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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920628023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892062802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892062802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-28
- Monat1892-06
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«WW VMM . «WMWVMW Nbv»»emr«tAhneetO t> de» Ha »ptexp, ditto, de» t» St»d4- b»trk «»d dr, Vorort», errichtete» >,«. aebrstellr, ,b,«h,lt: oterteljälirlich^lL^O; bei iweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« ^ KLO. Durch die Post bezogen für Deutschland aud Oesterreich: vierteljLbrlich Ü.—. Direct» täglich« Krrnzbandjendmia t»1 Auälaud: «ouatlich ^4 ».—. Di« Morgeu-AaSgab« erschetut täglich'/,? Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentag« b Uhr. LeLartio, »ul LrveLitto»; A,b«n»e«,«si» 8c. Die Irvedition ist Wochentag« »»«»trrbrochr» «eSgaet vou früh g bi« «buch« 7 Uhr. Filiale«: vtt« Die««'« Darrt». (Ulf»«» Hatzttk Uoiversitättstraß, I« ^ ^ Laut« LSI»«. »akharinenstr. 14. pari, uu» «S^gSpla» 7. ^ 327. WWWWM«? Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Dienstag den 28. Juni 1892. Insertion-Preis Die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. veclamea unter dem Redactioutftrich (4a»« spaltea- bO^, oor den Familiennachrich«U (bgejpaltea) «ü^. . Größere Echnsteo laut »usevr» Preis« oerjeichaiß. Tabellarischer und Zifferssatz »ach höherem Tarif. Ertra-Vellage« (ges-Izt), a»r mit der Morgen-Ausgabe. ohne PoslbesOrderuag ^4 SU.—, mit Postbesörderuag ^4 TV.—», Äuaahmeschlaß fir Inserate: Abead-Au«gabe: vormittag« IO Uhr. Marge a-AuSgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh S Uhr. Lei dea Filialen und Annahmestelle» je eit» halb« Stund« früher. Allseral« Pub stet« au di« Erpedttta« »a richte». Druck und Verlag von L. Polz i» Leipzig 88. Jahrgang Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wolle man das Abonnement auf das III. Quartal 1892 baldgefälligst erneuern. Der Abonnementspreis beträgt wie bisher pro Quartal 4 Mk. 50 Pf., incl. Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen 5 Mk. 50 Pf., durch die Post bezogen 0 Mk. In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, sowie die Hauptexpedition: Johannesgasfe 8, die Filialen: Katharinenftratze 14, Königsplatz 7 und Universitätsstraße 1. Ferner kann in nachfolgenden Ausgabestellen das Leipziger Tageblatt — zum Preise von 4 Mk. SV Pfg. für das III. Quartal 1892 — abgeholt werden: Arndtstrabe 35 Herr k. 0. Kittel, Colonialwaarenhandlung. Peterskirchhof 5 Herr 31rrx klertd, Buchbinderei. Beethovenstraße 1 Herr ^keo<I. 1'eter, Colonialwaarenhandlung. Pfaffendorfer Ttrahe 1 Herr krttr N'eber, Colonialwaarenhandlung. Brühl 8V (Ecke Goethestrabe) Herr Ueriu. 3Ie88ke, Colonialwaarenhandlung. Aanftsches (tzäßchcn 0 Herr krleür. ki8eNer, Colonialwaarenhandlung Frankfurter Straße 11 Herr kri»8t 3Irv8, Colonialwaarenhandlung. Ranstädtcr Steinweg 1 Herr 0. kn^elmann, Colonialwaarenhandlung. Löhrstraße 15 Herr kilurn'ü Netrer, Colonialwaarenhandlung. Schüücnftraße 5 Herr ,Iu1. 