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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920630023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892063002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892063002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-30
- Monat1892-06
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Souu- «ch Festtag« früh G VH». »ch d«, Filiale» und «nnehmeftiv» ft «ft» h»ld» «taub. ftüh« , Uttiaral» ft»d ft»«o »L hft GWoftt1tO> » richt» »r»S u»y Verl», «» ». >»lg t» Lchigtg ^°33l. Donnerstag den 30. Juni 18V2. 8«. Jahrgang Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wolle mm das Abonnement auf das III. Quartal 1892 baldgefälligst erneuern. Der Abonnementspreis beträgt wie bisher pro Quartal 4 Mk. 5V Pf., incl. Bringer lohn für zweimaliges tägliches Anträgen 5 Mk. 50 Pf., durch die Post bezogen O Mk. Io Leipzig nehmen Bestellung»» entgegen sämmtliche Zeitung-spediteure, sowie die Hauptexpedition: Johaunesgafse 8, die Filiale«: Aatharinenftraße 14, KSnigsplatz r und Univerfitätsstraße 1. Ferner kann in nachfolgenden AuSgaKefteUen das Leipziger Tageblatt — zum Preis« von 4 Nit. SV Psg. für da« lll. Quartal l8S2 — »kgeholt werden: Peteröktrchhok I» Herr Nun »ertk, Buchbinderei. Psastendarfcr Ltr. t Herr krltr ttedor, Lvlonialwaarenhdlg. Ranstiche« Geiftchrn 8 Herr k, leckr. tzlecker, Lolonialwaarenhdlg. Nouftadtrr Etriu«. 1 Herr 0 Arndtftradr 8» Herr L. 0. Llttci, Eolonialwaarenhandlung. Vrethadenstrafte l Herr Tkeock. kcter, Colouialwaarcnhaudlung. Brühl 88 (Ecke Goetdestr.) Herr Uerw. Uo8«k«, Eolonialwaarenh. Fr»»kf»rtrr Strafte 1» Herr kirnet Uro», llolonialwaarenh. rührftraft« 1h Herr Nelaarä Kctear, Lolouialwaarenhoudlung. Marschaerftrafte O Herr kanl ftekreldcr, Drogengeschäst. NürAderger Strafte 48 Herr N.L. iklbreekt, Evlonialwaarenh. kingclwnna, Lolonialwaarenl-dlg. Schützrnftrafte 8 Herr )ul. dlvdUmickco, Lolonialwaarenhdlg. Westplaft 8t Herr U. vittrlek, Ligarrenhandlung. Bartftr.38 lEcke Berliner Str.) Herr 0. Lanke, Loloaialwaarenh. Zritzrr Straft» 88 Herr V. Lstater, Ligarrenhandlung. in A»>er-Trat1e»d«rf Herr Lodort l! reiner, Zweinaund. Str. 18 I in Neustadt Herr k. Keder, Eisenbahnstrahe ü. - <a«»rtaitz Krau ktaekcr, Hermannsiraßt 28, l. Etage I . Planwitz Herr U. vrlltrmnoo, Zschocherschk Straße 7a. » Sahli» Herr Id. krltreck«, Mittelstraß» ü I . Nruduttz Herr IV. kuxmann, MarschaNslraße 1. » Ltudeuau Herr L4. k. UllUer, Wettiner Straße bl. I - - Herr ve rüb. «Veder, Mützengeschäft, Leipziger Str. 6. ln Thandrr» Herr L. v»ot«ck, Rcigenhalner Straße S8. Die Expedition des Leipziger Tageblattes. Johannesgasse 8, führt auch Be stellungen auf Reiseabonnements von beliebig vorgeschricbener Zeitdauer aus. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Juni. Wenn iraend ein charakterloser Mensch mit dem Herrn auch die Gesinnung wechselt, so macht er den verlassenen Herrn nach Kräften schlecht und schimpft auf ihn mit der ganzen Kraft der eigenen Lungen, um den Gesinnungswechsel wenigstens einigermaßen zu verdecken. Das ist eine so alte, uralte Erfahrung, daß e« gar nicht befremden kann, wenn die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" jetzt die be kannten Kundgebungen des Fürsten Bi-marck oder vielmehr da«, was über diese Kundgebungen berichtet »ird, zum Anlaß der gröbsten Ausfälle gegen den Fürsten macht und mit der sonaldemokratischen, ordinär