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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920720011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892072001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892072001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-20
- Monat1892-07
- Jahr1892
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Tabellarischer und Ziffernsatz »ach höherem Tarif. Extra-veilagrn (gefalzt), nur mit bkr Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Amiahmeschluß sur Znserate: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» «Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Aaserat« sind stet- an dl« ExtzelttttB» zu Achten. Druck »nd Verlag von E. Polz in Leipzig- 387. Mittwoch» den 20. Juli 1892. 86. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Das Agathe Vcrgrr'sche Stipendium für „einen armen Studenten zur Erlangung der Magislerwiirde" ist vom Jahre 1888 ab bis mit Michaelis ds. Js. im Gesammlbelrage von 130 66 zu vergeben. Bewerber um dieses Stipendium werden aufgesordert, ihre Ge suche nebst den erforderlichen Bescheinigungen bis zum 1b. September dieses Jahres bei uns einzureichen. Leipzig, den 15. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. ' ' in. Mac gehörigen Grund- >, bez. halbjährliche vr. Tröndlir öagncr. Bekanntmachung. Von Michaelis dr. I. ab ist da« Riedrl van LSwrnftern'sche Stipendium im Betrage von jährlich 81 05 aus 2 Jahre an einen aus BreSIau oder sonst aus Schlesien gebürtigen Studirenden zu vergeben. Wir fordern diejenigen Herren Studirenden, welche sich in vor gedachter Eigenschaft um dieses Stipendium bewerben wollen, aut, ihre Gesuche schriftlich unter Beifügung der erforderlichen Zeugnisse dis zum 30. September d. I. bei uns einzureichen, und bemerken, daß später eingehende Gesuche unberücksichtigt bleiben müssen. Leipzig, den Ib. Juli 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Tründlin. Wagner. Bekanntmachung. Ein von Adam Müller (oder Möller), Bürger zu Leipzig, 152« gestiftetes Stipendium von «0 97 ^ jährlich ist an hiesige Studirende, und zwar zunächst an Verwandte deS Stifter-, in deren Ermangelung an Merseburger Stadtkinder, und wenn deren keine die hiesige Universität besuchen, beliebig auf 2 Jahre von und mit Michaelis d. I. ab zu vergeben. Wir fordern diejenigen Herren Studirenden, welche sich in einer der angegebenen Eigenschaften um diese- Stipendium bewerben wollen, hierdurch aus, ihre Gesuche mit den erforderlichen Bescheini- gungen bis zum 30. September d. I. schriftlich bei uns einzureichen Später eingehende Bewerbungen können Berücksichtigung nicht finden. Leipzig, am 1b. Juli 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. vp. Tründlin. Wagner. Bekanntmachung. Da» von Nicola»» Schlautitz, Bürger zu Leipzig, im Jahre 1512 gestiftete Stipendium von jährlich 39 -äl 63 ^ ist von Michaelis d. I. ab an einen Studirende» aus dem Geschlecht« der Schlautitz, in deren Ermangelung an hiesige BürgerSsöhne von uns aus zwei Jahre zu vergeben. Diejenigen Herren Studirenden, welche sich um dieses Stipew dium bewerben wollen, veranlassen wir, ihre Gesuche nebst den er- forderlichen Bescheinigungen bis zum 30. September d. I. schriftlich bei uns einzureichen. Spätere Gesuche können Berücksichtigung nicht finden. Leipzig, den IS. Juli 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Tründlin. Wagner. Bekanntmachung. Die Maler- und Anstreicher-Arbeiten am Neubau des Zwangsarbeitshauses hier sind vergeben. Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden deshalb ihrer Angebote hiermit entlassen. Leipzig, am 15. Juli 1892. I» 2973. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Tründlin. In Gemäßheit des 8. 1 der Vorschriften für die Ausführung von Anlagen zur Benutzung der städt. Wasserwerke vom 6. Februar 1888 machen wir hierdurch bekannt, das; der Klempner Herr Varl Müller, Nlexandcrstraße 1 zur Uebernahme solcher Arbeiten bei uns sich angemeldet und den Sesitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nachgewiesen hat. Leipzig, den 18. Juli 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. ! X. «7««. vr. Tründlin. Wolfram. Bermietliungen. In den nachgenannten, der Stadtgemeinde stücken sind folgende Miethräume gegen viertel Kündigung zu vermietden: 1> Markt Rr. 1 — Rathhaus — ». das Bühnen-Gewolbe Nr. 10 am Markte, d. - - - - 25 - Naschmarkte, o. » « » » 30 an der Ecke vom Naschmarkte und Salzgäßchen. S) Raschmarkt Rr. 4 - Alte Börse - das Gewölbe Nr. 3. L) Lalzgätzche» Rr. 2 a. eine Hofniederlage. b. die neu vorgerichtete 1. Etage. 4) Nrichsstraftc Rr. 4 — Selltcr'S Hof — a. ein Hausstand, d. eine geräumige Wohnung in der 3. Etage, o. eine große Hofwohnung in der 1. Etage. 5) Reichsstrasze Nr. 7 ein Berkausssland. 6) - - st die 1. Etage. 7) NuiversitätSstrasse Rr. 18 — Silberner Bär — eine Hofwohnung in der 2. Etage. 8) Windmühlrnstratzk Rr. 7 a. das 1. nach der Brüdcrstraße zu gelegene Gewölbe, b. eine neu vorgerichtete Wohnung in der 1. Etage, o. eine dergl. in der 2. Etage. S) Airchstratze Rr. 42 — ehemaliges Rathhaus — in L.-BolkmarSdors die 2 Etage. IS) Marschallstratze Rr. 3 — Feuermchrdepot — tu L -Reudnitz eine Hofwohnung in der «. Etage. 11) kurze Stratze Rr. 12 — ehemaliges Rathhaus — in L.-Plagmiy eine große Wohnung in der 3. Etage. 12) vemctndcamtSstratzc Rr. 6 in L.-Ltndenau a. Niederlagsräume im Parterre links, b. eine Wohnung im Parterre rechts. 13) Sirchplatz Rr. 1 — ehemaliges ÄrmetndeamtS- grundstück — in L.-Gohli» «ine kleine Wohnung im Dachgeschoß. 14) Wurzener Stratze Rr. 35 in L.-Rcusellerhausen eine kleine Wohnung. Die Miethräume unter Nr. 1», 2, «o, 5, 6, 8o, 12b, 13 »nd 1« sind vom 1. October dieses Jahres ab und alle übrigen sofort zu vermiethen. Miethgesuche werden auf dem Nathhause, 1. Etage, Zimmer Nr. 8, e: den 6. Juli 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Tründlin.Kruinbicgel. Weil weder Rache noch Beraeltnng DaS auSbrücken, waS es besagt. Dem Franzosen fehlt bekanntlich eine Eigenschaft, die wir Dcnlscbc in koliem Maße besitzen: der Kosmopoli- tisnnis, gänzlich, der Franzose saßt Alle« subjektiv aus, für ihn ist Paris das Herz der Welt, uud jeder Versuch, die Uebericgenbcit der französischen Ration über alle andern Nationen in Zweifel Z» ziehen, wird von ibin als lächerliche Anmaßung zurückgewicscn Daker haben die Franzosen auch eine durchaus andere GeschichtSaussassnng als wir, sie bc gehen nicniais ein Unrecht, wenn sic gegen andere Völker die schreiendsten Gcwaltthaten verüben, sondern sie machen damit nur das angeborene Recht geltend, das sic über alle Völker der Erde cmporhebt. Die Franzosen haben den Beruf, an der Spitze der Eivilisation voranzuschrciten, und wer sie daran hindert, das heißt sich nicht jeder Willkür der französischen Herrschsucht schweigend unterwirft, ist im Unrecht. Floguet bat ganz recht: eS giebt allerdings in der (beschichte eine Revanche, die Tbate» der Völker finden ihren Lohn, daS lehrt der Tbeil der Geschickte, der abgeschlossen hinter uns liegt. Aber die hergebrachte GeschichtS-Emtbeilung in Alterthum, Mittelalter, neuere und neueste Zeit ist