8eIliU>»1c Uen, Colonialwaarenhandlung. Marfchnerstraße v Herr knnl 8elire!ber, Drogcngeschäft. DZestplaü 3Ä Herr 11. Vitti'loli, Cigarrenhandlung. Nürnberger Straße 45 Herr 31. k. ^Ibreebt, Colonialwaarenhandlung. Porkstraßc 3Ä (Ecke Berliner Straße) Herr V. Innko, Colonialwaarenhandlung. Zeitzer Straße 35 Herr V. Küster, Cigarrenhandlung. in Anger-Crottendorf Herr Robert Vrelner, Zweinaundorfer Strafe 18. in Neustadt Herr R. I1el>er, Eisenbahnstraße 5. - Connewitz Frau klseker, Hermannstraße 23, 1. Etage. - Plagwitz Herr 31. (»rüt/luann, Zschochcrsche Straße ?L. - Gohlis Herr M. krltrsede, Mittelstraße 5. - Reudnitz Herr 3V. knAMNUU, Marschallstraße 1. - Lindenau Herr kü. R. 31üIIvr, Wettiner Straße 51. - - Herr Rerub. N'eber, Mützengeschäft, Leipziger Straße 6. in Thonberg Herr R. llllotseb, Neitzenhainer Straße 58. —2—e- Die Erpedition des Leipziger Tageblattes, Johannesgasse 8, führt auch Bestellungen auf Reiseabonnements von beliebig vorgeschriebener Zeitdauer ans. politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Juni Wenn die leitenden Berliner Kreise wirklich, wie die „Münch. Neuest. Nachr." behaupten, über die dem Fürsten Bismarck in Berlin, Dresden, Wien, München und Augs burg dargebrachten Huldigungen nicht verstimmt sind, sonder» sie als de» Ausdruck einer erfreulichen nationaldcutsä'cn Ge sinnung betrachten, so sind diese Kreise doch augenscheinlick, sehr empfindlich gegen die kritischen Ae »Herlingen, die Fürst Bismarck während seiner Reise getkan hat. DieS erzieht sich aus einem bereits tclcgravhisch signalisirtcn Artikel der „Nordd. Allgem. Ztg.", der die „National- Zciluna" schlägt, aber den Fürsten meint. Er lautet wörtlich: „Tie „National-Zeitung" giebt in einem „Tie Bismarck-Woche" überschriebenen Artikel Aeußerungen über unser Verhältniß zu Rußland, welche dem Fürsten Bismarck zugeschriebcn werden, wieder und sagt dabei, diese Bemerkungen seien unzweifelhaft eine Mahnung zur Wachsamkeit für die öffentliche Meinung, denn die aus- würtige Politik solle nach den Interessen des Landes, nicht etwa nach Neigungen und Sentiments geleitet werden. Sie sügt hinzu: der Regierung muß eS überlassen bleiben, ob sie die öffentliche Anschuldigung widerlegen kann und will. Indem die „National-Zeitung" der Vcr- muthung Ausdruck giebt, es könnte sein, daß unsere auswärtige Politik nicht mehr nach den Interessen des Landes, sondern nach Neigungen und Sentiments geleitet werde, spricht sie einen Verdacht gegen die jetzige Regierung aus, der, wenn auch nur annähernd be gründet, einen an Baterlandsverrath streifenden Grad von Pslichtvergessrnheit (!) voraussetzt. Wenn jene Zeitung und die Autorität, aus die sie sich stützt, der auswärtigen Politik der gegenwärtigen Regierung zweifelnd oder tadelnd gegen- überstehen, so können wir das bedauern, ober nicht ändern. Das indeß hätten wir erwarten dürfen — nicht um der Regierung, sondern um des Reiches willen, das sie vertritt —, daß, wenn man die deutsche Regierung dem In. und Auslände als unfähig und! pflichtvergessen denuncwt, man wenigstens den Versuch machte, Thatsachen dafür anznfilhreu. Nädnie die gegenwärtige Regierung I überhaupt persönliche Motive zur Richtlchnur ihrer Handlungen, so würde sie sehr gern eine Veröffentlichung der Acten des Auswärtigen Amtes veranlassen, um die gegen sie gerichteten, in Dunkel gebullten l?