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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920917024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892091702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892091702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-17
- Monat1892-09
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ES »st beschlossene Sache, daß im Reichstage die neue Mili- tairvorlage, im preußischen Landtage die nenen Steuer- reformvorlagen ringebracht werden Diesen großen Aus gaben gegenüber treten selbstverständlich alle die kleineren gesetzgeberischen Projecte vollständig in den Hintergrund. Im Reichstage wird die Militairvorlage, sofern die ver bündeten Regierungen nicht auf die aussichtslose Idee verfallen, zu neuen Anleihen zu schreiten, von uinsasienden Steuergesetzen begleitet sein, deren Berathung allein schon hinreicken würde, die Session zu füllen. So wird den» auch osficiö« angekündigt, daß die vorbereiteten Gesetzentwürfe anderer Art, wie der Entwurf über das AuSwanderungS- wesen, den UnterstütznugSwohnsitz, die Trunksucht re., voraus sichtlich nicht werden eingebrawr werden. DaS Gleiche gilt auch von dem Entwurf der Militairstrasproceßordnung. Der Schwerpunkt bleibt also für den Reichstag auf der Militair vorlage nebst ibren Ergänzungen beruhen. Leider hat das, wa« die Väter dieser Vorlage über diese« Werk in die Oeffentlichkeit haben dringen lassen, weniger aufgeklärt, al« beunruhigt. Kein Wunder daher, daß die Presse aller Parteim, mit Ausnahme derjenigen, die in militairischen Dingen stets und sonst meisten- sich ablehnend verhalten, der zu erwartenden Heere«vorlage gegenüber große Zurückhaltung zeigen. Für die ReichSregiernng geht au« diesen Preß- stimmen nur da« Erne überzeugend hervor, daß es dringend geboten ist, vor einem tleb ermaß der For derungen sich zu hüten und die bereit« ungemein starke wirthschastliche Anspannung der BolkSkräfte zu berücksichtigen. Die Blätter des Zentrum- und der Nationalliberalen, ja selbst unabbängigc konservative Organe stimmen in dieser Forderung überein. Ueberall erschallt die dringende Mahnung, den Bogen nicht zu überspannen. Insbesondere die EentrumS- presse beginnt bereit« sehr merklich ei»« Grenz« deö Entgegen kommen- zu ziehen. Bezeichnend und, wir fürchten fast, in mancher Hinsicht auch treffend waren di« Aeußerungen der „Freisinnigen Zeitung", eine Forderung von lOO Millionen sei ihr lieber als eine solche von 50, und eine For derung von 150 Millionen lieber als eine solche von 100; denn ie höher, um so größer sei die Wahrscheinlichkeit des Scheitern« der ganzen Angelegenheit. Unsere- Wissen« sind die letzten Entscheidungen über die Detail« der Vorlage noch nicht getroffen. E« kann nicht dringend genug die Mahnung erhoben werden, daß die Regierung sich die möglichste Selbst- bcschrLnkung und Mäßigung angenchl« der wirthschastliche» Lage unt> der großen Schwierigkeit der Eröffnung neuer Einnahmequellen auserlegt. Sie könnte sonst im Reichstag auf einen schwer überwindlichen Widerstand stoßen und Eonflictir von unabsehbarer Tragweite Hervorrufen. Auf welche Parteien die Lenker deö neuen CurseS im Reiche und in Preußen bei ihren Neformprojccten sich vor zugsweise zu