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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920728023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892072802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892072802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-28
- Monat1892-07
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Größere Schriften laut unserem PrelL- verzeichnib- Tabellarischer und Zlffcrnsatz nach höherem Tarif. tkrtra-Beilagen (gesalzt), nur Mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung M.—, mit Postbrsörderung 70.—. Annahmeschluß für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Sonn- und Festtags früh V,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. )>>ler,,je sind stet» an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^« 383. Donnerstag den 28. Zull 1892. 8«. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig. L8. Juli. Die Auseinandersetzungen im konservativen Lager können, wie der „N.-L. C" berichtet wird, jetzt vor läufig als abgeschlossen und ergebnislos verlaufen betrach tet werden. Weder von einem neuen Programm, noch von einem allgemeinen Parteitag, noch von weitere» Ausscheidungen her vorragender Mitglieder ist vorläufig die Rede. Es wird, wie man vulgär zu sagen pflegt, in der Partei „fortgewurstclt". Tic Nachklänge in der konservativen Presse verdienen als lediglich journalistische Tagesereignisse keine besondere Beachtung. Die bevorstehenden Sessionen des Reichstages und Abgeord netenhauses scheinen auch keinen besondern Anlaß zu bieten, den Keil weiter in die konservative Partei hincinzutrcibcn. Wohl aber dürfte eS über die Haltung bei den im nächsten Jabr bevorstehenden Landtagswahlen wieder zum Ausbruch der Gegensätze in der Partei kommen. Das Berhältniß zu den Mittelparteien und zum Centrum wird dabei einen vielum- strittenen Punkt bilden. Bei den deutschen Patrioten neuester Schätzung und Selbst einschätzung gilt cs als oberstes Axiom, daß Alles, waö unter dem früheren Regiment entstanden, wcrlb sei, „daß es zu Grunde geht". Bon einem Thcile dieser neugewonnenen Stützen des Reiches wird verschämt, vom anderen ungcschmiiikt auch die Heercsorganisation, wie sic unter Wilhclm 1. entstanden und sortgebilkct worden ist, zu den Tinge» gerechnet, die je eher je lieber auf Abbruch weg- zugeben seien. Der „Militarismus" — natürlich der deutsche, nicht der französische — neuerdings wieder als das Uebel an sich vorgcstellt, ist cS, aus dem alle ankeren sitt lichen und wirtbschastlichen llebel entspringen. Angesichts solcher Lehrmeinungen in dem vorzüglich durch sein Heer zur Kraft und Selbstständigkeit gelangten vormaligen „geo graphischen Begriff" ist eS lehrreich, was der Schweizer Oberst Frey über die ethische Seite des KriegStiei'.sleö sagt: „Ich trage den Titel „Chef des Militair-Departements" und finde ihn manchmal unvollständig. „Kriegs - Devartcment" sollte eS heißen. Ich sage es oft zu meiner Umgebung: Nein, wir planen nicht den Krieg, aber wir bereiten den Krieg vor. Diese mannhafte Empfindung wird vor Er schlaffung bewahren und nach außen Achtung gebieten." DaS schweizerische Militairsystem, so verschieden es von dem unserigen ist, besitzt doch die alle» staatlichen Einrichtungen anhaftende Eigenschaft, daß es Geld kostet, und zwar em pfindlich viel Geld für ein Land, das weniger als ein anderes bedroht und sich erheblicher Aufwendungen für kaS Heerwesen lange entwöhnt hat. Dessenungeachtet