> Angriffe in Helles Licht zu setzen und dem In- und Auslände einen von Stiiiimunge» »»abhängige», aus positive Unterlagen gegründeten Vergleich zwischen sonst und jetzt zu ermög lichen. Eine solche Veröffentlichung verbietet sich indeß u. A. durch die Rücksicht aus die davon berührle» Personen und Regierungen des Auslandes und durch die nachibciligc» Folgen, welche sie für die fernere Leitung unserer auswärtigen Politik haben müßte. Mit gutem Grunde ist seither an dem Satze, daß die meisten Einzel- heilen der auswärtigen Politik nicht eher vor das Forum der Leffentlichkcit gezogen werden sollten, als bis sie der Geschichte ver- sallcn sind, sowohl seitens der Regierungen als auch seitens unserer parlamentarischen Körperschaften sestgehaiten worden. Dem Urthcilc der Geschichte aber sieht die gegenwärtige Regierung mit der lieber- zeugung ruhig entgegen, daß ihre Handlungsweise deren Kritik nicht zu scheuen haben wird. Vielleicht wird ihr dann auch die Auer- kennung werden, daß. wenn sic jetzt manchen Angriff schweigend hat über sich ergehen lasten, tem nicht ihre Scheu vor einer öffentlichen Auseinandersetzung, sondern ihre Auffassung von dem, waS das Interesse des Reiches fordert, zu Grunde lag." Wir müssen gestehen, daß wir selten eine eigcnthümlichere Polemik gelesen haben. In dem Artikel der „4cat.-Ztg. war kein Wort entbalten, daS die gegenwärtige Regierung als „unfähig" und „pflichtvergessen" bezeichnet Kälte. "Das Blatt rcsumirte einfach die dem Fürsten dargcbrachte» Huldigungen und batte dadci ein warnicS Wort der Anerkennung für seine Leistungen als Staatsmann, wie für seine Mahnungen, ohne indessen mit allen seinen Ansichten einverstanden zu sein. Ter Vorwurf, die Regierung als „unfähig" und „pflichtvergessen" bezeichnet und dadurch ein nahe an VatcrlandS- vcrralh streifendes Verbrechen begangen zu haben, kann also nur aus den Fürsten Bismarck gemünzt sein. Und doch hat dieser nur ausgesprochen, waS nach seiner Uester- zeugung hätte anders gemacht werden müssen und künftig anders gemacht werden sollte, um die Sicherheit des Vater landes zu erhöhe». Seine Ueberzeugung kann eine irrige sein; er slcbt nicht mehr an der Spitze der Geschäfte und weiß also nicht genau, was sein Nachfolger gcthan und versucht bat. Aber die Thatsachen, die ein Helle« Licht aus unser jetziges Verhältnis! zu Rußland werfen — Kronstadt, Nancy u. s. w. — liegen klar und offen vor ihm, wie vor jedem Andern, und wenn ein Mensch zu beurlbeilcn vermag, ob diese« Verhältnis! sich anders gestaltet haben würde, wenn nicht der Zar durch die Entlassung des Fürsten Bismarck und andere damit zusammenhängende Umstände zu der Meinung ver anlaßt worden wäre, Kaiser Wilhelm ll. plane eine andere auswärtige Politik, so ist dieser eine Mensch eben Fürst Bismarck. Und äußert er diese Ueberzeugung auf die einzige Weise, die ibm übrig bleibt, so sehen wir und Millionen mit »ns darin nur einen Dienst, den er dem Vaterlands — und seinem Nachfolger erweist, sofern dieser nur verstehen will. Tie Empfindlichkeit, die auö dem Artikel des ehemaligen „KanzlcrblattcS" herauöspricht, deutet aber leider aus solches Verstckcnwollen nicht hin. Und daü beklagen wir aufrichtig. Es wird da« Vertrauen auf den Nachfolger dcü Fürsten in weiten Kreisen nicht erhöhen. Auf die Bedeutung der Reise de« Fürsten geht heute auch die „National-Liberale Eorrespondenz" ein. Sic berührt erst den Streit, der sich in der Presse über diese Bedculung entspannen bat, und faßt dann ihre eigene Meinung wie folgt zusammen: „Jetzt, nachdem daS Ereignis, zum Abschluß gelangt ist. dars man getrost behaupte», daß jeder unbeiangcne dculsche Patriot nur mit dem gehobenen Gefühle her Freude auf das selbe zurückblicken kann. Diesem Gefühle bleibt freilich immer ein starker Tropfen