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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920709018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892070901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892070901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-09
- Monat1892-07
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rlbmmemeutspreis <» der Hauptexpedition oder den im Etod^ Bezirk nud da» Vororten errichteten An«, gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^4ck0^ bei zweimaliger täglicher Zustellung ln< Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ährlich S.—. Direct» täglich« Kreuzbandjenduag tu» Au-laod: moaatlich . Die Morgen-An-gab« erscheint täglich'/,? Uhr^ di« Adend-Ausgab» Wochentag« b Uhr. Ledaction un- LrpeLittoo: Johanne-gaßr 8. Di» Tn>edttioa ist Wochentag« »aanterbroch«» »«öffnet von srüh S bi» Abend« 1 Uh». ^ilialeo: vtt, Klemm'« Sortt«. (Ulf«» H«ß»X Universität«strotz, t. . . . L-oi» Lösche. Katharinenstr. 1«. pari, and KSntgsPlatz 7. Morgen-AitdgaVe. eipMcr TGtbllw Organ fSr Politik, Localgeschichte, Handels- mch Geschäftsverkehr. Sonnabend dev 9. Juli 1892. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 10. Juli, Vormittags nur bis VsO Uhr geöffnet. kxptzilltlnn Ä68 I-Ssp/ixer ^axtzdluttLS. Amtliche Bekanntmachungen. Sekanntmachung. Die Erd- und Maurer-, die Äalzeiscn-, Tchmiedc- und Schlosscrarboiten und die Lieferung »er Uutzriseiiarbettcn tür den Erweiterungsbau der Schweinemarklhalle au, dem städtischen Viehhofe hier sind vergeben. Die nicht berücksichtigten Bewerber werden deshalb ihrer An gebote hiermit entlassen. Leipzig, am 7. Juli 1892. 2884 Der Rath der Stadt Leipzig. In. 1005. vr. Tröndlin. Lindner. Glistverpachtuilg. Die diesjährige Obstnutzung (Nepsel, Birnen und Pflaumen) an den fiskalischen Straßen des Bauvcrwaitercibezirks Leipzig soll Dienstag, den 12. lauf. Man., Bonn. IN Uhr im Saale des hiesigen SchuvmachrrinnungShauscS, Schlatz- gasse Rr. I«. meistbietend gegen sofortige vaarzahlung und unter den im Termine bekannt zu machenden Bedingungen »er- pachtet werden. ^ Die in Frage kommenden Ctraßenabtheilungen bcz. Unter- abtheiiungen, inglcichen die Anzahl der daraus anstehenden Bäume sind vor dem Termine aus in den Händen der Herren AmtSstraßen- meister und der Straßenwärter de« Bezirk« befindlichen Verzeichnissen zu ersehen. Leipzig, am 4. Juli ,892. ASnigl. Straften- und KSntgl. B.lnssrrbaiiinsprction. Vauvcrwalterei. Obstverpachtung. Die diesjährige Nutzung von den fiScalischrn Lbstbäumrn an den Straßen der nachaenannten AmtSstraßenmcisierberirke soll gegen sofortige haare Bezahlung und unter de» sonstigen bei Eröffnung der Termine bekannt zu gebenden Bedingungen im Wege de« MeistgebotS öffentlich verpachtet werden, und zwar: 1. Freitag, den 15. Jnlt dsS. I-., von Born». Ist Uhr an im Äasthosr „zum Zimmrrhos" in Borna die Nutzung der Obstalleen im Bezirk« der AmtSstraszeniueistcr Fehrmann in -rohburg, Hautzmann in Borna und «rimm in Lobstüdt und » Montag, den 18. Jnlt dsS. I»., von Nachm. 