weiß man ihm in der durch europäische Verträge gesicherten Republik gute politische und moralische Seilen abzugewinnen. Der Führer der deutschfreisinnigen Partei in unserem zwischen zwei über mächtige Militairstactten eingeklemmten Deutschland plaitirt aber gerade heute wieder für Herabsetzung der Militairaus- gaben. Wenn die Schweizer so fortsakren, wird Herr Richter sogar den Officiösen des alten EurscS einmal Recht geben, indem er auSruft: „die Schweiz ist ein wildes Land". In Brüssel bat sich am Montag ein in Belgien uner hörtes politische- Ereigniß vollzogen, über das beute ausführ lichere Nachrichten vorliegcn und das wichtige Folge» haben wird. Dir Arbeiterpartei batte eine Versammlung für alle Anhänger de- allgemeinen Stimmrechts ausgeschrieben, und Arbeiter, wie Liberale, Fortschrittler und Klerikale waren zur Versammlung erschienen. Der Vorsitzende, Atvocat Vande- velde, eröffnete die Versammlung mit der Erklärung, daß cs sich darum bandele, einen geschlossenen Bund aller Derer zu schassen, welche, mögen sie sonst politisch und religiös denken, wie sie wollen, dem Volke daS allgemeine Stimmrecht zu er ringen streben. Mit einem kräftigen Vorstoße sei dieses Ziel leicht zu erreichen. Die klerikalen jüngeren Advocaten Reiiki» und Ninauve, die in Verbindung mit Gesinnungsgenossen ein Blatt zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts berausgebeii, erklärten sich bereit, mit ihrem Andang dem Bunde bei- :.utrelcii. Der fortschrittliche Tcpulirle Feron stimmte cben- allS ein, dainil klerilale und liberale Fortschrittler geiiieiiisam ür diese Reform cinträlcn. Ter Brüsseler srcialistische Führer Volkers feierte in beredten Worten dieses »och nicht dagewesciic Ereigniß, und unter allseitigem Zuruf wurde die Einigung bewirkt. Der Genier Socialistcnsübrcr Ansccle orderte schließlich die „ohnmächtige" Regierung ans, zinück- zntreten und dem belgischen Volke allein die Ordnung seiner Angelegenheiten zu überlassen. Nach tcr Vcrsannnlnng be gaben sich die Sokialisten nach dem katholische» Arbeitcrdansc und schlossen auch dort einen Bund zur Erstreilnng deS allgemeinen SliininrcchtS. Eö wird somit für diese Fordern, g eine Volksbewegung geschaffen, welche den leitenden Classen entschlossen cntgcgentreten wird. Das Urtbcil deS Lütticher Gerichtshofs hat die HanpträdelSsübrcr der Schandthatcn, welche im Frübling dieses JalreS Wochen n»d Monate hindurch den dortige» Jntustriebczirk i» Angst und Schrecken crdicltcn, für eine gcraunie Anzahl von Jahren hinter Zuchthaus- hczw. Gc- sängnißmancru sür ihre Mitmenschen unschädlich gcmact't. Zu mild werden die von der belgischen Justiz verhängten Freiheitsstrafen sicherlich nur den Spießgesellen der Veinr- tbeilten erscheine», die i» den feigen, aus dein Hintcrdalt ins Werk gesetz en Anschlägen der Tynaniiwcrschwörcr nicht nur kein Verbrechen, sondern im Gegcntdeil »achahmcnSwnrdige Held.ntbaten erblicken. Solche Lenke sinke» sich nicht nur in Belgien. So gut die Lehre, daß Eigenlhnm Diebstahl und daher jeder Besitzende on ip!