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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920804027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892080402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892080402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-04
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Die französische Presse begnügt sich, soweit wir sie übersetzen können, damit, einige der markantesten Ttzatsachen mitzutheilen, hütet sich aber sorgfältig, auS den begeisterten Kundgebungen, die dem Einiger der deutschen Stämme dargebracht wurden, einen Schluß auf die Treue zu ziehen, mit welcher die überwiegende Mcbrheit des deutschen BolkeS an dem Rcichsgcdaukcn sesttzält. Ganz ebenso verhält sich die russische Presse, die dadurch ganz ebenso wie die französische den Beweis liefert, wie angenehm es itzr wäre, wenn in Deutschland der ParticulariSmus in noch üppigere Blüthcn schösse und den Einheilsgetaukcn über wucherte. In Oesterreich-Ungarn und Italien legt man dagegen — von den Czechen und den Franzoscnfreundcn natürlich abgesehen — besonderes Gewicht gerade aus das, waS Franzosen und Russen peinlich ist, und bezeichnet es als einen »schönen Zug des deutschen Volkes", daß cS den »Schöpfer des Reiches" nach seinem Sturze nickt weniger bochhält, als srüber. Die Lenker des neuen EurseS in Deutschland könnten hieraus eine wichtige Lehre ziehen. ES kann übrigens nicht fehlen, daß auch da, wo man im Großen und Ganzen die hochpolitische und inter nationale Bedeutung der Reise des Altreichskanzlers und ihrer einzelnen Phasen richtig aussaßt, cine^ falsche Deutung einzelner Vorkommnisse mit unterläuft. So knüpft die Wiener „R. Fr. Pr." an den Umstand, daß Fürst Bismarck in Jena die Nothwcndigkeit einer Stärkung des deutschen Parlamentarismus gefordert und damit ein »vollwichtiges Zeugniß sür die liberalen Ideen" abgelegt hat, folgende Aus lassung: „Daß der Mann, dem Deutschland seine Einigkeit verdankt, cs ablegt, kommt aber wohl nicht ausschließlich daher, daß er heute nicht mehr Reichskanzler ist. Wenn wir die offenbare Metamorphose, die mit ihm vorgegangen, ganz verstehen wollen, so müssen wir die Huldigungen in Rechnung ziehen, welche ihm zu Theil geworden Erinnern wir uns der Worte, welche er vor nicht langer Zeit ge sprochen: „Früher ward ich von den Fürsten mit Ehren über- häuft; jetzt scheint LaS Volk an ihre Stelle zu treten." vielleicht sagte Bismarck das nicht ohne Bitterkeit, aber die Erklärung seiner Wandlung scheint in diesem Satze zu liegen. In seinem Glanze hat Bismarck zu viel von den Fürsten und zu wenig vom Volke erwartet. „Das Reich ruht nur auf den Fürsten", ist einer seiner markanteste» und falschesten Aus sprüche. Keiner der deutschen Fürsten dankt es ihm ehrlich, daß er das Reich gegründet. Sie haben nichts dabei gewonnen, nur an Selbstherrlichkeit eingebüßt. Das deutsche Volk aber hält ihn hoch, weil er ihm statt der sechs- unddreißig Vaterländer, deren buntscheckiges Bild der Witz der anderen Nationen verhöhnte, Ein Vaterland gegeben, und um dieser Niejcnleistung willen verzeiht cs ihm so manche Schwächen und Fehler seiner inneren Politik. Bismarck suhlt das mit stolzer Befriedigung, wohin er seinen Schritt lenken mag; er hat früher den deutsche» Volksgeist zu gering geachtet; nun hat er seinen Hauch verspürt und räumt ein, daß er bis hoch hinaus erfrischend und belebend wehen solle." Da- ist ein schwerer