4 Uhr an im «astdose „zum Kronprinz" in «roitzsch die Nutzung der Obstalleeu im Bezirke de« AmtSftragenmeisterS Neubert daselbst. Nähere Auskunft über die einzelnen Straßen und deren Unter abtheilungen, sowie über die Anzahl der anstehenden Obstbäume ertheilen die vorgenannten Anittstraßeomeister und die Wärter der einzelnen Straßenabtheilungen. Sgl. Straften-n. Wasserbau-Inspektion Kgl.Banverwalterei Leipzig, am 6. Juli 1892. Borna. Michael. Bahmann. Infolge Abganges des derzeitigen Inhabers kommt bei unS die Stelle des Verwalters des städtischen Krankenhauses zur Er- ledigung und soll baldmöglichst, spätestens aber am 15. Sep tember dieses Jahre», anderweit besetzt werden. Mit derselben ist neben freier Wohnung im Krankenhause, Heizung, Beleuchtung und Gartennutzung ei» JahreSgehalt von 1000 verbunden. Geeignete verheiraihete Bewerber, welche sich in gleichen oder ähnlichen Stellungen befinden, beziehentlich befunden haben, oder al« Lberlazareth- oder Lazaretbgehilfen beim Militair thätig gewesen, beziehentlich noch sind, wollen Gesuche unter Beifügung von Zeug- nifsen längsten» bi» ,um 2V. dsS. Monat» bei UN» eiuzureichen. Limbach, am 6. Juli 1893. Der Ttadtrath. vr. Goldenberg. Str. Die Cholera. Die Befürchtungen, welche wir neulich über die Ver breitung der Cholera an dieser Stelle äußeiten, haben sich leider als vollständig begründet erwiesen: die Seuche dehnt sich mit unheimlicher Sicherheit und Stetigkeit aus daS euro päische Rußland au«, und die Gefahren, welche daraus für das übrige Europa erwachsen, liegen klar zu Tage. Daß die Cholera bereit» in Astrachan ausgetreten ist, unterliegt keinem Zweifel, da» Gleiche wird auS Kostroma, Samara und Saratow gemeldet; daS Schlimmste aber ist, daß die Messe m Nischny-Nowgorod von der Regierung bisher nicht untersagt ist, wodurch die Krankheit systematisch über ganz Rußland verbreitet werden muß. Zwar herrscht in der Geschäftswelt die Annahme, daß ein Verbot der Messe unerläßlich sei, aber darum ist rS noch nicht mit Sicherheit zu erwarten, die russische Regierung pflegt sich bei allen wichtigen Dingen Zeit zu nehmen, bevor sie Entschlüsse faßt. Das hat sie im vorigen Jahre bewiesen, als die ungünstige Ernte das Ge- treideauSsuhrverbot erforderte. Bei solchen Anlässen, wie rin über große Gebiete ausgedehnter Nothstand und eine ver derbliche Seuche, zeigt sich die ganze Unzulänglichkeit und Mangclbastigkeit der russischen StaatSeinrichtungcn, nirgends ist daS richtige Vcrständniß sür die zur Abwehr des UebelS geeigneten Maßregeln vorhanden, und wenn zweckmäßige Verfügungen erlassen werden, so fehlt eS an der Ausführung. .Rußland ist groß und der Zar ist weit", ist heute noch da« bezeichnende Erkennungswort sür die russischen Zustände. HungerSnoth und Krankheit stehen mit einander in Ver bindung, bei einer durch Notb und Elend geschwächten Be völkerung finden Seuchen, wie die Cholera, da« geeignete Feld für eine reiche Ernte, und von diesen Krankheitsherden au» bilden sich stet« neue Stätte», an welchen dir Seuche zahl reiche Opfer fordert. AuS Baku hat eine allgemeine Flucht der Bevölkerung stattgcfunden, und alle diese Flüchtlinge tragen natürlich den Krankheitsstoff in die Orte, welche sie zur Zufluchts stätte wählen. Die Zahlen über Erkrankungen und Todesfälle, welche auö den verseuchte» Gegenden gemeldet werden, sind ohne allen Werth; daß sie nur einen geringen Bruchtheil des wahren Sachverhalts bedeuten, ist für Jeden klar, der die russischen Verhältnisse einigermaßen, sei es