stützen und welche Eonccssione» sie diesen Par teien eventuell zu machen gedenken, ist heule »ock ebenso unklar, wie vor einigen Monaten. Die Frage „Wohin steuern wir?" wird daher iinmer lanler und eindringlicher erhoben: besonders eindringlich neuerdings von dem „Deutsch. Wockenbl", das u. A. schreibt: „Dar Land muß doch endlich klar sehen, wohin die Regierung steuert, oder ist die Progrannnlosigkeit jetzt da« einzig« R«gicrungS» Programm? Die Verwaltung sorizusübre» und die Gesetzgebung noth- dümig in Gang zu halten, kann doch nicht die einzige Ausgabe der Regierung eines großen Landes sein, naiiientlich bei einein constitu- liontlleu Stillem, weiches der öffentlichen Meiiiung durch die Wahlen einen so erheblichen Einfluß gewährt hat. Wie soll daS Votk denn wählen, wenn er nicht weiß, wa« die Regierung eigentlich will? Wie sollen die Parleien, welche gewillt sind, mit der Regierung Hand in Hand zu gehen, vor den Wäblern besiehe», wenn sie nicht angeben können, was die Regierung will, weich« sie zu »nterslützen wünschen? In der sächsische» Kaminer fiel da. bekannte Wort de« ge sinnung-tüchtigen Forint,nMerS:,Ach kenne die Ansicht«» der Regierung nicht, aber ich mißbillige sic trotzdem." Wer heule at« regierungs freundlicher Kandidat vor die Wähler treten wollte, der mutzte sagen: „Die Absichten der Negierung kennt kein Mensch, aber ich billige sie trotzdem." Welch eine Wandlung in kurzer Zeit gegen» über de», iesle» Programm, da« der Raine BlSmarck allein m sich schisst! Wir näher» »n« Le» Reuwahlc» zui» prenstiiche» Landtag, den ersten allgemeinen Wahlen seit dein Rücklrilt Bismarcks. Werden sie uiiier dem Gestchispniicl de« klerikal-conservaliven Bünd nisse» ansgesochien, so werden sic zu einem »och stärkeren Triumph der Linke», wie es die ReüoslagSwohic» lNOO gewesen sind. Selbst eine liberale Mehrheit ist nicht undenkbar. Hoffentlich aber werden die Millelpartcien stark genug bleibe», ui» einerseits eine solche Mehrheit und andererseits eine kterikal-conservative Mehrheit zu hintertreiben." DaS kleine Kronland in: äußersten Osten der LsterrcickisH- unaarischc» Monarchie, die Bukowina, macht zur Zeit meyr von sich sprechen, als im Interesse seines Rute« zu wünschen ist Während »och vor den Schranke» des Wiener Landgerichte« ein wenig erbauliches Stück Bnkowinaer Sitten geschichte sich aufrollt, ist der Czernowitzer'tta-ndtag der Schauplatz von Vorgängen geworden, welche beweisen, daß auch die politischen Angelegenheiten de» Ländcheno in hohem Grade realistisch betrieben werten und daß man auch in der Landeövertretnng in der Auswahl der Mittel wenig bedenklich ist, wenn sie nur als crfolgverkeißend befunden werden. Der Kampf, der dort seit Eröffnung des Landiages zwischen de» bciden Hauplparteien desselben geführt wirk, ist scheinbar ein Kampf um die Geschäftsordnung, tbatsächlich aber ein Kampf um die Herrschaft im Lande, und das allein ist im Stande, die Erbitterung zu erklären, nnl welcher er geführt wird, wenn cs auch bei Weitem nicht aus reicht, die sonderbaren Mittel zu rechlsertigen, deren man sich dabei bedient. Die rumänische Bo;aren-Partei, welche seit vielen Jahren im Landtage und LandesauSschiisse daS llebergewicht besaß und dcniznjolge die Landesvcrwaliung