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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920711012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892071101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892071101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-11
- Monat1892-07
- Jahr1892
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Tabellarischer und gifsernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gesalzt), nur mit da Morgen-Susaade. ohne Postbefördernn- ^4 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Inserate: Slbend-Ausgab«: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn« und Festtags früh V,S Uhr. Bei den Filialen und «nnahniesiellen j« eine halbe Stunde früher. . Inserate sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. Montag dev 11. Juli 1892. 86. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. vermiethullgelt. , In Len nachgenannten, der Stadtgemeinde gehörigen Grund stücken sind folgende Miethräume gegen viertel-, bez. halbjährliche Kündigung zu vermietden: L) Markt Nr. L - Rathhaus — a. das Bühnen-Gewölbe Nr. 10 am Markte, d. - » - » 25 - Naschmarkte, v. - » » » 30 an der Ecke vom Naschmarkte und Salzgäßchen. 2) Naschmarkt Nr. 4 — Alte Börse — das Gewölbe Nr. 3. 3) Saligätzchen Nr. 2 ». eine Hosniederlage, d. die neu vorgerichtete 1. Etage. 4) Rcichsstraste Nr. 4 — Lellier'S Hof — a. ein Hausstand, d. eine geräumige Wohnung in der 3. Etage, v. eine große Hoswohnung in der 1. Etage. 5) RetchSstratze Nr. 7 ein Verkaussstand. <»> - - N die 1. Etage. 7) NniversitStSstrafte Nr. 18 — Silberner VSr — »ine Hoswohnung in der 2. Etage. 8) Windmühlcnstrasjk Nr. 7 a. das 1. nach der Brüderstraße zu gelegene Gewölbe, d. eine neu vorgerichtete Wohnung in der 1. Etage, <!. eine dergl. in der 2. Etage. 9) Uirchstrastr Nr. 42 — ehemaliges RathhauS — in L.-BolkmarSdorf die 2. Etage. 1V) Marschallstraste Nr. 3 — Fcnermehrdepot — tn L.-Reudnitz eine Hoswohnung in der 4. Etage. 11) Surre Strotze Nr. 12 — ehemaliges RathhauS — tn L.-Plagtvitz eine große Wohnung in der 3. Etage. 12) ItzemcindcamtSstratzr Nr. 6 in L.-Lindcnau ». Niederlagsräume iin Parterre links, d. eine Wohnung im Parterre rechts. 13) ltirchplatz Nr. 1 — ehemaliges MemeindeamtS- grunvstück — tn L.-MohliS eine kleine Wohnung im Dachgeschoß. 14) Wurzenrr Stratze Nr. 55 tn L.-Reusellerhausen eine kleine Wohnung. Die Miethräume unter Nr. ln, 2, 4«, 5, 6, 8e, l2b, 13 und 14 sind vom 1. Oktober diese- Jahres ab und alle übrigen sofort zu vermiethea. Miethgesuche werde» auf dem Nachhause, 1. Etage, Zimmer Nr. 8, rntgegengenommen. Leipzig, den 6. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. ,, vr. Tröndlin. Ärumbirgrl. Bekanntmachung. Unter Bezugnahme aus frühere Bekanntmachungen machen wir mit Rücksicht auf die durch die Gasfeuerung namentlich in der heißen Jahreszeit gewährten großen Vortheilc und Aunchinlichkeiten wiederum darauf ausincrksam, daß wir MaSkochherde neuer und guter Construction beschafft haben. Wir geben dieselben durch unsere Ausstellung am Nicolaikirchhofe zur Probe, mtcthweise und käuflich an Interessenten, d. h. an Alle ab, welche Gas von den städtischen Gasanstalten beziehen oder zu beziehen wünschen. Der Kaufpreis eines Gaskochherdes beträgt, >e nach Größe