eine willkürliche Schul-Eiuthcilung, die sich ans Zweckmäßigkeits- Rücksichten empfehlen niag, aber den Thatsacbcn nicht ent- pricht. Die Reformation und die Entdeckung Amerikas sine gewiß weltbewegende Ereignisse, aber ihre Bedeutung hat nicht hingereicht, um die Annahme zu begründen, daß von Pneu eine neue Zeit anhcbe, denn daS wichtigste Institut entgegcngenommen. Leipzig, 1077. Lindner. Bekanntmachung. Unter Bezugnahme auf die Bekanntmachungen vom 27. April 1883 und 3. April 1884 wird zur Erleichterung des Geschäftsganges bei der Armencasse und zur Ermöglichung einer formellen und sach lichen Prüfung der eingehenden Rechnungen, soweit mit besonderen Lieferanten von hier aus nicht anderweite Einrichtungen getroffen worden sind, bekannt gegeben, daß alle für das Armenamt, die Armenhäuser Alt-Leipzig, Leipzig-Eutritzsch, Leipzig-Connewitz, eipzig-Bolkmarsdors, das Georgcnhaus, das Leipzig-Lindenau und Lei: Exmittirtenhaus, Las Waisenhaus, die Armenbrodbäckerei und Be- kleidungsanstalt bestimmten Rechnungen, die Freitags in der zur Einführung gelangte» vasscnzeit von Bormittaqs 8 bis Mittags 12 Ubr nnv RachnuttagS 2'/, bis 4 Uhr von Leiten der Armenkasse, Stadthaus, 1. (»tage, beglichen werden sollen, bis spätestens am vorhergehenden Mittwoch Rachm. 5 Uhr eingereicht sein müssen. Später einlaufende Rechnungen werden für die darauffolgende Woche, bez. bis zum daraustolgeudea Zahlungstag zurückgelegt werden. Leipzig, den 1b. Juli 1892. TaS Armen» mt. Ludwig-Wolf. Schicker. Bekanntmachung, die Lieferung von Kalk »nd vrmcnt zu dem Easernen- Reuba» in Varna betreffend. Die Lieferung des zum Lajernenbau in Borna erforderlichen Kalkes und Cemenres, nämlich ea. LOS l,l Wettzkalk. ea. 4VS» KI Graulalk, und 2SS Tonnen „Stettiner Sterneemrnt" soll vergeben werden. Bon dem Kalke sind zu dem Mannichaitsgebäude alsbald na bestimmenden Zeitabschnitten ca. 34S KI Krttzkalk und ca. 2300 KI Grankalk anzuliekern, während über die Zeit für die Lieferung des Reste- später Bestimmung getroffen werden wird Der Kalk und Cement sind von dem Liefernden auf den Bau- Platz auf seine Kosten anzufahren und abzuladen. Die Angebote sind verschlossen und mit entsprechender Aufschrift versehen bi« 28. Jnli 18S2, Abends « Uhr. an den Unterzeichneten Stodtrath einzuienden. Die Auswahl unter dev Bewerbern und etwaig« Ablehnung aller Gebote bleibt Vorbehalten. Die allgemeinen und besonderen Bedingungen können ebendaselst, oder bei den Herren Schmidt L Zahlt»». Leipzig, Westswaß, 10, eingesehen werden Vor««, am IS. galt 18SS. Der Sradtrath Lsscher. Gefunden oder als herrenlos angemeldet rejp. abgegeben wurden in der Zeit vom 1. bis 15. Juli 1892 folgende, zum Theil auch schon früher gefundene oder von verübte» Diebstählen herrührende Gegenstände: 2 bonponS über 3 bezw. L.< PortrmonnairS ohne und Mlt Inhalt von 14 25 -H. 1 l 32 H, 4 ^!ll 70 ^ und 4 52 -H, sowie mit geringeren Beträgen, ei» goldener Klemmer mit Kette, ein Hornklemmer, zwei Brillen, ein Petschaft (Ouittungsstempel), eine silberne vhlinvernbr mit Kette, ein silberner Pokal, ei» silberner Becher, eine goldene Brosche, eine Korallcnkrtte, einige Ringe, darunter ein gravirter Trauring, zwei Armbänder, ein katholisches Gebetbuch, einige Leihhausschcine, ein Paar Damcnhandschuhe, eine Mustcrkarte, ein schwarzer Cyli»Ler> dut, ein Filzhut und ein Spazierstock, ein Frack, ein Paar Stiesel und ein Schirm, ein Beutel mit Badesachen, ein grün, und schwarzgcwürfeltes Reiscplaid, eine braun- wollene Reisrdecke, mehrere Schirme, eine Anzahl Schlüssel, darunter ein solcher mit