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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920823027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892082302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892082302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-23
- Monat1892-08
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Jnsertio«spreiS Die SgespaUme Petitzeile NO Pfg> Neclamea unter dem Redsctionsstrich tsge» spalten) 50-^, vor den gamilieuuochnch»» (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Vre!-, verzetchnlß. Tabellarischer und Ztffmrsstz nach höherem Tarif. «rtra.Veils,e» (gesalzt), »ur mit de, Morgen »Ausgabe. ob ne Postbesörderung X 60—, mit Postbesörderung 70.—. »o-c- > Auuahmeschluß für Inserate: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags »Uhr. Sonn» und Festtags früh '/,S Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Inserat« sin- stets an dt» ErpsAttt«» „ zu richten. Druck und Verlag von ik. Polz In Leipzig. 8K. Jahrgang politische Tagesschau. * Leipzig, 23. August. Die Auslassungen des Kaisers über dir zwei jährige Dienstpflicht scheinen nach ihrem wesentlichen Inhalte anfänglich in der Presse unrichtig wirdergegeben worden zu sei». Der häufig zu hochofficiösen Mitthnlungen benutzte „Hamburger Evrr." hat di« ersten Zeitungsmeldungen bereits dahin berichtigt, daß die Aeußerung des Monarchen keine unbedingte Ablehnung gewesen sei und hauptsächlich bezweckte, die Erörterungen Uber die bevorstehende Militair- Vorlage abzuschneiden. Die letztere Feststellung ist unbedingt zutreffend, die erste dürfte einen Tbeil der Wahrheit enthalten. Ter Kaiser ist tbatsächiich nach der Kritik der Parade dazu Ubcr- gegangen, sein Mißfallen Uber diejenigen Preßerörterungen der Mililairvorlage und zwcijährigenDieiislzeit auszusprechen,die un verkennbar auS militairischen Federn stammen. Sodann aber hat der Monarch, wie wir als zweifellos an nehmen zu dürfen glauben, das Vorhandensein einer Heeresvorlage für den nächsten Winter constatirt, welche die zweijährige Dienstzeit mit sich bringt. Diese Borlage hat allerdings, wie der Kaiser betonte, seine Gcnebmigiuig »och nicht erlangt, aber ans einer der weiteren Auslassungen ging bervor, daß der Kaiser der zweijährigen Dienstzeit sticht entgegen ist. Der Monarch erklärte nämlich, daß die Vorlage miiilairische „Eorrelate" der zweijährigen Dienstzeit enthalte. Nur für den Fall, daß der Reichstag diese Korrelate aus der Vorlage eliminire, würde er einem kleineren Heere mit längerer Dienstzeit den Vorzug „vor einem großen Haufen" geben. Für eine etwaige Ablehnung der auSglcichcndcn Forderungen durch den Reichstag hatte der Monarch ein sebr scharfes Wort. lieber Beschaffenheit und Umsang der „Eorrelate" sind selbst verständlich keinerlei Andeutungen aus dem kaiserlichen Munke geflossen, zweifellos sind erhebliche Mehreinstcllungen und be trächtliche Mehrausgaben gemeint. Die politischen Be trachtungen, die in der Presse gerade a» die Verwerfung der zweijäbrigen Dienstpflicht geknüpft wurden, sind also hinfällig. Bessere Erwartungen in Bezug aus den künftigen Gang der allgemeinen inneren Politik scheinen aber nach der Richtig stellung der kaiserlichen Worte kaum gerechtfertigt. Für die nächste Reichstagssession ist mit der Mililairvorlage ein ge