Irrthum, gegen den die gesammte deutsche Presse Einspruch zu erheben verpflichtet ist, damit er nicht in jenen Reichen, denen schon die Begeisterung des deutschen Volkes sür den Schöpfer der nationalen Einheit ein Dorn im Auge und ein Pfahl im Fleische ist, die Hoffnung erweckt, eS werde nur eines Anstöße- von außen bedürfen, um die deutschen Fürsten zum Abfalle vom Reiche zu veran lassen. Tie deutschen Fürsten haben fast ohne Ausnahme de» Beweis geliefert, daß sie nickt nur genau wisse», waS sic durch die Gründung des Reiches gewonnen, sondern daß sie auch fest ent schlossen sind, diesen Gewinn erhalten zu helfen, auch wenn kies nur mit neuen Opfern möglich sein sollte. Für das, was Bismarck für das Reich gethan, sind sie ihm dankbar auch beute nock und werden cö bleiben immerdar. Das weiß auch der Fürst und bat dieser Kcnntniß wiederholt offenen Ausdruck gegeben Er hat früher nicht die NeichStreue der deutschen Fürsten überschätzt, sondern nur die Reichstreue des deutschen Volkes unterschätzt. Und wenn er jetzt eine Stärkung teS deutschen Parlamentarismus sür nöttzig hält, so bat das lediglich seinen Grund darin, daß er in Preußen eine innere Politik besorgt, die nickt nur diesem Staate vcrtzänguißvoll werten, sondern auch Fürsten und Völker der übrigen deutschen Staaten in Gegensatz zu dem führenden Staate bringen könnte. Ter Rückt ritt He rrfurt b's vom preußischen Ministerium teS Innern gilt als ausgemachte Sache. Die Differenz mit b>r. Miguel in der Gemeindeslenerfrage dürste jedoch nicht den Grund seines Ausscheidens bilde», vielmehr wird an genommen, daß Herr Herrfurttz die ttzatsächlich bestehende, aber überwiegend theoretische Meinungsverschiedenheit zum Anlaß nimmt, einen Platz zu räumen, Len der bisher ohne Ressort dem Ministerium präsidirendc Graf Eulenburg sür sich in Aussicht genommen bat. Es war schon bei der Trennung der Aemier des Reichskanzlers und preußische» Ministerpräsidenten als bestimmt angenommen worben, Laß der Letztere durch Uebernabme eines wichtigen Departements seinen Einstuß zu stärken beabsichtigte. Eonjcctural- politikern bleibt eS unbenommen, aus der Thatsachc, daß sich Graf Eulenburg im preußischen Ministerium fester setzt, die Folgerung zu ziehen, daß an eine Neubesetzung des ReichS- kanzlerpostenS vorerst nicht gedacht wird. Herrn Herrsurth mag sein Entschluß erleichtert werden durch die ibm nicht unbekannte Ttzatsache, daß er sich an der höchsten Stelle nickt jenes Maßes von persönlicher Sympathie zu erfreuen hat, welches einem Minister wünschenswcrth erscheint. In der preußischen Vcrwaltungögeschichte ist dem begabten und überaus pflichttreuen Beamten ein unvergängliches Andenken gesichert. In der Landgemeinde-Ordnung hat er ei» Werk geschaffen, das an die lange unterbrochene, erleuchtete VerwaltungSgcsctzzebnng, wie sie der ältere Graf Eulenburg begonnen, auknüpste und für die politische Entwickelung des preußischen Ostens erfreuliche Aussichten eröffnete. Wie sehr ihm die von den Extremen geführten Eonservativen die Reform erschwerten, ist noch in frischer Erinnerung. Ueberbaupt ist Herr Herrsurth den Neckts- conservativen von Anbeginn ein Dorn im Auge gewesen. Der reactionairc Adel konnte cS nicht verwinden, daß seine in Verwaltungsstellen bcfindlichcn Genossen von dem bürger lichen, zudem sehr gemäßigt eonservativen Minister Befehle entgegen zu nehmen hatten. AuS diesem Grunde zählt sein Rücktritt zu den zahlreiche» unerfreulichen Vorkommnissen