demokratischen und freisinnigen Presse in der Ver unglimpfung der gefallenen Größe wetteifert. Man kann mit der größten Bestimmtheit vorauSsrtzen, daß von dem, was da- ehemalige „Bismarckblatt" argen seinen früheren Herrn und Meister veröffentlicht, daS Gröbste auf die eigene Kappe diese« Blatte- und nicht auf da« Conto de- Grafen Eaprivi kommt. Freilich sehr nobel ist es von diesem nicht gerade gehandelt, daß er das ehemalige Leib blatt seine« Vorgängers jetzt zu Kundgebungen gegen diesen benutzt. Ihm hätte der „Reichs-Anzeiger" rur Verfügung gestanden, in dem der Streit wohl sachlicher und würdiger geführt worden wäre. Aber da« ist Sache de« Herrn Reichskanzler«. Jedenfalls hat man begründeten An laß, au- der von der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" gegen den Fürsten Bismarck geführten Polemik Alle- auSzuscheiden, was eigenste« Eigcnthuni dieses Blattes ist. Wir haben deshalb auS dieser Polemik lediglich da« Sachliche, zweifellos vom Grafen Caprivi Jnspirirtc bervorgehobrn und den Nest mit Schweigen bedeckt. So hätte man e« unserer Ansicht nach überall, wo man die Ge pflogenheiten dieses Blatte« kennt, machen sollen. Aber leider wird in den meisten Blättern — nicht nur in den bis in den siebenten Himmel entzückten focialdemokratischen, demo kratische» und freisinnigen — die „Ncrdd. Allgem. Ztg." wörtlich citirt und obendrein die Meinung ausgesprochen, Graf Eaprivi werde die Drohungen de- ehemaligen „BiSmarckblatteS" wahr machen und wohl gar seinem Vor gänger wegen einer offenherzigen Kritik, die jedem wüsten und albernen Schreier gestattet ist. den Proceß wegen LandeS- verrath« machen. Nach unserer Ueberzeugung fällt da- dem Grafen Eaprivi nicht rin; wahrscheinlich bedauert er schon heute, gerade die „Norddeutsche" inspirirt und ihr Anlaß zu einem der widerwärtigsten Beweise deutscher Treue und Dank barkeit gegeben zu haben. Wenn er mit dem schweren Ge schütz beweisbarer Thatsachen gegen den Fürsten iauftrelen wollte, so hätte er bereit» im ,Reich»-Aozriger" den Anfang damit gemacht und nicht der „Norddeutschen" da- Wort ge lassen. Gerade daraus aber, daß dieses Blatt gegen iyn lo-gelaffcn wird, sollte der Fürst abstrabiren, das; er seiner seits anc Besten thäte, sich in der Presse lediglich aus dir nöthigste Abwehr zu beschränken und seine Angriffe ans de» Reichstag ru versparcn. Mit seinem früheren Leibblatte sich herumzuschlagen, ist keine Aufgabe für einen Bismarck. Auch die bayerische Rtgierung hat nunmehr dir in transigente Wendung der vaticanischrnPolitik erfahren, so wert man ihr dieselbe eben fühlbar zu machen im Stande war. Die Verleihung »es erzbischöflichen Palliums an de» Regensburger Bischof Scnestrey ist eine Demonstra tion gegen jene „versöhnliche" Kirchcnpolitik, in welcher sich namentlich seit dem Rücktritte des Minister« von Lutz die bayerische Regierung gefällt. Hätte der Vatican den NeaenS- buraer Oberhirtcn zum Erzbischof ernenne» können, er hätte eS sicher gctban, aber ander- als in Preußen steht in Bayern der Krone dir Ernennung und der Curie nur die Bestätigung der Bischöfe und Erzbischöfe zu. Dr. Ignaz von Scnestrey, ein älterer Bruder de« langjährigen früheren NeichStagS- abgeordnclcn für Traunstein, wußte in den fünfziger Iabrcn den König Maximilian II. von seiner besonderen kirche» politischeiiFriedsertigkeit zu überzeugen,we-halb crinverhältniß mäßig noch jungem Alter da« Regensburger BiSlhum