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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920921025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892092102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892092102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-21
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dR-VNNLWknIspkLl- A, »« tza^»t»v»»ditto» od« d» t» Stad». »«»KI u»d den Borork» «richtete» «ut» oadeftellei, abgeholt: vierteljährlich^4.50^ »et »weimaljger täglicher Zu stell»», iu« haut » 5.50. Durch di« Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vi«rtel,ährlich 8.—. Direkte tägliche Kreuzbandjeaduug t»t Aullaad: monatlich ^4 S.—- DKMorgen-Autgab« erscheint täglich'/,? Uhr, die Abend-Autgabe Wochentag- ü Uhr. Krdartiou und Lrpkditiou: Loha«ne-gaffe 8. Die krpeditioa ist Wochentag- ununterbrochen geössuet von früh 8 bi« Abend- 7 Uhr. Filialen: vtt« Sartl«. «Alfred Hahn)» Universität-strabe 1, LolitS Lösche, Sotharineustr. 1t, Part, und «öoig-platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Insertion-?-!- Die 6 gespaltene Pclrizriw LO Psg.' Reklame» unter demRkdaction-strich <4ge« spalten) 50^j, vor den gamilieuttachrtchk» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« vcrzeichiitb- Tabellarischer und Zisferasatz nach höherem Tarif. t^rtra-Beilage» (gesalzt), nur mit de« Morren-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit PostbeiorLerung ^l 70.-^. Annatimeschlnß für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Rachiriiltag- 4 Uhr. Sonn- und Festtag- früh V»9 Uhr. Lei de» Filialen und Annatinicslcllea je eia« halbe Stunde früher. Inserate sind stets an die Vrpeditis» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch» den 21. September 1892. 8«. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Lekaimlmachun-. Der Tchikllftigrr Weg von der MVVrldrücke bis an die Echlruizigrr Mrenze wird am SÄ. dieses Monats für den Fährverkehr wieder geöffnet. Rittergut Kleinzschocher, Leu 20. September 1892. Der Gutsvorsteher. politische Tagesschau. * Leipzig, 21. September. Ueber die Militairvorlage hat, wie die Münchener „Allgemeine Zeitung" auS Berlin vernimmt, der Reichskanzler Graf Caprivi dem Kaiser eine sehr ausführliche Denk schrift vorgelegt, welche die kaiserliche Billigung erhallen haben soll. Die zweijährige Dienstzeit, so schließt der Ge währsmann deS Blattes, werde nunmehr sicher als Vorschlag der Regierung dem Reichstag entacgentreten. Weiter meldet er, eS solle in nächster Zeit eine Broschüre erscheinen, welche dir sür die Vorlage maßgebenden GesichtSpuncte enthalte» werde. Hoffentlich läßt diese Broschüre nicht allzulang auf sich warte», denn eS ist die höchste Zeit, daß volle Klarheit über die Grundzüge der Vorlage geschaffen und dadurch einer voreiligen Stellungnahme der Parteien und Parteigruppen vorgebeugt werde. Was bisher über den In halt der Vorlage und ihre Vorgeschichte verlautete, ist jeden falls nicht geeignet, eine bestimmte Stellungnahme zu er leichtern. Das zeigt sich am augenfälligsten bei den Conser- vativen. Während ein Theil derselben ,ede Mehrbelastung in der von der Negierung gewünschten Form hinzunehmen ent- schlossen scheint, dürfte bei einem andern die Abneigung gegen die zweijährige Dienstzeit die Lust zu Mehrbewilligungen überwiege», während einem dritten bei dem Festhalten an der dreijährigen Dienstzeit die HeereSverstärkung nicht dringend geboten erscheint. D«r „RcichSbote" erklärt sich mit Ent schiedenheit gegen