Schraube rc., ein Tischtuch mit einer Quantität Zuckerwaaren, ein Schirmständer, cm »littclaroßcr Reisckorb. eine große eiserne Zange, drei Hobel, eine Peitsche und ein Pelroleumsaß. Zur Ermittelung der Eigcnthümer wird dies hierdurch bekannt gemacht. Gleichzeitig fordern wir auch Diejenigen, welche in den Monaten April, Mai und Juni 1891 Fundgcgenstände bei uns abgegeben habe», aus, diese Gegenstände zurückzutordcru, andernsalls hierüber den Rechten gemäß verfügt werden wird. Leipzig, den 16. Juli 1892. Tas Polizriamt der Stadt Leipzig. Bretschneider. Ml. Ein Ausspruch ^loquet's. Floquet hat am Sonnlag zur Feier des hundertsten JahrcSlagcS der Vereinigung SavoyenS mit Frankreich eine Rete gehalten, in welcher der Ausspruch enthalte» war: „Die Erfahrung beweist, daß die Geschichte eine Revanche kennt, man muß sie jedoch abzu warten, vorzubereiten und zu verdienen wissen." Wovm diese Worte zielen, ist klar, sie können sich nur ans Deuisch land beziehen, denn Frankreich ist seit 2l Jahren damit be schästigt, die Revanche für die Niederlagen der Jahre 1870 und l87l vorzubereiten. Schiller sagt in seinem Gedicht .Resignation": „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht", der selbe Gedanke in anderer Form auSgedrückt, aber zugleich zeeignet, den Unterschied der französischen von der deutschen I geeignet, den Unterschied der französisch zunächst zur Erbauung gelangenden I Auslassung in das rechte Licht zu setzen, ch der Vergebung in den noch zu l Wir übersetzen Revanche gewöhnliü gewöhnlich mit Rache; da- ist aber nicht richtig, denn Rache drückt der Franzose durch daS Wort vcngeavee aus, während revaucds etwa dem deutschen Vergeltung entspricht. Wenn die Franzosen also den Revanche Feldzug beginnen, so wollen sic nickt ein Werk der Racke, sondern der Vergeltung vollbringen für ein ihnen angeblich widerfahrenes Unrecht. Die französischen und deutschen An drücke decken sich aber nicht vollständig, die Worte reiancko und vengeance sind nicht so scharf geschieden wie Racke und Vergeltung, und dementsprechend nimmt auch der Deutsche daS Werk der Vergeltung nicht persönlich in die Hand, sondern überläßt die Ausgleichung geschehenen Unrecht« einer köderen Macht, der „Nemesis", wie er sie mit einem griechischen Wort zu bezeichnen pflegt. Die» vorausgeschickt, glauben wir richtig zu verfahren wenn wir da» französische Wort Revanche unüderseyt taffen. Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 19. Juli. Die Verhältnisse der letzten Zeit haben gezeigt, daß unter der polnischen Arbeiterbevölkerung die Socialdemokratie immer mehr Anhang findet; und zwar dürsten die polnischen Sorialisten sich in ihrer über wiegenden Mehrzahl zu den Unabhängigen in der Partei zählen. Als Stützpunctc für die polnisch-socialistische Be wegung außerhalb der Provinz Posen dürste Berlin und vielleicht a»ch Hamburg-Altona anznsehen sein. Ter Vertrieb von polnischen socialistischen Zeitungen hat sich stetig ge hoben; die Frage, wie der socialistischen Strömung unter den Polen ent-zegenrutreten sei, bat schon seit längerer Zeit die Geistlichkeit sehr eingehend beschäftigt, neuerdings hat der Erzbischof von Stablcwski in einem Erlaß die Gründung von Geselle»vereinen empfohlen, weil die Gesellen aus verschiedenen Grünten am leichtesten den verderblichen Ein flüsterungen ein geneigtes Ohr leihen. „Dieser Gesellen-Jugend muß mehr Interesse gewidmet werden, als es bisher ge schehen ist. Es ist mein innger Wunsch, daß man nach einheitlichen Grundsätzen spccielle Gcsellenvereine anlege und zwar in der Weise, daß die Gesellen