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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.07.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920702023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892070202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892070202
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-02
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Der Streit BiSmarck-Caprivi braucht, soweit die Person des früheren Kanzlers in Betracht koinmt, im Augenblicke nicht weiter erörtert zu werden. Weder die Artikel der „Nortd. Allaem. Ztg." noch das Getöse der ultramon- tancn und dcutschfreisinnigen Presse haben vermocht, dem wahnwitzigen Gedanken Geltung zu verschaffen, daß jeder Deutsche über Politik reden und schreiben dürfe, nur der bedeutendste Politiker Deutschlands nicht. Darum aber handelt e« sich bei der Fehde. Nebensächlichkeiten, die man bedauern mag, ändern nichts daran, daß das Recht BiSmarck'S zur Opposition den Kernpunct deS Streites bildet. Man könnte die unerquickliche An gelegenheit heute umsomehr unerwähnt lassen, als bekannt geworden ist, daß BiSmarck mcbrere Tage nach seinem Wiener Gespräch wie kurz vor Antritt der Reise in loyalster und correctester Weise sein gegenwärtiges Berbältniß zum Kaiser als daS eines „in Ungnade gefallenen Untertbanen" gekennzeichnet hat. 'Schon daraus geht hervor, daß nicht er und seine Freunde cS sind, welche durch die tadelnde Beurtheilung von NegierungShandlungcn des verantwortlichen ersten Ministers den Kaiser treffen beziehungsweise getroffen sehen wollen. Die Vertreter dieser Auffassung, vor alle» die Ultra- montanen nndDeutschsreisiiinigen, räumen mit ihr nur ein, daß sie ihrerseits bei ihrer mehr als zwanzigjährigen rücksichtslosen Opposition gegen den Fürsten Bismarck sich bewußt waren, mit ihren Angriffen gegen den Reichskanzler zugleich Kaiser Wilhelm I. zu befehde». Wir denken in diesem Pnncte con- stitutioneller als die Prediger der reinsten constilutionellen Lehre, für die sich die Dcutschfreisinnigen halte» oder auSgeben. Bismarck also kann und darf aus dein Spiele bleiben. Die poli- 'ischen Treibereien aber, die an seine Kundgebungen anknüpfen, -rheischen die regste Aufmerksamkeit. Der Ultram on- aniSmuS, so viel ist jetzt klar, benutzte den Anlaß, um sich >nd seine Politik nach oben als die festeste Stütze des Thrones n recommandiren, um seine „Treue zu Kaiser und Reich" rlS die zuverlässigste, als die allein zuverlässige hinznstellcn. Der Deuts chfreisinn rühmt taut und zudringlich einen Patriotismus, der durch die „Vaterlandslosigkeit" deS Fürsten Bismarck ja in das hellste Licht gestellt werde. Diese letztere Thalsache ist nur deshalb von Bedeutung, weil der Dentschfrcisinn der Bundesgenosse deS CenIrumS war, ist und sein wird. Beiden ge meinsam ist die Speculation auf eine in den maßgebenden Kreisen vermuthete ärgerliche Stimmung und die Hoffnung, einen solchen GcmüthSzustand politisch auSnützen zu können. Herr vr. Lieber hat sich alsbald auf daS Zedlitz'sche Schul gesetz besonnen und in Köln eine Rede gehalten, deren Zweck war, alle Deutschen, die sich an der Bismarckbetze nicht be theiligen, als Feinde von Kaiser und Reich hinznstellcn — die Nationalliberalen, erklärte er, nur noch in Anführungs zeichen „Deutsche" nennen zu können — und den Liberalismus als den Boden zu brandmarken, anS dem die vaterlandSlosc