erhielt. Einmal im Besitz, erwies er sich sehr bald als streitbar und intransigent: ans daS vaticanische Ccncil von I8V9/7V mit dem UnsehlbarkcitSdoania bat er notorisch einen erheblichen Einfluß auSgeübt. Kurz vorher hatte er wegen einer so genannte» „Thronsturzrede" zu Schwandorf in der Oberpfalz einen Prcßproccß gehabt, au« dem er als moralisch über wiesen hervorgina; um die Mitte der siebziger Jahre kam eine Auseinandersetzung mit dein Freiherrn von Lutz hinzu, bei der man sich gegenseitig der Unwahrheit beschuldigte und die gleichfalls aus den Ebarakter des Bischofs ein cigcnthiiiu- licheS Licht warf. Den gemäßigt klerikalen Bestrebungen ani bayerischen Hofe ist jedenfalls durch jene Auszeichnung de« Regensburger Bischofs ein äußerst schlechter Dienst geschehen. Aber freilich kann cS nur consequent genannt werden, in dem Augenblick, in welchem dem UnfchlbarkeitStogma durch die päpstliche Presse eine so weitgehende weltpolitische Anwendung gegeben wird, einen intransigenten Vorkämpfer desselben gerade mit dieser hirtenamtlichcn Vergangenheit demonstrativ auszuzeichnen. Den französischen Nussenschwärmern wird eine Ent täuschun^ nach der ankeren. I» den jüngsten Tagen hatte daS Gerücht von einem bevorstehenden Besuch des Zaren in Pari« die Herren in die angenehmste Ausregung versetzt. Heute wird von russischer Seite hemerkt, daß ein derartiger Besuch immer nur als Antwort aus eine Reise de! Präsident«» der Republik nach St. Petersburg erfolgen könne. Der Zar sei, was seine Thronbesteigung beträfe, alter als Herr Carnot, und die strenge Etiguette de« russischen Hofe« widersetze sich schon dc-hald einem ersten Besuch seinerseits »n Pari« Ferner sei auch daS Gerücht von einem Ausenthalt der Zarin auf französischem Boden niindesteal versrüht. Tic Meise der hohen Frau hänge ganz und aar von dem Gesundheitszustand ihre« SokncS, de« Großfürsten Georg, ab Letzterer ist augenblicklich im Kaukasus. Sollten die Aerzte es wünschen, so würde er nach Algier geben und aus dem Rückwea von dort, von Mutter und Bruder, dem Großfiirsten-Tbrvnfclgcr, begleitet, vielleicht Paris berühren „Vielleicht" — d. b. wenn die Franzosen beweisen, daß sie den Besuch der Kaiserin nicht zu Temonstralionen benutzen wollen, die man in Petersburg nun einmal nicht mehr liebt. Die nrurste französische Spionage-Angelegenheit beginnt sich zu klaren. Der amerikanische Militair-Attachö Borup behauptet nicht mehr, daß er den verhafteten Gr einer nicht kenne und keine entwendeten Actenstücke von ihm gekauft Hab«. Vielmehr scheint er beides einzugcstehen, denn im Gespräch mit mehreren ZeiluiigSberichterstattcrn hat er folgende Erklärungen abgegeben: „Ich fühle mich nicht im »lindesten Lurch den Vorwurf getroffen» Jemanden bezahlt ru haben, um Actenstücke zu entwenden. Es ist unsere Aufgabe, unsere Regierung zu unterrichten. Ich würde mich nur entehrt fühlen, wenn ich solche Dokumente an Deutschland oder Italien ausgeliefert hätte." Die Pariser Blätter meinen, cS komme wenig darauf an, ob die entwendeten Papiere nach Berlin oder nach Washington gewandert seien. In der Pariser Ausgabe de» „New-Aork Herald" heißt eS: „Wenn Herr Borup schuldig ist, so wird er sicherlich mit der ganzen Strenge der amerikaliischen Gesetze bestraft werden. Ist er unschuldig, so wird er hoffentlich die Zeitungen, die ihn verleumdet haben, vor den französischen Gerichten belangen." Unter Anderem bat Herr Borup erklärt, er