waltiger Stvritpunct und gleichzeitig ein Zahlungsmittel geschaffen, mit dem die reactionairen Parteien im Reichstage die preußischen Zugeständnisse der Regierung zu berichtigen vermögen. Nicht nur das Eentrum wird der Annahme eine» Mililairvorlage «ine große Kaufkraft beimessen, auch die Rechtsconsrrvativen, die ja die zweijährige Dienstzeit gruud sätzlich zu verwerfen vorgeben und für das mit ihrer Zu stimmung gebrachte „Opfer" eine entsprechende Rechnung aus machen werden. Tie Ausstellung des Extremsten unter den extremen Conservativen, des Freiherr» v on H ammerstein, im Wahl kreise Herford bat bereits eine überaus erfreuliche Wirkung gezeitigt. Die Deutschfreisinnigen in Bünde haben beschlossen, ihren Eandidaten fallen zu lassen und im ersten Wahlgang den Nationalliberalen Delius zu wählen. Ob sich die Parteileitung des Wahlkreises diesem Schritte anschließt und ob der deutschfreisinnige Eandidat zurücktritt, ist abzuwartcn. Jedenfalls besitzt der Entswluß der Deutschfreisinnigen in Bünde eine große, über die Trag weite einer einzelnen Nachwahl hinauSgehenden Be deutung. Er bezeugt vor allem die Nichtigkeit der von Herrn Richter mit einem großen Aufwand von Sophistik bestrittenen nationalliberalen Auffassung, daß nur ein gemäßigt liberaler Eandidat Aussicht hat, gemäßigt - conservative Stimmen zu gewinnen, somit dem Extremen mit Aussicht auf Erfolg die Spitze zu bieten. Die Deutschfreisinnigen in Bünde, wo man die Stimmung im Herforder Wahlkreise zweifellos besser kennt, als in den NedactionSstuben der „Freis. Ztg." würden sicher nicht auf ihren eigenen Eandidaten verzichten, wenn derselbe ibnen geeigneter erschiene, den Baron Hammrrstein zu schlagen, als der Nationalliberale. Die erste Sitzung des „FriedcnS-CoiiarrsseS" in ern wurde mit einer Begrüßungsrede des Vertreters des schweizerischen BundesratheS und den Ansprachen der Del«" girten ausgefülll. NamenS der sebr spärlich erschienenen Deutschen sprach Richter-Pforzheim, der darauf hinwicS, daß in Deutschland lediglich die „freisinnigen" Parteien die Idee der Schiedsgerichte ausgenommen und die Notbwendigkeit einer volksthümlichcn Agitation dafür betont hätten. Für den Wiener Verein sprach unter lebhaftestem Beifall die bekannte Baronin von Suttner, welche der Meinung enlgegentrat, daß die Wiener Vereinigung lediglich eine Damen - Vereinigung sei. Sie wies auf das lebhafte Interesse hin, daS dir Arbeiten der Vereinigung in der Presse und im Publicum sinken. Cie schloß unter rauschendem Beifall der Versammlung mit der Bemerkung: Der Krieg ist nickt die ultima ratlo, sonder» clernisre cke» üemsnee,. Auch Namens der amerikanischen Vereine sprach eine Dame, Frau Lockwood. Die rumänischen Studenten betonten in ihrer Ansprache ihre Beschwerden gegen Ungarn. Die sonstigen Reden enthielten nichts BcmerkcnSwcrtbcS. Man kann schon an dem Umstand, daß rmancipirtc und llber spannte Frauen bei den Berathungcu das große Wort sichren, erkennen, wessen Geistes Kind der sogenannte Berner „Friedens- Evngrcß" ist. Die Verlegenheiten des CongostaateS haben in der belgischen Presse die Frage wegen der eventuellen Erwerbung des Eongostaates siirBelgien ans das Tapet gebracht, und obwohl die darüber gepflogenen Erörterungen vorerst noch durchaus eine» akademischen Eharakter trugen, so zeigt sich doch bereits, daß