auch nur durch aufmerksame Beobachtung der in die Oeffeutlichkeit dringenden Thatsachen, kennt. Daß in Rußland die Mehrzahl aller zur allgemeinen Kenntniß gelangenden Vorgänge auf Lug und Trug beruht, ist beweiskräftig fcstgesiellt und bei den herrschenden Regieruiigögrundsätzcn auch nicht anders mög lich. Wo man bestehende Hebel lediglich durch Verheim lichung bekämpft, wo cS den maßgebenden Behörden nicht darauf ankommt, Abhilfe zu schaffen, sondern nur den Schein ;n erregen, daß etwas geschehen sei, da ist überhaupt keine Besserung der Zusläude zu erwarten, da wird einfach so lange fortgewirthschastet, bis der morsche Bau deS StaatS- gebäudeS in sich zusammenbricht. Daß die HeereS - Einrich tungen bisher noch Kraftäußcrungen nach außen gestattet haben, ändert daran nichts; in Asien hat eS Rußland mit Völkerschaften zu thun, die noch in ganz ursprünglicher Weise leben, ihnen gegenüber das Feld zu behaupten, will nicht viel bedeuten zumal man auf russischer Seite in der Wahl der Mittel ganz rücksichtslos ver fährt. Also, auf der einen Seite ungeheurer Landbesitz, Unterwerfung einer ganzen Reibe halbwilder Völkerschaften, eine zahlreiche Armee von einer Zusammensetzung, deren Be- standlhcile auch in ihren Spitzen große Bedenken erregen müssen, auf der andern eine theils unfähige, tbeils unredliche Verwaltung, welche mit den erbärmlichste» Mitteln arbeitet, um den täglich wachsenden Verfall aller StaatScinrichtmigen zu verheimlichen — daS ist das große Reich, dessen Gunst Frankreich sucht, um mit seiner Hilfe den Dreibund zu sprengen und zu besiegen. Der Nothstand, welcher im vorigen Jahre in einem großen Theile Rußlands zum Ausbruch kam, war der Prüfstein für den Werth der russischen Freundschaft; in diesem Jahre tritt zu dem noch sortbestehendcu Nothstaude die Cholera hinzu, um der Welt zu offenbaren, wie es mit der Kraft und Leistungsfähigkeit deS russischen Reiche« bestellt ist. Al« die Seuche in Mcsched in beunruhigender Weise zur Erscheinung trat, war der richtige Zeitpunkt da, um auf russischer Seite die größte Thatkraft zur Abwehr deS hcrannahcnden UebelS aufzuwenden. Man ließ diesen Zeitpunkt ungenutzt verstreichen und wartete, bis die Scucbe in Baku sich einen neuen Herd geschaffen hatte; aber selbst dann geschah nichts Durchgreifen des, um dem Ucbel cntgegcnzutreten, und jetzt ist bereit» daS europäische Rußland von der Seuche ergriffen. Nock am 7. Juli, nachdem ganz Europa seine Aufmerksamkeit auf die Fortschritte der Krantbeit gerichtet hatte, erschien in Rußland eine amtliche Bekanntmachung, nach welcher der Beginn der Messe in Nisckny-Nowgorod auf den 27. Juli festgesetzt wurde. Allem Anschein nach werden die russische» Kaufleute, welche die Messe zu besucken pflegen, vernünftiger sein als der Minister des Innern und auS Rücksicht auf die eigene Gesundheit und die der Bevölkerung ihrer Hcimath der Messe ferndleiben, ohne ein Verbot der Messe abzuwarten. Solcke Zustände bedürfen keiner näheren Erörterung, sie führen eine laute und überzeugende Spracke und verweisen das übrige Europa ans Selbsthilfe zum Schutz gegen daS von Rußland drobende Hebel. Da« Ausland läßt sich durch russische Berichte über den Stand der Seuche nickt irre führen, eS wird sich durch de» Augenschein über den Sachverbalt unterrichten