichteter Sache. Ist abrr der vorgeschlagrne Bursch« den Eltern erwünscht, so erfolgt eiue mehr oder weniger lieben«würdige Antwort, und nun hegluut da« «igeatliche Freien. Aus die nunmehr direktere Frag« drr Brautwerbrrin, ob sie nicht in ein vrr- wandtschast-verhältaiß treten möchten, wird etwa geant wortet, daß solch« Berwaudtschaft nicht zu verschmähen sei. Natürlich sucht «u» di« Brautwerberin, di« persönlichen, oft auch erdachten Vorzüge de« Bräutigam« mit aller ihr ru Gebote stehenden Brrrdsawteit zu schildern; oft schreibt fl« ihm «uch rmeu Rrichthu« zu. welcher drr Wirklichkeit gauz widerspricht Diese bei den Vrautwrrberinueu nicht sekteue Gewissenlostglei» wird auch von »auch« Liederu erwähnt. War der Besuch drr Brautwerbrrin von Erfolg und eilt sie nun mit der frohen Botschaft nach Hanse zurück, so wird diese Angelegenheit von den Eltern der Braut vesprochen und dieser dann milgelbeilt. Aus diese Nachricht folgen gewöhn lich Ihränen, selbst wcnn der Bräutigam ihr zusagl. Ist letztere« aber nicht drr Fall, so bricht sie in solchen Jammer au«, daß dir Eltern, wenn ihr Herz noch für Mitleid zu gänglich ist, wobl oder übel nachgcben und aus die v»r- ffchlagene Eheverbinkung verzichten müssen. Glücklicher Zeise sind jetzt dir Fälle der ZwangSehe» viel seltener al« ehenialS. Nachdem der erste Schritt des Freien- gelungen ist, begiebt sich die Mutter der Braut nebst irgend einer Verwandten ober auch mit der Braut selbst in- HauS de- Bräutigams, um seine Wirtbschast zu besichtigen. Ganz ungenirt nimmt sie di« Hütte, dir Scheunen, den Speicher unb den Geir-ide- vorrath in Augenschein. Neben dieser in Großrußland weit verbreiteten Sitte ist in den Gouvernement- Wladimir und Nit'chnij Nowgorod noch rin« andere deachtrn-werth. Hier pflegt nämlich nach dem seiten« de« Bräutigam« in an gegebener Weise gemachten Heirath«vorschlage b,e Braut mit lämmtlichen Verwandten und einem zahlreichen Gefolge von Mädchen Len Bräutigam zu besuchen, um öffentlich seinen .Herd" zu besehen. Alle nähern sich dem Ösen, sehen in diesen nnv in den Schornstein hinein. Dann werden Bänder »in dir Ofengadeln und Schüreisen gebunden, den „Herd" (der Tbeil de« russischen Ofen« vor dessen Mündung), auf welchen ein Geschenk für die Braut hingrlegt wird, bedeckt man mit einem Tischtuch«, und nun folgt di« Be- wirthung. Das erinnert au dir Litte der Alten, bei welchen der Herd di« Rolle eine« Throne« spielt«. — Um sein» Wirtbschast beim Besuche der Mutter der Braut in ein möglichst günstige« Licht treten zu lassen, nimmt der Bräutigam mitunter »u einem Betrug« seine Zuflucht. In den Gouvernement« Ple«kau, Wladimir und Äishnij Nowgorod kommt e« vor. daß der arme Bauer fremde« Getreide, srrmde» Vieh und zuweilen selbst eine fremde Hütte für sei» Eigeulhum au«g,ebt. Dir Eltern de« Bräutigam« suchen außerdem die Mutter drr Braut durch rnchltche Vewirthuug für stch zu gewinnen, da der «u«,»ug der ganzen Sache von de», auf sie bei ihrem Besuche ge machten Eindruck abbängt. Ist sie mit Allem zufrieden, so ladet sie de» Bräutigam mit seine» Verwandten zu sich ein,— sonst erfolgt keine Einladung, und dann kommt die Ehe nicht zu Stanke. Ucbrigens begeben sich die Eltern de« Bräutigams bei günstigem Verlause de- Freien- auch obnc Einladung zur Braut, oft in Begleitung de« Bräutigam«, und in gewisseil Gegenden auch eines zahlreichen Gefolge« von Angehörige». — Wenn die Brautwerber»« mit ihrem Austrage den ge wünschten Erfolg hatte, so ist c« im Kreise Arsama« »Gou vernement Nisbnij Nowgorod» Sitte, daß der Bräutigam nebst einigen Anverwandten drr Braut einen Besuch abstattct. Bei seiner Ankunft tritt die Braut aus der Hütte, macht eine Verbeugung und bleibt an drr Schwelle stehen. Alle mustern sie. Dan» wird an den Bräutigam die Frage gestellt: „Ist die Braut lieb?" — „Sie ist mir allerdings lieb" ant wortet er — „ich weiß aber nicht, ob ich es bin." Schweigt dir Braut, so gilt die- al« Zeichen ihrer Zuneigung. Im Gouvernement Woloaka muß da« Brautpaar während Le ersten Besuche« de- Bräutigam« vor dessen Gefolge eine ganz eigenthümliche Prüfung bestehen. Zuerst wird dir Braut vom Brautwerber aufgeforderl, zu spinnen. Sic gehorcht. Dann verlangt man von ihr, eine» Gang durch da« Zimmer zu machen, wodurch sich die Gäste überzeugen sollen, daß sie nicht hinke. Tie erfüllt auch diesen Wunsch und bittet nun den Bräutigam, auch srinrrseit« zu zeiaen, daß er nickt lahm sei. Auch rr weigert sich nicht, an drr Prüfung thrilznnehmrn. Endlich stellen sie stch aus Verlangen de-Brautwerber» neben einander. Sind sie von gleichem Wüchse, so erfolgt der Ruf: „rin Paar! ein Paar!", ist Jemand von ihnen kleiner, so wird er au«grlacht. Zugleich mit dieser sogenannten.Brautschau" findet auch die Verlobung statt. Zunächst abrr wird dir Frag« über da» „Brauigeld" (dir von den Eltern der Braut sür den Verlust drrselbrn zu erkaltende Entschädigung) besprochen, wobei rin Jeder der Brthriligten di« Sach« möglichst vortheiihast für sich abzumachen sucht. — Nun» lieber Freund, möchten Tie nicht dir Sache erledigen? — fragt ber Vater de« Bräutigam« den tz«, Braut,
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