beherrschte, befindet sich augenblicklich in der Minorität. Würde unter dem herrschenden Stiinmciivcrhälinisse die Landes aiiSschußwahl vorgenvmme», so würde die au« Deutsche», Ruthenen und Polen sich zusamniensctzenkc Gegenpartei auch im LaiideSanssckussc die Mehrheit der stimmen erlangen. Allein die rumänische Partei hat nicht blvS de» aus ihrer Mitte ernannten Landeshauptmann für sich, sonder» auch die Hoffnung, im Laufe der Session tbeil« durch Ergänzung» Wahlen, tbeils durch Ueberläufer zur Majorität zu gelangen, und die Gegenpartei scheint zu befürchte», daß in diele», Falle die i» ihrem Sinne erfolgte LandcSauSschnßwalil da durch vernichtet würde, daß die Mandate der Gewählten nicht verificipt würde». Nur so ist es zu erklären, daß sie seit Eröffnung des Landtages beharrlich daraus dringt, daß vor Allem die Wahlverificalionen vorgenommen werden, was von dem rumänischen LandeShauptmaiin ebenso beharrlich verweigert wird und bereit« zweimal dazu geführt hat. daß die factische Majorität des Landtages, weil der LandeShanpt mann sich weigerte, den legal gefaßten Beschluß aus Vor nahme der Verifikationen zur Aussübrung zu bringe», den Landtag durch ihren Austritt beschlußunfähig machte. Es ist ei» trauriges Bild von Partcilcitenschafl und Hiiilansetznng der mit dem Mandate verbundenen Pflichten, daü diese Kämpse darbielen. Selten »och dürste es in einem parlamentarischen Körper vorzckommen sei», daß die Majorität, um den gefaßten Beschlüssen Geltung zu verschaffen, zum passiven Widerstande reifen mußte, und »och seltener dürste der Fall sich ereignet aben, baß diese-äußerste Kampfmittel angcwendet wurde, um durchzusetzen, was nach der Natur der Tinge das erste Geschäft jedes neugewäkllen BcrtrctungskörperS sein muß: die Verisiei rung seiner Mitglieder. Aber noch abstoßender ist der Anblick dieser Seencn, wen» man sich die Motive des Vorganges und die Methode gegenwärtig hält, deren sich die Minorität bedient, um die Sachlage zu ihren Gunsten zu wenden. Welche Vorstellungen von der Gewissenhaftigkeit der rumänischen Partei bei Wahlprüfungen muß man in der Bukowina baben, wenn die anderen Parteien es nicht wagen, an die Wahl der Ausschüsse zu schreiten, so lange die Wahlen nicht verisicirt sind! Von welchen GesichlSpnncten läßt der Lande-Hanplmaiin sich leiten, wenn er diesem billigen Verlangen sich wikcrsctzt, auch kann noch, nachdem der Landtag die Vornahme der Verisieationc» beschlossen hat! Als der Beschluß gefaßt war. verweigerte der »ach dem Gesetze mit dem Berichte über tue Wahlen betraute Landesausschuß die Erstattung desselben. Ein Mitglied der ver einigte» nichtrumänische» Parteien, welches sich durch Wort und Unterschrift denselben verpflichtet batte, siel ab und stimmt nunmehr mit den Bojaren. Ei» andere« Mitglied ließ sich durch das Verspreche» einer Stelle i»i LaiikcSauS- schnsse captiviren. Da eine noch ausständige ErgänznngSwahl voraussichtlich zu Gnnste» der rninänischeii Partei ausfalle» wird, die Virilstininie de« Rectors der Ezernowitzer Univer sität vom Beginne deö neue» Schuljahre- auf einen ihrer Anhänger übergeht, so wird vermutklich ihr die ersehnte Majorität Zufällen und dann der LandeSausschuß in ihrem Sinne zusammengesetzt werde» Daß jedoch bis