sei bereit, vor den französischen Gerichten auf die Vortheile der diplomatischen Unverletzlich keit zu verzichten, wenn ihn die Regierung von Washington dazu ermächtige. Die „France" bemerkt hierzu: .Wir verlangen nicht« Bessere«. Herr Vorup wird al« einfacher Privatmann vor dem sivcistp»ti»eigencht erscheinen, nnd diele« wird sich beeilen, de» Art. 2 de« ««setze« von 188« aus ihn anzuwenden, welcher also laulet: „Jeder, der sich geheime, die Sicherheit de« Staat» oder die tverttietdigiing de» Gebiet» angehend« Pläne, Schristen, oder Actenstücke verschoss! und dieselben ganz oder theiliveise anderen Personen attegeliesen hat, wird mit 1« bis bjährigem «esängniß und einer Geldbuße von ütX) bi» 3GX) Fr. beslrast werden"." In England ist die Wahlbewegung, nachdem daS Parlament nun thatsächlich aufgelöst ist, in vollen Schwung gekommen; eS wirb darüber au« London vom 29. d. gciiieldet „Die heutigen Morgenblätter bringen eine wahre Fluth von Wahlreden. Balfour, Goschen und Tdamberlain sind die Haupikaiiipt» der Regierung und der Untouitlenpartei, Sir Har- court und John Morley die Wortführer der ltderalen Partei; bald wird sich ihnen Gladstone anschließen, der heute früh, begleitet von seiner Gemahlin, im besten Wohlsein die Reise noch Edinburgh anlriti. Aus ärztlichen Rath wird sich Gladstone eine» Augeiischirme« bedienen; die Reise wird sich voraussichtlich zu einem Triumphzuge gestalten. — Die nonconsormistischen Geistliche» Englands haben die Kundgebung ihrer Aiiilsgenossen von Ulster beantwortet: sie erörtern in einem Maniseste die Gründe sür ihr Festhalten an Gladstone's Homcrule-Potitik: sie erinnern daran, das, die irischen Nouconsormtstcn durch die muthige StaatSknnst Glodslone'S jene religiöse Gleichstellung genießen, die den englischen Nomonsormisten noch versagt sei." Die WahlauSsichlen entziehen sich vorläufig aller Be rechnung. um so begreiflicher ist die Spannung, mit welcher man aus dem Festlande dem Verlaufe der englischen Wahlen entgegen sieht. Der Frei» den baß in China zeigt noch immer keine Abnahnie. Wie dem „North China Pierald" von einem Herrn gemeldet wird, der die Gegend der berühmte» Calz> quellen i» der Provinz Chunking bereiste, stieß derselbe untcr> Wegs aus ll> chinesische Haus» rer, welche gegen die Europäer geruhte Fl»gschristen verkauften und einen Krenzzug gegen alles Ausländische predigten. Sie behaupteten, daß sie den besonderen Schutz des Vicekönig» genössen und von Tzechev, einer große», zwischen den Ouclle» gelegenen Stadt, kämen. Eie machte» gute Geschäfte nnd waren nicht sehr schoncnd gegen die Fremden. Vielleicht werden in der Provinz binnen Kurzem Unruhen »»«brechen. E« iss bezeichnend, daß di« austrer den Vic«könig Liu al« ihren Protektor «»sehe«. « geht schon lange da« Gerücht, daß er rin großer yriad der Europäer ist schon aggressiver au Missionare nicht« n Sunching Fu sind die Ehinrsen getreten. Als da« Bvycotten der ruchtete, deckte man ihnen di« Dächer ab, und al« die verhaßten Prediger de« Evangelium» auch davon keine Notiz nahmen, so wurden sie vor die Thorr der Stadt geschleppt. Der vicekönig soll alle« Da« angeregt haben und der chinesische „Adel" de- District« stimmt ihm zu. Schon im vorigen Jahre wurde die Anklage laut, daß die Beamten nicht nur um die Aufstände im xsangtze-Thal wußten, sondern selbst mithalfen. Die« scheint jetzt wieder der Fall zu sein. Da- gewöhnliche Volt hat sehr wenig mit den