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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920727022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892072702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892072702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-27
- Monat1892-07
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ES sind natürlich die beiden Parteien, welche der Gründung und Befestigung des Reichs von Anfang an den erbittertsten und hartnäckigsten Widerstand geleistet haben, die Ullramon tauen und die Socialdemokraten, auch hier wieder in lieblicher Gemcin- schafl zusammengcbend. Wer sich von dem Geisteszustand der Nerikalen Blätter einen Begriff machen will, der lese, um von noch roheren und gemeineren Ausfällen der kleinen ultramontanen Hctzpreffe abzuseben, den gestrigen Artikel der „Germania" über den Empfang der sübwesldculschen Be sucher in Kissingcn. Da beißt cS: „7000 Nörgler, deren Gewissen durch keinerlei Vorwürfe über das Frivole ihrer Handlungsweise beengt wird, waren am Sonntage nach Kissingen gezogen, um, als richtige Quertreiber und Reichsschädliuge, vor ihrem Abgott zu dcmonslrircn und dem geschwätzigen Alten Gelegenheit zu einem neuen galligen Erguß, zu neuen Angriffen aus die die Reichsgeschäste ruhiger, sicherer und erfolgreicher, als «S unter dem Bismarck'schen Regiment der Fall war, führenden heutigen Leiter der Regierung und natürlich auch wieder auf den Kaiser selbst zu geben. Und man muß cs ihm lassen: er hat diese Gelegenheit weidlich ausgenutzt, er hat sich gehörig expectorirt und gewettert und geschimpft, daß es so seine Art hatte. Es ist vielleicht gut, daß man ihn und seinen wahnwitzigen Korybantenchor austoben und sie ihren Groll gründlich Luft machen läßt, um so klarer wird es dem besseren, anständigeren Theile des deutschen Volkes, dem das Gefühl für Ehre und wahre Vaterlandsliebe kl) noch nicht abhanden gekommen ist, was für Leute es sind, die fortgesetzt in der frivolsten Weis« gegen die wichtigsten Interessen des Vaterlandes ankämvsen und dabei »och die Stirne haben, zu behaupten, daß sie gleichwohl treu zu Kaiser und Reich stünden. Im Uebrigen erbringt auch diese Rede wieder einen Beweis für den erschreckend rasch fortschreitenden Geistesversall des verbitterten, im grimmigsten Haß gegen seine wirklichen und vermeintlichen Gegner sich verzehrenden Mannes. Und mit der Geistesverfassung seiner lärmenden und demonstrirenden Anbeter ist cs auch nicht besser bestellt, sonst würden sie sich schämen, ihren Götzen immer wieder zu einem ebenso das Mitleid wie die Verachtung herausfordernden Auftreten zu provociren." Dieser giftige Erguß kennzeichnet eine Partei, die noch bis in die allerneueste Zeit hinein und auch beute noch jedem Fortschreiten der Reichspolitik die größten Hindernisse bereitet hat und cndlick für ihre eiasachsten patriotischen Pflichten mit kirchlichen Zugeständnissen bezahlt werden mußte. WaS ist freilich einer solchen Partei das Gefühl der Dankbarkeit und Verehrung für einen Mann, der uns wieder zu einer Nation gemacht und unS die gebührende Stellung in der Welt errungen hat? Wehe einem Reiche, dessen Leitung den Beifall von dieser Seite nicht adzuwebre» weiß! Sehr mit Recht hat Fürst BiSmarck in seiner jüngsten Kissinger Rede geäußert: „Mkine Gegner sind mir treu geblieben, auch nachdem ich nicht mehr in Dienst war, und es ist mir dies eine befriedigende Quittung für meine Vergangenheit