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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920829020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892082902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892082902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-29
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Sonntag früh ergänzt sie diese Mitthciluna dahin, daß eS sich um eine tbarsächliche Herabsetzung auf zwei Jahre handele, daß im EtatSgcsctz Garantien gegeben werden sollen, daß die nach zwei Jahren entlassenen Mannschaften im Laufe dcS dritten Jahres nicht wieder eingezogen werden können. Endlich, und das ist allerdings etwas recht Greifbares, hörte die „Nationalztg." an diesem Tage, daß die jährlichen Mehrkosten dieser Neuernng die erschreckend hohe Summe von achtzig Millionen Mark erreichen werden. Wie die etatS gesetzlichen Garantien beschaffen sein sollen, darüber kann man sich auch jetzt keine vollkommen klare Vorstellung machen; vielleicht und wahrscheinlich ist cS so gedacht, daß für ein Elatsjahr die zweijährige Dienstzeit „mit geringfügigen Ausnahmen" etatSzesctzlich festgestellt wird, denn zu einer thatsächlichen Herabsetzung bedarf die Regierung keines Gesetzes, die Militairverwaltung ist in Bezug auf die Dienstzeit nur nach oben gebunden. ES läge also, voraus gesetzt, daß wir die vortreffliche Sibylle im Militairpreßbureau recht verstehen, in der Absicht, eine sehr umfangreiche und sehr kostspielige Recrutenvermebrung um den Preis einer einjährigen — oder vielleicht auch zweijährigen — beschränkten gesetzlichen Dienstzeit zu erhalten. Beschränkt wäre die zwei jährige Dienstzeit nämlich durch die geringfügigen Ausnahmen. Wie stünde die Sache aber nach Ablauf des betreffenden Etatgesetzes? So: die dreijährige Dienstzeit träte von selbst wieder gesetzlich in Kraft und die Präsenzziffer wäre that- sächlick eine viel höhere als sie es heute ist. Der Reichstag stände dann eventuell vor der Alternative, sich die dreijährige Dienstpflicht für daS stark vergrößerte Heer gefallen zu lassen, oder das Heer zu vermindern, d. h. die in dem jetzt so wohl ausersonnenen Entwürfe bewirkte Hecresverstärkung rüagängig zu machen. Dieses Letztere wäre jedenfalls störender als die Belastung der gegenwärtigen Stärke unv in Anbetracht des im Großen und Ganzen sich immer gleich bleibenden bedrohlichen Charakters der politischen Lage, an gesichlS der formidablen Truppenstärke Frankreichs und end lick, weil unsere Berbündctcn hinsichtlich der Heercsvermchrung hinter den Zweibundsstaaten Zurückbleiben — ein furchtbares Wagniß. Um der einen wie der andern Nothwendigkeit zu entgehen, wird der Reichstag sich voraussichtlich nicht dazu entschließen, einer Vorlage mit zweijähriger Dienstzeit auf Zeit, wie die ossiciös skizzirte es ist, die Zustim mung zu crtbeilen. Mit Bestimmtheit läßt sich schon jetzt sagen, daß die Regierung mit einer Vorlage, wie sie sie andeuten läßt, Niemanden befriedigen wird: die grundsätzlichen Gegner der zweijährigen Dienstzeit nicht und am allerwenigsten diejenigen, die für eine als unentbehrlich nachgewiesene Recrulenvermehrung gegen Gewährung der möglichen Erleichterungen Opser zu bringen bereit sind. Wie der RegierungSenlwurf sein jetziges Gesicht erlangt hat, wird wohl sobald nicht aufgeklärt werden. Sicher ist, daß er am Tage der Parade-Rede des Kaisers (l8. August) noch ganz andere und zwar diejenigen Züge aufwieS, die wir am 23. August an dieser Stelle zu skizzirc» in der Lage waren. „Zwischen heut und morgen liegt eine lange Frist" — und unter dem neuen Eurs ist sic »och länger als in gewöhnlichen Zeitläuften. Man ist darum nicht sicher, daß der Militairgcsetz-Entwurf nickt noch einmal umaewandelt wird. Die Frage, ob er in diesem oder im künftigen Jahre erscheinen soll, bleibt in den allerneuesten