>o ei» Feind »nt llebervortbcilcr der darbende» Masse sei, aus dem Wege der internationalen Agitation weiter und weiter getragen wird, so gut werden auch ikre Schlußfolgerungen, tdeorctisch wenigstens, überall da ge zogen, wo die Socialtenivlralie festen Fuß gefaßt hat. Wie weil man sich mit der Ihat vorwagt, ist nicbr Sache des Tempera ments unk der obwaltenden reale» Verhältnisse. Wo eine starke Staatsgewalt die Zügel der Regierung und Verwal tung in Händen hat, werde» sich die VolkSauswicgler in der Regel hülen, einen offenen Conslict zu provvcircn, wo aber eine an Sll> assheit grenzende Nack,tickt das Regiment südrt, kan» es nicht Wunder »chmcn, wenn der sociale Krieg mit Tt'naniit geführt wird. Die von dem Lütticher Gcrichisbvse verhanglen schweren Freiheitsstrafen zeigen, daß man in Belgien sich endlich des Ernstes der durch die anarchistische Wühlarbeit geschaffenen Lage betvnßl wird. Zn Oesterreich batte» bekanntlich die Verfügungen des Justizininislers Grase» Schönborn auf dem Gebiete der Rechts pflege in Steiermark und Krai», die Ernennungen sloweni scher Richter und eines Scclionechcss dieser Nationalität, so wie die Zurücksetzung der Deutschen in den genannten Pro vinzen zu emem Verstoße der Leutschliberalcn Partei gegen das Ministerium Taastc geführt, der den Ministerpräsidenten zu einer Neide von Veripreckniigcu veranlaßte. Diese scheinen nunmehr wenigstens tbcilweisc eingclöst werden zu sollen. Sv verlautet ernstlich, daß der Statthalter von Kram, Baron Winkler, welcher der Slowcnisirung seit Jakrcn den größte» Vorschub geleistet, endlich in den woblverdientc» Rudcslant treten wird. Ader auch sonst läßt sich eine tkcilwcise Acndc rung der Richtung erkennen. Man meldet nämlich der „Voss. Ztg." aus Wien: „Unter den Tcutichen Steiermark» ries es seiner Zeit auch große Erbitterung dcrvor, -aß in der dentschcii Stadt Cilti beide Notar- stellen slowenischen Vcw.'berii verlieben wurden. Wie verlautet, wird nun die Regierung dort eine dritte Noiaijtclic errichten und dieselbe einem Teutichen verleiden. Anläßlich der Aushebung des Bejchiusses des Laibacher Gemcinderaibes, die Slraßeu Laibachs nur slowenisch zu benennen, schreib! die „N. Fr. Pr ", es sei seit zwölf Jahren das erste Mal, daß den Ausschreitungen des Sioweneiilbuins eine Schranke gezogen werde. Für die Tcutschen Mains Iniipie» sich an diese zwölf Jahre die dcinnidigstcn Erinnerungen. Wenn es auch wahr sein sollte, daß man der Slamisiruiigspvtitik in Mai» ciilgegeutrelei: wolle, so sei es zu spick, um alle Folge» für Oester reich abznroende»: was aber geschoben kann, sei die Anerkennung der Rechte der Teulschcn und Italiener in den südlichen Mon- ländern." Auch in Bödmen ist man einem gegen die deutsche Sprack e gerichteten Beschlüsse cntgcgengctrcte». So bestätigte daS M.nistcrium des Innern unter Verwerfung dcö RccnrjeS res Prager StadlralhcS den Statthaltern Erlaß, womit der Beschluß des Prager Stadtverordnete» Collegiums vom 30. Mär:, betreffend die Abänderung der Amtssprache deS Prager Magistrats, soweit selber als politische Behörde nngirt, sür nichtig erklärt wurde. Nach dem Beschluß deS Slattralhcö sollte der Magistrat mit den landeSsürstlichen und autonomen Behörden der Länder der böhmischen Krone ausschließlich in ezechischcr Sprache verkehren. Darüber, daß in die österreichische Delegation diesmal auch einige Jungczechcn gewählt wurden — was bei der gegenwärtigen Stärke der Partei nicht mebr zu um gehen war —, herrscht große Freude in der russischen Presse. Sie erblickt darin einen Beweis von dem wachsenden politischen Einfluß dieser Partei. Tie „Nowojo Wrcmja" weiß gar zu erzähle», daß der Jungczechc Eini von seiner Partei den Austrag erhalle» habe, i» der Delegation die Notbwendiglcit einer osterreichis, .ussiscben Annäbernng zu cnipseolcn und für die Krönung des Kaisers Franz Joseph in Prag cin- zuslchen DaS russische Blatt hcnierlt