dahin der Landtag zur Untliätigleit vcrurtbeilt ist, daß mit diesen Mitteln die thatsächlicke Majorität der Bevölkerung unter die Herrschaft der Minderheit gebeugt wird — derlei Erwägungen scheinen in Czernowitz gar nicht in Betracht zu komme». Die Festtage von Genua sind zu Ende. Der Köniz und die Königin habe» die alte Hafenstadt am lignrische» Gols verlasse» »»d die italienischen Minister dürsten ebenfalls bereit- die Heimreise nach Rom angetreten baben. Unmittelbar nach dem Eintreffen derselben in dcrHanplstatt soll der Minister- rath zusamiueulrclen, um Uber die Auflösung der Kammer »mb die A n s s ch r c i b » » g der N cn >vahlen schlüssig zu werden Das erstere Decret soll gegen den 20. d. M., da« letztere einige Tage später erscheine». Dasselbe wird von einem anssükrlichen Berichte de« MinisterralheS an de» König eingeleilct werden, welcher da« Programm für die nächste Session enthält. Diese« Dvcuiiicnt wird das Regicrungöprvgrauiin für die Wahlen bilden. Bezüglich des Zeitpunktes der letzteren heißt e« »och inimcr, daß die allgemeinen Wahlen aus de» 0, die Stichwahlen auf den I!t. November anbcraumt werde» sollen. Die „Opinione", welche diese in Aussicht gestellten Decretc zum Gegenstände eines Leitartikel» macht, schreibt: „Wir hegen da« Vertrauen, daß das Ministerinin kurz und concret zu sein wissen wird i» der Angabe nicht der zu erreichende» Ziele, welche klar vorgestcckt sind, senket» der Mittel, welche es zu deren Erreichung für die geeignetsten und wirksamste» hält." WaS den Zciipunct der Nenwahicn anbclangt, so möchte das genannte Vialt dieselben nicht später als für Lclober ausgeschriehen sehe». — Die Admirale und Stäbe der fremden Geschwader zu Genua wohnten dem auf dem italienischen Panzerschiffe „Lepanlo" vcranstallelen glän zende» Feste bei. Die Eoininandanlen de» österreichisch- ungarischen Geschwaders und der deutschen Krenzcr- corvclte „Prinzeß Wilhelm" machte» dem Sindaco Ab- Ichietsbesnchc, wobei von beiden Seiten die Gesinnungen berzlickster Freundschaft und Brüderlichkeit zum Ausdrucke gelangten. Wir verzeichnen diesen Abschluß de« Feste« von Genua mit Befriedigung. Die Aushebung de« irischen ZwanaSgesetzeS be herrscht unausgesetzt die öffentliche Meinung England«. Die liberal-unionistlsche Partei erblickt in diesem Erlasse de« irischen geheimen Ralhcs einen Mißgriff Gladstone'S, über den be greiflicherweise sie nicht in Trauer ist Lord George Hamil ton, der frühere Marineminister, sagte im Verlause einer Ansprache an seine Wähler: „Er bedauere, daß Morlcy bereit« begonnen habe, das von Dalfvur in Irland er- mchtele friedliche Gebäude »icbcrzurcißc», eine größere Thvrheil als die jüngste Kundmachung Morley'S könne er sich nicht denke», über kurz oder lang würde einer unienistischen Regierung mit größerer Mehrheit als je wieder hierdurch zur Machtstellung verhelfen werden. — Glatslvnc hielt in Barmoulb (NordwaleS) in Beantwortung einer Adresse des dortigen GemeinderatheS eine längere An sprache. in deren Verlaufe er sagte: Was seiner Regierung hauptsächlich au, Herzen liege, sei. da« ver einigte Königreich vv» Großbritannien und Irland fester zu vereinige»; die gegenwärligc Einigkeit bestehe nur dem Gesetze nach. Falls cS der Regierung nicht