der Zeit. Ans dem innerconservativcn Schlachtfelde scheint der Siegeslauf der KreuzzcilungS Leute gehemmt. Wie die „Eons. Eorr." mittheilt, hat der Parteivorstand beschlossen, vor Abhaltung eines Parteitages die ReickstagSfraction über die Programmänderung zu hören. Dieser Fraction aber gehört Herr von Helldorff an und, nebenbei bemerkt, auch der fränkische Lauer Lutz, der rundheraus erklärt hat, er werbe nicht mehr mitthun, wenn der „Iudenparagraph" ins Programm käme. Der Befckluß des Parteivorstantcs ist aus oem Grunde von größerer Tragweite, weil die Extremen im Westen mit der Secession für den Fall gedroht haben, daß der Parteitag nicht nock im Sommer zusammcntrcte. Das ist aber nunmehr ausgeschlossen, weil, wie die „Eons. Eorr." ausdrücklich bemerkt, nickt einmal die Vorberathnng der Ncichstagssraction vor dem Frühhcrbst stattsinteu kann. Tic „Krcuzzig.", welche die Nevclvcrcrklärungen teS westdeutschen Parteiorgans beifällig wiedergcgebc» bat, enthält sich noch einer Aeußcrung über den Vorstandsbeschluß. Ta« Blatt ist nicht gerade in einer bcucidenSwerttzcii Lage, denn cö hat sich mit noch einem anderen Beschluß abzufindcn, wonach die — bisher geradezu unvernünftig geringe — Vertretung der ReickStagssraclion im Parteivorstand verstärkt werde» soll. Seit dem Abschluß der neuen Handelsverträge ist zum mindesten schon ein Dutzend Mal von handelspolitischen Verhandlungen mit Rußland die Rede gewesen, die den Zweck haben sollten, dem russischen Getreide die Be günstigung des ermäßigten Zollsatzes bei der Einfuhr in Deutschland zu sichern. Ebenso oft aber ist die Rachricht widerrufen worden. Inzwischen hat Gras Eaprivi sich von deni Reichstage die Vollmacht ertbeilen lassen, den jenigen Staaten, die entsprechende Zugeständnisse machen würden, bis znm k. Deccniber dieses Iabres provisorisch die Neckte der meistbegünstigten Ration einzuränmcn. Zuletzt ist von dieser Vollmacht in dem Abkommen mit Rumänien Ge brauch gemacht worden, welches am 4. Juli in Kraft getreten ist. Von den Staaten, die für die Getreideeinfuhr nach Deutschland von Bedeutung sind, ist also zur Zeit nur Ruß land noch im Rückstand. Endlich scheint auch in St. Peters burg der Widerstand gegen eine zollpolilische Annäherung an Deutschland erlahmt zu sein. Wenigstens wird auf das Be stimmteste gemeldet, daß Rußland Schritte gethan habe, um die Beseitigung des zur Zeit bei uns in Kraft befindlichen höheren Zolles auf russische Getreide-Einfuhr zu erlangen und daß am nächsten Montag zunächst Vertreter der deutschen Rcichsbchördcn und der preußischen Ministerien zusammentreten, um gegenüber der Anregung Rußland- Stellung zu nehmen. Daß Rußland, weil eS sein Getreide zu den ermäßigten Zollsätzen in Deutschland ein- zusübren beabsichtigt, Zugeständnisse zu Gunsten deS deutschen Exports machen muß, liegt auf der Hand. Aber bisher hieß es, Rußland sei nicht in der Lage, seine Eisenzölle, die doch in erster Linie in Betracht komme», zu ermäßigen, weil die Regierung sich den russischen Eisenindustrielien gegenüber sür einen längeren Zeitraum gebunden habe. Es wird sich ja bald Herausstellen, ob die russische Regierung die Interessen seiner jungen Eisenindustrie höher schätzt, als die Interessen der Landwirthschasl, die auf dem besten Wege ist, von dem Absatz in Deutschland aus geschlossen zu werden. Angesichts der neuen Meldung von der Einlcitnng der Verhandlungen mit Rußland erinnert man sich, daß die „Kreiizrkg." neulich