und danach seine Maßregeln treffen. Glücklickcrweisc besteben Verträge über die Handhabung der Gesundheitspflege in der Mehrzahl der europäischen Staaten, und die Maßnahmen der inter nationalen Gesundheit«-Commission in Konstantinopel ge währen die Beruhigung, daß von dieser Seite das Mögliche geschieht, um der Verbreitung der Seuche entzegenzutreten. Besondere Sorgfalt erheischt die Ouarantaine in den Häfen, weit durch Lässigkeit gerade in dieser Beziehung die schlimmsten Folgen veranlaßt zu werden pflegen. ES liegen auck Meldungen auS Frankreich und England vor, welche zu der Annahme führen könnten, als ob die Cholera bereits in Paris und London ausgetreten wäre; diese Nach richten treten aber bisher nur in Gcrüchtform auf und entbehren der Bestätigung, sie sind wohl nur als die Aeußcruna einer übertriebenen Angst aufzufasicn, den» gerade in diesen Mittel punkten de» Weltverkehrs wird unzweifelhaft nichts versäumt, was der Ausbreitung de« UebelS den Weg abschncidcn kann. DaS ganze nichtrussische Europa hat die dringendste Veran lassung, Alles zu thun, was der Cholera den Zugang zu ver wehren geeignet ist, denn man kann in dieser Beziehung fick nickt leickt einer Uebcrtreibung schuldig machen. Der Zufall spielt in allen menschlichen Dingen eine große Rolle, und die peinlichste Handhabung von Sicherheitümaßregcln kann eS nicht verhindern, daß irgendwo Jemand durchscklüpst.dcm es gelungen ist. sich jeder Controle zu entziehen. Deshalb ist die atlge mein bekannte Nachlässigkeit der russischen Behörden in diesem Falle eine überaus ernste Sache, deren Tragweite gar nicht sestzustellcn ist. Wenn die von Rußland gemeldeten Zahlen der Opfer der Cbvlera auch nur annähernd richtig sind, so enthalten sie den Beweis, daß die Krankheit bis jetzt außer ordentlich milde anftritt, aber leider verdienen diese Zahlen nicht mehr Glauben wie diejenigen, welche über den Nolbstand veröffentlicht worden sind. Es kann sich Niemand rühme», ein klares Bild von den Verheerungen gewonnen zn haben, die der Nolbstand in Rußland seit einem Jahre angericktet bat, ebenso wenig wie die Ergebnisse der Volkszählung irgendwie zuverlässig sind. Wir setzen auch begründete Zweifel in die Veröffent lichungen über die Slärkeverbältniise de- russischen Heeres; in den Hauptstädten und Festungen mag sich tas bis zu einem gewissen Grade controliren lassen, abgesehen davon, dürfte e« aber sehr schwer sein, den wirklichen Bestand der Truppen zu ermitteln. Wir wollen hoffen und wünschen, daß die russischen Be hörden sich der Cbolera gegenüber besser bewähren mögen al- bei Bekämpfung de» NothstandeS, denn wenn diese den Maßstab gewäbren soll für DaS, was wir von den russischen Behörden zu erwarten baben, dann ist da« übrige Europa auSschlicßlich auf Selbsthilfe angewiesen, und wa» da« heißt, zeigt rin Blick auf di« Karte von Rußland. * Deutsches Reich. biSmaLLenP^ ibspielte und mit der Pernrtheilung dcS Beklag ziemlich hoben Geldstrafe cnreli. . SöbneS dcö da- cmpört gefühlt durch eine Rede de- z -... liberalen maligen Reichskanzlers, wor.n den 8ud«r» der mcra.e Partcicn. insbesondere dem verjtorbencn Fo^nbcck, der Wurf des Nepotismus gemacht wurde. ^eberUnbesangene fand cS damals unerhört, daß em ^ Carriöre doch hauptsächlich s.mer Ä-burt 'nd^.h.z