die zweijährige Dienstzeit und läßt es unklar, ob er bei Beibehaltung der dreijährigen für Mehrbewilligungen zu haben ist; die „Kreuz zeitung" ist, wie bekannt, ebenfalls gegen die zweijährige Dienstzeit und versichert recht tröstlich, daß mit nicht „höheren Mehrkosten, als die in Aussicht stehende Vorlage in Anspruch nimmt, auf der Grundlage der dreijährigen Dienst zeit eine wirkliche und ausreichende Stärkung der Armee, die wir bei Einsührung der zweijährigen Dienstzeit trotz quanti tativer Vermehrung der Truppen bisher nicht zu erkennen vermögen, zu erreichen ist und daher in erster Linie an gestrebt werden sollte." Also vielleicht gegen 109 Mil lionen Mark jährliche Mehrkosten und die dreijährige Dienstzeit dazu. Die Ausdrucksweise der „Kreuzzeitung" läßt übrigens erkennen, daß sie sich mit der zweiläkrigen Dienstzeit anSzusöhnen vermöchte, wenn nur die HccrcS- verstärkung eine sehr umfangreiche würde. Mit den Be trachtungen, welche dieses Blatt erst kürzlich in seinem volks- wirthschastlichen Theile über den Zustand deS Erwerbslebens angrstellt hat, läßt sich ihre Bereitwilligkeit, große Summen und zahlreiche Mannschaften ohne anderweitige Erleichterungen u bewilligen» durchaus nicht vereinbaren. Bei den persön- ichen Beziehungen der „Kreurztg." zu nicht parlamentarischen und namentlich zu militairischen Kreisen ist vorläufig anzu nehmen, daß ihre Leichlherzigkeit in Bezug auf Mehr- bewillungen mehr dir Stimmung dieser Kreise als die der consrrvativcn Fraction widcrspiegrlt Auch den Conservativen kann eS nicht entgehen, daß niemals seit dem Bestehen des Reiches eine so große Mehrbelastung unter so ungünstigen Umständen gefordert worden ist. Die „Post", die bisher hart näckig an ihren 60 bis 70 Millionen festgchalten hat, glaubt »»iimchr, wie wir schon gestern an anderer Stelle meldeten, die jährlichen Mehrkosten könnten bis nahe an 100 Millionen Mark heranrcichc», wozu dann »och etwa 50 Millionen ein malige Ausgaben kämen. Danach wäre die Meldung von l50 Millionen ungenau, aber nicht unrichtig gewesen. Wie enorm diese Summe für die gegenwärtigen Verhältnisse ist, geht u. A. auö der sichtliche» Verlegenheit der ReichSregicrung bervor, den Punct zu finden, wo die Deckung zu bewerk- tclligen wäre. Man hat sich von verschiedenen Seiten bemüht, die Ab berufung deS biSberigen deutsche» Militairbrvoll- mächligten in St. Petersburg, General von Vitlaume, und das Eingehen dieser Stellung überhaupt als eine harmlose und von Zufälligkeiten abhängige Angelegenbeit hinzustelle». Trotz alledem ist man in unterrichteten politischen Kreisen der russischen Hauptstadt der Meinung, daß, wenn auch diese Vorkommnisse kein kriegerisches Zeichen sein möge», ie doch charakteristisch für die eisige Temperatur sind, die zwischen beiden Höfen herrscht. Der Fortgang des Generals v. Villaunie wird sich uni so empfindlicher bemerkbar machen, als der Rücktritt deS Botschafters v. Schweinitz von seinem Posten nur noch eine Frage der allerkürzesten Zeit ist. Herr v. Schweinitz hat die Villa deS Generals v. Schlothcim in Cassel angekaust, seine Familie befindet sich bereits dort, und sein gcsammlcs Privat-Mobiliar ist ebenfalls bereits von Petersburg fortgeschasft. Der General ist 70 Jahre alt, hat sein 50jähriges Dienstjubilänni bereits gefeiert und hat eine zahlreiche Familie: Gründe genug, »m »ach einer so vieljährigcn, an Ehren und Erfolgen reichen Thäligkeit sich die wohlverdiente Muße zu gönnen. Damit scheidet eine zweite Pcr-sönlichkeit aus Petersburg, die