Gesinnung erwachse. Für Herrn Lieber sind die Ebren- und LiebeSbezeugunacn, die Fürst BiSmarck auf seiner Reise er-' fahren hat, „Demonstrationen gegen die höchste Spitze des Reiches", und er ruft „Schmach und Schande" über ihre „undeutschen Urheber". Er aber, Herr l)r. Lieber, schließt mit einem Hoch auf de» Kaiser, so kräftig, „daß die Säulen deS Saales wackeln". Vor zwei Jahre» halte solche Rede auS solchem Munde iin ganzen Reiche schallende Heiterkeit hervorgerusen, inzwischen hat aber Deutschland das Lachen verlernt, wenn cS den ultramontanen Fuchs predigen hört. Es bat gesehen, daß ultraiiioiitane und polnische Versicherungen der Treue geglaubt und politisch belohnt werden: cs hat sei nen obersten Beamten die Klerikalen, Polen und Welsen natio nale Parteien nennen hören; cS hat die polnischen Schul- erlassc und daS preußische Schulgesetz kommen und daS Letztere auf eine Weise verschwinde» sehen, welche die Wiederkehr in dem Bereiche der Möglichkeit beläßt. Hieran hat vr. Lieber in Köln angcknüpft. Er sagte säst wörtlich: U»S, die wir für Kaiser und Reich glühen und sür den Grafen Caprivi schwär me», hat man das Schulgesetz wegaenomme» aus Wunsch jenes reichSfeindlichen, biSmarcksreundtichen Liberalismus; Andere treiben eS anders, aber unsere Stelle ist an der Seite von Kaiser und Reich, vo» König und Vaterland. Um eine kleine Erinnerung einzustechlen, so haben dieselben Ultramontanen, deren Wort führer am Rhein so gesprochen, noch vor wenigcn Wochen sich in Versammlungen politisch mit der Person deS Herrn Fußangel idenlistcirt, welcher, ein geborener Rheinländer, in einem bayerischen Blatte den Satz niedcracschrieben hat: „Wer als katholischer Rheinländer sich als Preuße aufspcelt, handelt ebenso „charaktervoll", wie ein Pole, der sich sür einen Russen auögiebt", und den weiteren Satz: „Die durch 1870 in Europa geschaffene politische Lage ist unnatürlich und dabcr auf die Dauer unhaltbar. Mag daher auch der letzte Heller deutschen Geldes und der letzte Tropfen deutschen Blutes auf dessen Aufrechtcrhaltung verwandt werden, einst wird kommen der Tag, wo die ganze Herrlich keit in sich selbst zusammcnbricht!" Wenn der ultramon- tane Ton heute anders klingt, so gcsckiieht dicS in der Er- kenntniß und Hoffnung, daß auf den Zusammenbruch der „ganzen Herrlichkeit" durch Unterminirung wirksamer hin gewirkt werden kann, als mit offenem Ansturm. Eine Krone zu zerbrechen, wird dem am leichtesten gelingen, der in der Nähe ihres Trägers geduldet wird. Herr Lieber bezweckt die Erreichung eines solch»» Platzes für den UltramontismuS, wenn er auSruft: „Fürst BiSmarck soll die Hände laste» vom deutschen Reich und seinem Kanzler!" Die anschleichen- den Volsker schelten den erprobtesten Vcrtheidiger RomS, Coriolan! Wird ihnen diese List die Thore öffnen? Der Plan einer deutschen Weltausstellung in Berlin wird durch die nunmehr auflrctende französische Concurrenz von einem schweren Schlage getroffen, den man jedoch vorauSschen konnte. Unsere westlichen Nachbarn babcn in den letzten Decennien regelmäßig ihre Weltaus stellungen in Zwischenräumen von ll bis l2 Jahren ab- gehaltcn, und besonders die letzte vom Jahre 1889 war von so bedeutendem Erfolge begleitet, daß man von vorn herein mit der Absicht FrankrejchS, um die Wende deS Jahrhunderts wieder eine Weltausstellung in Paris zu ver anstalten, rechnen mußte. Zwei solcher Ausstellungen, eine in