n-rvankte einen so schweren Borwurf gegen Männer cryor K.L-S" L7LS:? UL« derartigen Vorwurf zu erheben. Die Folge war cm Straf antraq^tcS Fürsten ÄiSmarck wegen Beleidigung Die Sache ?eschä?,igt° sogar, weil der Beklagte von der Strafkammer des Landgerichts in Osnabrück freigesprvchen w^de' daö Reichsgericht. da« den Fall dem Landgericht m Hannover überwies. Hier erfolgte die Verurtheilung. In dem E kenntniß wurde auSgcfllhrt, der Beklagte habe )war direct beleidigende Ausdrücke nicht gebraucht, auch eine beleidigende Absicht nicht verrathen, wohl aber emcii BildungS, and erst,men lassen, der ihm hätte sagen muffen, daß Fürst Bismarck sich beleidigt fühlen werde. Der Vcrurthciltc — der ictzige Chefredactcur des „Leipz. Tagebl. — bat jenen Strafantrag und die konsequente Verfolgung desselben nicht zu den Großthatcn deö Fürsten gezählt, aber er hat sich durch dieses strafrechtliche Intermezzo, daS vielleicht einmal eine besondere Beleuchtung findet, auch nicht verbittern lasten gegen einen Mann, dessen unvergängliche Verdienste um unfer deutsches Vaterland durch keine kleinliche Maßregel geschmälert werden können. Aber so zu urtheilen. ist nicht eine« Jeden Sache. Lhatsächlich haben die zahlreichen BeleidigungSproceffc, die der Altreichskanzler bi« in die letzten Jahre seiner Amts führung angestrengt bat, gerade unter den Vertretern der Presse eine Stimmung erzeugt, die deutlich zum Aus druck kommt bei der Dcurtheilung der Acußerungcn, die der Fürst neuerdings über seinen Nachfolger gethan. »So wie er gethan hat", schallt es au« allen Ecke» und Enden, „so soll man ihm wieder thun". Und wenn Graf Caprivi mit Strafanträgen ebenso bei der Hand wäre, wie cbedcm sein Vorgänger war, und wenn die Gerichte von der Ansicht auSgingcn, die Bejahung der Schuldsrage hänge auch dem Fürsten gegenüber davon ab, ob sein BildungSzustand an- »chmen lasse, daß er habe wissen müssen, ob sein Nachfolger sich von ihm beleidigt fühlen werde oder nicht: so würde der große Baumeister am Werke der deutschen Einheit und Macht mindestens hohen Geldstrafen Wohl kaum entgehen können. Aber gerade wir, d. h. der Verfasser dieser Zeilen, der es an sich empfunden hak, wie eS thut, wenn man im heißen politischen TageSkampse seine verdammte Pflicht und Schuldig keit z» th»» glaubt und dabei durch richterliche Sentenz einen Maulkorb angckängt bekommt, durch den man nur noch dasjenige flüstern darf, wovon kein Mensch sich beleidigt fühlen kann: gerade wir haben das Recht und die Pflicht, ans daSEindringlichste davor zu warnen, auch einen Bismarck zum ängstlichen Flüstertöne ru verdammen, weit er daS gegen Andere gethan bat, die feine Nervosität gereizt batten. Bismarck ist eine Größe, von der man nicht nur lernen soll, wa« man zu tbun hat. fondern auch das, was man unterlassen soll. Es ist eine elende Art von Politik, das in Anwendung zu bringen, waS man früher verdammt hat, und eS nur deshalb zur Anwendung zu empfehlen, weil eS denjenigen treffen soll, an dem man cs früher getadelt. Wir würden es uns nie verzeihen können, wenn wir a» Bismarck etwa« thätcn, wa« wir beklagt haben, als er eS an uns that. Wir glauben es ihm »nd uns schuldig zu sein, nur so gegen ,hn zu handeln, wie wir gewülifcht hätten, daß er an Allen bandle. Und wer auf feine Schultern sich