anscheinend ohne jeden äußerlichen Anlaß einen Signalschuh abfeuerte, indem sie von der Absicht sprach, die Getreitczölle noch unter den in den Verträgen mit Oesterreich-Ungarn rc. festgesetzten Zollsatz zu ermäßigen. Welche Bewanktniß es mit kiesen Befürchtungen der „Krcuzztg." bat, muß dahingestellt bleiben. Sollten diese in der Tbat berechtigt sein, was wir vorläufig noch be zweifeln, so würde cö selbstverständlich eines ossiciellen Ver trages bedürfen, der erst nach cingeholter Zustimmung des Reichstags in Kraft treten könnte. In Frankreich ist die Ferienperiode zu arm an Leit artikel-Stoffen, als daß sich die Blätter nicht mit einiger Befriedigung der Nachricht bemächtigt hätten, die äußerste Linke bemühe sich schon jetzt, die Wiederwahl Earnot'S zum Präsidenten der Republik zu verhindern. Ter Plan Ickeint etwas verfrüht, denn für mehr als zwei Jahre »och ist das Elysöe Herrn Earuot als Amtswohnung an gewiesen, und man denkt im Lande sicherlich zur Stunde sehr wenig daran, welchen neuen Bewohner man ihm zu geben Kälte, aber es läßt sich allerlei mehr oder weniger Interessantes über die Sache sage». Und gerade weil alle Welt sich die Miene giebt. in ihr blos eine principielle Frage zu sehen, die über de» Kops Earnot'S hinweg behandelt werken müsse, ist man schnell dahin gelangt, von einer principiellcu Lösung, d. h. von der Veränderung der Verfassung zu sprechen. In dem Art. 2 der letzteren Hecht es. »Der Präsident wird sür 7 Iabrc gewählt; er kann wictcrgewähll werden." Folgt daraus nicht, daß man diese Bestimmung absckaffen muß, wenn man sich nicht der Gefahr aussctze» will, entweder einen Mann zu verletzen, der sich durch seine Amtsführung allgemeines Lob erworben hat. oder allen republikanischen Grundsätzen zuwider diesen Mann ungebührlich lange an der Spitze des Staates zu erhalten und gewissermaßen einen Souverain aus ihm zu machen? Von dieser Ver fassungsänderung, die seit zwei Jahren dank der boulangistischen Unternehmung stark in Verruf gekommen war, wird neuerdings viel die Rede sein. Doch läßt sich annehmen, daß die voraus sichtlichen Erörterungen bloS dazu dienen werden, der Presse die parlamentarische Fericnpause zu erleichtern. Im Uebrigen können sic nur die praktische Wirkung haben, da» Land und die Mehrheit des Parlaments vollends gegen jenen Plan der äußersten Linken cinznnehmen. Die Masse der Franzosen wird nicht die geringste Lust zeigen, die Entfernung Earnot'S an der Präsidentschaft durch eine so umständliche und bedenkliche Operation wie die Verfassungsänderung zu erkaufen. In- wischen hat der »Figaro" sich danach erkundigt, waS Earnot elber von der Angelegenheit halte, und von den urtheilS- fäbigen Personen, die den Präsidenten in der letzten Zeit gesehen haben, ist ihm dieser Bescheid geworden: „Herr Carnot ist entschlossen, strenger al» jemals die unpersön liche Haltung zu beobachten, die seine Feinde selber nicht ableugnen können. Er wird nicht aus deren Angriffe antworten und bi» zu den letzten Monaten seiner Präsidentschaft warten, um bekannt zu machen, ob er von Neuem als Bewerber auftrete. Da» ist die einzige Aenderung, die durch diesen Streit in seinem Benehmen herbciaesührt worden ist; denn im letzten Jahr« erklärte er, wie man sich erinnert, seine» Freunden ziemlich offen, daß er die Absicht habe, sich nicht wieder zu bewerben. Die ausschließlich gegen ihn gerichtete Frage der Wiederwahl nöthigt ihn, hinfort in diesem Stücke die größte