Paris, eine in Berlin, innerhalb weniger Jahre sind kaum denkbar bei den großen Kosten und bei der zweifellos i» manchen industriellen Kreisen herrschenden AnSstetlungS- Müdigkeit. Daß Frankreich auf dem Wege gütlicher Verein barung veranlaßt werden könnte, seinen Plan auszugcbcn, ist auch nicht wahrscheinlich; kommt doch dabei nicht bloS der materielle Vortheil, sondern auch das „Prestige", daS nationale Sclbstbcwußtsein in Betracht, welches in dem Zusammenströmen aller Welt bei den Pariser Ausstellungen einen Triumph der französischen Wcltstellung, einen Beweis sür die Richtigkeit d:S Glaubenssatzes sieht, daß Frankreich immer noch an der Spitze der Civilisation marschire. Die deutsche NeichSregierung, welche bekanntlich sür die Bctheiligung Deutschlands an der Chicago« Ausstellung sich mit größtem Eifer verwendet, hat dem Plan der Berliner Ausstellung bisher ziemlich kühl gegenüber gestanden, und erst kürzlich hat Gras Caprivi erklärt, daß keinesfalls vor 1898 die Aus führung möglich sei. Daraufhin haben auch die Berliner Stellen, welche die Förderung des Unternehmens betrieben, ihre weitere Action vorerst vertagt, indem sic zunächst nnr den Wunsch auösprachcn, daß Deutschland sür die kommende Ansstellnng die Priorität gewahrt werden möge. Die deutsche NeichSregierung bat nun, wie verlautet, Mitthciluiig von den deutschen Plänen in Paris gemacht, und als Antwort darauf dürfte die Interpellation deS Abgeordneten Teloncle in der französischen Kammer anznschen sein, welche die Regierung aufsordert, unverzüglich eine Weltaus stellung in Paris für das Jahr 1900 vorzubcreite». Herr Delencle handelte dabei jedenfalls im Einvernehmen mit der französischen Negierung; heißt es doch, der Ministerrath solle sich dcmnächsl mit der Sache beschäsiigen. Wie die Dinge liegen, ist schwer abzusehen, ob der bisherige Plan für Berlin aufrecht erhallen bleiben kann oder ob seine Ausführung nicht wenigstens eine mehrjährige Verschiebung erleiden müßte. Ten heiteren Himmelder Valutaregnlirung inOester- reich haben plötzlich die Wolken auf der Stirn Plener'S ver dunkelt. Plötzlich, ohne daß Anzeichen vorhcrgegangen waren, meldete der Telegraph, daß der deutsch-nationale Abgeordnete Stcinwender im Ausschüsse es cniSgesprochen babc, daß er und sein Anhang das Anleihcgesetz ablehncn, weil die Negierung im Widerspruche mit der Thronrede durch eine Reihe von Verwaltungsmaßregeln die deutsche Bevölkerung und deren Vertreter in die Opposition dränge, und in der Abendsitzung schlossen sich die gesammten Vertreter der vereinigten deutschen Linken dieser Kundgebung an, sie stimmten nicht mit für die Valulavorlagcn, die von den übrigen Parleienvcrtretern sofort auch in dritter Lesung erledigt wurden. Mit dieser Abstimmung ist allerdings nichts gcthan, denn in nächster Woche gelangen die Vorlagen erst ans Plenum des Abgeordnetenhauses, und hier wird der Kampf au-gefochten, zu dem sich die deutsche Partei endlich entschlossen hat. Die neueste» Zugeständnisse an die Slowenen in den Alpenländcrn, die Ernennungen slowenischer Referenten im höheren Jnstizdienste, die Einsetzung einer besonderen amtlichen Commission zur Erfindung einer stowcnijchen juristischen Terminologie, mußten dem Fasse der Boden auSschlagen. Einem Volke, daS keine fertige Sprache besitzt, das seine Literatur in einem Taschentnche davontragen kann, dem man behördlicherseits erst alle Schulbücher, vom