und für meine Gegenwart. Es würde mich beunruhigen, wenn ich heut« die Zustimmung und das Wohlwollen derjenigen Männer mir zngezogen hätte, di« mir während meiner Amtszeit feindlich gegenüberstanden. Daß sie mich noch heute Haffen, ist für mich die größte Befriedigung." Noch fanatischer und roher sind die Ausfälle gegen den Altreichskanzler in der socialdemokratischen Presse; sie sind in ihrer vollendeten Gemeinheit gar nicht mehr wiederzugeben. Von dieser Seite kann uns freilich vollends nichts mehr in Erstaunen setzen. Es ist aber nützlich, darauf hinzuweisen, welche Elemente in unserem Volk sich wieder einmal in der Wutb über einen mächtigen AuSbruch des nationalen Gefühls zusammenfinden. Diese Einsicht ist es auch wahrscheinlich, welche in den maßgebenden Berliner Kreisen den Wunsch bervor- gerufen hat, die ofsiciöse Polemik gegen den Fürsten Bismarck wenigstens nicht mehr m der Weise geführt zu sehen, welche Feuilleton. Der Letzte seines Stammes. 231 Licht, und Schattenbilder von Waldemar Urban. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) XIII. Adelmar Graf Coda saß in seinem Zimmer und grübelte ernst und finster vor sich bin. Vor ihm auf dem Tiscbe lag ein Hausen Papiere, Briese, Rechnungen — er Halle viel zu thun, aber er that nichts. Finster und starr vor sich Kin- sebend, saß er in seinem Sessel und überdachte seine Lage. Mit dem Justizrath war er vollständig zerfallen, seitdem dieser den Gerichtsvollzieher — wenn auch ohne Erfolg — zu ihm geschickt batte. Ein anderer Rechtsanwalt kalte sich für ihn nicht gefunden und so mußte er selbst scbcn, über seine Angelegenheiten klar zu werden. Das war keine schöne Beschäftigung und eS kamen dabei manchmal Stimmungen über ihn, die immer mehr und mehr Ausdruck in seinem Gesicht fanden. Seine Wangen zeigten Furchen, seine Stirn Runzeln, müde und schwer lagen die Augenlider über den Augen, die manchmal in einer unheimlichen Entschlossen heit auslcuchteten. Sein ganzes Gesicht war von verbissener, trauriger Verlassenheit! Zu dem ersten grauen Haar, da» er vor einigen Monaten entdeckt batte, waren in letzter Zeit überraschend viele andere gekommen — er alterte rasch! Dazu trugen Wohl auch gelegentlich Gewissensbisse über seine verzettelte Jugend, über seine im freventlichen Leichtsinn und in übcrmüthiger Verachtung der Lebenserfahrung Anderer geopferte Stellung und über sein verlorene« Vermögen bei. Er batte nicht nur seine Vergangenheit, sondern auch seine Zukunft verscherzt. Was sollte nun werden? Lanner batte Recht: wie eine lut» inargan», wie ein höhnisch äffendes Trugbild waren die Millionen vor seinem Griff zerronnen und er fühlte nicht nur das Schmerzliche dieser Tbalsacke, sondern auch den Hohn, die Demürhigung der Einen und die «»kalte Verlassenheit seiten« der Andern, die diese Thatsachr das ehemalige Kanzlerblalt anfänglich für angebracht kielt. Dieses selbe Blatt warnt jetzt davor, „alle Ausfälle der BiS- marckfreundc" auf das Conto des Altreichskanzlers zu setzen Im Anschluß an eine Bemerkung der „Köln. VolSztg", nach der Rückkehr des Kaisers würden die Schritte erwogen werden, weiche gegen den Fürsten BiSmarck ergriffen werke» sollten, bemerkt nämlich die „Nordd. AUgem. Ztg.": „Diele Bemerkungen lassen erkennen, wvln» es fuhrt, das in der Presse eine Menge von Artikeln und Berichten un,laufen, deren Inhalt und Pointen, obwohl in zahlreichen Fällen offenbar zu Unrecht, aus die Autorität des Fürsten Bismarck