dort hervorragend sür Erhaltung guter Bezichungk'i zwischen Deutschland und Rußland gewirkt hat. lieber die Nachfolge ist noch kein Beschluß gefaßt. Wir haben bereit- der interessanten Charakteristik gedacht, welche Stead, der frühere Nedacteur der „Pall Mall Äazrtte", in der von ihm inzwischen gegründeten „Review of ReviewS" von dem jetzigen englischen Cabinet entworfen hat. Stead. ein Radikaler, giedt iu dem betreffenden Artikel aber auch seine Anschauungen über das Schicksal kund, welches daS Cabinet Gladstone babcn wird. Er fagt: DaS Cabinct, als zusammenhängendes Ganze betrachtet, kann nicht Bestand haben, wenn seinem Führer eiwaö znstoßen sollte. Sollte Gladstone sich nächstes Jahr zuzückzichcii, so würde man wohl versuchen, daS Cabinct zu rcconstruircn — vielleicht unter W. Harcourt — aber jedenfalls erst nach Vornahme allgemeiner Wahlen. Noch nie waren die Aus sichten einer Regierung in Zeiten des tiefste» Frieden- so ungewiß, wie die der jetzigen. Die Homernlc Bill, mit deren Ausarbeitung man jetzt beschäftigt ist, hat natürlich den Ver tritt vor jeder andere» Maßnahme. DaS Oberbaus wird die Bill verwerfen. Da cs sich damit vollständig inncrbalb seiner constitutioncllcn und moratiscben Grenzen ball, ist Gladstone nicht in der Lage, deshalb einen Enlrüstungsstnrm zu erregen, und die Königin giebt il»n sicher nicht die Vcsng- niß, daS Oberbaus mit neuen Peers zu überschwemmen. Dann wird ma» aber aufs Neue an daS Land sich wenden müssen, aber wahrscheinlich nicht unter der Führung von Gladstone. Unvorhergesehenes, natürlich, mag ja immerhin sich ereignen; aber menschlicher Voraus sicht nach wird in einem oder zwei Jahren, während welcher alles Homerule geopfert wird, ein anderes Cabinct gebildet werden, und daS wird weder ein Gladstone'scheS noch ein liberales sein. Mit solch trübseligen Aus sichten betritt das neue Cabinct die Arena. In Griechenland bereitet sich eine neue Krisis vor, das ist die seltsame Nachricht, welche neuerdings auS Albe» eintrifft. Herr TrikupiS, der bei den letzten Wahlen mit so ungeheurer Mehrheit über seine Gegner den Sieg davon trug und noch vor wenigen Wochen über eine bedeutende Majorität in der Kammer versagte, der von seinen Freunden der „Retter deS Hellenismus" genannt wurde, ist augenblick lich nabe daran, ebenso wie sei» Vorgänger DoiyanniS an der finanziellen Klippe zu scbcitcrn. ES sind nur noch zwei Blätter, welche zu dem Minister-Präsidenten ballen, und in Athen, wo man sich der Illusion bingcgebon halte, Triknpis werde über Nacht die finanzielle Ordnung Herstellen, spricht man »nr noch davon, wann das Cabinot fallen und wer dann Conseils Präsident werden wird. Zu den finanzielle» Nöthen gesellt sich »och die von der „Akropolis", einem Herr» TrikupiS ergebenen Journale, hcrvorgehobene Tbatsacbc, daß die Unsicherheit im Lande der Hellenen schon lange nicht so groß war alö gerade jetzt. Raub und Diebstahl, Cntsnbrnng und Brandlegungen sind an der Tagesordnung, und man zählt, immer der „Akropolis" zufolge, ungefähr im» Mord Ihatcu in einem Monate. Darüber, wer der Nachfolger TrikupiS' sei» wird, herrscht große Meinungsverschiedenheit. DelyanniS schmollt seit seinem Sturze, und ConstanIopuloS ist ein General ohne Soldaten, und so würde nur noch RhalliS übrig bleiben, der Führer der sogenannten Millelparlcien, der aber kaum genügenden Einslnß im Lande besitzt. Unter solchen Umständen ist cs begreiflich, daß man in Griechenland die rettende Thal vein völlig erwartet, der bekanntlich binnen