Wermuth beigemischt. Manche» aufrichtigen Verebrer de« Fürsten hat der ein» oder andere Tbeit seiner Kritil der Gegenwart peinlich berührt. Aber wa« er m dieser Beziehung in Wien geiagt hat, ist Niemandem, der die zweifel los von «dm inspirirte» Preßaußerungen des letzten Jahre» verfolgt hat, etwas Neues gewesen. Was dagegen nach gewissen Erörterungen der jüngste» Vergangenheit von acutem Interesse war, das war daS Wort von den abgebrochenen Brücken. Lebhafter als je wird Lurch dasselbe die Stellung, in welcher sich der Gründer deS Reichs heute befindet, vo» der große» Mehrheit des deuijche» Volles als ein« klaffende Wunde emvilindc». Aber in dein rcsignirten Bewußtsein, daß Niemand im Volke an dieser traurige» Thalsache etwas zu ändern vermag, hat man doppelte Veranlassung, das Erfreuliche der jüngsten Vorgänge hervorzuheben. Und überaus erfreulich ist es zunächst. Laß Lurch die BiSmarck'sche Reise zum ersten Male in grö ßerem Mastsiabe die Gelegenheit geboten gewesen ist, die weitverbreitet« Vorstellung zu widerlege», als seien wir ei» Volk, das sich in nichtSwürdigem Byzantinismus von dem größten seiner Bürger init Undank abwendcn könnte. Der einhellige Iubelruf, mit dem der All-Reichskanzler überall in deutschen Lande» begrüßt ward, wird nunmehr auch daS Ausland über dir iämmerUche Be deutungslosigkeit jenes widerlictie» Gezeters belehrt haben, mit welchem eine kleine und sehr bunt zusammeiigcwürselte Schar rachsüchtiger Feinde des großen Staatsmannes unter dem Schutze einer weitherzigen Preßfreiheit den Rainen desselben verunglimpfen dars. Noch bedeut samer ist, daß es gerade in Dresden und München sein mußte, wo die treue Dankbarkeit für de» politischen Schöpfer unseres nationale» Slnalsweicns zu so überwältigendem Ausdrucke gelangte. In ihrer Verzweiflung haben die gislgcschwolleiien Hasser den lächerlichen Versuch gemachl, diese gewaltigen Kundgebungen als Veranstaltung de« reichsseindlichcn ParliculariSmus. der sich des Bismarck' scheu Gegensatzes zur heutigen Rcichsreglerung als willkommene Handhabe bedien» habe, darzuslellen. I» Wahrheit ist cS der höchste Triumph der deiltichnationale» Politik, der durch dieic Kundgrblingen bekräftigt ward. Nur wer die Kaiastrophe von 1866 im vollen Bewußtsein der Vorgänge mit erlebt hat, der Feuilleton. «a»e ill süß! 2) Humoreske von Mariane Sell. Nachdruck verböte». (Fortsetzung.) Auch bei den Gesellschaften, die er in seinem Schlosse veranstaltete, ging eS stets sehr originell zu. Den neuen Pserdestall mit marmoraetäselten Wänden und Fußboden weihte er, ehe ihn die Pferde bezogen, mit einem solennen Mittagsmahl ein, wobei dir Gäste anstatt aus Stühlen auf gefüllten Hafcrsäcken saßen, die mit Sammetdecken verhüllt waren; er lud zu türkischen und chinesischen Gastmahlcn ein, und nicht bloS die Ausstattung der Tascl und die kargebolcncn Gerichte, auch die Kleidung der auswartenden Diener war die in dem betreffenden Lande gebräuchliche. Bis jetzt war Baron Hähnchen noch unvermählt, und da er große Ansprüche an seine zukünftige Gattin stellte, schien eS fast unmöglich, daß er fein Ideal finden würde. Sie sollte großen Reichthum besitzen, klassische Schönheit, Verstand, seine Bildung und alle Tugenden, die ein Weib nur schmücken können, und außerdem eine absolut reine Ahnentafel, die nie ein bürgerlicher Name befleckt hatte. Unter 36 Ahnen that er'S nickt! Einmal, so ging die Sage, batte er eine junge