zurück- geführt werben." Wen» auch Gras Caprioi selbst sich lediglich an die zweifel losen Auöjpruchc seine« Vorgängers hält, diese mit den ver öffentlichten Aechnuigöcrlassen vergleicht und überdies die Stimmen, die für und gegen BiSmarck sich erheben, gegen ein ander abwägt, so ist die Hoffnung noch nicht ausgeschlossen, daß aus der so grimmen Fehde zwischen dem Fürste» und feinem "Nachfolger am Ende ei» leidlicher mockus vivoucki sich entwickelt. Daß Fürst Bismarck trotz allem, was ihm geschehen, nicht unversöhnlich ist, hat seine letzte Kissinger Rede bewiesen. Die seitens der zuständigen Stellen getroffenen Vor kehrungen zur Abwehr der Ebolera von der deutschen Grenze legen in ersrculickcr Weise Zcugniß ab von dem Bcrstäiidniß, mit welchem die sanitären Forderungen berück sichtigt werden. Fachmänner ersten Rangcs stimmen übrigens in der zuversichtlichen Hoffnung überein, daß Mittel europa, und namentlich auch Deutschland, vor einer Masseninvasion der Cholera diese« Jahr ebenso unbe sorgt sein darf wie in früheren. Dabei gehen sie freilich von der unseres Erachtens gar nicht genug zu betonenden Voraussetzung aus, daß das Publicum nicht etwa durch die aller Ortö verlautbarten behördlichen Vorkehrungen dem Jrrlhum verfalle, cS sei nunmehr Alles geschehe» und man könne im Uebrigen die Dinge gehen lassen, wie sic eben gehen wollen. Nichts wäre verkehrter und unterlli»stä»denverbäng»iß- voller als ein derartiger Jrrthum. Sollen die behördlichen Vor kehrungen den beabsichtigtenZweck möglichst sicher und gründlich erreichen, so ist es unumgänglich nolhwcndig, daß das Publicum ihnen durch vernünftige diätetische Selbstzucht in die Hände arbeite und solchermaßen nach Kräften verhindere, daß etwa ru uns hcrübergelangende AusteckungSleinie, deren absolute Fernballung ein Ding der Unmöglichkeit ist, günstige Er- kaltungs- und FortpflanzungSbediiiguiigcn vorsinde. Zn diesem Bchuse möchte cs sich vielleicht außer den schon bekannt ge wordenen Maßnahmen der Behörden auch noch empfehlen, in geeigneter Weise dafür zu sorgen, daß namentlich die niederen Volkskreise populäre Belehrung über die in Zeiten drohender Seuchengcfahr angezeigte Lebensführung erhielten. Von un zähligen Personen wirb gegen die Grundregeln der VolkS- hygicinc tagtäglich weniger aus bösem Willen als ans Unver stand und Leichtsinn gesündigt; aber was in normalen Zeiten ohne ernstere Bedenken hingchen mag, kan» »n kritischen Augenblick von den schwersten Folgen nicht nur sür die Be treffenden unmittelbar, sondern für die Allgemeinheit werde». Darum sollte man auch diesen Punct in unserer sanitäre» VerthcidigungssteUung gegen die näher rückende Cholera bei Zeiten berücksichtigen. Aus Belgien liegt eine Meldung über einen neuen Zwiespalt in der Kammer vor. Uneinigkeit der Rechten in sich und mit der Regierung, bodenlose Uneinigkeit und Zerfahrenheit der Linken — das war schon bisher die Signatur der neuen Deputirleakammcr; um daö Maß voll zu machen, sind nun auch die Fortschrittler unter sich uucinS geworden. Die eine Gruppe derselben will das allgemeine Stimmrecht mit dem Alter von 2l Jabrcn und 6 Monaten Domicil in die Verfassung eingcsügt wissen, während die von dem Pro- grcssisten Janso» selbst geführte Gruppe nur den Grundsatz des allgemeinen Stimmrechts der Verfassung cinverleibcn, die Bestimmung über die Stimmbercchtigung aber dem künftigen im Gefolge gehabt batte. Womit hatte er das Alles ver dient? War er schlechter als alle