Informationen unberührt. Ter Versuch eines SchiffscapitainS der russischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft „Gagarin", die in Sulina im Hinblick aus die Cholera-Gefahr verfügten Sanitätsvorschriften zu durchbrechen, hätte kürzlich leickt zu ernsten Folgen führen können. Ein Schiff der be- zeiäinclcn Gesellschaft befand sich nämlich im Hasen von Lulina, wo es an der von den Localbcbördcn für diesen Zweck angewiesenen Stelle die rcglementmäßige Quaran täne durchmachle, alö man mit einem Male bemerkte, wie daS Fahrzeug seinen Platz vorläßt und den Lauf gegen die Mündung des Sulina-Eanals nimmt mit der offen kundigen Absicht, die Donau aufwärts zu fahren. Die von dieser Willkürlichkeit überraschten Bebörden richteten an den Capitain des russischen Schiffes die Aufforderung, kaö ge waltsame Eindringen in die Canalmüntung und die Ueber- trekung der durch die Cholcragesakr gebotenen Bestimmungen zu unterlassen. Der Capitain erwiderte jedoch hierauf, daß der seinem Schiffe zugewicscnc Platz für dasselbe ungeeignet sei, da cs dort von Stürmen bedroht werde, so daß er sich gezwungen sehe, die Fabrl gegen die Donau fortzusetzen. Gegenüber einer derartigen Sprache mußten auch die Behörden von Sulma andere Sailen ausziehcn; sie ließe» dem russische» Capitain die strengste Weisung zugehcn, daß er sich mit seinem Schiffe sofort aus Len Ouarantaincplatz zurückziehe, mit dem Hinzufügen, daß die rumänischen Kanonen boote widrigenfalls das russische Schiss in den Grund bohren würden. Dies verfcblte nicht seine Wirkung aus den Capitain, der nun sein Schiff zurückkampsen ließ, so daß ein Zwischenfall verhütet wurde, der ernstere Cvnseguenzcn nach sich hätte zicben können. Denn die Drohung der Behörden von Sulina war durchaus ernst gemeint, und die Ausführung derselben hätte selbstverständlich eine diplomatische Auseinandersetzung zwischen der rumä nischen und russischen Regierung herbeigesübrt. Hat dock der Zwischenfall auch in seinem glimpflichen Verlause schon zu einem Austausche von Noten zwischen Bukarest und St. Petersburg Anlaß gegeben, indem die russische Regierung gegen das Verhallen der Behörden in Sulina prolesliren zu sollen glaubte. Rußland erhebt übrigen« principielle Ein sprache gegen die Anwendung der in Sulina bestehenden Quarantaine-Vorschriften auf Schisse mit russischer Flagge und macht die Forderung geltend, daß zum Mindesten die aus Odessa kommenden Schisse mit der Bestimmung nach einem russischen Donaukascn, wie Rcni und andere, von der Quarantaine befreit werden, wenn sie sich verpflichten, keinen rumänischen Hafen zu berühren. ES leuchtet ein, daß die rumänische Regierung, wenn sie nicht die von ihr mit so großen Opfern getroffenen Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung der Choteracinschleppung illusorisch machen will, dem Ver langen Rußlands keine Folge geben kann. Ohne die Quarantaine in Sulina könnte ein verseuchtes russisches Schiff das rumänische Ufergebiet leicht inficiren und außerdem wäre die Ucberwackung der ohne Quarantaine in die Donau ein- sahrenden Schiffe das ganze Ufer entlang überaus schwierig, wenn nicht geradezu unmöglich. Welche Bürgschaften hätte die rumämsche Regierung dafür, daß die russischen Schiffe nicht an Punclen, wo sie sich der Ueberwachnng entziehen können, Eholerakranke absetzen? Es ist lächerlich, wenn manche Stimme» in Rußland der rumänischen Regierung vorwcrfen, daß sie sich zum „Werkzeug Ocsterreich-Ungarnö" macke, indem sie die russischen Schifte derartigen „chicanösen" Maßregeln unterwerfe. Jeder Vernünftige muß doch einsebcn, daß die von Rumänien verfügten Sanilätsvorschriftcn nichts Anderes bezwecken, als die Fernhaltung der Cbolcra-Epidcmie, und daß es keiner Negierung bei einem solchen Anlasse cinfallc» kann, sich das Vergnüge» von Ebicanc» zu gönnen. Mil dem Augenblick, wo die