AVC-B»ch angcfangrn, auS dem Deutschen schaffen mußte, auch »och eine höhere wissenschaftliche Sprache zu erfinden, grenzt a» Wahnwitz, paßt aber ganz in den Rahmen des von Taasie regierten Oesterreich. Die Abgeordneten der Alpenländer haben diese Art des gegen die Deulfchen NegierenS satt, und sie waren zu de» äußersten Mitteln entschlossen. Um »un nickt den Boden gänzlich unter den Füßen zu verlieren, entschloß sich die Vereinigte Linke, die noch immer mit den« Ministerium liebäugelte, zu einem entscheidenden Schritte Entweder macht die Regierung die Zugeständnisse an die Slowenen rückgängig oder die Linke stimmt geschloffen gegen die Valntarcgulirung. DaS ist eine Drohung, die Hand und Fuß hat, denn mit den Jungczcche» und de» Antisemiten, die ohnedies gegen die Regelung stimme», wäre die Mehrheit gegen die WährungSvortage» vorhanden und die so pomphaft angekündigte Regelung der Geldverhältnisse müßte, so nolkwcndig sie sein mag, im Sande verlaufen. Gras Taaffe verkennt nickt den Ernst der Lage; der „RcconvaleScciit" reist von Schloß Elischau sofort nach Wien und jetzt sollen die Verhandlungen beginnen. Was dabei heraiiskommen wird, wollen wir abwarten. Haben doch auch die Klerikalen deS HobenwartclubS, welche sür die slowenische» Ansprüche eintrcten, bereits Stellung gegen Taaffe genommen, jedenfalls um ibn vor zu weitem Nachgehen gegen über den deutschen Forderungen zu warnen. Wie bereits im Morgcnblatte mitgetheilt worden ist, bat der Papst abermals a» die französischen Katholiken mit JrisertionSprelA Die «gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich («a». spalten) öO-H, vor den Familieaaachrschtea (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug 60.—, mit Postbesörderuug 70.—. Annahmeschluk für Inserate: Abend-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde srüher. Inserate sind stets an die ErpeSttta» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 86. Jahrgang einem Briefe sich gewendet, der an den Bischof von Grenoble gerichtet ist. Dieser Brief ist von besonderer Bedeutung des halb, weil er die von dem „Osservalore Romano" aus gesprochene Lchrmcinung von der Unfehlbarkeit de« Papstes in politischen Fragen sich zu eigen macht. Die ultramontanen Blätter Deutschlands werden nun die Be hauptung nicht mehr aufrecht batten können, daß der „Osser- vatore Romano" auf eigene Faust, also unmaßgeblich für die Katholiken, das UiifchlbarkeitSdogma auf daS politische Gebiet ausgedehnt habe. Soweit der Papst cs für angezeigt hält, in der Form der Aufklärung sein Vorgehen zu recht- ertiaen, geschieht eS in diesem Briefe durch den Hinweis auf die Rolhwendigkeit, die religiösen Interessen zu schützen. Dieses Ziel heiligt alle Mittel. Die Curie gehl so weit, die ranzösischen Katholiken aufzusordern, die Mitwirkung aller „chienwerthen Männer", auch Nichtkatholiken aä majoram voi gloriam nicht abznlebnen. Die Orthodoxen eines jeden Glaubenöbekennliiisseö rust der Papst zur HccreSfolgc auf, um de» Einfluß der Kirche auf den Staat zu sichern. Ein aus führlicherer Bericht über den Brief, der der „Voss. Ztg." aus Paris zugeht, lautet: „Ter Bries ist vom 22. v. M. batikt. Nachdem der Pavst die Unterwerfung der in Grenoble versammelt gewesenen katholischen Jugend unter den Willen des Papstes gelobt hat, sährt der Bries sort: Wir bedauern, daß es Katholiken giebt, die trotz ihre« Glaubens das Recht zu haben meinen, sich