Anderen, war er leicht sinniger, war er dümmer als sie gewesen? Er war kein schlechter Charakter, ja er hätte sogar an seinem Platze ein höchst intelligentes und nützliches Werkzeug der menschlichen Gesellschaft werden können, aber er war auf eine schiefe Ebene gedrängt worden, zu einer Verkennung seines Ver hältnisse« zur modernen Welt. Nickt in seinen Vorfahren ruhte das Aeguivalent, das er der Welt sür sein Leben schuldig war, sondern er versö,ilich mußte dem Leben und der Welt gerecht werden. Warum war er kenn nicht nach Mariendors gegangen und war ein tüchtiger Landwirth ge worden, so lange cS noch Zeit war? Jetzt war nun auch das zu spät, was sollte nun werden? Sollte er auch ei» Buchhalter in einer Brauerei werden? DaS seblte gerade noch! Cm Coda im Dienst gewöhnlicher Sterblicher, im Vcrbältniß eines Packesels! Alle achlmidachtzig Cota's bättcn^sich im Grabe berumacdreht, seine Ehre wäre besudelt, seine Stellung beschimpft. Und außerdem nützte ja das gar Nichts mehr. Seine Gläubiger sielen ja seit dem Sturz des Gehcimratbs wie eine tolle Meute über ihn her, sie batten ilun gewiß auch das genommen, was er würde verdient haben. Ich wünsche de» Herrn Grafen zu sprechen, hörte er die scharfe und erregte Stimme des Herrn Gcrnot an der Tbür. Herr Graf Coda ist nicht zu Hause, versetzte der Diener. Sie irren sick, sagte Herr Gernot wieder, ich will kein Geld von dem Herrn Grasen; er wird also zu Hause sein. Graf Coda batte sich erhoben und rief dem Diener durch die Tbür zu: Führen Sie den Herrn nur herein, Friedrich, worauf Herr Gernot sofort in das Zimmer eintrat. Beide maße» sich einen Moment lang mit den Blickcn, der Grat rnbig. fragend, Herr Gernot drohend und wülbcnt. Sie führen sich bei mir etwas stürmisch ein, sagte Graf Coda, indem er Herrn Gcrnot mit einer leichten Hand bewegung zum Sitzen cinlud. WaS verschafft mir die Ehre? DaS wundert Sie dock nickt etwa, Herr Gras? Ich würde mich vielleicht nock stürmischer cingeführt haben, wenn Sie mir nicht entgegen.gekommen wären. Graf Coda sah ihn wieder an, aber nur flüchtig. Wahlgesetze überlassen will. WaS bei diesem Wirrwarr aus der Bersassnngsrcoision werden wird — das wissen allein die Götter. Die pa rl a m cn t arische Lage in England hat sich jetzt soweit geklärt, daß man den Verlauf der Dinge mit einiger Sicherheit vorauSsebe» kann. Dem ,B. Tagedl." wird nämlich aus London gemeldet: Die (Aladstoneciner werden natürlich, da das bisherige Cablnct das Parlament wieder eröffnet, sofort die Vertrauensfrage stelle» und, wie in einer Eouferenz bei Sir William Harcourt beschlossen ist, zur Adresse das Amendement cinbringen: „Daß dem Auc-'all der Wahlen »ach das Land kein Vertraue» i» die gegeiiwärligen Minister Ihrer Majestät setze, und daß dciucntiprechend Ihre Majestät gebeten werde, sich mit Veralbern zu umgebe», die sich mehr i» Ukvereittstiiiliiiung init dem Willen der Nation befinden." Die Anuahmc oder Ablehnung dieses über das Schicksal des Salisbury'schcn CabinelS entscheidende» AmendemciilS bängt von den Irländern ab, die abermals das Heft der Peitsche in den Händen halten. Sie sind wieder die von beiden Parteien Umworbenen, allein cs ist nickt zu bezweifeln, daß sie in der Adreßkcbatte zu Gladstone sieben werke», und dies um so mehr, da dieser sich für die Einbringung der Homcrule-Vorlage in erster Reihe bereits entschieden und das Verlangen LabouchcrcS und der Nadicalen, die England be treffenden Reformen in den