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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920720023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892072002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892072002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-20
- Monat1892-07
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Ter Staat, so führt das rheinische Blatt aus, habe Vorsorge dafür zu treffen, daß den Massen das Bewußtsein nicht verloren gebe, das; die Rechtspflege Sacke des Gerichts und nicht Sache des PöbclS sei. Sehr richtig; wir erwarten auch unsererseits, daß die preußischen -Behörden in dieser Richtung ohne Schwäche Vorgehen; aber was wir nicht erwartet habe», ist solgcndc politische Er wägung, welche die „Köln. Ztg." an die Borgänge in Xanten knüpft: „Jedermann ist darüber im klaren, daß in unser»! Vaterlande manches anders sein würde, wenn die Anschauungen des Ostens in Berlin nicht einen ungebührlichen Einfluß besäßen, wenn insbesondere Männer am Steuer säßen, welche das Wesen des Ultramontanismus ans den tausend fachen Berührungen, die das Lebe» mit sich bringt, ersahrungsmäßig kennen. Tie glückselige Naivelät eines Grasen Zedlitz ist nur iin Osten möglich. Nun haben dicWemdinger Teuielsanstreibun g und die niedc rheinischen Vorgänge auch dem Blinden gezeigt, in welcher geistigen Atmosphäre ein grotzcr Theil der ultramontauen Bevölkerung athmet. Wir haben dagegen nicht gesehen, daß ultra- montane Blätter oder ultramontane Wortführer sich besonder-bemüht haben, diesen Theil der ultramontanen Bevölkerung aus seinem dumpfen und gebässigen Aberglauben heranszureißen. Wohl aber waren wir in der Lage, wahre Pflanzstätten des Aberglaubens etwas schärfer auss Korn zu nehmen. Glaubt man nun in Berlin alles Ernstes, daß der gebildete Kern der deutschen Nation cs nicht als eine Beleidigung empfindet, wenn man Len politischen Vertretern der gekennzeichneten Volks schichten einen beherrschenden Einfluß cinräumt? In diesem Falle würde man die Stärke des Gefühls der persönlichen Würde denn doch ganz bedeutend unterschätzen. Die Centrums- reactionaire überhäufen den „verehrten" Reichskanzler Grasen Caprivi mit den Beweisen ihres Vertrauens. Sollte Graf Caprivi Schritte unternehmen, welche ihn dieser Shmpathiekundgebungen würdig erscheinen lassen, so würden die Tage seiner Macht gezählt sein. Tenn wir alle wissen, daß cS nicht der Wille des Kaisers ist, sich durch seine Regierungspolilik in einen schroffen Gegensatz zu der intelligenten Mehrheit des deutschen Bürgerthums zu setzen." Wenn das Bismarck gesagt ober nur eines der mit ihm in Verbindung stehenden Blätter es gewagt hätte, so mit den „Männern am Steuer" zu reden, die den „Anschauungen des Ostens" einen „ungebührlichen Einfluß" gestalten! Wie bitter würde sich dieselbe „Kölnische Heilung" darüber beklagt und wie scharf eS gerügt haben, daß der grollende Altreichskanzler die Politik seines Nachfolgers in den Augen des Auslandes berabsetze! Freilich ist es von ganz anderem Effect, wenn Fürst Bismarck etwas sagt, als wenn die „Köln. Ztg." dies lhnt. Aber eben deshalb glaubt Fürst Bismarck das Wächter- und Warncramt nickt ruhig und bescheiden in die Hände deö rheinischen Blattes legen, sondern auch seinerseits seine Stimme gegen die klerikalen Neigungen seines Nachfolgers erbeben zu müssen. Und er ist denn doch wahrlich für Millionen noch eine ganz andere „Wacht am