und Art, ausschließlich der Kosten für die Bcrbiiidung mit der Gasanlage und für den eventuell erforderlichen Gasmesser, 70—350>< Für Miethe werden monatlich 75/4 bis4>l berechnet. Soll ein gemietheter Herd später käuflich erworben werden, so wird die Hälfte der gezahlten Miethe aus Le» Kaufpreis angerechnet. Wegen aller weiteren Auskünfte wolle man sich an die Aus stellung am Nicolaikirchhofe wenden. Hier können an den Wochen tagen während der Geschäitsstunden unentgeltlich Besichtigungen und Proben vorgenommen werden. Auch finden daselbst an den Mittwoch- I Nachmittagen öffentliche Borführungen der verschiedenen Gasseuer- I Apparate rm Betriebe stakt. Leipzig, den 7. Juli 1892. Des Rathes der Stadt Leipzig Deputation zu den ttzasaiiftallrn. La» für die am 9. September 1875 zu Leimbach geborene Anna Auguste Emma Hoffman» Ivon der Polizeiverwaltung zu Eisleben unter dem 17. April 1889 lausgestellte Dienstbuch ist in hiesiger Stadt verloren gegangen und lim Äusfinduugssalle an uns abzuliesern. Leipzig, am 7. Juli 1892. Da« Polizeiamt der Stadt Leipzt-. In Stellvertretung: lk. 36SO. vr. Schmid. I. Bekanntmachung. Bet unserem städtischen Gas- und Wasserwerke ist die Stelle des lülas- und Wägermeister» sofort zu besetzen. Das Anfangs- geholt beträgt 1500 p. a. Die Anstellung erfolgt vorläufig mit »ierwöchentllcher Kündigung. Geeignete Bewerber, welche mit allen im Gas- und Wassersache borkommenden Betriebs- und Jnstallationr-Rrbeiten völlig vertraut sind und praktisch Mitarbeiten können, wollen ihre bezüglichen Ge- suche nebst Zeugnißabschristen und selbstgeschriebenem Lebenslaufe bi« svätesten« zum 1. August er. portofrei einsenden an di« Direktion der Ga«, und Wasserwerke Hierselbst. Saatfeld a/S., den 8. Juli 1882. Der Magistrat. Zur marokkanischen Frage. Tie Lage der marokkanischen Verhältnisse ist seit langer Zeit kritisch, schon im Januar erschienen vor Tanger englische, französische, italienische und spanische Kriegsschiffe, um im geeigneten Augenblicke Truppen zu landen, weil die Herrschaft Muley Hassan'» durch einen Aufstand schwer gefährdet erschien. Angeblich handelte e» sich dabei um die Wahrnehmung der Interessen der betreffenden Staats angehörigen, in der That aber batten die Kriegsschiffe den Zweck, die Besitzergreifung Marokko« durch irgend eine Macht »u verhindern. Vielleicht war der Thron Muley Hassan'« noch niemals in so großer Gefahr als gegenwärtig, obwohl man sich bemüht, besonder» von spanischer Seile, die Berichte über die Lage al» übertrieben darzustellen. Daß die Ordnung auf dem Punkte völliger Auflösung siebt, ergiebt fick, au» der Haltung, welche die Eingeborenen gegen die Kremten zeigen; in Fez sind zwei Amerikaner, welche dort Einkäufe machen wollten, vom Pöbel mißhandelt worden, und ein Laten, den eine Französin eröffnet hatte, wurde zerstört. In beiden Mi«, hat der Gouverneur di« Beschwerden »er Beschädigten ^ daß di« Sach« »der damit nickt adgetha» est. spricht für sich selbst; der englische Gesandte hat bereits die Vertretung der Interessen der beide» Amerikaner übernommen, und daß die französische Regierung die geschädigte Französin nicht im Stich lassen wird, bedars tcincr näheren Begründung. Die hier zur Sprache gebrachten Fälle von Gefährdung der in Moroklo lebenden Ausländer