Kurzem in Athen zurückcrwarlct wird. Wir konnten schon das Eintresse» der Expedition von Kcrckbvvcns iu Wadolai, der Hauptstadt der che maligen Provinz Emi» Paschas, melden. Jetzt wird das Eintreffen der Expedition in Wadclai auch von britischer Seile bestätigt. Die „Times" erfährt, daß die Expedition deS Congostaates untor Fübrnng von Kercibovens 5M>«> Man» stark, gut bewaffnet und not mindestens 20 Flugbooten aus gerüstet sei. Während ihres acblzchi»no»aligcn Marsches hat dieselbe unterwegs Stationen außerhalb der dem Congosiaat ini Norden zugewiesenc» Grenze errichtet und große Etscn- bciiivorräthc gesammelt. Tic „Times" meint, die Be wegungen der Streitmacht unter Kcrckboven erheischten die ernste AnsmorksamkeilderbritischcnRcgirru n g,weil dieselbe festen Fuß ans einem Geriet gesagt, welche» innerhalb der briti schen Einflußsphäre gelegen sei. Dem anglodentschen Abkomme» von 1890 zufolge nmjassc diese Sphäre den ganzen obere» Nil. Obwohl Frankreich mit Belgien diesem Abkommen scrnständcn, wäre cS doch eine gcsi'ihrlicbc Politik, dasselbe zu ignorircn. Der Herrscher deü Congostaates habe zwar erklärt, Annexionen bildeten nicht den Zweck der Ke»ckbvvcn scheu Expedition, dieselbe solle nur verhindern, daß Frankreich ein Stuck französisches Gebiet zwischen den Congo und die britische Interessensphäre am oberen Nit cinzwängc, cs innßto jedoch völlig klar gemacht werte», daß jedweder Versuch, den oberen Nit und den Albert Nyanza dem Congostaat ein zuverleiben, von England alö eine unsrcundlichc Handlung betrachtet werden würde. Die Feldtüchtigkeit der europäischen Truppen in Indien gestaltet sich sür da- englische Regime zu einem Gegenstände um so ernsterer Erwägunge», je mehr die Situation jenseits der indischen Nortwestgrenze zu ver wirren beginnt und je wahrscheinlicher es wird, daß ein niititairischcö Hantel»« briliscberseitö sür den Eintritt gcwissor Eventualitäten unabweisbar wird. Unter diesem Gcsichis- pnnctc sind die neuesten ans Indien cinlauscntcn Berichte über den sanitären Zustand der cnropäischcu Regimenter nichts weniger als bvffnnngSvoll. Die KranlhcitSzisscrn be wegen sich durchschnittlich um die Grenze von l«» Prvecnt des Effeclivstandes der Truppen. Von den Kranken leiden »nieder mehr als die Hälfte am Fieber, naincnttich dem Ilimatischen, welches i» »nr zu vielen Fällen zum Tode oder zu dauerndem Siechlhum führt. Man wird sich er innern, wie abfällig im Frühlingc d. I. das Unheil deS Herzogs von Cvnnaughl von der „Lord Wanlage's Coinmittcc" benannten ArmeennterslichnngScommissio» über die Brauchbarkeit toS jungen Nachschubes sür die indischen Truppe» lautete. Die Neer »teil, kaum dem Knaben alter entwachsen, besitzen weder körperliche noch mora lische WidcrstandSfäbigkcil gegen die schädigenden Einflüsse deS indischen Klimas »»d er liegen massenhaft re» Strapazen deS FrictcnSexercir- und Marscbtionsteü. Wie soll das erst im Ernstfälle werden. Bis die Truppe als agucrrirt gelte» kann, mag sie leicht ans die Hälfte und weniger ihres Soll- standcö rodncirl sein. Schnelle und durchgreifende Abhilse- maßrcgcl» Ibnn in, eigenste» Interesse der englischen Macht- tellung in Indien dringend Nolh. Deutsches Reich. 