der Leitung deS Ober haupts der Kirche unter dem Vorwände zuwideriehen daß e» sich um Politik handle. Dies ist ein Jrrthum. Wir halte» alle uns erebiShertgenEntschlüsse voll ausrecht und wieder holen, wir treiben keine Politik; nur wenn die Politik mit den Glaubens-Interessen eng verknüpft ist, wie gegen wärtig in Frankreich, so ist das Oberhaupt der Kirche in Rom der Erste, der die Aufgabe hat, sestzustellen, welche Haltung die religiösen Interessen, dieses höchste Ziel aller Bestrebungen, sicher z» schützen vermag. Hieraus führt der Brief in bemerkenSwerthcn Wendungen aus, daß eS Personen gebe, die ohne daS Glück z» haben, selbst christlich gläubig zu sein, doch durch Wahr- Hastigkeit und Geradheit des Charakters und Steleniiiilde eine Hin neigung zur christliche» Wahrheit erkennen lassen und geneigt sind, sür dar Gute einzulreten: die Mitwirkung solcher tugend haften, wenn auch nicht gläubigen Menschen solle der srouzösijcht Katholirismn« nicht obtehoe»? Die norwegische MinisterkrisiS tTAM denselben Cbaraktcr einer etwa« hinterhältigen Ueberraschuna, den die meisten Vorgänge in der schwedisch-norwegischen Unionskrise bisher gezeigt haben. Das Entlassungsgesuch des Ministe riums Steen erfolgte am 29. Juni, bevor der ministerielle Beschluß in Sachen der besonderen norwegischen Consulate noch osficiell im Staatsrath verhandelt war; da aber da« ministerielle Abschiedsgesuch auf die Weigerung deS König« hinsichtlich der CvnsulalSangclegcnhcit verweist, muß diese Verweigerung in der Audienz ausgesprochen worden sein, welche der Ministerpräsident Steen am Nachmittag de« 28. Juni bei dem König hatte. Der König hat die Einlassung angenommen, doch mit einem kurzgefaßten Protokolldictat, in welchem er constatirt, zu dem Abschiedsgesuch seinerseits keine Veranlassung gegeben zu haben, und daß er alle diese Streik« des Ministeriums unverantwortlich finde. DaS Cabinet führt die tausenden Geschäfte weiter, dem Abschiedsgesuch war da« Verlangen nach Wartegeld oder anderweitiger Anstellung hinzugcsiigt. Die ministerielle Presse bezeichnet da« Auf treten des König« als „großschwedisch", er habe die Angelegenheit nicht in dem gemeinsamen, sonder, » dem ausschließlich norwegischen Staatsrath verhandeln z» wotkl«, erklärt; ebenso habe die norwegische Rechte sich vea pk« Einmischung in die Angelegenheit scrngehaltcn; mithin solle jetzt Norwegen nach ausschließlich schwedischen Gesichtspunkten regiert werten; eine neue Regierung würde „vicelchwedisch" sein und „den LandeSverrath zur Institution erheben". Die conservative Presse verweist aus daS „ungehörige und uner hörte" Vorgehen deS Ministeriums mit einem Abschiedsgesuch vor der officiellen Verhandlung der streitigen Frage; doch scheint die „vereinigte Rechte" in dieser Angelegenheit nicht Feuilleton. Der Kehle seines Stammes. Licht- und Schattenbilder von Woldemar Urban. ?!,a>dn>«» versolen. Auch noch diesen Schmerz! sagte Graf Coda, führe ihn her. Hast Du Heimlichkeiten mit ibm? soll ich gehen? Nein, im Gegentbeil, Georges, Du tbust mir einen Gefallen, Iwcnn Du bleibst. Der Justizrath ist immer von einer so brutalen Jurisprudenz, von einem so fürchterlichen Piebejer- tbum, daß ick froh bin, wenn doch wenigstens eine menschlich fühlende Brust in meiner Nähe ist. WaS will er? WaS weiß ich? Er hat immer hundert Sachen im Kopfe. Der Justizrath trat ein. Er war ein Mann von etwa ! sechzig bis