Zurückhaltung und da» vollkommenste Schweigen zu beobachten." In den Pamirgegenden soll e- nicht ganz geheuer sein. Ein indische- Telegramm spricht von dem Erscheinen dreier russischer Truppcnabtheilungen, welche die ganze dortige Gegend bis zum Hindukusch besetzt haben sollen. Daß mit dem russischen Vorstoße im vergangenen Jahre die Unternehmungen gegen daS Pamirgebict vom Norden ber ihren Abschluß gefunden haben sollten, war kaum anzunehmen; daß aber der dortige Natu» quo schon jetzt wieder angetastet worden, dürfte, wenn die betreffende Meldung genau ist, darthun, daß die intellec- lucllen Urheber des EoupS und die militairischen Führer der russischen Streitkräfte in Mittelasien in neuester Zeit der Ucberzcugung geworden sind, die Hindernisse, welche voriges Jahr ihren Absichten im Wege standen, kämen gegenwärtig nicht mehr in Betracht. Offenbar wirkt der in England rin getretene parlamentarische Scenenwechsel mit der nahen A»S- sicht ans den entsprechenden Umschwung an der Regierungsstelle vielfach dort rrmutbigend und anspornend, wo man bisher, dem Prestige des Ministerium- Salisbury Rechnung tragend, sich wohl gehütet batte, seine eigene Action mit den Interessen der englischen Weltniachtstellung in Eonflict zu bringen. Japan ist durch die versuchten anarchistischen Attentate auf den Grafen Okuma und den Justiz- und Handel-minister Kano auch noch zu einer Ministerkrisi« gekommen. Kairo wurde zum Minister deS Innern ernannt und die- veranlaßtc den Ministerpräsidenten Matsukate, wie bereit« in der Morgen ausgabe gemeldet, seine Entlastung zu geben. Der Prä sident de- Geheimen Raths, Ito, wird voraussichtlich mit der Bildung eines neuen EabinctS betraut werde». Angesicht- der stets wachsenden Opposition im Parlament, der Ab lehnung aller da- Verhältniß zu den fremden Mächten berührenden Vorlagen und der seit den Wahlen sich stets steigernden Unzufriedenheit der Bevölkerung war ein Minister- Wechsel längst zu erwarten. Ob damit auch ein Wechsel des Systems eintritt, ist nickt bekannt; bi»her verstand e» die japanische Regierung noch immer, ein gutes Verhältniß mit dem Auslände aufrecht zu erhalten. Sollte ein directc- Parleiministcrium ans Ruder kommen, mag dasselbe den Reihe» der Aiyuto- oder der Kaishinto-Partei entnommen sein, würde sich dieses Verhältniß bald ändern. In der VertragSrcvisionSsrage zeigte es sich bisher deutlich, daß die großen parlamcntarijchen Parteien zu keinerlei Zugeständnissen an die Fremden bereit sind. ^euilletsn. Schloß F6n6trange. Ein Roman aus den Vogesen. 3s Bon O. Elster. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) »No, i dank — i tanz net . . . »Mit dene Augen net tanzen iS a Sünd ", rief der trunkene Bursche. „Komm mit, Maidle!" Er versuchte, die Zigeunerin sortznzieben. Da blitzte es in den dunklen Augen der Dirne aus, und che sich's der Bursche versab, erbielt er einen kräftigen Stoß vor die Brust, daß er zurücktaumelrc und zu Boden gefallen wäre, wenn ihn nicht einige Kameraden aufgesangen hätten. »Hoho! Jockel, was bascht? Hat Dir die wilde Katz' eins versetzt?" »Ter Teufel mag sie holenl" keuckte der trunkene Bursche. »Aber tanzen soll sie mit mir . i>acrü vom «l'nne pipvl" Mit diesem kräftigen Fluch wollte er auf Marianne ;n- stürzen, aber plötzlich trat ibm ein deutscher Soldat entgegen, der a» den goldenen Tressen am Kragen und Aermciauj schlägen als Unlerossicier zu erkenne» war. »Zurück da, Bursche!" rief der