sind nickt die einzigen, schon vor längerer Zeit bat rin deutscher Arzt seine Lands leute vor dem Ausenthalle in Marokko gewarnt. Man sollte meinen, daß der gemeinsame Haß der Ein geborenen gegen die Fremden die marokkanischen Stämme veranlassen sollte, ihre heimische» Streitigkeiten zu vergessen und sich zur Abwekr gegen die Freiiidherrschaft zu vereinigen. Davon ist aber nichts zu spüren, die aufständische Bewegung gegen den Sultan, die niemals geruht hat, nimmt ihren Fortgang, und man sieht jetzt wieder einmal der so und so vielten Entscheidung entgegen, die zu Gunsten des Sultans aussallen aber auch zur Auflösung der bisherigen Regierung führen kann. Dieser Ausgang würde den Miilelniecrinächlen Anlaß zum Einschreiten geben, und für diese Möglichkeit sind bereits alle Vorbereitungen getroffen. Die Engländer baden ver sucht, mit dem Sultan für England vortheilhaste Verträge abzuschließen. sind aber in diesem Streben nicht glücklich gewesen, dagegen haben die Franzosen den Stämmen ihren «chutz zugcsagt, die gegen den Sultan im Ausstande be- griffeiistiid, und haben damit die Macht bereits «tatsächlich in ibrc Hände gebracht. Schon am 22. Januar erklärte Freycinet im Senat bei Bcrthcidigung der Vorlage, belreffent die Verlängerung der Eisenbab» Ain-Sesra bis zur LanbcS- grcnze: Man befinde sich in jene» Gegenden einer Art von Agitation gegenüber, die dortigen Rachbarn Frankreichs standen nnler gewissen Einflüssen und folgten einem Stich wort. Die jetzige Feststellung der Bahiiarbeiten solle aber zeigen, daß Frankreich fest entschlossen sei, seine Autorität bis zur algerischen Landeügrenze zur Geltung zu bringen. Frankreich beobachtet augenblicklich eine an ihm ganz un gewohnte Ruhe, die um so auffallender erscheinen muß, weil sie einen bemerkcnSwerthen Gegensatz zu dem Verfahren Eng lands bildet, welches sich ohne Kampf in Marokko sest- zusetzen sucht, getreu seinem alten Grundsatz, da zu ernten, wo andere gesät haben. Es scheint aber, daß die Dinge dort eine Andere Wendung nehmen werden wie in Egypten; Frankreich hat alle Anstalten getroffen, um sich den Sieg in Marokko zu sichern. Wie die Sachen jetzt liegen, ist an die Nachfolge Spaniens als Besitzer Marokkos gar nicht zu denken; diese Macht zweiten Ranges, die weder über ein Heer »och über eine Flotte von Bedeutung zu verfügen hat, kann sich höchstens ans einen schmalen Küstenstrich Rechnung mache», der sich als Abrundung bcS Gebietes von Melilla darstellt. Frankreich braucht ein starkes Hinterland sür die Ausführung seiner Absichten aus den Theil Afrikas, dessen Miltelpuncl der Tschadsce bildet, es will bei der Thcilung Afrikas nicht zu kurz kommen, wenngleich es gegenwärtig in Dahoniey recht schlimme Erfahrungen macht. Seine Pläne gruppiren sich um die algerisch-marokkanische und um die L-ahara-Bahn, die ihm den Weg in das Herz von Afrika schaffen soll. Das sind freilich wcitauSschende Zukunflspläne, aber sie beschäftigen daö unrubige und »cuerungssüchtige Volk der Franzosen und geben »hm Gelegenheit, den Ucber- schuß seiner Kraft im Kampfe mit wilde» Völkerschaften zu verwenden, wie in Tontin, wo schon viele Tausend fran zösische Soldaten ihr Grab gesunden haben, mehr »och durch Krankheit als durch die Kämpfe mit den Tonkmesen und Ehinesen, die gewöbnlich