Dame gefunden, die alle Ansprüche zu befriedigen im Stande war, oie er an die zukünftige Baronin Hähnchen stellte, aber die selbe beging den unerhörten Leichtsinn, seine Hand zurück- zuweisen. Ein Mann, über den die Leute lachten, wäre nickt ihr Ideal, sollte sie gesagt haben So hauste er immer noch allein in seinem großen Schlosse und kam täglich, wenn er nickt« Besseres Vorhalte, nach Lindenburz, um im Elub der Adligen, der am Frauenmarkl sein eigene-, sehr elegante- Gesellschaftsbaus besaß, mit seinen Freunden und StandeSgenofsen zusammenzutrrffen, mit ihnen Whist oder Piquet zu spielet:, oder Tagesneuigkeiten zu be sprechen. — Der adlige Elnb hatte wieder einmal sein Stiftungsfest mit einem lncnllischen Mabl gefeiert. Die Mehrzahl der Gäste batte sich bereits entfernt, nur fünf Mitglieder der Tafelrunde saßen nock bei Kaffee und Cigarren beieinander. Der Präsident deS Clubs, der Major von Hardner, zwei jüngere Lssicierc, der Freiherr von Bieder» und Baron Hähnchen. Man sprach über Politik, über das nächste Wett rennen, die neue Solotänzerin, die gestrige Oper, und, da man einmal beim Theater war, auch von Cäcilie Romano. „Merkwürdig, daß ich sie noch nie außerhalb de- Theaters gesehen habe!" bemerkte der Lieutenant v. N. „Sic sind ja auch noch nicht lange in unscrm Linden» bürg", entgegnete der alte Major, „auch geht das Fräulein selten in Gesellschaft; sie ist mit Leib und Seele Schau spielerin und lebt nur für ihren Berus." „Einer meiner Kameraden hat ihr kürzlich einen Besuch macken wollen, da er riesig für die Romano schwärmt, ist aber gar nicht angenommen worden", erzählte Lieutenant von Z. „Ihre Wohnung ist verschanzt wie eine Festling und un zugänglich wie die Höblc deS Lindwurm«; die alte Tante, eine bäßlicke dürre Person, vertbcidiat den Zugang zu ihrer schonen Nichte mit ungewöhnlichem Eifer. Wir haben sie deshalb „das schwere Geschütz" oder den „Tracken" gctaust! „Nicht wahr, famoser Witz?" fragte er wohlgefällig, als Alle lachten „Fräulein Romano empfängt allerdings nur Berus-genoffen oder Fremde, die ihr von alten bewäbrten Freunden vorzüglia, empfohlen sind, und sie tbut auch wobl daran, denn der Ruf einer alleinstehenden Dame ist rasch zerstört und schwer wieder hergestellt." Baron Hähnchen, der b.quem in einem Schaukelstubl lehnte und den Rauckwölkckcn, die von seiner Cigarre auf- sticzen, gedankenvoll Nachsatz, hatte sich bis jetzt nicht an der Unterhaltung betheiligt — die Schauspielerin war ibm glcickgiltig. Aber die letzte Behauptung regte doch seinen Widerspruch an — er lächelte verächtlich. „Glauben Sie dock das nicht, bester Herr Major: ich habe bis jetzt gar kein Verlangen danach getragen, bei Fräulein Romano einzudringcn, aber ich bin felsenfest überzeugt, daß weder der Drache, noch ihre Nichte meinem Besuch Schwierig keiten in den Weg legen würden!" „Sie irren, Herr Baron!" unterbrach ihn der Freiherr von Biedern, ick möchte wetten" — Wetten! DaS Wort übte eine zauberbasle Wirkung aus Häßlichen auö. Er richtete sich energisch auf, sein blasse« ck,t röthe'e sich seine etwas matten blaue» Augen glänzten vor F.ende und untcrnckmcnd drebte er scincn Pitzc» Schnurr bart, daß er steif und drohend sich ansrichtctc. Eine amüsante Wette hatte ibm schon lange gefehlt. „Wetten wir, lieber Nachbar! Ich werde dem Fräulein Romano meinen Besuch machen und ohne besondere Ein führung angenommen werden! Ich setze meinen arabischen