die Idee an sich bei gewiegte» Politikern Zustimmung und Vertheidigung findet. Das wenig freund nachbarliche Verhalten Frankreichs in dem letzten Zwischen falle hat selbst solcken Belgiern die Augen geöffnet, deren Logik sonst bei dem Klange de« Worte« „französische Republik" zu Gunsten kritiklosester Bewunderung abdankte. Man sagt, falls eS sich wirklich jemals Herausstellen sollte, daß der Eongostaat zum sernerweiten Fortbestände aus eigenen Füßen unfähig wäre, sei Belgien als nächster zu», ErbschaftSantrilt berufen, und dürfe sich durch keine ängstliche Rücksicht nahme aus französische Launen abhalten lassen, so zu hanteln, wie sein eigenste« Interesse ihm gebiete. Zu den gewichtigsten Befürworter» der Erwerbung deS Eongostaates durch Belgien gehört der zu europäischem Rufe gelangte General Brialmont, welcher für «in industrie- treibendcS Land den Besitz überseeischer Evlouien als unmittel bare Lebensfrage erachtet. General Brialmont zuckt die Achseln ob des KleinmutheS »nd der Kurzsichtigkeit vieler seiner Landsleute, die jedes Unternehme» ablehnen, wenn es nicht sofort erklecklichen Gewinn abwirft, und würde bedauern, wen» man blos von so spießbürgerlichen! Sland- puncte au« die Uebernahme deS Eongostaates durch Belgien ablehnen sollte, um an Kosten für den Unterhalt einer kleinen Colenialtruppe und Colonialflvttille zu sparen. General Brialmont erklärt sich in einer Zuschrift an die „Indep. belg", welches Blatt eine Special-Enguete über die in Rede stehende Frage eröffnet hat, er sei schon seit dreißig Jahren ein Anbänger der colonialen Ideen, deren Verwirk lichung allein erst Belgien in den Stand setzen würde, seine Industrie, seinen Handel, seine Schifffahrt auf eine Achtung gebietende Höhe der Entwickelung zu bringen. Der bekannte ultraradikale englische Parlament- Ab geordnete Laboucbdre hat, wie schon gemeldet, an einen seiner Wähler einen Brics gerichtet, in welchem eS heißt: „Die »°»i,!>> i-r- si» !° 7,! Eabinet erklärt, baß G "dA" S st pts,»enden Minister- Nennung seines NamenS für «men > ^ . r-,ß Labouchbre Unterhaus- seine» S.tz LN7.,L JA vom Beginn der Tagung binauSwerfe . s-.mml.mg eine lang, Red, die 'b"/^. /, °7m Parla. widmet war. Newcastle, erklärt.». brauch, als Vertreler P°r ment »lckl ci>,ei, Schmarotzer oder-ckmeichl-r. sonders würde der Vertretung einer so mannhaften und unabhängigen WSb sclraft wie die von Newcastle ist, unwürdig lein, fürchtete eine eigene Meinung zu haben, Die Regierung Glad- Le's würde dk Interessen der Kelter nicht stur lrilchen Frage übergehend, sagte er, die neue Regierung werde ml. allen ihren Kräfte» an dl« Arbeit gehen einenPla» auezuarbelten. der all, gerechten und »hunllchen Forderungen Ir lands befriedigen, gleichzeitig ba- Relchsparlament in die L g verletzen werde, die Ansprüche und Hofinungen des Volke« von G.oubrilannle» zn befriedigen. Liese Bosich-st bildeLie Griindlag eine- wahren llnionSvertroge». Die Tone« feien 'd'N °ies< Vertrag a»S den Händen zn reißen, ihn zu »"reißen und me Stücke Irland, dein Irischen Volke und der ganzen West ln- Gesicht zu schleudern Mögen die Wühler von Nrweasile die- verhindern. Die Politik der neuen Regierung sei. die Befriedigung de« Jet- langen» Irland- nach Homerule ln den Vordergrund der GeschSsle der kommenden Tagung des Parlament, zu l''llen . s,k