Europäcrhetze» ,u thun, da« Beamten thum trägt di« Schuld daran. ES scheint, als ob jetzt Brandstiftung, Er mordung der Missionare re. unterbleiben solle», dafür will man aber zu rassiinrteren Mitteln greifen. Bi« zum IS. Mai war, wie dem „North China Herald" telegraphlrt wurde, i« Chunking noch Alle- ruhig. Die Soldaten, welche zwei Damen von Shanghai im letzten Winter insultirteu und bedrohten, so daß sie nicht nach Itschang kommen konnten, sind sämmtlich bestraft worden. Der betreffende Officier wurde cassirt. Nachdem dir beiden großen Parteien in den Vereinigte» Staaten, die Republikaner und dir Demokraten, ihr« Con ventionen abgchalten und ihr« Präsidentschaftskandidaten aus gestellt baden, melden sich auch die Nebensractioneu zum Worte. Der „Karmervund", die sogenannt« „dritte Partei", wird am 2 Juli zu Omaha in Nebraska zusammen treten nnd ihren Bewerber um di« Prästdentschaf-würd« wählen; die „Temperavce Party" hält am nächsten Mittwoch in Cincinnati ihre Nationalconvention zu dem gleiche» Zwecke ab: schließlich plant die „Silberpartei", die Gruppe der Anhänger der Freisilberprägiing. die Eiu- bcrusung einer Versammlung. Der Eintritt dieser kleinen Parteien i» den Wahlkampf kann bis zu dem 8. November, dem Wahltage, einen mächtigen Einfluß auf die Aussichten Eleveland'S und Harrison « auSüben. Deutsches Reich. ^ Berlin, 29. Juni. Wie vorauSzusehen war, versucht die „Krcuzzeiluna" nun dem Centrum gütlich zuzu- redcn, daß c» diesmal bei der Ersatzwahl in Löwenberg mit den Conservativen sich verbinde; die Verhältnisse lägen jetzt ander«, da« Centn»» dürfe nicht mehr „seine Finger sür den Freisinn in- Feuer stecken". Au« diesem LiebeSwerven kam, man der „Kreuzzeitung" füglich keinen Borwurf machen. WaS aber doch von besonderem Interesse — nicht so sehr für uns, als sür die Conservativen selbst — sein muß, ist die eilfertige Geschäftigkeit, mit der die „Krcuzzcitung" auch den Antisemiten recht nahe legt, einen „Zahlcandidaten" auf- rusicllen; sie hätten „neuerdings in Schlesien bedeutende Fortschritte geniacht" und was dergleichen rrmundcrnde Worte mehr sind. Da soll eS unö gar nicht weiter verwundern, wenn dieser Zählcandidat, wie im 22. sächsischen Wahlkreis, die Unterstützung des Herrn Stöcker an Ort und Stelle selbst, der ojsicieUc conservatwe Candidat dagegen nur die platonische Anerkennung der Parteileitung genießt, im klebrigen jedocki aus die i», Kreise vorhandenen Kräfte angewiesen vleibt. O> Berlin, 29. Juni. Eine VersammlungSauf» lösung ist in Berlin gegenwärtig etwa« Seltene«, doch gestern ist der Fall wieder einmal vorgckommen und zwar be, den unabhängigen Socialisten. Der bisherige Expedient des „Socialist", Maler Buhr, predigte über „Die euro päische Lage und die socialistische Bewegung". Da der Referent vom SocialiSmuS sehr wenig und von der hohen Politik gar nicht- versteht, so war auch sein Vortrag so gchalllo« wie möglich. Auch die DiScussion förderte nicht« Bessere« z» Tage, und als schließlich ein Jüngling sich zu der «knßeruna verflieg, der Reichstag sei niHo weiter als eine „Ouaffelmaschiuc", erblickte der die Versamm lung überwachende Polizeilieutenant darin eine Verächtlich machung einer Staatseinrichtung und loste deshalb dir Ber- saniiiilung aus Grund deü H. 5 des preußischen Vrrein«- gesetzcS aus. — Dem soeben erschienenen RccheiischaftSbrricht der Freerlletsi». Der Großrusse der Gegenwart in -er Eheschließung und