Rhein", als seine wandelbare Freundin, die „Köln. Ztg.". Was die neuesten Bundesgenossen der Antisemiten, die Ultramontauen, betrifft, so machen sie sich der unerhörtesten Jnconsequenz schuldig, wenn sie mit den Herren Böckel Zimmermann u. s. w. in dasselbe Horn stoßen und ihren Abscheu vor den Juden mit Lehrsätzen aus dem Talmud begründen. Oder werden sic cs auch gelten lassen, wenn man für jämmtliche Lehrsätze der Jesuiten, für deren Wiederzulassung im deutschen Reiche die umfassendste Agitation ins Werk gesetzt wird und deren zum Tbcil mit bischöflicher Approbation neu aufgelegte Bücher noch heute viel einflußreicher sind, als die Talmudistcn jemals waren, die katholische Kirche verant wörtlich macht oder gar sagt: nach diesen Grundsätzen handeln die Katholiken? Der katholische Staatsrechts lehre! Jordan findet in den moralischen Lehrbüchern der Jesuiten 5 Autoritäten für Blasphemie, 2 für Kirchen raub. 17 für verschiedene Arten der Unkcuschhcit, 29 für Fälschung und Meineid, 5 für Pslichtvergessenheit der Richter, 34 für Diebstahl und Hehlerei, 38 ür Mord, 2 für Selbstmord und 175 für Königs mord; der fromme Pascal, auch Katholik, nennt deshalb die Jesuiten „die Geißel des Menschengeschlechts"; aber welchem rcrnünfligen Protestanten fällt eS darum ein, seinen katho lischen Mitbürgern vorzuwerfen, daß sie die jesuitischen Grundsätze billigen oder gar nach ihnen leben:' Aber auch die protestantischen Theologen mögen vorsichtig mit ihrer Berufung aufs „Geschriebene" sein. Sehr leicht ist nachzuweisen, daß selbst unsere frömmsten Männer Manches gelehrt, in Schutz genommen und vcrlheitigt baden, was sich mit dem, was wir heule unter christlicher Moral verstehen, nicht verträgt... In der belgischen Kammer sind gestern die Geister ganz energisch auf einander geplatzt und die Sitzung nahm in Folge dessen einen überaus stürmischen Verlaus. Janson brachte den Antrag aus Einführung des allgemeinen Stimmrechts ein. Ministerpräsident Beernaert erklärte, die Constituante würde dem allgemeinen Stinimrecht niemals zustimmen. Fröre-Orban warf der Regierung vor, daß sie kein politisches Programm besitze und lediglich Zeit gewinnen wolle. Houzeau griff die Regierung in heftigster Weise an und erklärte, das gegenwärtige Wahl system bedeute eine schmähliche Corruption; die Regierung verdanke dieser Corruption die Mehrheit. Diese Rede rief einen großen Tumult auf den Bänken der Rechten hervor. Der Muiisterpräsident drobte, die Kammer aufzulöscn, falls die Linke nicht bei der Einsetzung eines Versassungsausfchusscs mitwirke. Diese Erklärung scheint nicht ohne Wirkung ge wesen zu sein, den» die Kammer beschloß die Ernennung eines Ausschusses von 20 Mitgliedern. Wie in Kürze bereits telegraphisch gemeldet, hat die unter der obersten Leitung des österreichisch-ungarischen gemeinsamen ReichSfinanzministcrs Herrn von Kallay stehende Verwaltung Bosniens und der Herzegowina in diesen ehemals türki schen Provinzen soeben wieder eine neue Reform cingcführt, deren weittragende cnlturellc und wirkbschaftliche Bedeutung unverkennbar ist und die ihren wohlthätigcn Eindruck auf die gesammtc Bevölkerung der occnpirtcn Provinzen gewiß nicht verfehle» wird. Die Reform betrifft die noch von der Türken zeit her bestehende Robot. Das hierauf bezügliche Gesetz ver pflichtet jeden arbeitsfähigen Mann, sechs Tage im Jabr un entgeltlich bei Straßenbautcn und sonstigen öffentlichen Arbeiten persönlich Robot