w>>rde hür>ch, und verächtlich handeln, wenn sie ein ander«« Verfahren eiiischlüge. Wir haben schon gemeldet, daß der bulgarisch« Minister' Präsident Stambulow eine», Abgesandten de» Pariser „Figaro" eine Unterredung wegen seines Audienz beim Sultan bewilligte. Nach heute vorliegenden, auSfNbrlicherrn Meldungen erklärte Stambulow zunächst, er habe ftüher die Pariser Zeitungen gelesen, seit ihren Schimpfartikeln über ibn werfe er sie aber nur noch in den Papierkorb. lieber die vierfache Hinrichtung bemerkt« er, die Verurlheilten seien nicht wegen der Ermordung BeltscheW'S verfolgt worden, sondern wegen Anschlags gegen daS Lebe» deS Fürsten, gegen sei,, — Stambulow's — Leben und gegen die Sicherheit des Staates. Das Kriegsgericht sei kein Ausnahmegericht, sondern nach dem Gesetze von 1888 für derartige ver brechen zuständig gewesen. Die von der „Swoboda" ver öffentlichten russischen Urkunden seien eckt »nd er habe »och einen ganzen Stoß davon, dessen Bekanntmachung die Welt erbauen werde. Er sei sicher, daß das bulgarische Bolk mit ihm sei, denn gegen dieses könne man nicht acht Tage lang regiere». Bulgarien wolle unabbängig sein. Frankreich, das so oft Barrikaden aufgeworsen und Um wälzungen gemacht, sollte das verstehen. Rußland wolle Bulgarien verschlingen, vor drei Jahren sei Tatistschew bei ibm gewesen und habe ihm die Bedingungen mitaelbeilt, unter denen der Zar sich mit Bulgarien aussöbnen wolle. Sie lauteten: Leitung der aus wärtigen Politik im Sinne Rußland-, russische Osfiriere an der Spitze des bulgarischen Heeres, eine russische Seemacht in Burga». Dafür sei Bul garien nicht zu haben. Stambulow lobte die Klugheit, den Arbeitseifer und die bulgarische Vaterlandsliebe teS Prinzen Ferdinand in Ansd,licken der Bewunderung. Heber seine Konstantinopeler Reise sagte er: Ich bin nicht hingcgange», um vom Sultan ein Versprechen zu erlangen. Es handelte sich um einen Höflichkeitsbesuch, »u dem ich gnädig eingeladen wurde. Die Frage der Anerkennung wurde allerdings berührt; der Sultan war sehr woblwollcnd, dock verlangte ich nicht- Bestimmte- und erhielt auch nicht- Bestimmtes. Wir müssen noch einmal auf das so gründlich dcrkrachte französisch-russische Berbrüderungsfest im Tuilerien- garten zurückkommen, weil dasselbe mit allem, wa» darum uud daran hängt, so recht klar und überzeugend den politisch,,, Schwindel anfaedeckt hat, der von den Chauvinisten in Frank reich mit der so überaus lächerlichen Russenvergötteruiig gk- trieben wird. Der finanzielle Erfolg für die „Nothleidenren in Rußland" war: «ctiva 59 325 Frc«., Passiva 160 000 Francs, in runder Summe also ein Minus von kvtt OVO Frcs. Unter solchen Umständen hat der Minister die Erlaubniß, das Fest noch bis zum 28 August zu verlängern, ver sagt; am Montag wurde der Iahrmarktflittcr aus dem Tuilerienzarten fortgeräumt, aber die zertretenen Rasen- slächcn uud Blumenbeete der schönen Anlagen werden noch lange erzählen von dem heillosen Schwindel, der hier mit der R»st«nliebe und Milkthätigkeit getrieben worden ist. Alle Blätter erkennen denn auch an, daß die Regierung und Publi cum fick haben an der Nase führen lassen. „Das Tuilerien- fcst hat mit einer wahren Zerrüttung geendet", sagt da« „Journal de- Däbats". Der ^TcinpS" sucht zwar in spalten- langen Interviews mit den betheiliaten Personen