Hengst zum Pfände, der ihnen so auSncbmcnd gefällt!" „Und ich setze das altcrlhümliche silberne Trinkhorn, da« Sie für Obren Speiscsaal baden möchten! Man wird Sic auf der Kastanicnstraße nickt empsaiigen!" „Aber, meine Herren, wie können Sie über eine solche Sacke so viel AushcbcnS machen!" suckle der Major die Leiden zu beschwichtigen. „Sic staben bi« jetzt kein Bcrlangen danach getragen, das Fräulein näher kennen zu lernen, lieber Baron, und taS Fräulein wird in dem nämlichen Falle sein!" „Ich balle die Wette! Wenn Herr von Bietern zurück' treten will —" „Durchaus nickt! Ick will Ihnen sogar die Berechtigung »gestehen, daß Sie Ihr Heil bei dem Fräulein dreimal vcr- uchen dürfen." „Angenommen!" Tie Wettenden reichten sich die Hände und der Major mußte sich darauf beschränken, ihnen den kostbaren Araber und da» Trinkhorn auszureten; der Ver lierende solle im adligen Elub ein Früststück geben, das wurde seinem Wunsche gemäß schließlich ausgemacht. Bereits am nächsten Tage fuhr Baron Hähnchen in seiner mit feurigen Rappen stespannten Victoriachaise, Kutscher und Ticoer in carmoisinroistcr Livröe, bei Fräulein Romano vor, und ließ sich durch seinen Diener melden; aber nur zu schnell kehrte er zurück mit dein Bescheid: daS Fräulein sei au-gegangen. Auch der zweite Besuch hatte denselben ncgrlivcn Erfolg. „Meine Nickte empfängt keinen Besuch, sic hat Kopfschmerzen!" mit diese» Worten halte der Drache dem Diener die Thüre vor der Nase zugeschlagen. Selbst ist der Man»! dachte Hähnchen als er zum dritten und letzten Male sc», Heil versuchen durste und eigenhändig die .Klingel an der Thür der Schauspielerin zog. Nickt der Drache, sondern Bertha, die niedliche Zofe öffnete vor istm. „Bitte, mich dem Fräulein zu melden: Baron Hähnchen!" DaS Mädchen steht verlegen vor ihm. „Ich weiß nicht — ich glaube daS Fräulein —" „Melden Sic mich augenblicklich!" herrscht sie der Baron au und erschrocken schlüpst da« Mädchen fort. Aber trinmpstirend kckrt sic zurück: „DaS Fräulein läßt sehr bedauern! Sie ist beschäftigt, sie studirt!" „Ich habe durchaus nickt die Absicht, sie lange zu be lästigen", entgegnete der Baron, ziemlich laut, in bockmütbi- gem Tone — und kann schob er Bertha einfach bei Seite und ging geraden Weg« auf die Tbüre des Salons zu. Wenn er einmal drinnen war, batte er ja gewonnenes Spiel! Aber schon tauchte biiiter der Portiöre die hagere Gestalt der Tante Lttilie auf und drinnen Hörle man die klangvolle Stimme der berühmten Schauspielerin: „Tante Ottilie, der Herr Baron scheint den AuSgang nicht zu finken — bitte, zeige ibm doch die Thür!" Wütbend, wie ein gereizter Löwe, war der Baron nach Hause gcsakren und lies mit Sturmschritten in seiner Ahnen galerie aus und nieder. Ta dinge» die Bilder von den Häkncken in Panzer »nd Brustbarnisch, in gestickten Hos- Ilcieern, in großen Allongepcrrücken, in Uniformen mit Ordensbändern und Sternen bedeckt — und er, der Nach komme dieser erlauchten Reihe, mußte sich von einer Schau spielerin adwciscn lassen, einer Person, die für Geld Gevatter Schneider und Handschuhmacher auf der Galerie etwas vor- sdicltc! Aber ungestraft sollte ihr daS nicht hingchcn, da« schwor er sich und seinen Ahnen zu! Es ging sckr lustig im adligen Club zu, al» der Herr Baron von Hähnchen seine Wette an Herrn von Biedern in Form eines splendiden Frühstücks bezahlte. Ter Wein floß
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