unter der Bezeichnung Piraten zn- sauimcngesaßt werden. Es galt bisher als Consequenz der bestehenden Verhält nisse, daß Marokko bei einem Besitzwechsel Spanien und Tripolis Italien zufallen müsse, das sind aber Theorien, an die fick die Thatsachen nicht kehren. Italien war auch in der Täuschung befangen, daß ihm der nächste Anspruch aus Tunis zukomme, und doch ist ihm Frankreich znvorgekommcn in der Besitzergreifung, gerade so, wie England sich Egypten an- gccignel hat, obwohl Frankreich Len Suez-Eanal gebaut bat. Warum zeigte sich Frankreich im Jahre l882 so unentschlossen, als England bereit war, mit ibm den Besitz Egyptens zu lheilcii? Solche Gelegenheit kommt nicht wieder. „Was du von der Minute auSgeschlagen, bringt keine Ewigkeit zurück." Die marokkanische Erbschaft wird voraussichtlich bald zum Antritt reif werten, und die Bewerber um das erledigte Be- sitztbum sieben bereits auf der Lauer. Es scheint aber, daß nur zwei Bewerber die nöthige Ausineiksamkcit ans die Ent wickelung der Dinge verwenden, England und Frankreich. Wenn Marokko blos von der Secscile aus zu besetzen wäre, dann würde England jeden Mitbewerber siegreich aus dem Felde schlagen, aber Frankreich hat dafür gesorgt, daß ihm der Landweg zugänglich bleibt, und von diesem aus gedenkt es sich mit der /lüste in Verbindung zu setzen. Mag auch Eng land Tanger, Rabat, Mazaga und Mogador und von dort aus auch Fez und Marokko besetze», so ist Frankreich durch seinen Einfluß auf die mächtigsten Stämme in den Stand gesetzt, ein Gegengewicht gegen die englische Macht zu schassen, welche diese auf die Dauer, wenn nickt aufheben, so doch schwer becinträcktigcn muß. Italien dlcidt bei diesem Wett kampf stummer Zuschauer, weil es sick nicht mit England ver feinden will, und Spanien muß mit dem sürlieb nehmen, waS ihm Frankreich zugesteht. Das ist bitter für Spanien, aber nicht zu ändern, eS sei denn, daß es sich stark genug fühlt, um den Kampf gegen Frankreich aufzunehmen, waS gar nicht in Frage kommen kann. Ueberhaupt ist das Capitel der Mittelmeer-Jnterefscn sehr unklar und sehr deutungssähig. Worin besteben die Mittelmeer- Jntcressen, die Italien Frankreich gegenüber zu wahren hat? Tripolis ist das einzige Küstenland, was nock zu vergeben ist, da Italien unter den Mitbewerbern um den Besitz von Marokko nickt in Betrackt kommt, und ob England in dem Augenblick, wo die tripolitanische Frage zur Losung ge langt, es in seinem Interesse erachten wird, Italien dort als Besitznachfolger freie Hand zu lassen, ist beule nicht sestzustellen. Wie die Sachen gegenwärtig liegen, baden England und Frank- rcick nabezu ausschließlich Verfügung über dic Machtverbaltnisse im Mittelmerr zu treffen, Italien ist aus den guten Willen Englands angewieien, und dieses macht seine Entscheidung erfahrungsgemäß nur von seinem Interesse abbängia. E» ist bektageoSwrrth, daß e« s, ist, aber es ist in absehbarer Heit keine Aussicht, daß darin eine Aenderung eintreten könnte. Eine» gewisse» Schutz für allzu scharfe Geltend machung des Jiilertlse-StandpuncieS gewährt der Dreibund, aber dieser Schutz ist »icbr moralischer Natur als tbatsäch- lick. Tic Mittelmeer-Polilik ist ein dunkles Blatt in der Geschickte der Gegenwart; die englische Regierung bat im Parlament bei jeder Gelegenheit in