zu leisten und außerdem noch sein gesammtes Arbeitsvieh ebenfalls durch sechs Tage unentgeltlich znm gleichen Zwecke den Behörden zur Verfügung zu stellen, wobei der Robotpflichtige für die Fütterung und Wartung des Arbeits viehes aus eigenen Mitteln zu sorgen bat. Diese letztere Verpflichtung wird nun gänzlich aufgehoben, die Nobot mit den Lastthicren fällt weg und es wird dafür keine wie immer geartete sonstige Ersatzleistung beansprucht. Die persönliche Arbeitsleistung aber kann durch Geld abzelöst werden, und zwar ist der hierfür festgesetzte Betrag niedriger, als der durchschnittliche Tagelobn. Diese Reform, die in de» occupirten Provinzen lebhafte Befriedigung erweckt, tritt mit dem I. Januar 1893 in Geltung. So wird von den letzten Ueber- resten ans der Türkenzeit ein Stück nach dem anderen systematisch ans der Welt geschafft. England ist gegenwärtig nicht aus Rosen gebettet Mitten in eine Zeit, wo durch de» Ausfall der Parlaments- Wahlen ein: RegicrungSkrisis hcraufbeschworen worden ist, laufen aus den verschiedensten Gegenden deS WeltthcilcS sehr bedenkliche Hiobsposlen ein, welche bekunden, daß der englische Einfluß augenblicklich im Sinken begriffen ist. Wir haben chon im Morgenblatt gemeldet, daß die Verhandlungen in Marokko zwischen dem Sultan und dem englischen Gesandten schließlich gescheitert sind und der Letztere die Be ziehungen zu der marokkanischen Regierung abgebrochen hat. Inzwischen sind aber auch schlimme Nachrichten aus Ost indien eingetroffen. Ein Telegramm des „Chronicle" aus Kalkutta von gestern besagt, nach Nachrichten aus Kabul stoße der Emir bei der Aushebung von Truppen zur Unter drückung des Aufstandes der Hazaras aus Schwierigkeiten, die Stämme weigerten sich, Truppen zu stellen, und zwar infolge von stattgebabten gewaltsamen Stcuercintreibungen und infolge von mit Rußland angeknüpften Zette lungen. Eine etwaige Niederlage der Truppen dcS EmirS mache eine allgemeine Erhebung wahrscheinlich. Der Vice- könig Lord LanSdownc habe von Abdurrbaman, auf seine Warnung, weitere Conflicte mit dem Khan Umra von Badjur zu vermeiden, die Antwort erbalten, er müsse die Annahme einer Tictatur der indischen Regierung ablehnen, denn seine Operation sei eine durchaus legitime, welche die Unter drückung eines Aufstandes innerhalb seines Gebietes und die Sicherung der Ruhe bezwecke. Er sei ein unabhängiger Fürst und könne alle Maßnahmen ergreifen, die ihm gut dünkten, er werde keinerlei Einmischung in seine Angelegen heiten dulden. In Montenegro, dem kleinen Lande auf der Balkan- Halbinsel, in welchem einzig und allein Rußland noch ein gewisser Einfluß verblieben ist, scheinen die wirtbschastlichcn, locialen und politischen Verhältnisse sich mehr und mehr auf eine Krisis zuzuspitzen. Als vor einigen Jahren eine starke Auswanderung auS Montenegro, besonders nach Serbien, begann, erklärte man sich diese Erscheinung vielfach auS russisch montenegrinischen Zettelungen gegen das Haus Obrenowilsch, osficiell wurde sie auf eine Hungersnoth zurückgesührt. Seit Jahresfrist aber nimmt die Auswanderung einen ganz anderen Charakter an: Serben, welche, durch großjerbische» Antrieb ge leitet, aus Serbien, Oesterreich-Ungarn, Bosnien und der Herzegowina nach Montenegro ausgewandert Ware»,kehrten von dort wieder zurück mit allen Anzeichen der Enttäuschung, und in letzter Zeit schlossen sich der Bewegung auch Woiwoden, Adjutanten und Vertraute des Fürsten an, wie