ungehindert zum Vor- des Mittelalters, daS Papstlbnin, besteht noch heute fort, und wir werden an jedem Tage aufs Neue daran erinnert, daß diese Einrichtung noch sehr lebensfähig ist. DaS führt uns aus die Geschichte Frankreichs. Floguet bat Wohl kaum gedacht, daß man seinem Ausspruch von der Revanche auch eine rückwirkende Bedeutung beilegen könnte, sonst würde er vielleicht seine AuSdrucksweise etwas vorsichtiger eingerichtet haben. Was trägt die Hauvt- ichulv an all den Schicksalen, die Frankreich seit Jayr- bunvcrten durckgemacht hat? Offenbar die Aufrcchthaltung der Verbindung mit dem Papstthum; die Pariser Bartholomäus nacht vom Jahre 1572 ist der AuSganaSpiinct für alle nach- iolgcndcn Phasen der Entwickelung. Sie hat die königliche Macht befestigt, aber zugleich ihren Mißbrauch verschuldet. Die Negierungen Ludwig'S XIV. und Ludwig'- XV. waren die Revanche der Pariser Bluthochzeit und die Revolution von 1789 war die Revanche de« königlichen UebermulheS. Dann kam eine Periode, die daS Urtheil der Franzosen vollständig getrübt hat: die Militairdespolie Napolcon's die sie zu dem Glauben geführt hat, daßcS nur der Abschüttelung deö Koniglhums be durfte, um Frankreich für die Weltherrschaft fähig zu machen. Sie vergaßen aber dabei, daß die Menschenrechte, die im Jahre 1789 feierlich verkündet wurden, von Napoleon fast 20 Jahre lang niit Füßen getreten worden sind, und darum kann man diese Periode als die Revanche für die Hinrichtung Ludwig'S XVI. und der Schreckensherrschaft des Jahres 1793 aus fassen. An diese Revanche hat Floquet offenbar nicht gedacht, als er den denkwürdigen Ausspruch von der Revanche der Weltgeschichte im Palais auf dem MarSfeldc that. Die Feldzüge der Jabrc >8l3 bis 1815 waren die Revanche sür das beispiellose Elend, da» Napoleon I. Uber Deutsch land gebracht hat; sie schuf aber mit Hilfe deS Wiener Evngresscö ein Zerrbild, daö zugleich die Revanche bildet für die Feblcr, welche Deutschland Lurch die Aufrecht erhaltuiig der sUeinstaaterei besonders während der Regierung Ludwig'S XIV. begangen hatte. Napoleon I. konnte noch den Rheinbund stiften, aber im Jabre >870 wurde Napoleon III. in seineiz Hoffnungen, auf den Abfall SübdeutscklandS schmäh sich getäuscht. Der Feldzug dev Jahres 1870 war als Revanche gemeint für die Befreiungskriege und für Sadowa, wie sie die Pariser Boulevardbummler im Jahre 1866 verlangten. Der Verzicht auf Luxemburg, den Preußen im folgenden Jahre zugcstand, reichte nickt aus als Revanche sür die beiden ge nannten Ereignisse, und so kam eS denn im Jahre 1870 zu dem furchtbaren Kriege, welcher Frankreich zum Bewußtsein dessen brachte, waS ibm fehlt, um in Europa ferner den Ton anzu- Hebcu. Wenn Floguet die Wiedervereinigung SavoyenS mit Frankreich im Jahre 1859 schon als eine Revanche aufsaßt, so liegt cS ihm noch viel näher, an eine Revanche für 1870 und >871 zu denken, und diese war eS denn auch in der Tbat, die er mit seinem Ausspruch meinte. Tie Verbleichung zwischen Savoyen und Elsaß Lothringen liegt ebenfalls in seinem natürlichen Gedankcngang, er begebt aber dabei den histo rischen Fehler, daß er vergißt, wie Straßburg und das Elsaß vor 200 Jahren an Frankreich gekommen sind. Daß Deutsch land daS ihm geraubte Elsaß nach den Siegen des letzten Kriege- von Frankreich berauSvcrlangte, war die Revanche sür eine vor 200 Jahren an ibm verübte Gcwalitbat, die schon im Jabre 18l5 batte gesühnt werden müssen, wenn Deutschland damals einig gewesen wäre. Jetzt kommt Herr Floquet und faselt seinen Landsleuten etwas von geschichtlicher Revanche