gelinge, alle Thcile des Lande» in engere, herzlichere Verbindung zu bringen, werde sic ihren Zweck gänzlich verfehlt habe». Dunkel ist der Rede Sinn, das kann man von den vor stehenden AiiSsührniigc» Glatstone'S sagen. Auf der einen Seile die Honic Rnle Bill und auf der anderen Seile Groß- brilautiien »nd Irland fester vereinigen zu wollen, das sind für de» normale», gesunde» Menschenverstand zwei ganz ent gegengesetzte Begriffe, und man muß in der Thal gespannt lei», ui welcher Weise Gladstcne daS von ihm verheißene Kunststück zu Staute bringen wird. Die Baumwollnoth in Lancashire, der industrie- reichsten Provinz England-, ist außerordentlich groß. Beide Parteien, Fabrikanten und Arbeiter, zaudern, da« entscheidende Wort z» sprechen. Niemand weiß, was dann kommen wird. An dcinseldcn Tage, wo die Fabrikanten eine sünfproccntige Lobnhcrabsetzung beschlossen, doch aber den Arbeitern eine goldene Brücke bauten, gab der Secretair des GewerkverewS der Bauinwollspinner ein Manifest heraus, in dem gesagt ist: „Wenn die Fabrikanten kür Lvl»il>erabsetz»iig sind, so wäre r« wohl „nt, daß wir unsere BiertkijahrSversauunluna diese» Mal sriihec abhallen, damit der Pnnct geordnet wird, iss wäre e„ijcI>i«Len ein Fehler, wenn ina» sich letzt schon über die einznschlagcnde Taktik äußer» wollte, da man hoffe» Lars, daß die Fahr,laute» die ge- sainmlc Industrie nicht wegen 5 Proccnt in Benvirrniig bringen werden. Sollten sie sie selbst durchsetzen, so würde die Reduktion ans dem nächsten Bürseiiinailllag über den, Hausen geworfelt werden. Daß cs i» Lee Baniiiwvllindlistne schlimm sieht, weiß Niemand besser, als die Arbeiter selbst. Ob aber das Herumpsuschen a» den Löhnen die Dinge besser machen wird, ist höchst zweifelhaft. Anstalt ihren Zorn an de» Arbeitern aiiSzulnssen, sollten die Fabrikanten lieber mit den Arbeitern Hand in Hand gehen und jeden Parlameiitsabgeordnetc» der Tcziiidisiricle zwinge», die Jiiieressen iniscrrr Industrie zu wahre». Die Fnbrikaiiie» wisse» doch selbst, daß die Nrjachc» der Roth Lancashire'« im Orient zu suchen sind, wo der Mangel an ffiseiibahiikii, da« Fehle» eine« gule» Fabrikgesetze« »nd die Silber, frage niil »nscrer Industrie Faiigball spiele». Warum können sie nichl Hand anlegen a» bieie Fragen, wie sie es vor zwei Generationen bei den Korngcjetze» gelha» habeil?" Man sicht, die Arbeiter suchen die Ursache in Indien. Die große» Londoner Blätter sine anderer Meinung. Sic finden den Grund in der Ueberprodtietion Lancashire'-. Die zukünftige äußere Politik Rußlands unterscheide sich, so fuhrt die „Rrw. Wr." ans, in nichl» von der bisher cingehallcne», nur sei diese Polttik der jüngsten Vergangen heit unter dem Druck der Verhältnisse zur Unthätigkeit Fcuilleton. Das höchste Gut. 9s Roman von >. von GerSdorsf. Nachteil« reriolen. (Fortsetzung.) Im Hause des Senators Markus waren die Läden ge- schlossen. Vater und Tochter waren in Amerika. Nur Hoppke, der Edle, ließ sich's in der gemlltblichcn Küche wohl sein, nach dem er weder im Zimmer des Senators, noch der „Gnädigen" etwa- Interessante- entdeckt hatte, woran sein Forschertalcnt allerdings keine Sckmld trug. Zu Peter'S ging er selten. (ÄstenS hatte er nicht« zu klatschen, und zweiten» beleidigte d-aS vom