z. B. der Lberwoiwode Mascha Wrbitza und der erste Adjutant des Fürsten, der Woiwote Bozo Pctrowitsch, welche beide in serbische Dienste einzutrcten versuchten, aber abschlägig be- fchicden wurden. Anlaß ihres Wegzugs scheint eine immer mehr zunehmende Neigung des Fürsten zu extrem despotischem Auftreten, wachsendes Mißtrauen des Herrschers, welcher nur seinen eigenen Willen gelten läßt und keinen Rath, sondern nur blinden Gehorsam fordert, und erlittene Mißhandlungen gewesen zu sein Ueberhaupt scheint in dem kleinen Lande Alles zurückzugchen, da der Fürst nach dem Berliner Frieden auf einen bald wieder ausbrechendcn Krieg speculirte und über den Vorbereitungen zu einem solchen alle wirthschaftlichen und sonstigen kulturellen Aus gaben gänzlich ruhen ließ. Jetzt ist den üblen Folgen in dem schwer cultivirbarcn und jetzt auch noch entvölkerten Lande nur sehr schwer noch abzuhclsen und man wird deshalb bezweifeln dürfen, ob die Reise des FinanzministerS Natanovic in das Ausland, welche die Aufnahme einer Anleihe bezweckt, von Erfolg begleitet sein wird. Deutsches Reich. Q Berlin, 19. Juli. Tie Entscheidung über die Abhaltung der Berliner Weltausstellung liegt jetzt thatsächlich in den Händen der d rutschen Industriellen. Die Regierung hat eine nmfassende Untersuchung bei den großen gewerb licken Vereinigungen eiugclcitct und daö Ergebniß der selben wird ausschlaggebend für die Ausführung deö Unter nehinenS sein. In der That ist es in erster Linie Sache der großen deutschen Industrie, über den Werth und Nutzen einer solchen Veranstaltung ihr Urtheil abzugeben, und die Negierung thnt Wohl daran, nicht ohne genaue Er gründung der in den gewerblichen Kreisen herrschenden Stimmungen und Ansichten ihrerseits vorzugehen. Sie hat bisher eher eine dämpfende und niederschlagende Wirksamkeit in dieser Frage ausgeübt. aber man konnte auch nicht be haupten, daß in den Reihen der Industrie, namentlich derjenigen, die nicht besondere Berliner Interessen vertritt, eine hinreißende Begeisterung für das Unter nehmen zu Tage getreten wäre. Die rheinisch - westfälische Eifcn- und Stahlindustrie z. B. nimmt eine mehr als zurückhaltende Stellung ein. Es wird sich nun zeigen müssen, ob im weiteren Verlauf der Umfrage die Stimmung sich doch günstiger erweist, als die bisherigen Eindrücke waren. Wir würden aus politischen und wirthschastlickcn Gründen be dauern, wenn das Unternehmen nicht zu Stande käme. In Kurzem werden höchst bedeutende vssentlichc und private Mittel aufgebracht werden, um eine würdige Vertretung der deutschen Industrie in Chicago zu ermöglichen. Wir stehen dieser Veranstaltung in einem Lande, welches mit jedem Jahr sich fester gegen den fremden Wettbewerb aus- schlicßt, weit kühler gegenüber als einer internationalen Ausstellung in Berlin, die uns bessere Erfolge in Aussicht zu stelle» scheint, als die Betheiligung an der amerikanischen Ausstellung. Der deutsche Handelstag hat in seiner letzten Tagung fast einstimmig die Re solution beschlossen, cs sei geboten, daß die nächste Welt ausstellung in Berlin veranstaltet werde, um auf diese Weise auch der deutschcn Gewcrbthätigkeit diejenigen Vortheile zu sichern, welche eine im eigenen Lande veranstaltete Welt ausstellung gewährt. Es wird sich nun zeigen müssen, inwie fern dieser Ausspruch den Ausdruck der überwiegenden An sichten des deutschen GcwerbestandeS darstellt. — Es ist, wie wir hören, mit aller Bestimmtheit zu erwarten, daß die Vor lagen zur Fortführung der Steuerreform dem Landtag in der nächsten Herbstsession zugehen werden. Derselbe wird zu diesem Zweck bereits im November rinberufen werden. 