fünfundsechzig Jabren, hatte durchaus weiße, aber Ivolle Haare und machte mit seiner frischen Gesichtsfarbe, Iinit seinen kräftigen und energischen GesichtSzügen den Ein- Idruck eine- außerordentlich gut conservirten Manne«. Die Idunkelaraucn Augen waren vielleicht etwa« zu entschiroen, Izu steckend, um angenebm zu sein, im Uebrigen aber war »Herr Justirrath Markwaldt ein Mann, dem man ansah, daß ler die Gesellschaftsformen auch der besten Kreise mit einer Dewisseo Eleganz und Leichtigkeit beherrschte. Sie bringen natürlich wieder die tollsten Geschichten, Justizräthchcn, sagte Graf Coda, indem er sich eine Cigarette ! anbrannte. Ich bedauere unendlich, die Herrschaften stören zu müssen, > indessen lagen heute wirklich Sachen von weittragender Wichtigkeit vor, die c« mir in Ihrem Interesse geradezu ver boten. Herr Graf, Sie zu schonen. Sie dürfen sich nicht über mich beklagen, wie ich hoffe! Ich weiß wohl, daß ick Ihnen nicht angenehm bin, aber ich komme wirklich nur, wenn ich muß. Um« Himmel« willen, wozu denn die langen Einleit«ngen. ! kommen Sie doch zur Sache. Geben Sie Ihre Papierchen her, ick unterschreibe ja gutwillig! Aber machen Sie nicht solche Umstände. Der Justizrath sah verlegen zur Seite, wo Herr Ritt meister von Lanner stand, und sagte zögernd: Herr Graf, ich weiß wirklich nicht Ob, reden Sie nur immerhin gerade heran«. George« kennt alle meine Hühner und Gänse. Vor ihm brauchen Sie sich nicht zu geniren. Ich weiß doch nicht, Herr Graf, ob e« nicht besser ist, wenn ich zu gelegener Zeit wiederkomme. Nanu! Ich gehe ja schon; rief der Rittmeister dazwischen, ick wäre schon längst fort, wenn ich gewußt hätte, daß e« sich um solche Staatsgeheimnisse handelt. Adieu, Coda. Sehen wir un« heute Abend im Casino? Nein! sagte Justizrath Markwaldt plötzlich an Stelle deS Angercdeten mit ungewöhnlich scharfer Betonung. Aber lieber Freund! antwortete Graf Coda und sah seinen RechtSbcistand erstaunt und starr an. Herr Graf, erwiderte der Justizratb mit gemessenem Ernst, ich gestattete mir an Ihrer Stelle zu antworten, da die Mitthcilungen, die ich Ihne» zu machen habe, Sie hoffent lich zu der gleichen Antwort bestimmen werde», wie ich sie gab. Ich, der ick seit dreißig Jabren in der gräflich Coda- schen Familie al« RechtSbcistand auS- und eingebc, durste mir ein solches Vorgreifen — ohne aufdringlich zu erscheinen — wohl erlauben. Adieu, mein lieber Lanner, sagte Graf Coda wieder mit seiner drolligen Verzweiflung, mit einer komischen Hilflosig keit und Hoffnungslosigkeit, die seinen lustigen, fröhlichen Zügen entzückend stand, adieu! Du siebst, ich hin retlung-loS ver- loren und sogar in meinen vier Pfählen nur noch rin Gras Coda von JustizratbS Gnaden! Herr Gras, sagte Markwaldt ernst, ich ziehe mich sofort zurück, wenn Sie eS wünschen. Du lieber Himmel, nun auch noch diese Leichenbitter miene! Adieu, adieu, George». Also heule wohl nicht, aber morgen. Rittmeister von Lanner ging und Graf Coda ließ sich scukzend io einen Sessel fallen. Na! dann in Gottes Namen. Schießen Sie mal loS, Justizrath. Zunächst habe ich Ihnen einen Vorwurf zu macken Wege» eines schweren, leider nicht mehr gut zu machenden Fehlers, Herr Graf. Ich bin untröstlich! WaS meinen Sie denn? Sie haben — obne mich in so wichtiger Angelegenheit zu fragen — Ihre Entlassung an« dem Heere erbeten und erhalten Graf Coda stand plötzlich ziemlich heftig auf und unter brach den