Vater wieder ausgenommene, sortgelaufene Mädchen ßcin moralisches Gesübl. Da« Geschäft de» LeichenbesorgcrS tzing nickt schlechter als zuvor. Im Geaentbeil. Der Herbst — vielleicht so tückisch wie schön — brachte ziemlich viel Leichen. Hanne halte seinem höchsten Stolz, seiner „Rcpu- tatschon", nicht« geschadet, wie er so sehr gefürchtet. Sie war unglaublich bescheiden und verstand sich aus alle Hand reichungen. Auch bei weiblichen Leichen Halle er sic schon verwenden können, sie häkle sich ebenso geschickt wie tactvoll benommen. Und als der erste Schnee siel »nd die ersten Grade strengen Froste« herrschten, saß der Leichenbesorger ganz vergnügt mit gefalteten Händen Abend« vor seinem Grog und betrachtete freundlich seine fleißige Tochter, die ihm «inen alten Frack eigenhändig wendete. »Ja, ja. Gute Thateu bringen irgendwie und irgendwo immer ihren Segen", murmelte er. Nur in einem der drei Häuser hatte sich schwer und fest da« Unglück am Herde niedergelassen, mit den tollen, kalten Augen iede Lebensfreude versteinernd, vernichtend. »Mein Sohn! Mein Lohn! Mein »inzige« Kind!" „Schw-ia! Nenne da» Wort nicht! Sohn! Kind! — Ein Zuchckhau«l»r —" Keine tragische Pose, keine hoheit-volle Stellung, nicht« mehr als dieser brechende Blick. „Ich kann « nicht fassen, kann's nicht tragen." „Du mußt." „Erbarmen!" „Nein- Der Mensck ist » nicht Werth." „Ludwig! Mann! Dein Kind!" „Ich sag' mich lo« von ihm! Ich habe keine Gemeinschaft mit einem Meineidigen." Wie sie ächzend wieder in die Knie sank! Wie sie auw tausendfach gefehlt und geirrt haben mochte, selbst schlecht geleitet. Andere wiederum schlecht leitend, sic halte doch nur geliebt und gelitten, höchste Liebe, Höchsten Schmerz! „Sieb auf, Luise. Es ist geschehen und nicht zu ändern. Gott in seinem hohen Himmel weiß, wie schwer im mit Dir leibe. Aber mir fft'S freilich noch anders als Dir! Dir bricht« Herz um Dein Kind, mir uni den Mann. Bei Dir ist Mitleid nnd — Reue vielleicht die Hauptsache. Mick widert er an al» Edelmann, als Ehrenmann, der ich geblieben bin." Kein Widerspruch. Kein Wort. „Komm, Luise, komm, meine arme Frau." Er hob sie sacht empor und hielt sie an seiner Brust, leise ibr gebeugte» Haupt streichelnd. „Verzage nicht. Füge Dich in Gotte« Rathschluß. Er lenkt Alle« zum Besten." „Mein lieber Mann, wenn ich Dich nicht Kälte!" „So lang' ich athme, bist Tu mir das Höchste." „WaS muß zunächst geschehen?" „Zunächst machen wir Alle« zu Gelbe, was dazu dienen kann, und von Markus oder Neesen borge ich die Summe, dir der Mensch braucht, um nach «incm überseeischen Hafen zu gelangen" „Ludwig — ist — ist kein Irrthum, kein Mißverständniß möglich?" ^ „Kein Irrthum, kein Mißverständnis " „Tn weißt cS nur vom Eommandeur." „Genügt das nickt? Ich däckte! Auch ich war einst Lssicicr bei dem Regiment. WaS willst Du denn noch mehr, al» die einfache Iharsache? Eine Schießübung, die einem Menschen daS Leben kostet, wird in Abwescnbcit de« dazu coinmandirleii Lssiciers abgehatten, und der Osficier beschwört vor dein Kriegsgericht, raß Alle« in Ordnung ge wesen, daß er auf seinem Posten war. Und er schwur vor tem Kriegsgericht einen Meineid! Und der Ossicier war Karl Angnst, der unterdessen einen Rausch auSschlief und nicht auf seinem