hierzu, wenn auch die Forderungen der Jnngczcchen bei der Delegation kein Gehör finden werden, so haben sie doch einen international- politischen Wcrlb, indem die Delegation gezwungen sein werde, de» Ausdruck der czcchischen Shmpathien und Anti pathien öffentlich anznböre», was die schwierige Lage des Ministeriums Taasfe noch inebr erschweren dürste; den» jede Schwächung der auswärtigen Politik Oesterreichs sei sür die Dauerhaftigkeit dcö europäischen Friedens vortbeilhast. „Also Schwäcching der auswärtigen Politik der Monarchie", so bcincrkt hierzu die „N. Fr. Pr.", „ist, wie die Len Jung- czcchen so befreundete russische Presse hervorbcbt, daS Ziel der Partei des Herrn Vaschalp. In der That ein sehr patriotisches Zicl." Der Wahlsieg der englischen Liberalen wird in besonders überschwenglicher Weise von den serbische» Journalisten gefeiert; die Belgrader Heilungen bringen spaltcnlange Bc- track'tnngen über den günstigen Einfluß dieser Wendung in Großbritannien aus die Geschicke des SerbenIbumS; Gladstonc wird als ein Slawenfreund gefeiert, der bald wieder Oester reich lliigarn sein ..Küiiclg vti" zurufcn werde, damit die Serben Bosniens unk der Herzegowina von dem „Joche Oesterreichs" befreit würden; auch sür die Serben in der Türkei würden nun bessere Zeiten kommen, denn Gladstonc werde deren Unterdrückung nicht dulden. Also die Hoff nungen deS SerbcnlbnmS soll Herr Gladstonc zur Erfüllung bringen. Da würde er mit dem Zaren gemeinsame Sache machen müssen, von dem die Serben bekanntlich alles Heil erwarten. In England dürste Herr Gladstonc sür diese Politik aber keine Zustimmung finden. UcbrigenS werden die überschwenglichen Hoffnungen tcr serbischen Politiker wohl bald einer Ernüchterung weichen müsse» und die Erkenntniß wird sich Babn breche», daß Gladstonc eben so ferne ist wie der Zar und auch nicht die Kastanien sür chauvinistische Baltanpolitikcr aus dem Feuer holen wird. Die fortgesetzten Enthüllungen des bulgarischen Ministerpräsidenten Ctamdutow auö den russischen Ge heim acte u werfen immer schauerlichere Lichter aus das Verbrcchcrtbum und die aller europäische» Eultur Holm sprechende Handtungswcise gewisser russischer Diplomaten auf der Balkanbalbinscl während der letzten 6—7 Jahre. Nach der neuesten, schon gestern zum Theil mitgclheilten Meldung aus Sofia veröffentlicht die „Swoboda" einen Brief dcö srübcre» russischen Gesandten in Bukarest, Hitrowo, auS dem Juni 1880 an den Cbef LcS Asiatischen Departement-, worin mitgelkeilt wird, daß mit Zankow Unterhandlungen angetiiüpfl seien, welche die Entfernung deS Prinzen Ferdinand aus Bulgarien bezweckten. I» dem Briese werde iodann Geld verlangt, welches Zankow an Personen vertheilen sollte, die sich aiibciscbig gemacht hätten, den Prinzen zu tödtc». In der Antwort des Asiatischen Departements heißt eö, daß Zankow zu dem angegebene» Zwecke 50 000 Frcs. übermittelt würden. Von den russischen Blättern haben die „Nowosti" bekanntlich einen schwachen Versuch gemacht, den Eindruck der c»itcn bulgarischen Enthüllungen wenigstens etwas ab- .uschwächen. Jetzt unternimmt cS, wie bereits in der heutigen Morgenausgabe mitgetbcilt worden ist, daü „Journal de l. PelerSb.", die von Stambulow veröffentlichte» Actenslücke sür Fälschungen zu erklären. Das Petersburger Blatt begnügt sick einsam, die Echtheit derselben, wenn auch in etwas wcil- ichwcifigcr Weise adznleugnen, womit natürlich gar nicht« be wiesen ist. Unrichtig ist cs, wen» bas „I. de St. P." behauptet, die