schlankgewachsene, blonde, junge Unlerossicier. „Rühr' mir da- Mädel nicht an, oder Du bekommst mit mir zu tonn." »WaS? Du willst mir verwehren, mit der Zigeuncrtirn' zu tanzen, Tu tütscher Lumpe . . Kaum war deS Burschen Lippen daS Schimpfwort ent flohen, als ihn ein Fausijcklag des denlseycn UntercssicierS traf, der ihn zu Boden schmetterte. Ein Schrei der Ein rüstung des Zornes und des Hasses gellte durch die Menge. Die Burschen stürzlcn fick aus den deutschen Soldaten, dem wiederum seine Kameraden zu Hilfe kamen. Ein wirres Durcheinander entstand. Staub wirbelte empor. Sckrcien, Kreischen, Verwünschungen und wilde Rufe erschallten. Ter Tanzplatz halte sich plötzlich in ein Schlachtfeld rerwantcll. Di« Musik schwieg; stumm, fast gleichgillig schauten di« Zigeuner der Schlägerei zu; sic waren an solche Scencn ge wöhnt, gab cö dock fast auf jeder „Mcßti" eine tüchtige Rauferei. Marianne halte sich hinter den mächtigen Baum stamm zurückgezogen und schaute von hier mit angstvollen Blicken ans die kämpfenden, tobenden, schreienden Männer. Wie war cs nur gekommen, daß der blonde Soldat sich ihrer so rasch angenommen hatte? Ja, sie hatte schon seil einiger Zeit gemerkt, daß dcö jungen Mannes blaue Augen bewundernd aus ihrer Gestalt gcrukt, und der Blick dieser glänzenden, blauen Augen batte es auch bewirlt, daß sie die Aufforderung Iockel'S so schroff znrückgcwiescn. Sie sah den Deutschen nicht zum ersten Mal. Droben, beim alten Förster Icanin batte sie ihn schon gesehen, ohne daß er sie bemerkt batte. Sein Blick wirkte aus sie wie der Blick der großen, glänzenden -Lchlangenangcn ans ein Vöglcin, das vergebens strebt, sich dem verderblichen süßen Zauber zu entziehen. Und jetzt rang der schlanke Kriegsmann dort mit mchrcren derbknockigen Arbeitern der Eisenhütte! Wenn er einen Gegner al geschüttelt batte, griff ihn ein Anderer von Neuem an; der ldat mußte nnterliegcn, weshalb zog er nicht seinen Säbel ? Jetzt erfaßte er een Griff seines Hirschfängers, jetzt zückte er ibn empor, jetzt sauste es nieder, und mit einem entsetzlichen Schrei stürzte ein Gegner de- junge» Kriegers zu Boten. Die Andere» wiche» vor der blanken Waffe ickeu zurück. Auch die übrigen Soldaten hatten ihre Hirsch fänger gezogen und wollten sich auf di« Menge stürzen, die begann, sich mit Werkzeugen, schweren Krügen, Stuhlbeinen und dcrgieiwen mehr z>^ bewaffnen. Aber der junge Unter» osstcier rief mit lauter Stimme: »Steckt die Seitengewehre ein. Kameraden. Es ist genug, daß ick den Burschen da gezeichnet habe. Ich glaub,, er bat genna." Bialüoerströmt, besinnungslos lag Jockel am Boden. Ter Hieb der Waffe hatte mit voller Wucht seine Stirne ge troffen und eine lange, breite Wunde quer über Stirn und Nase gezogen. Di, Kainpstust war aus beiden Seiten ab- gclüblk. Mit finsteren Mienen beobachtete man sich gegen seitig. während einige Freunde des Verwundeten diesen aus- richicte». Plötzlich wich di» Menge scheu auseinander. Dir Wirth des „Goldene» Löwen" hatte den Gciidariucn hcrbcigeholt, der jetzt auf dein Tanzplatz erschien. Auch der Maire des OrteS, ein aller Bauer, stolperte eilig berbei. Tie Männer und Frauen umringlcu klagend und schreiend die Beamten, welche vergeblich um klaren Ausschluß über de» Vorfall baten. Schließlich trat der deutsche Unteroffizier aus den Gendarmen zu, indem er sagte: »Ich will Ihnen Ausschluß geben, Herr Sergeant. Der Mann da bat mich geschimpft, woraus ich ihn z» Boden geschlagen habe. Dann