weißzu- waschen, was überhaupt noch zu waschen ist, aber er setzt dadurch den sträflichen Leichtsinn, womit die Behörden bei dieser Sache verfahren sind, mir noch greller in- Licht. Der einzige Mann von einigem Ruf, den man zu der Veranstal tung gewissermaßen als Aushängeschild berangezogen, war Herr Rouy, der Secrelair de« Eyiivicats der Pariser Presse. Er hatte die Finanzanqelkgenheiten übernommen, hatte aber bereits am dritten Tag« cin Amtin dieHände deS Fcsticiters Perrin zurückge legt und sich elbst durch dieBitten deSMinisterS nicht bestimmen lassen, es wieder aufzunehnien. Er faßt sein Unheil über dieFest- leitung schonend dabin znsammen: „Leichtsinn und Unordnung glaube ick ihr mit Recht vorwerfen zu können." Es wäre thöricht, wenn man diesen mißglückten Versuch verallgemeinern und den Franzosen die Gabe absprcchen wollte, daß fl« m«isterhaft verstehen, Feste zu feiern. Um so überraschender aber wirkt e«, daß Industrieritter und Vcrufsschwindler neuerdings gerade das von allen Franzosen, wie man nach ihren Äiußerungcn meinen sollte, so doch und heilig gehaltene Bündniß mit Rußland zum Feld« ihrer Thätig- keit zu machen wagen. Da» Tuileriensest steht nicht ver einzelt da. Ebenso bezeichnend ist das Verfahren der Millionenschwindlerin Apparuti. Frau Apparuti war be kanntlich eine von der vornehmen Welt des yaubourg St. Germain geschätzte Putzmacherin und Leiterin einer Mode- zeitung. Sie hatte behauptet und durch gefälschte Bücher belegt, daß sie große AuftrLge für die russische Kaisersaniilie und den russischen Hof habe, und eine ganz stattliche Zahl von speculalionslnstigrn Bourgeois fand sich, die der Apparuti ohne Weitere« glaubte», der Zar sei rin sebr säumiger Zahler und die ihr gegen Versprechung beträchtlicher Proeentchen von dem fabelhasten Gewinn da« angeblich zur Ausführung jener Bestellungen nvthige Geld verstreckten. Ans diese Weise hatte sie sich inSgesammt drei Millionen erschwindelt. Daß es doch eigentlich mit der BundcStrcue nicht vereinbar sei, den Zaren mit Hilfe seiner Lieferantin zu überfordern »nd i» prellen, scheint diesen Biedermännern gar nicht in den Sinn gekommen zu sein Die Apparuti war übrigen« eine geniale Schwindlerin, ihr scheint da« Betrügen ibrer Mit menschen ei» Bedürjniß gewesen zu sein, da- sie auch im Tode nicht verleugnet bat. Sie weilte in der letzten Zeit in Petersburg, war dort in einem Gasthof von der Polizei aus- gestöbert worden, wurde überwacht und sollte an Frankreich ausgeliefert werden. Mil einem Theilr des erschwindelten Feuilleton. Schloß Fvnvtrailge. IS, Nachdruck »erb«,«». Ein Roman aus den Vogesen. Bon O. Elster. (Fortsetzung.) „Sie hatten ein LiebeSverhältniß mit der Zigeunerin?" fragte der Untersuchungsrichter. „Ja, Herr Richter, doch Marianne war meine Braut." „Hatten Eie nicht die Absicht, mit dem Mädchen nach Frankreich zu gehen?" „Ich wollte zuerst meine Zeit abdiencn, dann allerdings mit der Marianne nach Frankreich gehen, um sie dort zu beirathen, da mir meine Eltern hier dir Erlaubniß nicht gegeben haben würden." „Versuchte man nicht. Sie zur Desertion zu überreden?" Fritz schwieg. Er mochte Marianne nichts Schlechtes nachsagen. „Sagen Sie die Wahrheit. Sagen Sie Alles, was Sie kiffen", ermahnte der Richter. „Nur dann kann da- Urtbeil des Kriegsgerichte- aufgehoben und können