Aclenstücke über haupt bättc» im Bellschew-Proceß eine Rolle gespielt; nur eins oder einige wenige derselben sind während der Verhandlungen verlesen worden. Ebenso unrichtig ist die Behauptung desselben Blattes, die „Times" habe erklärt» der Versuch Slanibulow's, Rußland sür die gegenwärtige Lage in Bulgarien vcranlworllich zu mache», sc, kläglich gescheitert. Die „TimcS" bat nur erklärt, daß die Verhandlungen im Bclkschew Processe, innerhalb des Rahmens dieses einzelnen Falles, kein »eneö Belastungsmaterial gegen Rußland er bracht haben. Deutsches Reich. Il Berlin, 27. Juli. Wenn der Finalabschluß der Reichs- banplcassc mit einem (Überschuß von mehr als 3'/« Millionen im Reiche und Mcbrüberweisungen im Betrage von 52 Millionen Mark günstig auch in fo fern zu bezeichnen ist, als das Jftcrgcbiiiß sich nach beiden Richtungen erheblich besser gestaltete, wie der Scbatzsecretair Frhr. v. Maltzahn bei der Vorlegung des ReichShauöbaltsetatS annahm, so liegt die Frage nahe, wie sich der Finalabschluß Preußens für das letzte Rechnungsjahr gestaltet hat. Tie be» treffenden Zahlen werden zwar für Preußen nicht veröffent licht, allein man ist in der Lage, sich aus den vom Finanz- »»nister bei Vorlegung des Etats gegebenen Daten und den inzwischen anderweit bekannt gewordenen Zahlen über den Abschluß der Ncichseasse, der Eisenbahnverwaltung und den Betrag der Ucbcrwcisungen auö ver lex Huene ein wenigstens annähernd richtiges Bild zu entwerfen. Der Finanzministcr Iw. Miguel gab damals das Mehr von Ucbcrwcisungen auS dem Reiche auf 23,7 Millionen Mark, die Mebrüberwcisungen an die Kreise auf !0 Millionen Mark, de» Minke,Überschuß der Eisenbahnverwaltung auf 42 Millionen Mark, den voraussichtlichen RechnungSseblbetrag aus 24,3 Millionen Mark an. Tic drei crstgcdachlc» Beträge sind erbeblich bisher ausgefallen, als im Januar geschätzt wurde. Tic Ueberwcistiiigen vom Reich stellen sich um rund 8,5 Mil lionen. die Ucberwcisungen aus Grund der lex Huene auf rund >2 Millionen, der Mindcrüberschuß der Eisenbahnen auf rund IO Millionen Mark höher. Von diesen drei Posten ist nur der erste für die Staatscasse ein PlnSpostcn, die beiden letzten sind MinnSposten. Der Abschluß der preußi schen StaatScasse stellt sich also um (28—8,5) >0,5 Millionen Mark schlechter, daS RcchnungS- dcsicit mitkin um diesen Betrag höher, als bei Einbringung des Etats angenommen wurde. Bleiben datier die übrigen Ergebnisse der JabreSverwaltniig so wie sie damals angegeben find, so wird mit einem Deficit von rund 44 Millionen Mark zu rechnen sein. Eine kleine Abweichung ist mit Rücksicht auf die erwähnte noch unbekannte Größe nicht ausgeschlossen. Feuilletsn. Der Letzte seines Stammes. 24) Licht- und Schattenbilder von Woldeniar Urban. Stachdru? verboten. (Fortsetzung.) XIV. Möbel von grünem Holz, die sich im Gebrauch „werfen", wie die Tischler sagen, billiges Fabrikinobiliar, billiges Eisen geschirr, Teller und Schüsseln von Steingut und dergleichen, daS war jetzt daS traute Heim de- Millioncn-MariuS oder, wie man ihn jetzt spottweise nannte, deS Rixdorfer Gekeim- rathS. Eine fallende Größe fällt hart und gerade ibm hatte man wahrhaftig Nichts gespart. Dir Entbehrungen aller Art, die Unterlassung kleiner unschuldiger Liebhabereien und Gewohnheiten waren noch nicht das Schlimmste gewesen. Schlimmer, wühlender und beißender war der Spott, der auf Schritt und Tritt sür die Familie lag, mochte sie nun bei der Arbeit, beim Einkäufen