im Familienleben. Rach dem Russischen bearbeitet von S Fleischer. -tachtn-a »rrtolen. VI. Große und klein« Bauernfamilien. — Der Haus herr und die Hausfrau. — Ihre Macht. — Die Lage der Glieder in einer Bauernfamilie. — DaS traurige Los« der Frau. — Dir Frau al« Mutter Die in den Ehestand tretenden Bauern beginnen nur in AuSnahmrfällen ela selbstständiges Leben im eigenen Hause. Gewöhnlich schließe» sie sich an diejenige Familie an, zu welcher der Mann gehört, und verschmelzen mit deren übrige» Gliedern zu einem Ganzen, da« unter der Gewalt eine« FamilirnoderhanpteS steht. Diese« genießt desto größerc- Ansrhrn, je zahlreicher die Glieder der Familie sind. Patriarchalische, auS etwa 60 Personen bestehende Familien kommen heute zwar mit jedem Jahre immer seltener vor, doch find noch in vielen Gegenden Familien au« rv bi« 30 Personen ziemlich häufig. Große Familien findet man z. v. in der Gegend am Ural, und zwar au« 20—30 Seelen sehr oft, etwa« seltener au- 30—40 und noch seltener, al« Ausnahmen, au- 50—KO Personen. Große Familienorganismen sind zwar nicht auSschlirßlich auf menschen leere Gegenden beschränkt, doch haben dies« die größten auf- mUneise», indem hier Urgroßväter und Urenkel in einem H«s« »ereint leben. An Greisen fehlt e« in solchen Familien nicht: stirbt ein greiser Familienältester, so tritt an dessen Stelle ein anderer beinahe ebenso alter Greis. Einst ging die Gewalt des Familienoberhauptes von einer Person auf die andere nur erblick» über; jetzt hat zwar die Erblichkeit noch ihre Geltung nicht verloren, doch wird der Nachfolger auch oft gcwäklt. Gewöhnlich ist die Dorfgemeinde bei der Wahl de« Familienältesten unbetheiligt; der Zweck einer zuweilen vorkommenden Einmischung derselben ist die Veranlassung de« zu wählenden Aeltesten zur Pünctlichkeil in der Abtragung der Steuern und der Verrichtung sonstiger Gemeindepflichten Die Gemeinde hat da» Recht, nach eigenem Ermessen einen Aeltesten zu ernennen, einen nachlässigen zu beseitigen und die Leitung der Wirthsckaft einem tüchtigeren Arbeiter im Hause anzuvertrauen. Zur Beseitigung eine« Aeltesten wird dir Gemeinde auch durch eine Anklage der Familirnglirder gegen ihn veranlaßt, w'S übrigen« öfter eine Theilung der Familie nach sich zieht. Zuweilen muß sick, sogar der Vater dem Sohne al« seinem von der Ge meinde eingesetzten Aeltesten nntcrordnen. Die Gewalt de- SobneS aber oder de« Vrnder« al« eine» Familienältesten ist nicht mehr so groß, als die eine- an der Spitze der Familie »»ebenden Großvater« oder Vater«. Der Vater al« Äeltester darf z. B. den Sohn prügeln, ohne al« Beleidiger angesehen zu werden, wäbrend ein solche« verbalten de- SobneS oder Bruders gegen den untergeordneten Vater oder Bruder nicht immer gestattet ist, weil da« nach den Begriffen der Bauern al« strafbare Beleidigung zu betrachten ist. Bei Ernennung de« Familienältesten wird de», männlichen Geschlecht« der Vorzug gegeben; eine weibliche Person wird nur dann an die Spitze der Wirtschaft gestellt, wenn e« keinen erwachsenen, dazu geeigneten Mann in der Familie girbt. Im Kreise Ssarapul (Gouvernement Wjatka) jedoch findet man, wenn auch selten, Frauen als Familienälteste auch bei erwachsene» männlichen Familiengliedern. Die der Familie vorstehende Person, gleichviel ob eine männliche oder weibliche, hat die zu verrichtende Arbeit unter die einzelnen Glieder der Familie zu vertheilen; dieselbe läßt auch manche