Sie selbst rehabilitier kerben." „Ja, Herr Richter", sagte Fritz jetzt, „die Marianne und auch der Zigeuner-Joseph haben öfter versucht, mich zu^ Desertion zu verleiten Der alte Joseph bot nur eine ziem lich hohe Summe, ich habe aber stets mit Entrüstung ab- gilebnt und dem Joseph gcdrobt, ihn anzuzeige», wenn er mich mit diesen Anerbietungen nicht in Rübe lasse." viel „Wissen Die nicht, wo die Zigeuner geblieben find?" . „Sie sind nach dem Süden Frankreichs gezogen, so ich aus den Worten Marianne'- entnebmen konnte." „Wissen Sir, wo sich Marianne befindet?" „Nein." „Haben Sir keinerlei Nachrichten von ihr?" „Nein, Herr Richter " „DaS erscheint unwabrsckeinlich, nachdem das Mädchen «>e so songsam gepflegt bat." ^Ich vermnth«, ihr Großvater hat sie doch noch über redet. mit ihn, fortzuzieben, oder er hat sie gewaltsam fort geschleppt. Ich selbst weiß nicht, was ick denken soll. Ich babe daS Mädchen lieb, ich würde auch jetzt noch mein ver sprechen, sie zu beirathen, erfüllen; aber seit dem Tage, wo mich Herr Lieutenant von Usedom i,n Thurm fand, habe ich keine Nachricht von dem Mädchen." Dem braven Burschen traten die Thränen in dir Augen; der Treubruch Marianne'- — als solcken mußte er da« ver schwinden des Mädchens ansehcn — schmerzte ihn tief. „ES ist gut. Eie können sich zurückzieben." Das verhör war zu Ende. Der Richter machte sich einige Notizen, dann ließ er Henri de Fsnötrange ersuchen, cinzutreten. Henri hatte seit dem Abend, als Lieutenant von Usedom von ihm das Ebrenwort verlangte, daß er nicht ab- reisen würde, sein Zimmer nicht mehr verlassen. Er hatte mit Niemandem, außer mit seinem Vater gesprochen; der verdacht, der auf ihm ruhte, schien ihm so schmachvoll, daß er darunter zu erliegen glaubte; denn schon der Verbackt, mit Schmugglern gemeinschaftliche Sache gemacht zu baden, dünkte ibm ei» unauslöschlicher Fleck auf seinem biSber so reinen und blanken Ehrenschilde. Bleich, aber mit stolz er hobenem Haupte trat Henri vor den Untersuchungsrichter. „Wollen Sie nicht Platz nehmen, Herr Baron?" „Ick danke", entgegnete stolz ablebnend Henri. „Ich ziehe eS als Angeklagter vor, vor meinem Richter zu stehen." Der Untersuchungsrichter lächelte. Er hatte im Anfang der Untersuchung schon oft solchen Trotz bei dem Angeklagten gesunden. Das gab sich mit der Zeit. „Wie Sie wollen, mein Herr", erwiderte er leicht. „Ich setze voraus, daß Sie wissen, um welche Angelegenheit e« sich handelt... Henri verbeugte sich. „So darf ich Sie bitten, mir Ihre Personalien an zugeben." Nachdem der formelle Theil abgewickelt war, fuhr der Untersuchungsrichter fort: „Sie sieben im Verdacht, mit den Schmugglern, die sich zumeist au« den jetzt abwesenden Zigeunern der TachSburg recrutirten, gemeinsame Sacke gemacht zu haben, ja ibr An führer, sozusagen, gewesen zu sein. Bekennen Sie sich schuldig oder nicht?" „Ich bin nicht schuldig." „Sebr Wohl Wollen Sit mir einige Fragen beantworte»? Sie haben am 15. September de» verflossenen SoMmers Fräulein Gisela Markwardt aus den Händen der Zigeuner befreit." „Ich wehrte einige Zudringlichkeiten der Zigeuner ab." „Wie kam es, da; die Zigeuner Ihnen sofort folgten und nicht gegen Ihr Ein chreiten protestirten?" „Die Zigeuner kennen mich und wissen, daß sie von Schloß Fsnstranac nie unbeschenkl Weggehen." „Sie sind am 26. October