ihrer bescheidenen Bedürfnisse oder selbst bei den kleinen ErboluiigS-Spazicrgäiigcn sein, die namentlich die etwas kränklich gewordene und ewig hüstelnde Frau Gebeimräthin Marin- nicht entbebren konnte und durste. Hundertmal an jedem Tage siel ihnen das Wort deS GebeimratbS wieder ein, daS er gleich gesagt batte, als ilni daS Unglück traf, jede Stunde fühlte» sie die Wabrbcit, daß eS viel fchwerer sei, arm zu werden, als arm zu sein! Trotz alledem machte der Gebeimrath aus seinen täglichen Gänge» von Ripdorf nach der Brauerei, aus deren Comptoir er Stellung gesunden hatte, einen energische», kräftigen Ein druck. Mit den Hellen, scharfen Auge», den klugen Zügen, und vor allen Dingen mit dem markigen festen Gang, den er hatte, sah er au«, als ob er in seinen alten Tage» noch die Welt erobern wollte. Er sparte wieder! Er hatte im letzten Monat elf Mark fünfzig Pfennige erübrigt — eine lächerliche Summe, unk doch batten alle drei eine ungebeure Freude daran. Eines Abends lam Herr Marius aber doch wieder mit umwölkter Stirn nach Hause, ganz gegen seine Gewohnheit in der letzten Zeit. Was giebt'S, Robert? fragte seine Frau. Nichts, laß mich! Ist Mimie schon zu Hause? Nein. Sic bat jetzt immer so lauge zu arbeiten — wegen der »aben Wcikiiachten. DaS arme Kind; wen» ibr nur NicktS zustöbt, wen» sic so allein gebt. Ei nun, sie ist doch kein Kind mehr. Eben darum! Aber was hast Du denn, Robert? Weshalb bist Du so verdrießlich? Der Gebeimratb antwortete nicht. Unruhig und ärgerlich lief er im Zimmer herum, strich manchmal mit der Hand über die kräftige Stirn, als müsse er über eine Sacke, die noch verworren und dunkel war, klar werden, oder als wolle er aus einer schwierigen Situation einen vernünftigen Aus weg sinken. Seine Frau lief ab und zu und brachte das Abendbrot»; Pellkartoffeln mit Butter und Salz, dazu Heringe und Brod. Aber eS schmeckte und der Gcheim- ratb batte daraus hin wenigstens keine Marienbader Eur nölbig. Nun also? fragte die Gebeimräthin wieder, als sie Beirc beim Essen waren, und sab ibren Mann fragend an. Nun, cS ist ganz gut, wenn wir die Sacke Äcide zu sammen überlegen, Amalie. Weißt Tu, wen ick beute Nach mittag gescbcn babc? Wie kann ich das wissen? Den Maler Gernot. De»! sagte die Gebeimräthin überrascht und hielt mit Essen inne Marin« nickte bejahend und seine Frau fuhr eifrig forschend fort: Hast Tu mit ibm gesprochen? Nein. Ick bin ihm niit knapper Noth auSgewichen. Er schien mich zu suche», aber ich wich ibm auS; ich — ich konnte nicht mit ihm sprechen! Warum nickt, Robert? Weil — ick mich vor ibm schämte! Du schämtest Dick!! Ich dachte, Du hättest da- nun nach »iid nack verlernt! Nicht deshalb! Amalie, Du denkst, weil wir arm sind? Er sab seiner Frau dankbar in- Gesicht und fuhr innig fort: Nickt deshalb. Haben wir uns deshalb zu schämen? DaS I soll u»S nur erst einmal Einer nachmachen! Also, weshalb denn? Du erinnerst Dich doch an die Kiste, die vorige Weihnachten aus Rom eintras und in der ein Brief für Mimie lag. Ja doch, ja doch! Nun? Sic war von ibm! Es stand gar nichts Besonderes in dem Briese, Grüße, Anfragen, wie wir uns befinden, freund liche, bösliche Worte — weiter Nickst-. Aber — ich sah da mals Alles noch durch die Millionairbrille — ich — ich habe Alles unterdrückt! Du nahmst ihn — für einen Spekulanten? Der Gebeimrath nickte. Dann fuhr er fort in einem Tone, als wenn ein reuiger Sünder bekennt: So ist'«, nnd das ist noch nicht Alles! Es wäre billig gewesen, Brief