Abrede gestellt, daß in dieser Beziehung Verträge bestehe», niid wenn sie trotzdem bestehen sollten, so bleibt ibrc Ansführung immer der Zu- sliuunnng des Parlaments Vorbehalten. * politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Juli. Der Eindruck, den die „Bismarck-Tragödie" auf die Deutschen im Aus lande macht, geht aus einer Fülle von Meldungen hervor, die aus allen Wcllgegcnden eintressen. Tie meisten bekunden eine tiefgebende Erregung, die sich in ganz ähnlicher Weise Luft macht, wie in einem am 30. Juni geschriebenen Artikel der „New Aorkcr Staatszeitung". Der Verfasser batte an diesem Tage natürlich noch keine Äbnung von den Veröffentlichungen LeS „Reichs Anzeigers"; trotzdem schrieb er: „Ein tiestraurigeS Schauspiel vollzieht sich in der alten Hciinath. Es bewegt das Herz eines jeden guten Dentschc» auf da» Schmerz lichste. Ten Man», welcher mit übermeiijchlicher Energie und «rast die kühnsten Träume der deutsche» Patrioten früherer Generationen verwirkiichie, osficiös als Landcsverräther gebraiid- markt zu sehen, ist wahrlich kein Ting, dessen irgend ein Deutscher froh werden könnte. Daß es gerade zu einer Zeit geschieht, in welcher die großartigsten Kundgebungen des Bolkogeistcs eine ticf- empsundene Dankbarkeit für unvergängtiches Verdienst bezeugten, verleiht der ganzen, an sich höchst bcdauernswerlhen Erscheinung einen um so kläglicheren, niedrigeren Charakter. Es ficht Ihatsächlich wie eine jener erbärmlichen Alltagscrsahrungcn aus. in welchen der Erfolg eines Einzelnen sofort alle kleine», niederen Geister zu hämisch-neidischer Begeisterung anreizt. — Was hat denn eigentlich Bismarck gelhan, um eine solche Behandlung zu verdiene»? Wie oft müßte schon ein Gladstone, ein Crispi oder ein Ferry des Landesverraths sür schuldig erkannt worden fein, wenn jede Kritik, die sie an der Politik ihrer Nachfolger und Gegner übten, wirklich Landcsverrath wäre? Warum sollte gerade einem Bismarck nicht gestattet sein, waS jeder andere Deutsche in privater Stellung, was icder einzelne deutsche Journalist ohne Weiteres thun daN, nämlich freimülhig seine Ansicht über di« Politik der Regierung auszusprechen? Oder sind vielleicht deshalb, weil Bismarck berufener ist, als der Durchichnittsmensch, ein politisches Urtbeil abzugeben, die Regierungskreise so wüthend geworden? Wo ist dann überhaupt die Grenze zu ziehen zwischen jener Intelligenz, die ein erlaubtes Unheil zuläßt, und jener, die dasselbe Unheil zum Landesverrath stempelt? — Wenn Bismarck genau dasselbe, was er den Interviewern der „N. Fr. Presse", der Münch. „Allgemein. Ztg" und des neuen Kölner Blattes gesagt, einer Rede im deutschen Reichstag eingefügt hätte, dann hätte» die Lsficiösen zwar niehr oder minder heftig opponircn, doch aber uninüglich die Besugniß des Redners zur Meinungsäußerung bestreite» können. Ist es in Deutschland wirklich schon jo weit gekommen, daß selbst ein Bismarck sich hinter der Abgeordneten-Jmmunität verstecken muß, sobald er die Regierung kritisiren will? So lange er sich aus anonyme oder injpirirte Polemik in den Zeitungen beschränkte, hieß es immer, um wie viel anständiger eS wäre, wenn er frei und frank mit seiner Person sür seine Meinungen eintreten würde. UnL nun, wo er dies und nichts Anderes thut, jetzt ist es auf