88 Berlin, 20. September. Der von der Stadtverordneten» Versammlung zur Vorbcralbnng der Wahl eines Ober bürgermeisters niedcrgcsetzle Ausschuß trat heute Abend zusammen und beschloß, der Versaiunttnng die Wabl des Bnracrnicistcrö Zctlc^ zu cnipscblcn. Der Ausschuß hat überhaupt»»»- zwei Sitzungen abgcbalten. In der ersten wnrke beschlossen, das Gcbalt des Oberbürgermeisters in Höbe von .'ioooo sestznsctzen. Soviel hatte zuletzt auch Herr von Forckcirbeck erhalten, während daS Ge balt bei seinem Amtsantritt nur 2looo betrug. Dieter Beschluß wurde durch de» Obcrpräsidenten gut- gcheißen. Die bcutige Sitzung war nur von kurzer Dauer und eigentlich »nr von sormalcr Bedeutung, da man sich bereits vorher darüber verständigt hatte, keine Bewerbung cinSzusibrcibc» und auch leinen anderen Candidaten neben Zelle zn cmrseblen. In unterrichteten .Kreisen wird cö für sicher gehalten, daß Herr Helle durch den Kaiser bestätigt werden wird, und die gcgcnlbeiligcn Behauptungen erscheinen unbegründet. He» » Zelle gilt allseitig als ein tüchtiger, fleißiger und zuverlässiger Verwaltnng-'beaiiiler, welcher die Stadt Berlin und deien aus gedehnte und schwierige Verwaltung gründlich kennt. Vordem preußischer Richter, trat er als Sladlratt» in die Comrnunal- verwaltung, wurde später zum StadlsyndicnS und vor zwei Jahren, nach dem Rücktritt deS hochverdienten Bürgermeisters Tnncker, zum Bürgermeister gewählt. Z'lle ist zwar rin streng liberaler Mann, aber nicht in der FractionS- scbablone besangen. Seit 1879 bis zum vorigen Jahre ge hörte er dcnr Abgeordnclcnbanse an und zirhltc zur frei sinnige» Partei. Er bat sich jedoch niemals an Agitationen belbciligt und war stets ein streng sachlicher Redner, abhold jeder persönlichen Anspielung. So crllärt es sich, daß er auch bei alle» anderen Parteien sich einer gewissen Beliebtheit er- srcnt. Auck, der Kaiser bat »Ion bereits scinWcbtwollcil erwiesen, zuletzt bei Gelegenheit des Besuche- des italienischen KönigS- paarcs. Die nächste Sitzung der Stadtverordnetenversamm lung ist ans Donnerstag aiibcraumt, ans ihrer Tagesordnung siebt die Wahl des Oberbürgermeisters noch nicht, cs ist aber möglich, daß sic noch nachträglich aus die Tagesordnung gesetzt wird. Es ist übrigen- daS erste Mat, daß ein Freisinniger in Berlin znm Oberbürgermeister gewählt wird. Herr von Forckenbeck gehörte, als er auf diesen Posten gewählt wurde, zur »ationallibcralcn Partei, ebenso dessen Vorgänger, der spätere Finanzministcr Hobrccht. Der vorige Bnrgermcistcr, Herr Dunckcr, bclhciligtc sich nicht un mittelbar am politische» Lebe», wurde aber zur srciconscrvativen Partei gerechnet. Herr Zelle bat, als er zrrni Bürgermeister gewählt wnrke, sein LandtagSniandat nicdcrgclegt. Zweifellos wird er aber als Vertreter Berlins in das Herrenhaus entsendet werden. er Berti», 20. September. Gegenüber den widersprechen den Angaben über den Zcilpnncl der Einbcrusnug deS prcnßi>chc» Landtages erfahren wir zuverlässig, daß ein gan^besiiiiiintcr Tag noch nicht sestgestellt ist, ohne Zweifel aber ein oag zwischc» dem 8. und 15, wahrscheinlich der lo.November, gewählt werden wird. Die Stcuervorlagen werden dem Ab geordnetenhaus«: unmittelbar nach der Eröffnung zngehen; nähere Milihcilungen über den Inhalt in der Presse scheinen vorher — Das höchste Gut. 12s Roman von A. von GerSdorsf. N,<dtriick «ertöten. (Fortsetzung.) „WaS ist da tadelnSwertb? Lag Alles im Menschlichen, lieber Bruder. Du warst in keiner Weise bcanlagt, der Führer und Erricber eines jungen niedlichen Mädchens zu sein. Hattest Dir so feste Hoffnung auf einen Sohn gemacht, Dich beinahe verrannt in die Idee, die ich sehr begreiflich finde, und statt eines starken Erben, eines Stammhalters, kommt da auf ein mal ungewünscht, ungebeten eine kleine, lustige Weltdame i» Deine ernsthaften Zukunsispläne. Daß