Justizrath vornehm: Bitte! Und wenn Sie hundert Jahre in unserer Familie ein- und auSgeben, so sind und bleiben Sie doch nur ein RecktSbeistand, ein Mann, der gewisse juristische Beziebnngcn unserer oder meiner Familie der Außenwelt gegenüber regelt. DaS giebt Ihnen noch kein Reckt, Herr Justizrath Mark- waltt, in Angelegenheiten zu reden, die mit oer gräflich Coda'schen Ehre zusammenbänge». Merken Sie sich das! Meine OsficierScarriöre hatte ei» Ende, mußte ein Enke haben in dem Augenblick, wo mir die Mittel fehlten, ein glänzender Osficier zu sein, wie ich c- bisher war. Für einen Coda gab cS dabei kein Einschränken, keine Halbheit, sonder» nur ein Aufgeben. Ich hoffe Sie verstehen mich. Herr Justizrath Markwaldt war über diese Zurückweisung durchaus nicht so zerlnirscht, wie Herr Gras Coda vielleicht erwartet batte. Obne die geringste innere oder äußere Be wegung blieb er vor dem Letzteren stehen, die Augen scharf und steckend aus ibn gerichtet. Es ist merkwürdig, sagte er mit ruhiger, kübler Reserve, in welchem Gegensatz hier Ursache und Wirkung stehen. Ick habe nickt gczweiselt, daß Jbr Beweggrund ein durchaus ehrenhafter war, aber ich zweifle auch nickt im Geringsten, daß mir die Thatsacbe Ihrer Entlassung auS der Armee ein Hinderniß war, Ihnen die gewünschte Hypothek zu ver schaffen Dem flotten Osficier standen alle Wege offen, dem abgedankten verweigert man einen — vielleicht noch nicht einmal gefährlichen Credit. ES sieht fast aus, fuhr er langsam und mit schwerer Betonung fort, als ob die Natten das Schiff verließen, Herr Graf Alle Ihre StandeSgciiosscn, an die Sic mich in der An gelegenheit gewiesen haben, der alte Graf Zetz. die ter Linden», die Comtcssc Haßbruch »nd wie sie alle beißen, batten ein freundliches, neugieriges Bedauern, ein höfliche- Achselzucken, aber kein Geld für Sie. Und Kaunitz? Ter alte, freundliche, gute Kannitz? fragte Gras Coda ziemlich beklommen, denn er wußte, daß die Hypothek beschafft werden mußte! Unter allen Umstände» mußte das Geld her! Der Justizrath lachte bitter auf. Kannitz! Ich ließ mich bei ihm melden und nach einer langen Weile brachte mir der Diener die Meldung, daß der Herr Graf Kannitz nickt zu Hause sei. Als ich dann durch ren Licktbof vor seinem Palais ging, sah ich, wie er eben in seiner Equipage davonsuhr! Mein Gott, wegen lumpiger siebenunddreißigtausend Mark! Wie werden Sie sich Helsen, Justizrath? Ick, mir? Es waren nur zwei Worte, die der alte, erfahrene Mann zu dem junge» abgedankten Osficier sagte, aber die Wirkung derselben war eine durchschlagende. Graf Coda wurde bleich »nd seine Lippen zuckte» nervös auf. Einen Augenblick lang sah er starr durch das Fenster hinunter auf die Straße, wo die Menschenflnth unablässiig im aufreibenden Getriebe vorbeihastcte, wo nian sich schob und drängte und stieß —- »mS tägliche Brod! — Dann sagte er mit einem viel be scheidenere», böflickeren Tone als vorher, al« er den Justiz- ralb zurechtwicS. Herr Justizrath, Sie wissen, daß ich da« Geld beschaffe» muß. Es sind Verbindlichkeiten aus meiner Dienstzeit, di« unbedingt vor meiner Abreise getilgt werden müssen. Ich hoffe, Sic versagen mir Ihre Dienste, Ihre Erfahrung nicht in der Noth Noch einmal, Herr Justizratb, sollen Sie mir Helsen, der Schwierigkeiten Herr zu werden. Noch einmal! Es soll nicht wieder Vorkommen! (Fortsetzung folgt.)
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