einmal Landesverrath! Zum Ueberfluß wird doch Niemand bestreiten wollen, daß der grimme Alle ebenso ungcrechtserligl wie übermäßig gereizt wurde. Er hat gegründete Uriachen, die ichwere» Beleidigungen, denen er i» Wien von Hof und Aristokratie ausgcsetzt ward, einem von Berlin a»s- aegangencn Drucke zuzulchreiben. Hat etwa Jemand in dieser Welt Bismaick für so gutmülhig »nd schwach angesehen, daß er auf einen erhaltenen Backe»streich mit dem ergebenen Hinhalten der anderen Backe antworten würde? Besonder« macken wir auf folgende Ausführung de? New Aorkcr Blattes ausuierksam, da sie sich vollständig mit dem deckt, was wir selbst in diesen Tage» auSgcführt und als unsere Richtschnur in der Behandlung der BiSuiarcksrage bezeichnet baden: „Ter „Staats-Zeitung" kann wahrlich das Zeugnis; nicht ver sagt werde», daß sie nicht an all' den zahlreichen Sünden Bismarck s gegen die freiheitliche Entwickelung redlich Kritik geübt hätte. Wir haben auch nie verfehlt hervorzuhebc», daß Bismarck i» all' dem Bittern und Schwere», das er seit seiner Entlassung erfahre», nur ernte, was er selbst gesäet. Es sind thatsächlich seine eigenen Receptc, die gegen ihn angewendct werden, und nirgends tritt dies mit schärferer Ironie hervor, als in dem gegenwärtigen Ans- treten seines Pindter. Trotzdem verwerfen wir ganz ent schieden die Haltung jener freisinnigen Blätter, die nur aus diesem Grunde, wir möchten sagen, lediglich von dem unrilter- lichen Gefühl der Schadenfreude geleitet, bei der gegenwär tigen Regierung genau dasselbe billigen, was sie mit Recht bei Bismarck nicht scharf genug zu tadeln hatten. W'n» es ein Unrecht gewesen, was der eiserne Kanzler an seinen politischen Gegnern begangen, so wird eS darum nicht weniger Unrecht, wenn dem geitürzten Kanzler von seinen politischen Gegnern mit gleicher Münze beimgezahlt wird. Darin liegt aber noch lange nicht dos zuletzt und endgültig Ent scheidende. Man mag über den Fürsten Bismarck und seine innere Politik welcher Ansicht immer huldigen, so ist und bleibt es unbe streitbar, daß er, wie seinerzeit Monte, selbst nach seinem Rücktritte vom Amte ein nicht zu unterschätzender Machtsactor sür das deutsche Reich dem ganzen Buslande gegenüber geblieben ist. Wer dazu beiträgt, diese Saute des deutschen -ln- sehen» zu zerschmettern, schädigt dessen stolzen, mit so ungeheuren Opsern errichtete»Bau. Aus diesem Grunde war die Einwirkung aus fremde Höfe zur Acchtung Bismarck'- ein schwerer, schwerer Fehler; die gegenwärtige von oben ongesachte Bisinarck- Hetze aber ist ein schwererer Fehler. Im Auslände schädigt er nur Las Ansehen Deutschlands, im Inner» aber erreicht er weit eher den entgegengesetzten als den gewünschten Zweck." Da die preußischen Conservativen mit ibrer Pro gram mreform nicht vorwärts kommen, ja nickt einmal die Notbwendigkeit einer solchen den sämmtlichen GcsinnungS- verwandten im Reiche plausibel macken können, so bat taS Organ des conservativen Landesvereins im Königreich Sachsen eS unternommen, die Grundriffe für ein neues Programm der conservativen Partei zu entwerfen. Doch kommt auch dieser Versuch nicht über AUgemeinbeiten hinaus. Starke- Königtb»»,, Verfassungstreue, RcichSrinbeit, Währung der Rechte der Einzeistaaten, Erhaltung der äußeren Macht stellung, maßvolle