stellen und sein Werk corrigircn will, würde eine wenig bencidenswerlhe Rolle spiele», weil er lediglich nachahmen wollte, wie der Fürst sich geräuspert und wie er gespuckt hat. ES gicbt eine noch un endlich tiefere Kränkung als die, welche mit Worten zugc- sügt werden kann: das ist die Kränkung durch Thaten, die befestigen oder doch abändern, was ein Anderer mit seinem Herzbtute aufgerichtet hat. Solch: Tbaten kann man nicht vor Gericht stellen, auch wenn der Verüber dieser Thaten bei seinem BildungSstande bat wissen müssen, daß er einen Anderen in der tiefsten Seele verwundet. Solches Leid muß Bismarck sei» Jahren erdulden, obne eine andere Abwehr, ein anderes Mittel zum Ausdruck seiner patriotischen Sorge zu haben, als da- freie Wort. So lasse man ihm dieses, cS wird uns „n AnSlande sicherlich nicht schaden! Und wenn man eS ihm nicht läßt, so soll er wenigstens an »nS einen unbeftochenen Vertbeidiger jener Redefreiheit finden, die er nach der Fülle seiner jetzigen Erfahrungen sicherlich auch unS einraumen würde. 1t Berlin, 8. Juli. Wir machten kürzlich auf die Arbeiten aufmerksam, welche gegenwärtig behufs Festsetzung der ortsüblichen Tagelöhne in einzelnen BezirkS- regierungen vorgenommen werden. Für diese Festsetzung ist , Deutschland gütige, gleichmäßige Ver- bal msse schaffende Bestimmung noch nicht erlassen. Die „cstsetzung ,,i vielmehr dem Ermessen der oberen Verwaltung«, bchorden überlassen. N„r haben die letzteren die Gemeinde- dckordcn vorher zu hören. E- ist nun klar, daß es im Interesse der Gemeinden liegt, die ortsüblichen Tagelohnsätze möglichst koch itken; denn je Höker diese Sätze sind, um so größer sind d,e Renten, welche aus Grund der Versichern,,gS- siesetze an die Arbeiter gezahlt werken und um so umfassender Diele« d.e Entlastung i». UnterstiitzungSwesc.,. Interesse mußte bei der endailtiaen Felste«,»»., mekr^al«'" berück,ächrigt wertem l?m so ° ^ der finanzstlle Stantpnnct der Arbeit- I ^ d°ö?'" groyten Tbeil der Renien decken in Frage kommt, sondern auch ein wichtige« sociale« Moment E« 'st ,a bekannt, daß d>. schlechte Geschäftslage, namentlich J«fertio«SpreiO Die 6 gespaltene Petitzeile LS PsA Reklame» unter dem RedocstrmSststch (4gch spalten) 50H, vor den FamtlieonachrtchteN <6 gespalten) 40^. Größere Schristen laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer nnd Zisfrrusatz nach höherem Tarif. tztr«-veil«,en (gesalzt), »,r «it der Morgen-AuSaab«, ohne Postbrfördernng >il 80.—, mit PostbefSrdrruug ^ 70.—. Rnnahmeschluß fir IvserKte: Abeud-AuSgab«: Vormittag» 10 Uhr. Morgrn-Ansgab«: Nachmittag» ckWe« Sonn- nnd Festtag» früh '/H Uhr. Lei de» Mate, »ad Annahmestelle» je et»» halb« Stund« früh«. Inserat« sind stet» an die Urtzeditt«» z» richten. Druck und Verlag von S. Pokj td LeOztg. 88. Jahrgang des Vorjahre», an vielen Orten zu einer wenn auch nicht bedeutenden Reduction der in den Vorjahren so rasch gestiegenen Arbeitcrlvhne gezwungen hat. Würden nun die Arbeiter sehen, daß die ortsüblichen Tagelohnsätze, die ja nur berechnet, nicht effektiv sind, in die Höhe geschraubt würden, während ihr thatsächlicher Verdienst mindestens nicht vorwärts geschritten ist, so würden sie sicher lich jeder seinen Arbeitgeber im Verdacht haben, daß der letztere nur auö persönlichem Interesse, nicht