Vordergrund zu stellen, ab- gelelmt bat. Allerdings hat er zugestanden, die Ablehnung der Hcmcrule Vorlage durch das Überbaus nicht zum Vor wände des Rücktritts zu nehmen, sondern den Lords einige weitere unverdauliche Brocken aus dem radical socialistischen Menu aufzutischcn, so daß die Liberalen dann mit Zuversicht wieder an die Massen sich wenden könnten. In der Atrcß- dcbatte wird also Gladstone die Majorität hinter sich haben, und in dieser Voraussicht Kat sich min die „Morning Post" in dem gestern erwähnten Artikel bemüht, das Ministerium zu bewegen, dem Beispiele Lord Melbournes zu folgen und trotz dem Mißtrauensvotum nicht zurücktreten, sondern das Parlament sofort bis zum Februar zu vertagen, oder überhaupt erst dann cilizubcruscn, um dann mit einem Programm hcrvorzutrctcn, das Aussicht bietet, die Irländer aus die Seite der Regierung zu bringen und ihr so die Majorität zu erhalten. Der „Standard" und eine Schaar kleinerer conscrvalivcr Blätter haben den Gedanken mit Eifer aus genommen. Die „Times" erklärt es aber mit der Ehre und der Wohlfahrt der conscrvativcn Partei unvereinbar, de» Urtbcilsspruch der Wahle» in einer solchen Weise zu miß achten, und dies entspricht den Anschauungen Lord Salis burys. Das Parlament wird darum, der Zusage des Premiers entsprechend, am l. August zusanimeutrelc», und zehn Tage später würde dann die entscheidende Abstimmung ttattsintc», die mit dem Rücktritt dcö jetzigen Ministeriums gleichbedeutend sein dürfte. Die „Nowoje Wrenija" läßt sich aus Konstantinopel berichten, der soeben abgeschlossene Mordproceß in Sofia werde diplomatische Verhandlungen nach sich ziehen. Der türkische Eommissar Reschid Bey sei von seiner Negierung beauftragt worden, in Betreff des zum Tode vcrurthkilte» Popow der bulgarischen Regierung in Erinne rung zu bringen, daß Popow ihr nur mit der Bedingung ausgclicsert worden sei, daß er allein wegen Tbcil- nahnie am Morde Bcltsckew's und zwar vor ein ordentliches Strafgericht gestellt werte. An der Ermordung Bcltsckew's sei Popow nicht schuldig befunden, dagegen sei er wegen des Auf standes in BurgaS verurtbeilt worden, worüder bereits ein Unheil eines Kviistantinopclcr Gerichts Vorsitze. Dock sei Popow damals vom Sultan begnadigt worden. Wegen einer Verschwörung gegen den nicht anerkannten Prinzen Ferdinand batte die ottouianische Regierung Popow nicht ausgclicsert. Daher sei dessen Verurthcilung widerrechtlich. Die Nachricht der „Nowoje Wrenija" findet sich in keiner anderen Zeitung und bedarf daher noch der Bestätigung. Daß die russische Eine Auseinandersetzung? fragte er dann kurz. Eine Frage zunächst, Herr Graf, ans die ich eine kurze gerade Beantwortung erwarte, wie ich sie von einem Ehren mann erwarten darf. Bitte, fragen Sie. Ist cs wahr, daß Sie mir im vorigen Jahr durch Herrn Justizratb Marsivaldt einen Auftrag zukommcn ließen und mich so veranlaßtcn, sofort nach Rom abzureiscn? Nein, cutgegnete Coda rasch. Herr Gras, brauste Herr Gernot laut auf, das ist eine Er brach ab. Er besann sick, daß er über eine viel wich tigere Sache Auskunft von seinem Ncbcnbnbler brauchte. Ebe er diese nicht hatte, durfte er sich nicht mit dem Grafen überwerse». Eine Lüge, wollen Sie sagen, ergänzte Graf Coda lang sam und tiefernst. Nehmen Sie sick in Acht, Herr Gernot! Sie stcbcn vor cuicm Mann, dessen Geschlecht noch keine Be leidigung ungcrächt gelassen bat und der eben diesem Ge schlecht zur Ebre sic auch nicht »»gerächt lassen