1t Berlin, 19. Juli. Wie wir bereits früher angedeutct haben, ist man bei den Erwägungen über die nächsten Schritte in der Steuerreform auch der Frage des Communal- steuerprivilegs der Beamten näher getreten. Drei Gründe sind cs vornehmlich, auf denen das Communalsteuer- privilegium der Beamten in Preußen sich stützte. DaS Diensteinkommeu ist bis aus den letzten Heller bekannt und war daher vor Einführung der DeclarationSpsiicht in steuer licher Hinsicht ungleich günstiger gestellt, als das ans ver borgenen Quellen fließende Einkommen. Die Heranziehung des Einkommens zu den Communallasten ist zweitens sehr ungleich und der Beamte, welcher in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht frei ist, daher einer unter Umständen barten Belastung auSgesetzt. Und zwar drittens umsomehr, als die Gemeindesteuern vom Einkommen keineswegs bloS in der Höhe, welche zur Deckung von allen zu Gute kommenden Ausgaben nötbia ist, sondern nur zu häufig auch zur Deckung von Aufwendungen erhoben werden, von welchen wesentlich die Grnndeizentbümer und Gewerbetreibenden Vortheil haben. Der erste Grund ist seit dem Ein kommensteuergesetz vom 21. Mai 1891 fortgefallen. Der zweite wird fortfalle», wenn durch die Communal- stcuerreform der Grundsatz Geltung erhält, daß die Com- mnnalsteucr sich nach der Natur der Communalaufwendungen zu richten bat und der dritte wird gleichfalls zu einem guten Theile hinfällig, wenn infolge davon und nach der Ueber- wcisung sämmtlichcr ErtragSabgabcn an die Gemeinden die Zuschläge zur Einkommensteuer sich erheblich verringern. Es darf daher angenommen werden, daß nach Durchführung der Steuerreform auch das Com- munalsteuerprivilcgium der Beamten wenigstens zu einem guten Theile wird fortsallen können. — Der preußische Cultusminister vr. Bosse beabsichtigt, seine Jnsormatiousrciscn sortzusctzen. Nachdem er vor Kurzem die Provinz Posen bereist hatte, um sich mit dem 17s Feuilleton. Der leiste seines Simmnes. Licht- und Schattenbilder von Wolde in ar Urban. Nachdruck Verboien. (Fortsetzung.) Wo wollt Ihr denn hin? Es ist meilenweit keine Herberge und die Nacht ist vor der Thür, rief noch einer der Hirten. Ich brauche keine, versetzte Herr Gernot fast grob, gab seinem Pferd einen heftigen Schlag, so daß eS mit einem großen Lustsprung davonjagte. Einige Minuten lang sprengte Herr Gernot in seiner wilden Verzweiflung die alte via tiburtina entlang, dann gab er aber dem Pferde einen heftigen Ruck nach rechts. DaS Tbier sprang über eine kleine Steinmauer, die de» Weg einsäumtc, hinweg und jagte in der Richtung der Albaner Berge Weiler, die eben noch dunkelblau am Horizont zu sehe» waren. Ohne jeden Weg. über den öden Haitegrund, der hier nur spärlich mit dornigem Gestrüpp bewachsen und mit großen Steinen und Trllmmerresten bedeckt war, ging der toll,. Ritt weiter. WaS wollte Herr Gernot? Was sollte die wahn sinnige Jagd? War nicht Alles ganz richtig und selbst verständlich bcrgegangcn? Eben weil es das war, darum war Herr Gernot ver zweifelt, darum war er mit der Welt zerfallen. Minne war für ihn ein PharuS, ein Leuchtthurm im Meere de« Lebens gewesen; um sie zu erringen, war er ein Mann, war er ein fähiger, energischer Kämpfer ums Leben geworden, für sie war er