Gefahr von Rußland her schwindet, werden selbstverständlich die gegen diese Gefahr gerichteten Maßregeln entfallen. In Frankreich bleiben die Dinge in Carmaux und Lens ungefähr beim Alten. Die Vorfälle im Norden Frankreichs veranlaßen den „TcmpS" zu folgenden Be merkungen : „Diese Erhebung der französischen Arbeiter gegen die Belgier, die ihnen Concnrrcn.z macken, beweist aufs Neue, baß im Socialismus zwischen den Theorien und den be- onderen Interessen ein großer Unterschied besteht. Wenn es sich uni sentimentale Kundgebungen bei den Congressen und Festen handelt, so fraternisirt man mit Begeisterung: man unterdrückt die Grenzen, man schafft das Vaterland ao, man bekennt den reinsten und großmülhigstcn Kosmopolitismus. Tie Socialistcn von Roubaix laden die belgische» Socialiften ein und em pfangen sie mit den stürmischsten Freuntschastsbezcigungen. Die Herren GueSde und Lafargue halte» flammende Reden zum Preise der Internationale und sprechen davon, die Streitigkeiten der Nationen durch einen alleinigen Krieg aller Proletarier in allen Ländern gegen die Bourgeoisie zu ersetze». O Eitelkeit dieser Bercttsamkeit und Weisheit! Dieselben Arbeiter, welche ihnen gestern jubelnd Beifall riefen, geralhen beute i» blinde» und brutalen Zorn, sobald sie ihre Arbeit durch die internationale Concurrenz bedroht fühlen. In Roubaix ln.lte man gerufen: „Hoch die Belgier!" —aber so bald die Belgier kommen, um sich in den Gruben des PaS de Calais anwerbe» zu lassen, empfängt man, oder vielmehr verjagt man sie mit TodeSrufcn; ibrc Brüder von gestern plündern ihre Häuser und droben schließlich mit dem Auö- stand, wenn die Bergwerksgesellschasten nicht diese „Eindring linge", die das französische Brod essen wollen, über die Grenze schicke». Herr Baslh giebt sich redlich Mühe, die ausgeregten Arbeiter zu beschwichtigen; aber warum benutzen die Herren jGueöde und Lafargue nickt die Gelcgcnbeit, in Liövin und Lens einige sebr zeitgemäße Predigten über das Thema „alle Arbeiter sind Brüder" zu Hallen?" Eine erfreuliche, für die diplomatische Gewandtheit des gegenwärtigen italienischen Ministers des Aeußern, Herrn Vrin, Zeligenschaft ablezende Thatsache ist, daß seit der Uebernakme der Leitung der auswärtigen Politik durch ihn die früher ziemlich gespannten Beziehungen Italiens zu Frankreich sich sichtlich gebessert haben und die frühere, bei jeder Gelegenheit hcrvvrgetretene gereizte SlimmungFrankreichS Italien gegenüber einer rnbige» Auffassung Play gemacht hat. Herr Brin bat es verstanden, in seinem diplomatischen Verkehr so manche irrige Ansichten der französischen Regierung Uber die Haltung Italiens zu berichtigen und in Paris das Vertrauen auf die loyale Friedensliebe Italiens zu befestigen. Es war ein Fehler der früheren auswärtigen Politik Italiens, daß sie ihre aufrichtige Freundschaft für Deutschland auch durch ein schroffes Auftreten Frankreich gegenüber zu beweisen suchte, als ob man nicht sehr wokl der intime Freund deS einen sein könne, ohne dessen mißliebige» Nachbar brüsk zu be handeln. Es ist Wohl wahr, daß die französische Presse im Allgemeinen Italien gegenüber einen sehr schroffen, oft berauS- sordernden Ton anschlug, ebenso wahr ist es aber, daß die Italiener ihrerseits diese Provoeationen allzu scharf erwiderten, woraus sich eine gegenseitige Gereiztheit entwickelte, welche der Pflege normaler Beziehungen zwischen beiden Staate» ernste Hindernisse in den Weg legte. Das Verdienst Brin'S war es, daß er eine Milderung dieser Gegensätze und Verstimmungen bewirkte und in seinem Verkehre mit französischen Staatsmännern bei jeder Gelegenheit betonte, wie sehr die Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Italien und Frankreich im Interesse beider Staaten liege. Er war es auch, der in taktvoller Weise gegenüber dem französischen Botschafter beim Onirinal, Herrn