wurden wir von den Burschen an gegriffen , und schließlich blieb mir nichts weiter übrig, als von meiner Waffe Gebrauch zu macken." »Schlimme Geschichte da«, Kamerad", enlgegnclc der rothbärtige Gendarm, dessen breite Brust mehrere Medaillen und OrdcnSzeichen schmückten. Schlimme Geschichte! Muß eS Ihrem Eouimandeur »icldc», kann nicht anders, so leib es mir tbut." »Thun Sie nur Ihre Pflicht, Herr Sergeant. Ter Bursche saß mir mit dein Messer a» der Keblc, ich konnte mich seiner nickt anders erwebren, als daß ich ihn niederhieb. Sehen Sie, da liegt das Messer." Etwas abseits von dem Nicdcrgestürzten lag ein offenes Messer, ein sogenannter Genicksäiigcr mit rauhem Hirschhorn griff. Ter Gendarm hob cö auf. „Kennt Jemand den Besitzer des Messer-?" In finsterem schweigen stand die Menge. Niemand wollte den Kamerade» verrathen Ta trat plötzlich die junge Zigcnneri'i in den Kreis der Männer, unk die schwarze» Auge» fest aus de» deutschen Unlerossicier gerichtet, der unter dem glühende» Blick unwillkürlich errölhetc, sprach sie: »Ich kenne daS Messer, Herr Gendarm. Es gekört dem Jockel da, mein Großvater bat eS ibm selbst verkauft." »Kannst Tu da- beschwöre», Mädchen?" »Ich kann -, und mein Großvater auch." „Herr Gendarm", mischte sick jetzt ein alter, weißhaariger Mann, dessen kurze Blousc und weiße Zipfelmütze verriethen, daß der Mann an- dem Elsässiscken stammle, „i Hab' auch affehen, daß der Bursch' da da- Messer gegen den dütschen Soloaten erhoben" »So, Ihr habt - gesehen? Wer seid Ihr denn?" „Ich bin der alte Köhler Christoph vom Donon droben, wo »ici Hütte» bab'. Der Herr Oberförster und der Herr Förster von Dachsburg, sie kennen mi schon." »Es ist gut. Wer»' mir Euren Namen merken." Der Gendarm notirte sich etwa- in sein Notizbuch. „Dein Großvater ist der Alte dort, nicht wahr? — Ah, ich kenne Len alten Joseph. Na, Joseph, da könnt Ihr einmal ein gute« Wert thun, wenn Ihr Zeugniß sür den Herrn da ablegt. Ich werd' Euren Namen mit auf schreiben." „Thut'S net, lieber Herr Gendarm. Hab' net gern mit'm Gericht zu schaffen." „Glaub- gern, alter Sünder", lachte der Gendarm. „Diesmal geblS aber nickt ander-. — Und nun tragt den Burschen ins WirthShanS, daß wir nach seiner Wunde sehen können. — Adieu, Kamerad, eS thut mir leid, aber ich muß c» melden." „Adieu, Herr Sergeant . . ." „Und wenn Sie mir einen Gefallen erweisen wollen, Kamerad, so kehren Sie mit Ihren Freunden nach Zaber» zurück, sonst giebt« doch noch Streit." »Wir brechen sofort aus, Herr Sergeant." „Na, dann aus Wiedersehen, und nicht« für ungut, daß ich meine Pflicht thun muß" Der suchsbärtiac Sergeant entfernte sich mit dem Maire, der, weil er kein Wort Deutsch verstand, den Gendarm di« vorläufige Untersuchung balle führen lasten. Man brachte den verwundeten Jockel nach dem WirthShause, wohin die Menge folgte; nur die Zigeuner und die deutschen Soldaten blieben aus dem Tanzplaye zurück. »Kommt, Kameraden", sprach der jung« Unterofficier, „wir wollen uns aus den Heimweg macken. Das war ei» schlechte« Sonntagsvergnügen. Adieu, Mädchen, ich dank« Dir sür Dein Zeugniß." Er reicht« Marianne dir Hand; schüchtern legte sie ihr« gelblich blasse, schmale Rechte in die srinige und blickte z» ihm auf. Eine Zeit lang rubten beider Augen ineinander, d«»n riß plötzlich Marianne ibre Hand au« der de« jungen Soldaten und floh davon, i» wrnigrn Augenblicke» iw «altzr vrrschwiadrnd.
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