auS seiner idealen Träumerei ausgeschreckt zum kräftigen Wettstreit um die Palme des Erfolges, für sie wollte er berühmt, anerkannt sein — und nun war Alles vorbei! Ihn reute jeder Pinsclstrich, denn er war für ein undank bares Geschöpf geschehen, ihn widerte die Welt an, denn sie verstand weder seine Ideale noch seine Gefühle. Was nützte ihm denn nun seine ehrliche Lauterkeit, sein sittlicher Tact, sein seines Gefühl, daß ihn scheu zurückgebalten batte, sich — der Millioaairin zu nähern? Weder sie noch die Welt hatte er verstanden. Was nützte ibm die Liebe im Herzen, die ihn wie zu einer Heiligen zu Mimie hatte cmporschaucn lassen? Kein Mensch in ganz Berlin hätte daran geglaubt, auch wenn er sich um Mimie beworben hätte. Was alle Welt beim Grafen Coda für ein selbstverständliches Arrangement hielt, hätte man bei ibm, bei dem Herrn Habenichts, für eine schmutzige und schlaue Speculatwn gehalten. Herr Gernot wollte Nichts mehr mit der Welt zu tbun haben, sie war ihm zu gemein. Sie batte ihn, den Edeling der modernen Zeit >m wahrsten Sinne des Wortes, der Habgier, der klügelnde» Berechnung, dem Herz- und gefühllosen Egoismus aufgeopfcrt! Er wollte sterben! Es wurde finster und der bekannte frostige Campagna wind erhob sich fast stürmisch. Eine Staubwolke hinter sich lassend, setzte das fortwährend von einem wilden Grimme angctriebenc Pferd über Gestrüpp, Trümmer und Steine, verwundete sich an den Beinen und keuchte erbärmlich. Herr Gernot tbat gerade so, als wenn er — auf dem Jusliz- rath gesessen hätte. Er wußte nickt mehr, wohin er ritt, es war ihm auch gleichgillig, wenn es nur zu Ende ging. Tie Felder, über die er ritt, waren die Wiege und daö Grab der gewaltigsten Cultur, welche die Welt gesehen bat, warum sollten sie nicht auch sein Grab sein? Nur ein Ende mußte werden, ein rasches Ende der Ruhe, der Erlösung. Das Terrain wurde hügelicher und die dadurch entstehenden Einsenkungcn und Scblucktten waren mit tiefen Gräben durch zogen, die mit Buschwerk, kleinen Weiden und Erlen, be- louderS aber mit dornigem Brombcergerank bewachsen waren. An einer solchen Einscnkung stürzte das überhastete Pferd, aber Herr Gernot riß cs mit einer wilden Bewegung wieder auf und immer weiter ging der wahnsinnige Ritt durch die sternlose Nacht. Der Sturm batte Herrn Gernot de» Hut genomnien — er achtete nicht darauf, auch als allmälig ein seiner Regen immer dichter und dichter siel. Und weit und breit kein Licht, kein Haus, kein menschliches Wesen! Wenn ihn in dieser fürchterlichen Einöde das Fieber packle, so war er ein verlorener Man»! Er brauchte gar keinen Schlangen biß, keine wilde Sticrbeerde — das Berbängniß erfüllte sich ganz von selbst, er drohte ganz naturgemäß zu Grunde zu gehen. Mimie! Strafbar unschuldige Mimie! Sie lag in ihrem weichen Bett und ließ sich Wohl nicht träumen, was sie Alles verbrochen batte, zu verantworten batte. Alle die un- geschassenen Meisterwerke verklagten sie, Mitwelt und Nach welt verwünschten sie und der Mann ihres Herzens ritt ins Unglück. Würde sic sonst nickt alle Väter und Mütter, alle Millionen und Grafen der Welt haben stehen und liegen lassen, um ihrem Liebsten nachzueilcn und ihn vom Tode zu erretten? Wenn sie nur den Schatten eines Traumes ge habt batte, würde sic nickt Alles ausgcboten haben, um den Comfort des Herzens, der ja mehr Werth war als Alles, zurückzugewinuen? Die Nacht war schon weit vorgerückt und noch immer kielt