und Sendung zu beanlworlcn, aber die unglück selige Millivnairbrille schob Alles bei Seite, er bekam nickt einmal eine Antwort. Dazu kommt, daß wir Herrn Gernot in dem Verdacht eines leichtsinnige» Schulkenmachers batten, was er nicht war. Herr Gernot ist ein ehrcnwcrthcr Mann und tüchtiger Künstler geworden. Er kramte ein ZcitungSblatt aus seiner Tasche, daß er seiner Frau zum Lesen binreicktc. Hier, lies! Fra» Gebeimrätbin laS: Kunst-Notiz. Großer Anziehungskraft erfreut sich beim kunstverständigen Publicum ei» seil Kurzem in der Kunst- banrlutig von ausgestelltes Gemälde, das den Titel: „Der Tod tcr Virginia" trägt. .DaS Bild verdient diese Ansmerksanikeit im hoben Maße, den» eS vereinigt großartige Eomposilion, vollendete Technik und eine innerliche dramatische Wärme i» fick, welcke cS zu cinci» Meisterwerk ersten Ranges erbeben Ter Schöpfer des Bildes, welcher der neneren Berliner Schule angcbört, ist ein »och junger, aber glücklict, beanlagtcr Mitbürger von uns, Herr Walter Gernot, ker in kielen Tagen aus Rom zurückgekehrl ist. DaS Bild soll leider an einen amerikanischen Händler für 25 000 Mark verkauft sein und dürste in diesem Falle wohl kaum den Berlinern erkalten bleiben. Nun. sagte die Frau Gebeimrätbin nach einem kurzen Nachdenken, die Sache ist dock einfach genug, Robert. T» mußt das mit Herrn Gernot schriftlich oder mündlich wieder gut macken. Irren ist doch menschlich und wir sind doch auch Menschen. Eben dcsbalb! rief Herr MariuS ziemlich energisch, Herr Gernot ist auch ein Mensch! Wird er nicht denken, wir wollten u»S in unserer Armutb, in unserer gedrückten Lage wieder an ihn beranschlcicken, während wir früher als reiche Leute nur Nachlässigkeit und geradezu Rücksichtslosigkeit gehabt haben ? Sein Jrrlhum wäre, Gott sei'S geklagt, eher zu ent schuldigen als der unsere. Nn», cs wird sich eine Art und Weise finden lassen? Wir werden die Sache überlege», Robert, und wir werden das Richtige sinken. . Ei, ja doch! Mir ist die Sache schon den ganzen Nach mittag durch den Kops gegangen nnd ich habe Nicht« ge funden, durchaus Nichts! Tie Sache ist verwickelter als Du glaubst. Wie so den»? Mimie bat sich damals, wie Du ja Wohl auch weißt, für den Maler sehr intcreslirt. Vielleicht mehr, als wir je ge glaubt haben. Aber wir natürlich batten Beide unsere be sondere» Brillen aus! ES ist wahrhaftig in der Welt, wenn ci» Unglück geschieht, iminer so, als wenn eS batte sein sollen. Wir sahen den Herr» Gernot nicht oder saben ihn falsch, weil uns der Gras im Lichle stand. Wir fürchteten einen Spekulanten, weil unS schon einer beim Kragen hatte. Siebst Du nun ein, wie schwierig die Sache liegt? Und dabei wisse» wir nicht einmal, wie das jetzt mit Mimie steht? DaS Mädchen ist so verschlossen DaS will ick schon macke», dahinter will ich wohl bald komme», das laß Dick nicht kümmern, Robert. Was willst Du tbu»? Still, ich höre Mimie kommen. Tu wirst es gleich sehen! Wir müsse» erst sontiren. Fräulein Mimie trat ein und begrüßte ihre Eltern. Sie batte sich im Ganze» wenig verändert. Es war noch immer die feine Gestalt, die zarte Ebenmäßigkeit, nur die weichen, runden Linien des Gesichts hatten etwas härteren, mehr energischen Zügen Platz gemacht, aber durchaus nicht zu ihrem Nachldeil. Sie f'ah nickt mehr so kindlich auS, war aber dadurch strenger in der Form, schöner geworden. Im Uebrigc» war sic srisch und munter» die Arbeit bekam ihr ^ut.
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