darf. Ich bin nicht mir in der Lage, sie rächen zu können, sondern auch dazu verpflichtet. Sie habe» Reckt, Herr Graf, wir wollen uns nicht er hitzen über Nebensachen, um dadurch die Hauptsache zu ver nachlässigen. Machen Sie cS mit sich selbst aus, ob Sie mir so antworten durste», wie sie eS getlian habe». Machen Sie cS kurz, was wollen Sie noch ? Jedenfalls haben Sie, Herr Graf, meine Abwesenheit benutzt, um sich Fräulein Minne MariuS zu nähern und sich mit ihr zu verloben. WaS ? Soll das heißen, ich hätte Ihre Abwesenheit dazu benutzt? DaS werden Sie gleich hören. Sic bewarben sich um diese Dame, um sich mit dem Gelde ihres Vaters zu arran- giren, wie man das ja wobl nennt, und verließen sie wieder, als Sie die Unmöglichkeit cingeseben batten, diese Absicht zu realisircn. DaS stckt fest und bedarf keiner Bcanlwortung Ihrerseits. Aber ick möchte von Ihnen wissen, ob Sie die Dame geliebt haben und von ihr wieder geliebt worden sind oder nicht. Negierung in der gedachten Richtung Anstrengungen mache, ist dagegen ohne Weiteres höchst wahrscheinlich. Die Nachrichten, welche der „Times" aus Kalkutta über die Lage in Afghanistan zugehen, färben sich immer düsterer. Am oberen OxuS und aus dem Pamir machen sich die Russen immer mehr bemerklich; mit den Hagara-Slämmen vermag der Emir Abdurrahman nicht fertig zu werden, und bereits drobt eine Vereinigung der Gilgai-Stämme, deren Gebiet im Norde» östlich von Djellalabad liegt, mit den vor hin genannten. Kommt dieselbe zu Stande, so wäre auf der eine» Seite Herat, ans der anderen Kabul gänzlich isolirt. Tic Einfälle aus englisches Gebiet haben ausgcbört, in Indien aber macht man sich doch allinälig mit dem Gedanken an die Möglichkeit eines neue» Krieges mit Afghanistan vertrauter. Die Krisis in England mit der nahen Aussicht auf ein Cabinct Gladstone dient natürlich dazu, die Stimmung noch ungünstiger zu gestalten. ^ In der marokkanischen Frage ist augenblicklich ein Stillstand einaclretcn. Derselbe bangt augenscheinlich mit dem sür das Ministerium Salisbury ungünstigen Ausfall der englischen Parlamentswablcn zusammen. DaS englische Interesse war während der letzten Monate so sehr daS treibende Element in den marokkanischen Dingen, daß letztere ihr EnlwiekelungS- leiiipo sichtlich nach den ihr von englischer Seite zukommenden Impulsen regelten. Das gilt unbeschadet des sranzösischen Gegen spiels, da ja dieses ebenfalls seine Augriffsobjecte und Endziele entsprechend den Evolutionen der englischen Diplomatie gestaltete. Für de» Augenblick scheint, wie gesagt, die Marokkosraae in einem todtcn Winkel angelangt zu sei». Die Gladstone scher Anschauungsweise huldigenden Blätter der britischen Metro pole zeigen sich von dem marokkanischen Theil der Salisbury' schcn Erbschaft nur sehr mäßig erbaut und schrecken sogar vor dem Gedanken einer gänzlichen Liquidation desselben nicht zurück. Dafür, Laß es nicht ganz so weit komme, dürften inkeß schon die Wortführer der Interessen von Englands Handel und Industrie sorgen. Diese durch spähen den ganzen Erdball nach neuen Absatzmärkten für de» Ueberschutz der heimischen Production und würden jedes Ministerium, welches die Toctriu des Inmzer tairo lrüsser »Iler auf Marokko anwenden wollte, der öffentlichen Meinung Englands als einen Verächter vitalster Interessen der Nation dcnunciren. Es hat daher die Vermutbung manches für sich, dctß unter den Auspicicn des koinmendcn englischen CabinetS die marokkanische Action