sich das treue Tbier Gcrnot'ö aufrecht, trotzdem daß cs in Schweiß gebadct war, zitterte und an Füßen und Weichen heftig blutete. Langsam, ziellos, znm Tode matt, irrte cs umher. Aber auch sei» Reiter schien mit seinen Kräften noch mehr fertig zu sei». Oester wankte er im Sattel, zitternd und frierend hielt er die Zügel und wünschte in wilden, wirren Reden den Tod herbei. Aber der Morgen wind, der immer heftiger und kälter blies, verschlang die halb ohnmächtig, halb irrsinnig ausgcstoßencn wilden Ruse der Verzweiflung und keine himmlische oder irdische Macht kam Herrn Garnot in seiner ärgsten Noth zu Hilfe. Plötzlich tauchte aus der Nacht ein riesiger, dunkler Gegen stand vor ibm auf, vor dem das Pferd scheute. Es erhob sich im Schreck steil ans die Hinterbeine und wollte fliehe», aber das etwas abschüssige Terrain brachte cS zu Falle. Es überschlug sich und Roß und Reiter fielen dumpf dröhnend zu Boden. — Nickt- regte sich! Alles blieb wie todt liegen! Zu den ungezählten Tausenden, welche die römische Campagna verschlungen hat, noch Einer — was lag daraus IX. Ter Ort, wo Herr Gernot mit seinem Pferde gestürzt war, war nicht weit von dem Puncte entfernt, wo fick die Straße, die von Nom kommt und nach dem kleinen, höchst romantisch und malerisch gelegenen Palombaro führt, mit einem Saumpfad kreuzt, der vom sonnigen Casale nach Mentana geht. Wo sich die beiden Straßen kreuzen, stebt ein kleine- Hau-, „Le Mollette" genannt. Hier hielten Hirten» Straßcnarbciter, die nach Mcntana zur Arbeit gingen, und Dergleichen Rast. Als die ersten dämmerigen Strahlen aus dem Osten die Campagna erhellten, zog ein kleiner Trupp solcher Arbeiter an der Stelle vorbei. Was liegt dort? Ich wette, es ist ein Pferd, sagte der Eine. Was geht uns das Pferd an? Laß eS liegen, die Campagna-Hundc wollen auch lebe». Ovrpn ,11 inills bombe, das Pferd hat fünf Beine, vier Pferdcbcine und ein Menschcnbein, sagte der Erste wieder, und lief von der Straße weg nach der Stelle hin, wo Gernot und sein Thier lag, die Andern folgten neugierig. Seht Ihr wohl, da liegt ein Mann! Obo, das ist kein Mann, das ist ein Signore! Wir müssen ihm Helsen. Santa Madonna, die feinen Höschen. Es ist ein Graf. Die Arbeiter versammelten sich rasch um die Stelle des Unglücks. Das Pferd lebte »och nnd sah ans seinen treuen, guten Augen die Leute hilflos und hilfesuchend an, aber Herr Gernot lag bleich mit geschlossenen Augen und ohne jedes Lebenszeichen nnter dem Pferd. Wir müssen ihn rasch unter dem Pferd hervorziehen. Er kann noch nicht lange hier liegen. Oh — dem thut kein Zahn mehr web, sagte wehmüthig ein Anderer. Ein älterer, weißhaariger Mann trat herzu, behorchte und befühlte sorgfältig Herrn Gernot, dann winkte er still seinen Genossen, mit Hand anzulegen. Wir wollen ihn in die Mollette tragen. Wenn er nur zu sich käme, daß wir ihn nach Mentana hineinschaffcn könnten. Bald lag Herr Gernot auf einem Lager von Gras und Heu in der Mollette, aber hier war man aus solche Gäste auch nicht besonders eingerichtet. Einige Liter Weißen Weins und cin wenig hartes Brod war Alles, was man zu bieten batte. Indessen pflegte man den Fremden so gut eS ging, man wusch ibm die Schläfe mit Wein und verband eine große, langgestreckte Contusion, die man am Arme deS Herrn Gernot fand. E« konnte ein Schlangenbiß, es konnte aber auch ein Hufschlag vom Pferde sein. (Fortfetzupg folgt.)
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