Billot, betonte, welch günstigen Eindruck der Besuch eines französischen Geschwaders in Genua bei Gelegen heit der Eolumbusfeier in Italien bcrvorrufen würde. Tiefe Aeußernng hat nicht wenig dazu beigctragen, daß der Gedanke einer Entsendung französischer Schiffe nach Genua zur Begrüßung dcS Königs Humbert nun zur That wird. Bei diesem Anlasse mag daraus hingewiesen sein, daß man in politischen und diplomatischen Kreisen in Nom den bevor siebenten Festen in Genua einen weit größeren politischen Werth beitegt, als dieselben auf den crylen Blick zu haben scheinen. Man wird diese Versammlung von Schiffen aller Mächte in einem italienischen Hafen als eine hochwillkommene Friedens-Demonstration begrüßen, und man wird mit Gcnug- thuung wabrnebmcn, wie anläßlich eines italienisches Festes neben der deutschen und der österreichisch-ungarischen Flagge auch die französische wehen wird. DaS Organ der neuen serbischen Negierung, die „CrpSka Zastava", spricht sich über die Gründe deS so unerwartet eingetretenen Regierungswechsels folgender maßen aus: Ter RcgierungSwechsel.erjolgte aus der Initiative des Cabinelö Pasckftlsch, welches der Regentschaft die Ein berufung der Sklipschtina zu einer außerordentlichen Session zur Veratbiing der neuen Handelsverträge Serbiens mit Oesterreich-Ungarn und Deutschland, sowie für die Wahl eines dritten Regenten vorschlug. Da die Regentschaft diesen Vorschlag nicht annabm, demissionirtc das Ministerium im Einvernehmen mit dem Hauptausschussc der radicalcn Partei, indem es erklärte, daß es die Verantwortung für die ökonomischen und finanziellen Nachtheile nicht übernehmen könne, die aus der Verschiebung der^Berathung der Handelsverträge für das Land erwachsen würden, und ebensowenig für die Aufregung, welche im Volke wegen der Unvollständigkeit der Regentschaft herrsche. Beide Gründe seien aber nicht stichhaltig gewesen. Für die Beratbuna der Handelsverträge sei die ordentliche Session der Skupschtina kein zu später Zcitpunct, da diese Verträge erst mit dem 1. Januar 1893 in Kraft treten. Was die Ncgenlschafts- frage betrifft, so herrscht im Volke keinerlei Aufregung und könne auch keine darüber herrschen, daß der dritte Regent nickt bald gewählt wird, da die Staatsangelegenheiten ver- sassungögemäß ordentlich versehen werden, ebenso wie zur Zeit, als drei Regenten an der Spitze des Staates standen. Die Wahl des dritten Regenten sei in der ordentlichen Lkuptschina-Scssion vorzunehmen, bis dahin aber bleibt die Regentschaft im Sinne der Verfassung auch mit zwei Regenten complct. Wohl aber hätten die radicale Partei, sowie auch gewisse persönliche Interessen die Vornahme der Wahl vor dem Zusammentritte der ParteiversammlunginAlexinatsch gefordert und das sei der wahre Grund der Ungeduld des CabinetS Paschitsch gewesen. Die Landeö-Interesseii können aber nicht den Interessen irgend einer Partei hintangestellt werden. Seit der letzten Skuptschinascssion habe cs im Schoße der Tkliptschinamehrbeit stark gegäbrt und diese Gährung äußerte sich schon in sichtbaren Manifestationen, so daß anzunehmcn sei, daß die Skuptschinamehrheit daS Volksvertraucn nicht mehr besitze, da sie leichtfertig mit Millionen herumwarf. Ter radicale Ccntralausschuß habe nun, um die weitere Zersetzung der Partei zu verhüten, verzweifelt zum letzten Versuche gegriffen, dieses Ziel durch das Uebergeken in die Opposition zu erreiche». Dies sei der wahre Grund der Demission deS radikalen CabinetS, welche die Regentschaft annehmen mußte, »m an das Volk zu appelliren, damit dasselbe durch die Wablcn die Entscheidung treffe. Die Re gentschaft sei aber nicht gewillt, der Lösung der aufgetauchten großen Fragen selbst zu präjubieiren. Deutsches Reich. Zt Berlin, 28. August. In dem Entwürfe zum nächst jährigen NeichSha»ShaltSetat wird sich auch wieder eine Forderung für die