Eolonialpolitik, ruhige und organische Ent Wickelung, jedoch uur auf dem Boden de« geschichtlich Grwordenru — das sind die politischen Forderungen. Unter den wirth- schaftlichen Forderungen tritt unS zuerst entgegen: ständische Gliederung des Volkes und zwar „als Vorbedingung für eine Acuderiiiig des Wahlrechts und der Zusammensetzung der Volksvertretung". Die anderen Forderungen — Schutz der ehrlichen Arbeit gegen Schwindel und der wirthschastlich Schwachen gegen kapitalistische Ausbeutung, Erhaltung und Kräftigung des Mittelstandes, Schranken gegen „die Aus nutzung der menschlichen Arbeitskraft durch das Capital" rc. — sind weder neu, noch in diese,» Entwurf glücklicher in der Fassung, als früher. In der Einleitung und dann besonders noch in einem letzten Abschnitt wird der deutsch-nationale christliche Staat und die „wahre sittliche Erneuerung durch das lebendige Ebristciilhuin" gefordert und zwar durch die konfessionelle Volkse,zicbung, „da da« Christenlhum in der Form von Con- scssioiien sich geschichtlich anSgcstaltel hat". Wenn DaS, was der coiiservatirc Parteitag ini Herbst zu Stande bringen soll, über diese Allgemeinheiten nicht hinauökommt, wird sich die Veranstaltung desselben schwerlich lohnen, denn nicht die Gruntzügc der conservativen Stellung zu Staat, Kirche und Gesellschaft sind es, über die bei Freund und Feind ein Zweifel obwaltet, sondern die Anwenduiig dieser Grundzüge aus sehr aeluellc Zcilfragcn und Zeitströmungen und anderer seits die Taktik der Partei ist eS, worüber die Gegner so unklar sind wie die Parteiangehörigen selbst. Allenfalls mag bei de» obigen Forderungen inlereisiren, ob die Gesammt- parici wirklich die bürgerliche Gesellschaft wieder in die ständischen Gegensätze zurückbildcn und das allgemeine Wahl recht preiSgebcn will, namentlich wie sie in diesem Falle die Organisation und das Wahlrecht de- vierten Standes zu gestalten gedenkt. Die öffentliche Meinung in Frankreich beginnt sich wieder einmal ernstlich über den stetigen Rückgang der GcdurtSzisfern zu ben»r»bigen. Während der Ueberschuß der Geburten über die Todesfälle auf daS Jahr und Tausend in England l3, in Deutschland l2, in Italien 8 und in Oesterreich 7 beträgt, stellt sich in Frankreich der Ueberschuß der Todesfälle über die Geburten auf 2 pro Tausend, was aus das Jahr einen Bevölkerungs-Rückgang von 40,000, da« ist 5 Procent der gesammten Geburtsziffer, bedeutet. Während sich jetzt die Einwobnerzablcn der sechs Groß mächte folgendermaßen stellen: Rußland 110 Millionen, Dentschland 50 Millionen, Oesterreich-Ungarn 42 Millionen, Frankreich 38 Millionen, England 38 Millionen und Italien 3 l Millionen, berechnen schwarzseherische französische Statistiker, daß um die Mitte des nächsten Jahrhundert- Deutschland lOO Millionen, Oesterreich 80 Millionen, England 90 Mill. und Italien 50 Millionen zählen wird, denen Frankreich nur eine Einwohnerzahl von 40 bis 45 Millionen wird rntgegen- stellen können. Wenn auch diese Zahlen mit Hinblick aus die sclbsttbätigc Regnlirung, die in der stabil bleibenden Bodciislächc für die allzu groß werdende DichtigkcitSziffer der Bevöllcrung gegeben ist, übertrieben erscheinen, so muß man doch Frankreich darin recht geben, daß eS allen Grund hat, über seine Zukunst besorgt zu sein. Demnächst wird