Dir daS ei» Strich durch alle irdischen Rechnungen war, kann ich begreifen, und daß Du nun im Alter nichts Höheres mehr willst als Frieden und Ruhe, kann ich mir denken. Aber Frieden und Ruhe, Jan-Wilhelm, alter Bruder, kommt mit dem lustigen, kleinen Schmetterling nicht eher in Tein stilles HauS, als bis Du ihn unter die Haube gebracht hast." Mit diesem haarsträubenden Bilde, einen Schmetterling unter die Haube zu bringen, schloß die Frau Räthin ihre Rede und winkle dem rrnstvasten Senator neckisch z». „ES ist auch meine Absicht, wenigstens mein Wunsch, Lotti so bald als möglich zu vrrhcirathen", sagte er ge dankenvoll. „Wird Dir leicht genug werden bei der Mitgift!" Der Senator räusperte sich anhaltend. Sei eS, weil Hoppke soeben cintrat, oder weil er trotz der Mitgift nicht so rosig in die Zukunft sah, und daS Gespräch über den zarten Punct brach ab. Zur wachsenden Pein deS Senator- wurde nun alle Morgen und alle Abend dieselbe erstaunte Frage an ihn gestellt: „Noch keine Nachricht von Deiner Tochter?" Am fünften ober sechsten Abend nach Ankunft seiner guten Schwester wurde eS ihm aber davon zn viel und er richtete sich sehr energisch auf. „Liebe Clara, ick muß Dich daran mahnen, daß Du selbst begriffen hast, Friede» und Ruhe seien die Lebensfreude» meines Alters; wenn Du aber Tein Tcmperauient —" Er hielt inne. Draußen tönte durch daS Heulen und Donnern deS orkan artigen Windes daö Rollen von Nädern über den gepflasterte» Hos und hielt vor der Hauöthür i»»c. Diese wurde geöffnet, und ehe der erstaunte Senator und Frau Hanscnian» sich erheben konnte» oder wollten, thcilte sich der schwere Tbür Vorhang, und ein hockgcwachsencs, wirklich wnnderscböncö Weib stand auf der Schwelle. Wie blutloser Marmor hob sich ihr ovale-, streng classische« Gesicht von ibrcr ticfschwarzcn Kleidung mit den langen, schweren Schleiern ab. Große, umschattete, hinreißend schöne Augen blickten ernst und kalt ans die beiden Gestalten am freundlich behagliche» Thcctisch. Ta- war das „lustige, niedliche Mädel", der bunte Schmetterling, der hier einst Trepp aus, Trepp ab gcgankclt war, bekannt dafür, daß sein LebciiSclemenl „Lustigkeiten und Eitelkeiten" waren: Dora-Maria Markus. Sie trat langsam näher in den Lichtkreis der großen Hängelampe. «eltsame Zeichen und Schatten auf ihrer jungen Stirn, seltsam tiefgcgrabene Linien um den stolzen, blaffen Mund. Unverkennbare Hoheit und Reinheit in dem ruhig bewußten Blick. Energie und Entschlossenheit über der ganzen bedenlcirdc» Erscheinung. Wo war Lotti, die lachende, lustige, geputzte, verliebte Lolli? Fast schien eS auch, als erkenne ihr Vater sie nicht recht dafür. Er drückte daS Pinccnr; fest gegen seine blöke ge wordenen Augen und ging ihr beinabe zögernd entgegen. Hoppke starrte sic an »vir einen Geist, und ihre Tante war sprachlos auf den Stuhl gesunken. „Meine Tochter, bist Du «i denn wirklich?" „Ja, mein lieber, guter Vater, ich wollte Dich überraschen, denn eS war so unsicher, wie und wann ich kommen konnte, da ick» am Fieber geulte» habe." „Du bist sehr verändert, Dora Maria." „Iw weiß rvobl." Sic küßte seine Hände mit de» alten Leidcnschasttichkcit und wendete sich dann mit ernster Höjlichtcit an die Consistorialräthin, die sie gleich Hoppke mit erstaunten Angen verschlang. „Liebe Tante, ich habe Sic zwar nie gesehen, aber ich weiß dock», daß Sic die einzige Schwester nicincS geliebten Vaters sind, ich erkenne es an einer gewissen Achittichkeit. Sic sind gewiß, hoffe ich, gekommen, unser Hans