der britischen Diplomatie, wenngleich minder energisch, aber doch mit jener zähen, störrischen Be harrlichkeit sortgefübrt werden wird, welche dem englischen Volke den charakteristischen Spitznamen „John Bull" ein getragen hat. Deutsches Reich. Il Berlin, 26. Juli. Wie wir hören, schreiten die Vor arbeiten der Abtbeilung für Kriegsgeschichte dcS Großen Geiicralstabes hinsichtlich der Herausgabe der militairi- schen handschriftliche» Hinterlassenschaft des FeldmarschallS Grafen v. Moltke rüstig fort. Der nächste Band, welcher die vom Fcldmarschall selbst gestellten taktischen Arbeiten enthalte» wird, soll spätestens Ende September erscheine». Die taktischen Ausgaben fallen in den Zeitraum vom Jahre 1858 bis zum Rücktritt des Feldmarschalls von der Spitze dcö Generalstabes, umfassen also 30 Jahre. Da der Feldmarschall selbst zu jeder Ausgabe die Lösung angegeben und motivirt hat, so liegt eS im Interesse der ganzen Armee, diesen Theil dcS Nachlasses Jedem zugänglich zu machen; um nun jeden Ossicier in den Stand zu setze», diesen Band zu erwerben und dadurch selbstthätig taktische Studien zu machen, soll der Preis deö mit Karten reich versehenen Bandes aus nur 3 festgesetzt werden. Wenn man vielleicht glauben sollte, daß diese taktischen Auf gabe» wegen der inzwischen cingctrctcncn Verbesserungen der Waffen von der Zeit und dem heutige» Standpunct der Technik WaS berechtigt Sic, Herr Gernot, zu einer so sonder baren Frage, die eigentlich schon an sich eine Beleidigung ist? Tic Liebe zu Fräulein MariuS, cutgegnete Herr Gernot hitzig. Ja, Herr Graf, ich liebe Fräulein MariuS und liebte sie schon, ehe Sie sie kannten und Ihre — Proiectenmacherci anfiiig. Sie griffen damit in einer Art und Weise in meine Beziehungen, in meine natürlichen Berechtigungen, die Sic ckaraltcrisirt. Nur die absolute Hoffnungslosigkeit meiner Bewerbung kielt mich damals ab, mich zu erklären. Alle Welt und Sic nicht zuletzt — hätten mich für einen Spccu- lanten gehalten. Ich hatte Furcht für daS gehalten zu werden, was Tie sind! WaS will daS sagen? Hören Sie ruhig zul Jetzt ist daS anders geworden. Was für Sie eine Katastrophe war, ist für mich der A»S- gangSpiinct neuer Hoffnung, was Sic entfernte und zugleich vernichtete, bat mich wieder näher gebracht. Aber Sir werten begreifen, daß ich wissen muß, wie weit Sie mit Ihrer Braut kamen, Sie werden mir die Berechtigung zu- gcstcben zu der Frage, die ich an Sie that. Herr Gernot schwieg und auch Graf Coda stand einen Augenblick sinnend da. Endlich sagte er langsam: Ja! Aber ich lehne die Beantwortung ab. DaS werden Sie nicht, Herr Graf! Wer will mich daran bindern? Wieder bezwang Herr Gernot eine wilde Aufregung, die in ihm aufstieg. Er wollte und durfte sick nicht mir dem Grasen entzweien, che er nicht wußte, ob Mimie ihn geliebt hatte oder nicht, er mußte wissen „wie weit sie mit ihm ge kommen war." Gut, Herr Graf, sagte er etwas ruhiger, ick will Ihnen die Beantwortung der Frage leicht machen, so leicht wie möglich. Ich nehme als wabrscheinlick an, daß Sie Fräulein MariuS nicht — über alle Maßen geliebt haben, denn sonst Kälten Sie dieselbe nicht so brüsk, so verletzend verlassen können. Herr Gernot! fuhr Graf Coda nun seinerseits zornig auf. Lassen Sic doch diese Entrüstung, Herr Gras, und seien Sie zufrieden, wenn sich nickt Andere über Sic entrüsten. Sagen Sn mir lieber, ob Sie irgend «in Anzeichen habe»
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