Posten war." „Aber die Anderen, die Unterossiciere —" „Schwiegen bis ans eine» nnd sind nickt weniger straf bar. Aber Du weißt, baß der Mensch bei alt' seine» Uittcr- gebenen eine oft fanatische Liebe genoß. Sic werde» stall seiner bestraft werden, tic armen .Kerls. Ich aber will sehen, den Namen der Palla« Roihenlhnrm vor dem Aus- skerben, vor Schande zu bewahre». Der Kaiser wird mich hören!" „O, sei nicht Kart, sei nicht hart, lieber Man». Wir haben gefehlt vor ibi». Er war krank" „Sei ruhig, Luise. Mein Schmerz ist größer als meine Härte! Was giebl's, Ermlcr?" Der „Persönliche" war, ohne aiiznpochc», in die Thür getreten. Er batte nicht einmal den ,zrack an. „Herr Graf, der sungc Herr Gras fährt soeben —" „Nicht hier vor!" „Ludwig, vergiß Dich nicht." Er sah sic an mit einem stummen, auklagenken Blick und ging hinan«. Ein Mann i» dunklem Eivil war aus der Droschke ge sprungen und stand im Flur. Zwei Arme schlangen sich »m seinen Nacken. „Mein Kind, mein arme« Kind!" „Meine Müller!" „O, nicin Gott! Weine nicht, mein Sohn. Tu mußt sogleich Weiterreisen. Dein Vaicr —" „Natürlich Ich wollte Dich nur noch einmal küssen, meine Mutter." „Gott segne Dich! Gott behüte Dich! Gott sei mit Dir!" „Leb' wobl!" „Geld und Verzeihung und Liebe, Alle» kommt Dir nach. Gieb nur Nachricht." Er floh. Der Vater war »ach seinem Arbeitszimmer gegangen- Mtt geballte» Hände», mit zusammengebissenen Zähnen: „Mein Sobn, mein Sohn" — dann ein schwerer, tumpser Fall Nicniand hörte ihn. Niemand kam hier vorbei. Er stürzte voran, mit der Schläfe gegen den scharfen Thürgriff, mit einem matten Aeckzen zur Erde. Still — lautlos still Ein dunkler Körper am Boden im Haus« de» Unglücks — ein kleiner roikcr Strom binriesclnd über die Schwelle unter der Tbür binweg, an der das zerschmetterte Haupt lag. Langmi'tthig und geduldig, barmherzig und von großer Güte ist tcr Herr! Sanft und leise pocht er vielmals an die HcrzenSthnr: ein ernster Blick, ein warnender Fingerzeig. Uncrkörl! Inbegriffen! Dann endlich legt er seine gewaltige Hand schwer ans das Haupt, das ihm wertb ist, nnd beugt eS nieder bis in de» Staub: nun weine Blut und Tbräiicn und erkenne Deine» Gott! Wohl dem, der dann mit dem AUbarmhcrzige» zu ringen weiß: ich lasse Dick nicht. Du segnest mich denn! Tie Gräfin stob in das Schlaszimmer. Ja, sie floh! Sic Wollte ihrem Manne nicht mehr begegnen, ikrem Manne, der sie allem gelassen Halle in der schwersten Stunde, der deni einzigen Kinde, dem unseligen, geliebten, das sie ihm geboren, Hand nnd Herz verweigerte in der schwersten Slundel Nie waren Groll nnd Zorn so heiß in ihr emporgeschossen wie in diesen, Augenblick. ArmeS Weib! Arme Mutter! Sie batte die Tbür zornig hinter sich geschlossen, und nun saß sie da, allein, eine gebrochene Greisin, zu Boden starrend, da« weißgemischte Haar, »och immer schwer und lang, an ihrem feuchten Antlitz niebcrsallcnd, den Kamm in den sestgeschlvstenen Häuten. Nie mebr sollte sie ibn sehen, ihn erreichen? Ihren Sohn — ihr höchste» Gut? O, das war ja unmöglich! WaS war ihr denn alles Andere aus Erden? Ihm nach, in dir Wüste, in die Wildniß, in Gesabr und Tod! Und wenn er sie nicht brauchen konnte, sie nicht wollte?
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