und Heim ei» wenig in Oberaussichl zu iicbmcn. Ans herzliche Dankbarkeit von unö Beiden tonne» Sie sicher rechnen, liebe Tante. Darf ich Ihre Hand küssen^" Sir batte mit so vielen Pausen gesprochen, um der würdige» Verwandten zu gestatten, ei» Wort, eine Begrüßung anzilbringen. Aber der sonst so plätschernde Redestrom schien ganz und gar vereist. Stliinin überließ sie die fette rotbe Hand der ehrfnrchtö vollen Berührung des schönen, kalten Mundes. „Mein tl,eurer Vater, wenn Du erlaubst, lege ich hier meinen Hut und Mantel ab. Hoppke ist vielleicht so freund lich, Beides in meine Zimmer zu tragen?" wandte sie sich nun an den versteinerte» Silbcrdicner, der merkwürdig höflich herbeisprang. „Ja, natürlich mein Kind. Setze Dich nur und genieße rasch etwas", sagte der Senator, ihr an seiner Seite Platz machend. „Gieb ihr Wein, Jan-Wilhelm, gieb ihr Wein." (Die Räthin batte die Sprache wietergesundc».) „Sie sicht ent setzlich kalt und krank aus. Herr des Himmels, wie geislcr Haft ist das Mädchen! Sieb' mir bei! Da Hab' ich sic mir dock, anders gedacht! Was ist denn da loö gewesen i» Amerika?" Der Senator batte rasch seiner Trck'tcr ein GlaS starke» Wein cingcscbcnkt Sie trank auch fast hastig und cS war, als stiege die rotbe Flrith deS Getränkes direct i» ibr durchsichtig weißes Gesicht. Die Hanscmanu, belesen wie sic war, i»»r>n " kopf schüttelnd : „Wie die Braut vrn Krrinlli oder so ctwac " S e balle so unrecht ni bt. „Warum bast Tn de»» nicht tclcgraphirt, Kind?" „Es war so unsicher, lieber Vater, wie ich reisen konnte; ich wollte Dick» nicht unnütz atarmircn. Ich weiß ja, tvie unangenehm Dir überhaupt Störungen Deiner Ruhe und Ordnung sind. A» und sür sich bin ick, ja schon eine Störung, aber da« läßt sich ja nicht ändern. Ich werde vcrsnclien, so still als möglich zn sein." „Mit welchem Dampser —" „Und Ladp Cavendish läßt sich Dir empfehlen und hofft, Tu schickst mich bald wieder zurück." Es waren scherzhafte Worte, die sie sprach, aber welche Haltung dabei, welch' ei» Blick! Rolli und Ernst in jener — dieser cisigkalt und abwesend durch den Raum schweifend, oder de» r»»dc», erstaunte» Augen der ganz kleinlaut ge wordenen Tante begegnend. Hoppke bedauerte aufs Tiefste, daß er mit PcterS in so tödilicher Fehde lebte und nicht hingchcn konnte, um dessen Erstaunen zn errege». Die Unterhaltung beschränkte sich ans die nothwcndigsten Fragen und Antworlc» zwischen Vater und Tochter. Frau Hansemaiin gab anssirllig wenig dazu. Sic war zu sehr aus der Fassung gebracht. So hatte sic sich den EitclkcitS-Sck'mclterling nicht gedacht. Und dann war etwa- im Gesicht dieses MckrckiciiS, ein sonderbarer Zug, sür den sie kein: Erklärung finden konnte, obwohl sie bestimmt wußte, daß cü eine dasür gab. So be gnügte sic sich also, diese ernste, kalte rescrvirte Schönheit fragend anznstarrc» „Ist das englische Mode?" fragte sie nur einmal spitz, „nicht« Weiße« an Hals und Armen zu tragen und wie im schwarzen Rcitkleid 'rnmznacbcn?" „Ja, liebe Tante, englische Mode " „Rim, daS ist doch beinabe zu einfach." „Es tbnt mir leid. Ich babc angcnblicklich natürlich nur englische Kleider und Moden " Die Gleick -,illigkcit, mit der sic daS sagte! — Als wären Moden und Kleiber etwas, daS durchaus nicht in den Kreis ihrer Interco n gehörte! „'Wenn s .b vor der die Männer nicht fürchten, mehr als vor dem gcrntzlen Ting, das sic srübcr gewesen sein soll, dann verstehe ich nichts rcn der Heiralbs^eschichte", dachte
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