wissenschaftliche Erforschung und Auf deckung des römisch-germanischen GrenzwallS be finden. Tie erste Rate hierfür wurde im diesjährigen Etat gefordert. Bekanntlich wurde von der Budgetcomiiiijsion deS Reichstages die Streichung derselben aus Sparsamkeits- rücksichtcn vorgeschlagen. Das Plenum des Reichstages jedoch, welches nach den aussührlichen Darlegungen der Regierungs- Vertreter sowohl wie einzelner Abgeordneter über Zwecke und Ziele deS Untcruchniciis einsah, daß, wenn die Erforschung des LimcS nicht bald vorgenommcn würde, daS ganze Werk überhaupt aufgegeben werden müßte, endschied 811 Feurlletsii. Schloß Föiretrange. Ein Roman aus den Vogesen Bon O. Elster. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. „Man hat den Zigeuner-Joseph und Jockel Schmidt gefangen?" „Ja. diese Leute und noch Jemanden, der der Hanptmann der Bande war. Von ihm wurden alle Unternehmungen geleitet, obgleich er persönlich nur Einigen der Gesellschaft bekannt war." „Wertstes?" fragte Gisela stockend, fürchtend, den Namen de- ibr tbeuren ManncS zu hören. „Es ist der Gastwirth Bourgeois vom „Lion d'or" in Finstingcn." „Ah!" Gisela atbmete erleichtert auf. „Wie war es möglich, daß der Mann so lange unentdeckt blieb?" In kurzen Worten erzählte Kurt ihr die Ereignisse, soweit sie ihm selbst bekannt waren. Als er seine Erzählung beendet batte, trat tiefes Schweigen zwischen Beiden ein. Gffela'S Herz war leicht und froh geworden. Ihre innere Ueber- zeugnng, daß Henri unschuldig war, batte jetzt auch unum stößliche äußere Beweise erhalten. Ihr feuchtes Auge hing mit innigem Ausdruck an dem kleinen Schloß drunten in mitten der alten, zerbröckelnden Wirthschaftsgebäude. Als sie zur Seite blickte, begegnete sie dem forschenden Auge Usedom'S. Sie rrröthete und senkte die Äugen. Sie fühlte, Laß Kurt ihre Gedanken erratben hatte. „Nein, mein Fräulein," nahm Lieutenant von Usedom mit trübem Lächeln das Wort, „Lcrr von Fönölrange geht vollständia unbesteckt und unberührt aus der Untersuchung hervor. E- war ein« unselige Verkettung von Umständen und Mißverständnissen, welche seinen Namen in die Unter suchung verwickelt«." „Ich wußte es," flüsterte Gisela, „daß er keiner ehrlosen Handlung fähig war." „Ich wollte auch, ich hätte dieses Vertrauen besessen", sprach Kurt von Usedom leise, „ich stände nicht hier." Ailsmerksam blickte Gisela auf. „Was wollen Sic damit sagen, Herr von Usedom?" „O, nickls, mein Fräulein! Es war eine Randbemerkung — achten Sie nicht darauf." Giselas Argwohn war erwacht. DaS abermalige Er scheinen Lieutenant von Usedom'S hier in Fiuslingen war ibr sofort aufgesallcu. Tie Jagd allein würde ihn kaum noch mals nach Fiuslingen geführt haben, nachdem er so viel Pein liches hier erlebt hatte. Plötzlich schoß ibr ein Gedanke durch die Seele, daß der Streit der beiden Herren noch nicht auS- getragcn und daß es Sitte sei, solche Streitigkeiten mit der Waffe auszusechten. Sie trat näher an Lieutenant von Usedom heran und sprach, ihn bittend anblickcnd: „Herr von Usedom, Sie versprachen mir einst, mein Freund für daö ganze Leben bleiben zu wollen; jetzt fordere ich von Ihnen als mein Freund volle Offenheit: Sind Sie hierhergckommeii, um sich mit Herrn de Fönötrange zu schlagen?" „Wie konnten Sie das wissen, Gisela?" „So Hab' ich'S errathcn?" „Ja." „Hat daS Duell schon stattgefundcn?" „Nein." „Wann wird cs stattfinden?" „Fragen Sie mich nicht weiter, Gisela! Ich darf Ihnen nicht antworten." „O, Herr von Usedom, Sie sind grausam I Dieses Duell darf nicht stattfinden, ick bitte Sie darum." „Sie kennen die Gesetze der Elwe ebenso gut wie ich, Gisela. Ich sehe keine Möglichkeit, das Duell zu vermeiden." Giscla'S Augen füllten sich mit Dhräncn. „ES ist entsetzlich! Der Gedanke, daß ich die Ursache dcS Duells bin, macht mich tief unglücklich." „Sie die Ursache? Nein, Gisela. Sie täuschen