die Dr- pu>irlciika»ii»er sich mit einem Anträge de» Abgeordneten Le Roy befassen müssen, der aus dem Wege der Gesetzgebung Ab- bilsc schassen will. Als Hauptpuncte enthält dieser Antrag die Einführung der „recberelio ckv la Mei-nitS", Herabsetzung der Altersgrenze für die Eheschließung ohne Einwilligung der Eltern von 25 aus 2t Jahre, strenge Bestrafung de- Ehebruchs und Steuererleichterungen für die kinderreichen Familien, während der Ausfall in den Staatseinnahmen den Ledigen zur Last fällt. Gleichzeitig sollen die Soldaten bei guter Führung nach Ablauf de« ersten JahreS beurlaubt werden unter An drohung im Alter von 25 Jahren wieder zur Ableistung des Restes ihrer activen Dienstjahre cingezogcn zu werden, falls sie es nicht vorgczogen haben, biS zu diesem Zeitpunrt Familienvater zu werden (siel). Der Le Roy'sche Antrag wird wohl ohne Gnade und Barmherzigkeit unter den Tisch des Hanseö fallen, da er so ziemlich in allen Punkten nnauSführbar ist, aber immerhin gebührt seinem Urheber da« Verdienst, die allgemeine Aufmerksamkeit abermals auf eine der wichligstcn Fragen hingelenkt zu haben. Die Ursachen für den Bevölkerungsrückgang in Frankreich sind verschiedenartigster Natur. Neben der allgemeinen unleugbaren Erschlaffung der französischen Rasse ist in ihm das natürliche Ergebniß des Malthusianismus, der künstlichen Beschränkung jder Kinderzahl, zu sehen, die von der städtischen Bevölkerung theils aus Bequem lichkeit und Hang zum Wohlleben, theil« au« Zwang, wie bei den circa 80 000 Pariser Portier-Haushaltungen, bei der woblbabenten ländlichen Bevölkerung dagegen wegen des ge setzlich vorgeschriebenen ErbschaststbeilungSzwangeS geübt wird. AnS den dein Pauperismus in Folge dieser Gütertheilung verfallenen ländlichen Distrikten recrntirt sich aber in erster Linie der Andrang zu den großen Städten, der bekannter maßen daselbst wieder schneller degenerirt. DaS Zweikinder- syslem ist heute in Frankreich längst durch daS Einkindersystem ersetzt worden. Hand in Hand mit diesen Erscheinungen geht gleichzeitig aber ein constanteS Sinken der Anzahl der Hoch zeiten und Zunehme» der kinderlosen Eben, die gegenwärtig schon den vierten Tbril aller Haushaltungen auSmaißm Dabei schenkt man den Fortschritten der Hygieine noch nicht die erforderliche Beachtung, in Folge dessen die Kindersterb lichkeit eine unverhLltnißmäßig hohe geblieben ist. Da» sind alles für Frankreich recht betrübende Tbatsachen, dir aber Denen Recht geben, die ein constante« Zurückweichen der fran zösischen Rasse vor der germanischen nach Westen für die Zu kunft Voraussagen. Es scheint, als ob Italien an- Conflieten nicht berauskommen sollte, die dadurch entstehe», daß seine etwa- heißblütigen Söbne nach den verschiedenen Ländern Amerika« in großer Anzahl auSwandern und in Folge ibreS Charakters und ihrer Gewohnheiten mit der dortigen einheimischen Bevölkerung in Zwiespalt aeratbrn. Noch steht ganz frisch in Aller Äedächtniß die Niedermetzelung der Italiener zu New-Orleans, und schon kommt eine neue Nachricht von einem blutigen Zusammenstoß zwischen Italienern und Amerikanern. Diesmal bandelt »»sich nicht um Nordamerika, sondern um di« Republik Brasilien. Der Zusam«»nftoß bat btkLnatllck» i» Laut»« 1l>
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