außerhalb der Heimath Erwerb suchen und verfügt über das ganze Vermögen: über da« dem Hause zugehörige Stück Land, über die Ernte, welche aus diesem Lande gewonnen wird, über die Bauten, die Pferde, das Vieh, die laiidwirtbschastlichcii Werkzeuge und über da« durch Absatz landwirthschastlicher Producte oder durch Verrichtung fremder Arbeit erworbene Geld. Ta« Einzige, wa« ohne voran gehende Beratung mit der Familie nicht stattsinden darf, ,st der Ausverkauf des Hause« mit der ganzen Wirtschaft und die Uebersietelung aus einen neuen Ort. Mit diesen großen, dem (oder der) Aeltesten gewährten Rechte» sind auch manche Pflichten verbunden. So muß er alle der Familie auscrlrgte» Abgaben bezahlen, die Bedürfnisse aller Familienglieder befriedige» und alle für die Wirtschaft er forderlichen Gegenstände kaufen. Entsprechend der Stellung de« Familienältesten ist auch seine Frau niit der Leitung der weibliche» Arbeiten der Familie beschäftigt.*) In manchen Gegenden ist die Bereitung der Speisen di« Hanptpflicht der Frau de« Familienältesten, wäbrend die gröberen Arbeiten abwechselnd von den Schwiegertöchtern verrichtet werden. In einigen großen Familien wird auch die Speis« von den Schwiegertöchtern bereitet, so daß der Hausfrau nur die ) >k« kommt übrigen« auch vor, daß irgend »ine Schwieger tochter, welch» iich durch ihre Tüchiiakeit vor allen anderen weib lichen Familiengliedern »»«zeichnet, dielen al« Hausfrau vorsteb», wie ja auch zum Hausherrn nicht immer der ilelkeite, sondern auch oft der Erfahrenste in der Familie ernannt »lrd. Vertheilung und Beaufsichtigung der weiblichen Arbeiten obliegen. Die ausgedehnten Rechte de- Familienältesten geben ihm Aroße Gewalt über die Persönlichkeit eine- jeden Gliedes der Familie in die Hände. Ein>t, wo die Persönlichkeit im Bauernstände keine Bedeutung hatte, beugte sich Alle« vor dieser Gewalt: Niemand durste in Gegenwart de« Familien- baupteS auch nur einen Laut von sich geben, «S herrschte Tote-stille im Hause. „Wir wagten es nicht, so langender Vater zugegen war, auch nur ein Wort auSuisprrchen" — theilte eine Frau einige Züge vom patriarchalischen Leben in ilnem Vaterhaus« mit. „Erst wenn er sortgrgangen war, pflegten wir zu sprechen. Beim Speisen muhtcn wir eben falls schweigen; bat Jemand da-Stillschweigen unterbrochen, so wurde er mißhandelt. Mit den Burschen und Mädchen z» spielen, war nicht gestattet. Nur rin einzige« Spiel, daS Bartziehen, war un« erlaubt, nnd auch diese- durfte nur im engen Familienkreise gespielt werden. Da- Vart- ziehcn bestand darin, daß mehrere Stückchen Bart in der Hand so sestgehaltc» wurden, daß sie mit ihren Enden bcrvorblicktcn. Diese wurden von Allen ersaßt und beraiigezogen. Wenn nun zwei Spielende dir beiden Enden ein und desselben Bartstückchen« herauSgezoge» baden, so mußten sie einander küssen. — Wein trank Niemand. Feiertag« pflegten wir draußen vor dem Haus« etwa« au-zuruben. In manchen Familien erzählte man sich Märchen, andere aber unterbielten sich nur über Gegenstände au« der heiligen Schrift. Alle waren mit Arbeit überyäuft; um etwa« Anderes sich zu kümmern, gab r« keine Zeit." — Beispiele eine» derartigen patriarchalischen Familienleben« girbt c« >etz« äußerst sel'ea. Der Geist der neuen Zeit, da« streben zur Freiheit der Persönlichkeit machen sich geltend. Obwohl die Gewalt de« Familienältesten, besonder« swrnft
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