vor, als ob der Besitz des Elsaß in den Händen Frankreichs auf seinem guten Rechte beruht hätte. Tie ganze Komödie, die Frankreich wegen des Verlustes von Elsaß-Lothringen seit 2l Jahren vor der Welt auffübrt, ist ein elendes Possenspiel, daS in seiner Erbärmlichkeit noch lange nicht genug erkannt ist DaS Revanchegcschrei ist eine Ausgeburt deS Größenwahns, an dem Frankreich seit lOO Jahren leidet. Es ist etwa ans gleiche Stufe damit zu stellen, daß ein ge fangeiier Räuber aus Revanche dafür sinnt, daß man ihm seinen Raub abgenommen bat. Mit dem Urtheil der Weltgeschichte hat die Revanche, die Frankreich vorbereitet und deren günstigsten Zeitpunkt eS abwartct, gar nicklS zu thun. Revanche, gleichviel ob Vergeltung oder Rache damit gemeint ist, paßt absolut nickt als Ausdruck für die Empfindungen, die Frankreich nach seinen letzten Nieder lagen znkommen. Wenn Frankreich die Eigenschaft besäße, rubig erwägen zu können, nicht nach subjektiven Empsindungcn und Erregungen seines Temperaments, sondern sachgemäß »ack Lage der Verhältnisse zu urtheilen, so würde eS sagen müffen, daß Deutschland Da» wieder genommen hat, was ibm gehört. Wenn eine der beiden Mächte von Revanche zu reden berechtigt ist, so ist r« Deutschland, aber nicht Frankreich s,2,,d zugclasscn Werken, damit sie dadurch nicht zum'passiven Geborjam, sondern zur selbstständigen Arbeit und guter Führung angcleitet werden." * Berlin, 19. Juli. Während der „Reichs-Anzeiger" beharrlich auf alle Frage» schweigt, die an den Reichskanzler Grafen Eaprivi bezüglich seiner früheren Stellung zum Fürsten Bismarck, bezüglich des Zweckes der bekannten Ver öffentlichungen »nd bezüglich weiterer Depeschen nach Wien gerichtet werden, fahren die „Hamb. Nachr." in ihrer Beleuchtung jener Veröffentlichung fort. Auch heute wieder bringt das Blatt einen interessanten Artikel, der sich zunächst die gegen die Auffassung einiger Blätter wendet, daß hie Be- lheisiguna de« Prinzen Neuß an der Wiener Hochzeit zu alschcn «Schlüssen aus die Stellung der jetzigen Negierung hätte Anlaß geben müssen und deshalb untersagt worden sei. Gegen diese Auffassung bemerkt daS Blatt: „ES liegt in dieser ganzen Ausfassung eine IlnterschStzung erStellung des dentschenReichs und eine Ueberschätzung iner Privathochzeit, die vollständig harmlos und ohne Folgen verlaufen sein würde, wenn man sich amtlich gar nicht um sie bekümmert hätte. Von einer „Stellung deS deutschen Reichs zur Hochzeit", über die in Wien anfzuklären nothwendig gewesen wäre, konnie überhaupt gar keine Rede sein, und olglich auch nicht von falschen Schlüssen, die aus der- elben möglich gewesen wäre». In den gegentheiligen Preßäuhe- rungen gelangt die nämliche Ueberschätzung einer privaten Hochzeits- seierlichkeit zum Ausdruck, wir sie ainllich durch den Erlaß vom 9. Juni bctuiidet worden ist und im Auslände namenNich Ver wunderung erregt hat. Wir glauben nicht, daß aus der Betheiligung des Prinzen Reust an der Hochzeit politische Schlüsse zu ziehe» gewesen wäre», sondern wir sind der Ansicht, das, Lurch die amtliche Verhinderung tcr Bcllieiligung daS dcullche gleich der Hochzeit des Grasen Bismarck i» einer Forni gegenüber gestellt worben ist, die recht deutlich zeigt, wie Las persönliche Element und die persönliche Empfindlichkeit im neuen Curse vorwiegen." Ilm zu zeige», wie die Sache in Wien aufgefaßt wird, thcilen die „Hamb. Nachr." sodann folgenden Brief mit, der von dort aus geschrieben ist: „Ter Erlaß deS Grase» Caprivi vom 9. Juni hat hier allgemein und zumal in de» vornehmen Gesellschafts« kreisen peinlich