infolge der drückenden Geschäftslage die Löhne etwa» h.runtergesetzt habe. Solche Anschauungen nisten sich nur zu leicht ein, sie werden jedoch als förderlich sür den socialen Frieden wohl nirgends angesehen werden. Von einzelnen industriellen Vereinigungen, u. A. vom Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirth- schastlickicn Interessen der Saarindustrie, "sind denn auch Ein gaben in diesem Sinne an die betreffenden Regierungs präsidenten unter Darlegung der besonderen localen Verhält nisse gemacht worden. Es ist nur zu wünschen, daß die darin zum Ausdruck gelangten berechtigten Ä)ünschr Be rücksichtigung finden. (I Berlin, 8. Juli. Tie Cocialdemokraten de» Vorortes Rixdorf, in dem sehr viele in Berlin beschäftigte Arbeiter wohnen, hatten zu gestern Abend eine öffentliche Versammlung einberusen, in der der Chefredactcur deS „Vorwärts", Abgeordneter Lieb knecht, einen Vortrag über „CommuniSmus, SocialiS- mns und Anarchismus" halten sollte. Anarchisten sowie unabhängige Socialisten aus Rixdorf und Berlin waren zahlreich erschienen, um zu hören, wie der „alte Revolutionair" mit dein Anarchismus sich auSeinandersetzen und in welcher Weise er ihn bekämpfen würde. Sie waren aber vergebens zum „Meister" gekommen, denn dieser hielt wohl eine 1'/, Stunde währende Vorlesung über Marx' „Capital", wodurch er die Noth- wendigkeit und Existenzberechtigung deS Socialismus, der ursprüng lich CommuniSmus genannt worden, nachzuweisen versuchte, auch verwarf er den StaatSsocialiSinuS de» Herrn von Bollmar, denn durch den StaatssocialismuS werde nur die Capital-« und Regierungsmacht gestärkt, aber über die anarchistischen Theo- rien und Lehren schwieg er sich gründlich ans; nur einig« Späße gab er zum Besten. S» behauptete rr, daß es weder in Berlin noch in Deutschland Anarchisten gäbe; dir sich so nennten, seien von Polizeispitzeln Verjährte, und auch betreffs des jüngsten Anarchisten-Proceffes werde das noch bewiesen werden. Ravachol sei ebensall» ein Werkzeug der Polizei gewesen. Daß die Anarchisten bet ihren individualistischen Grandsätzeo nichts er- reichen könnten, hätten die Bakunisten in der spanischen Revolution bewiesen, wo die Lage sür sie eine äußerst günstig« gewesen sei. Wer sich für den Anarchismus interessire, dem könne er empfehlen, Stirner'S „Der Einzige" zu lesen, da« Buch sei genial geschrieben. Im Uebrigcn werde er über den Anarchismus genügend« Auf klärung in Marif „Capital" finden! Er, Liebknecht, sei mit siebzehn Jahren auch Anarchist gewesen, doch diese .Lfugendeselet" liege weit hinter ihm. Nach Beendigung des Bortrage wnrde auf de» Wunsch Liebknecht'«, der sich stet» vor dem Beginn der Di», cussion drückt, der Antrag gestellt, die Discussion fallen zu lasten. Dieser Antrag erhielt die Majorität. War schon die Versammlung bis dahin sehr unruhig verlausen und hatte der Referent sich öfters miß billigende Aeußerunge» gefallen lassen müssen, so entstand nun ei» solcher Lärm, daß sich der überwachende Gendarm gezwungen sah, die Versammlung auszulösen. Hieraus bildeten sich noch Gruppen, die sich heftig stritten, doch zur Schlägerei kam es diesmal noch nicht. — Der Vorstand der socialdemokratischeu Arbeiter- Bildungs schule hat ein Flugblatt veröffentlicht, in dem er alle Geuvffen und Genossinnen