mit dem Unterofficier Berger »nd der sogenannten Zigeuner Marianne zusammen im Walde gescben worden. Wie kamen Sie dorthin?" „Ich weiß es nicht mehr. Wahrscheinlich war ich aus einem Spaziergauge begriffen, und jene Begegnung war rein zufällig." „Sie sagten dem Unterofficier, wenn er einen Freund nothiq liabe, solle er sich an 2ie wenden." „Möglich, daß ich etwa- Derartige« gesagt babe. Ich er- innere mich, daß mir da» LitbeSverkältniß. welche« zwischen dem deutschen Unterofficier und der Zigeunerin bestand, viel Spaß machte." „Ha! Und Sie wollten wabrsckeinkich dieses nickt sonder lich passende Berbältniß weiter unterstützen, um den deutschen Unterofficier zu verleiten, den Dienst zu verlassen?" „Mein Herr, wofür halten Sie mich?" „Sie sind der Eapitai» Henri de FsnLtrange, angeklagt eines schweren Vergehens, und ich bin Untersuchungsrichter m die,er Angelegenheit - ich bitte Sie. sich dessen bei Ihren Antworten Alttigst erinnern zu wollen!" erwiderte der Richter >n sckarsein ^.one „Sie sind noch einmal mit der Zigeunerin znsammen gesehen worden und zwar erst vor wenigen Tagen War tirsk« Zusammentreffen ebenfalls zufällig?" „Ja." se'tens der Gerichte die Zigeunerin suchte, da su Über da» verschwinden de« Unterossiner« sicher lich Auskunft geben konnte?" „Ja." „Weshalb zeigten Sie der Behörde nicht an. daß sich dir Z'geiinerin wieder in Finstingen aushirlt?" Zum Drnuncianten in mir." „-rissen Sie, daß Sie sich dadurch zum Mitschuldigen eine« verbrechen« gemacht haben?" ' g" „Ich wußte nicht, daß ein verbrechen vorliegt. Der Unter- ossicicr ist mit der Dirne davongelaufen — eine alltägliche Geschickte." „Sie wußten nicht, daß der Unterofficier, als er die Schmuggler an der Grenzeiche traf, niedergeschossen und in den z» Ihrem Schloß gehörigen Thurm gebracht worden war'?" „Nein." „Sie kennen den alten Thurm?" „Natürlich!" „Wann waren Sie zum letzten Male in oder auf dem selben ?" „Ich erinnere mich nicht. Als Knabe bin ich oster ans dem alten Mauer umhergeklettert." „Später nicht mehr?" „Ich weiß cs nicht. Meines Wissens gab eS keinen Zu gang zu dem Thurm; da« Gestrüpp in der Schlucht schien undurchdriiialich." „Aber Sie baden stets rin reges Interesse für den Thurm gezeigt?" fragte der Untcrsuchuiigsrichtcr. „Wie für Alles, was mit meinem Geschlecht zusammcn- bängt", antwortete Henri. „Wesbalb erließe» Sic den Besebl, daß Niemand ver suchen solle, in den Tburm einzudringen, und daß die Um- gebung genau so bleiben solle, wie sie jetzt ist?" Henri erstaunte. Er batte diesen Besebl allerdings seinen Leuten ertbeilt. Wie war es aber möglich, daß derfelbc dem Untersuchungsrichter jetzt schon bekannt geworden war? Der Rickier bcnierktc den Ausdruck der Uebrrraschuna auf dem Gesicht Henris und lächelte säst nnmerklich. Er glaudte, Henri au der empfindlichsten Stelle getroffen zu haben, sind subr fort: „Sie scheinen durch die Frage überrascht zu sein. Sie batten also einen besonderen Grund, den Besuch des Thurme« zu verbieten?" „Allerdings .. „Und welchen?" „Ich arbeite an der Geschichte meiner Familie und glaubte, in dem allen Gemäuer Aufschluß über einige unklare Punctr in dieser Geschichte finden zu können. Ich beabsichtigt«, >ni nächsten Frühjabr Ausgrabungen »nd Nachforschungen dort anzustellen."
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