berührt. Die kränkende Spitze der Caprivi'schen Auslassung richtet sich danach nicht blos gegen den Fürsten Bismarck, sondern auch gegen die Mitglieder der österreichisch-ungarischen Aristokratie. welche die Hochzeitsfeierlichkeitcn gaben und die Einladungen ergehen ließen. Fürst Bismarck und seine Familie waren bei der Hochzeit ebenso wie Prinz Reuß und der dem gräflich Hoyos'schcn Paare verschwägerte deutsche Bolschaslsralh nichts Anderes als Gäste des Grafen Palssy, der Gräfin Andrassy und des Grase» Hoyos. So war eS für die Gastgeber eine von ihnen mit Recht empfundene Kränkung, daß die ge nannte» Mitglieder der Botschaft die bereits dankend an genommene Einladung ohne Angabe tristiaer Gründe nach einigen Tagen wieder resüsirten. Der Botschafter hat LieS bei seinein seinen Taktgefühl so lebhaft empfunden, daß er darüber krank geworden ist, denn die Unhüslichkcit, die er zu begehen hatte, richtete sich gegen die einladenden österreichisch-ungarischen Herr- I ch a i t e n ". Man darf hiernach gespannt darauf sein, wie die Krank heit deS Prinzen Reuß sich weiter entwickelt. — Zum Schluß geht daS Hamburger Blatt aus den Zweck der Publikation der kanzlcrischcn Erlasse ein und führt mit schneidender Ironie LaS Folgende auS: „Wir vermöge» sür diese Publikation noch immer kein anderes Motiv als logisch zulässig zu entdecke», als die Herstellung ejncr Bürgschaft gegen Wiederkehr irgend welchen Einflusses LeS Alt- Reichskanzlers durch eine amtliche Publikation. Warum der erste Erlaß heule, nach zwei Jahren, veröffentlicht wurde, ist uns noch weniger erkennbar, wenn die Veröffentlichung nicht etwa unter dem Eindrücke erfolgt ist, daß der zweite, kleinere Erlaß nicht hinreichende Fülle und äußeren Umfang habe. Im ersten Erlaß von« Jahre 1890 tritt das erwähnte Mißverhältnis! zwischen Vorgängen des privaten Lebens und der Staatspolitik noch schärfer hervor als in dem zweiten Erlaß. Es handelt sich in ihm nicht um die Hochzeit, sondern nur um die Unzufriedenheit mit einer deutschen Zeitung, der unserigc»; diese Unzufrieden heit wird durch ein Circular des Reichskanzlers an alle kaiserlich deutschen und königlich preußischen Ver tretungen im Anslande zur Kenntniß aller ausländi schen Regierungen i» allen Welttheilen gebracht! Dieser Unzufriedenheit ist LadurcheineelhöhteWichtigkeit zu geben versucht,daß die betreffende» Artikel uniereS Blattes aus der Zeit vor dem 23. Mai 1890 als directe Kundgebungen des früheren Reichskanzlers den fremden Regierungen gegenüber bezeichnet wurden; denn dt« Inter views mit Lwow und des Hour waren die einzigen, die bis dahin stattgcfunden harten Dies« aber sind, selbst wenn man jede» einzige Wort daraus für aulhentisch annimin», so harmlos, so fried- liebend und so frei von jeder Kritik der gegenwärtigen Regierung, Laß sich die öffentlich« Meinung nach wiederholter Prüfung derselben von der Unmöglichkeit überzeugt hat, daß ihr Inhalt zu Anklagen d,S früheren Reichskanzler» bei den fremden Regierungen Anlaß aegeben haben iollle. Unser« Gegner haben inzwischen schon den Rückzug in dieser Beziehung angetreten und ballen sich allein an dir damal» erschienenen Artikel unsere» Blatte»; sie erzeigen also den „Hamburger Nachrichten" die Ehr«, daß nur wegen ihrer Publikationen ein Welt-Circular der Regierung de« deutschen Reiche« und Preußen» an all« ihre Vertreter bei den fremden Mächten erlassen wurde. Wir können daraus mit Genugthuung aus da« Gewicht schließen, da» unserem Blatt« und seinem Inhalte damit beigelegt worden ist."
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