und alle Arbeiter-Vereinigungen um Unterstützung bittet. Ander« als durch die Mithilfe aller Arbeiter sei von Ansaiig an das Unternehmen nicht zu erhalten gewesen, doch seien die Versprechungen, die vorher gemacht wurden, nicht erfüllt worden. Es ist sonach die Lebensfähigkeit de» Unternehmen» kaum wahrscheinlich. — In Ergänzung unserer gestrigen Mittheilung, betreffend die Verhandlungen des „Ausschusses zur Untersuchung der Wasserverhaltnisse in den der UeberschwemmungS- acsahr besonders auSgesetzten Flußgebieten" tragen wir noch folgendes nach: In der Montag-Sitzung wurde außer der Wabl des engeren Ausschusses, deren Resultat wir bereit« mitgetbeilt haben, u. A. die Reihenfolge festgestellt, in welcher die Flüsse hinsichtlich ihrer Hochwassergefahr untersucht werden sollen. Diese Reihenfolge ist folgende: Oder, Elbe, Weichsel, Weser, Ems und Memel. Die auf den Rhein und seine Zuflüsse bezüglichen Arbeiten sind bereit« abge schlossen. Hinsichtlich der Organisation de« AuSschuffeS und der Vertheiluug der ihm zunächst obliegenden Arbeiten wurde beschlossen, daß außer dem au« fünf Mit gliedern bestehenden engeren Ausschuß, der seinen ständigen Sitz in Berlin und die Aufgabe hat, den vom Gesammt- ouSschusse fcstgestellten Arbeitsplan durchzuführcn, die Beschlüsse des AuSschuffeS vorrubcreiten und die Arbeiten des BnreauS zn leiten — noch sogenannte Unterausschüsse gebildet werden sollen. Diese werden für jede» der ver schiedenen Flußgebiete vom GcsammtauSschuffe eingesetzt, sollen auö nicht mehr als sieben Mitgliedern bestehen und zwar aus Verwaltungöbeamten, Technikern und Laien, welche, so weit sic nicht etwa dem Ausschüsse al« Mitglieder bereits angehören, zu seinen Berathungen rugezogen werden, wenn cs sich um Stromgebiete handelt, für welche der Unteraus schuß eingesetzt ist. Aber auch wenn von der Einsetzung von Unterausschüssen abgesehen wird, können unter Leitung des engeren Ausschusses und seines Bureau- für die einzelnen Stromgebiete besondere technische Bureaux errichtet werden. Somit ist der Wahrnehmung auch der localen Interessen der betreffenden Flußgebiete Rechnung getragen worden. * Hamburg, 8. Juli. Die „Hamb. Nachr." theilen die beiden im „ReichSanzeiaer" veröffentlichten Aktenstücke mit und bemerken dazu: „Wir bezweifeln, daß die nach Wien ergangenen Mittheilungen hiermit erschöpft sind." Der „Köln. Ztg." schreiben die „Hamb. Nachr." Folgende« m das Stammbuch: „Dl. „Köln. Ztg.» findet, daß Fürst BtSmarck bet seiner nnilk von Regiernngsinaßregeln die Ehrenpflicht de» AmtSar- außer Acht gelassen Hobe. Wir erwarten, daß da» rheinische Pf,tt nähere Angaben darüber macht, wodurch der frühere Kanzler da« Amtsgrheimniß verletzt hat. Wir glauben, dov Fürst Bismarck nicht- besprochen hat, was nicht pud- uc» zurin »,»d dir Wiederholung der Ueberzeugung war, " lckiou im Dienst als Kanzler amtlich vertrete» tzaÖ Di« „Köln. Ztg." hnt wohl noch immer das Bedürft»», da« vor längerer Zeit dazu bewog, in Bezug auf den »uriten Bismarck zu behaupten, er „lause nörgelod und polternd hinter dem Reichswage« her". Wir wissen nicht, welche Rolle acht- barer i„: d,e l«S ..Polterer«'' hinter d«n Wagen, od« dt, de« Bettler«, h,r mit dem Hat« t» der Hnad hinter hex
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