sich. Dach.en Sic so schleckt von mir» daß Sie glaubten, ich könnte aus gemeiner Eifersucht, nur weil ein" Anderer den Platz in Ihrem Herzen eingenommen, den ich für mich so sehnlichst wünschte, diesen meinen Nebenbuhler vor die Mündung der Pistole fordern? O nein, Gisela, Sie stehen mir viel zu hoch, Ihr Glück liegt mir viel zu sehr am Herze», als daß ich aus solchem unedlen Beweggründe ein Duell Hervorrufen würde" Gisela reichte ihm die Hand. „Ich danke Ihnen, Herr von Usedom! Aber weshalb dann dieses unselige Duell?" „Herr de Föiiötrange füblt sich mit Recht durch den Verdacht, den ich damals ans ihn geworfen, beleidigt, und ich wünschte, ihm einen unzweifelhafte» Beweis zu geben, daß ich ihn als Ehrenmann betrachte, denn nur mit einem solche» werde ich mich schlagen." „Und ist keine Möglichkeit, daS Duell zu Verbindern?" „Wenn Herr de Fönötrange meine Entschuldigung an- nebmcn will — ich werde mit Freuden vor Zeugen erklären, daß ich ihn für einen Ehrenmann halte. Weiler kann ich nichts thun. Aber ich denke, eS ist meiner nicht unwürdig, diese Erklärung abrugebcn, und ich bin bereit dazu." „O, Herr von Usedom, eine solche Gesinnung macht Ihnen mehr Ehre als der Mutb, vor die Waffe des Gegners zu treten! Ich danke Ihnen von ganzem Herzen." Kurt lächelte. „Ich habe zu oft dem Tode ins Auge geschaut, als daß ich ib» fürchten sollte", sagte er einfach und obne Prablerei. „Und ich verspreche Ihnen, daß dieses Duell, da- Ihrer Beider unwürdig ist, nicht stattfinden wird", entgcgnetc mit stolzer Zuversicht Gisela. „Herr de Fönölraiige wird Ihre Entschuldigung aniichmen; sagen Sie mir nur, wann und wo daS Duell stattfinden wird." „Ick darf es nicht, Fräulein Gisela. Quälen Sie mich nicht länger." „Ich werde es schon erfahren. Verlassen Sie sich darauf. Aus Wiedersehen, Herr von Usedom! Sie werden von mir hören!" Mit leuchtenden Augen und glühenden Wangen reichte Gisela dem jungen Osficier die Hand, die dieser ehrerbielig an seine Lippen zog. „Aus Wiedersehen, Gisela", entgegnet« er leise. „Hoffent lich aus Wiedersehn!" Mit raschen Schritten eilte Gisela den Wiescnpfad ent lang, während ihr Kurt von Usedom mit verschleiertem Auge nachblicklc Tann wandte er sich tiefausscufzend ab und schritt dem Walde zu. * * * In dem breiten düsteren Himmelbett seines Schlafzimmers lag stöhnend der Gastwirth zum „Goldene» Löwen". DaS Messer der Zigeunerin war ihm bis ans Hesl in die Brust gedrungen und hatte die Lunge verletzt. Als ihn die Gen darmen in der Hütte des alte» Christoph fanden, fiel er bei ihrem Anblick in eine tiefe Lbumacht. Er wusste, daß jetzt Alles vorbei war, die letzte Hoffnung auf Rettung war vcw schwunden, und grenzenlose Verzweiflung erfaßte seine Seele. Fiebernd, wilde Verwünschungen bald, bald verzwciflungöoollc Gebete vor Ach hin murmeliib, lag er auf dem Wagen, der ihn nach Finstingcn zurückbrachle. Als die Volksmenge neugierig, lärmend den Wagen umringte, richtete er sich krampshast empor und drohte dem Volk mit der hageren Faust, ca»n sank er ächzend zurück. Bewußtlos brachte man ihn in sein Schlafzimmer. Dr. Zimnicrniann machte ein sehr bedenkliches Gesicht, vi er die Wunde untersuchte. „Wenn Sie den Mann heute nicht vernehmen", sagte er zu dem Maire, „dann tommen Sie sehr wahrscheinlich über haupt nicht dazu." „Ist sein Zustand hoffnungslos?" „DaS gerade nickt Aber morgen schon wird der Ver letzte in hochgradigem Fieber liegen, das jede Vernehmung unmöglich macht. Ob er davon kommen wird, ist eine andere Frage." „Können wir ibn vernehmen, ohne fürchten zu müssen, daß sich sein Zustand verschlimmert?" „Ich übernehme die Verantwortung nicht dafür." „So lassen wir cS heute mit der Vernehmung. Die anderen Gefangenen haben ja doch schon dir erforderlichen Geständnisse abgelegt." (Fortsetzung folgt)
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