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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920922027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892092202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892092202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-22
- Monat1892-09
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Heute liegen uns eine Reibe von Auslassungen vor, die beweisen, wie berechtigt diese Mahnung war und wie allgemein die Mißstimmung ist, die durch die wider sprechenden Meldungen über die Ralur jener Borlage erzeugt worden. Selbst ein so maßvolles Blatt, wie die conscrvative „Tchles. Ztg ", kann seinen Unmuih nicht bergen. Es druckt eine Anzahl solcher Melkungen ab und bemerkt dazu: „Aus diesen zum Th-il einander widersprechenden Meldungen sonst gut unterrichteter Gewährsmänner erleben wir zu unserem Bedauern, bis zu weichem von uns nicht vorausgesetzte» Grade die innerpolitijche Situation, so weit es sich um die bevorstehende parlameiilarische Campagne handelt, noch thatsächlich verworren gestaltet ist. Erst wird osficiös verkündet, die zweijährige Dienst zeit sei beschlossene Sache. Dann Hecht eS, der Kaiser habe sich gegen diese Neuordnung erklärt, welche in Folg« dessen verschoben oder ganz falle» gelassen sei. Daraus wird wieder versichert, die Einführung derselben werde doch, und zwar in der diesjährigen Session geplant, aber nur gegen das Zugeständnch einer größeren mtlilairijchen Präsenzzisser. Und nun soll die ganze Reform niög- licherweise doch bis zur Session 1803 04 verschoben werden. Welche Mittel zur Deckung deS vermehrten Neichsbcdaris »ventucll slüjjig gemacht werden sollen, scheint auch jetzt, zwei Monate vor Beginn der partamcntarischen Campagne, noch nicht einmal im Priucip lesl- zustehen. Ja selbst die hochossiciösen Angaben über den Ei», bcrusungstcrmin der Parlamente schwanken in einer Weise um ganze Monate, daß man in diesem Wirrwarr eines im vorliegenden Falle besonders bedenklichen Frage- und Antwortspieles unmöglich ein günstiges Prognosticon sür die Fruchtbarkeit der bevoritehenden parlameiilarische» Saison zu erblicken vermag." Daß die grundsätzlichen Gegner jeder militairischcn Mchr- sordernngen aus den über die Vorlage umlausenden Gerüchten gerade die extremsten herauSgreisen und mit ihnen Stiminung gegen den Gesetzentwurf zu machen suchen, ist nicht anders zu erwarten. So schreibt die »Franks. Ztg.": Die ganze Größe deS Opfers, welches damit dem deutsche» Volke zugeinilthet wird, erglebt sich, was die „Blutsteuer" betrifft, wenn man erwägt, daß diese einmalige Bermehriing weitaus größer ist, alS di« drei letzten Präsenzerhöhnngen, die sich tnsgesammt aus 85 000 Mann beliefen, zusammen genommen. Und bei jeder dieser Steigerungen hat man vom Regicrungstischc aus die mehr oder minder feierliche Versicherung vernommen, daß es nun, wenn auch nicht aus ewige, so doch auf lange Zeit genug sei des grausamen Spiels." Und wie die Socialdemokratie die von den Vätern der Vorlage mindestens nicht verbütete Unklarheit über deren Inhalt auSnutzl, lehrt folgende Auslassung deü »Vorwärts": „Ter große Aderlaß. Das Moloch- und Vexirspiel wird mit dem bekannten Reptilgeschick fortgesetzt. Es ist »in Eiertanz um die Wahrheit — ein Eiertanz, ausgesührt mit der Gewandtheit und Grazie von Nilpferden, die den Rheumatismus haben. Wird die große Militairvorlage eingebracht werden oder nicht? Wie groß werde» die Neusorderungen sein? Wird die große Militairvortage gleich zu Anfang der nächsten Session eingebracht werden, oder erst nach Ostern, wenn die Budgetdebatten vorbei sind? Werde» die Mchr- forderungen klein sein, groß, sehr groß? Vierzig, achtzig, hundert, hundertfünszig Millionen jährlich? Und wird ein Nntehe» nölhig sein? Ein kleine-, ein großes, ein riesiges? Zweihundert Millionen? Fünfhundert Millionen? Eine Milliarde? Wird die zweijährige Dienstzeit kommen oder nicht? Und wie sind di« beiden Aderlass« — der finanzielle und der körperliche — dem Patienten Michel so zu appliciren, daß er nicht allzu bockbeinig ausschlägt? Um all diese Fragen wird seit Monaten herumgeschmust, heute dies«, morgen jene Antwort gegeben, von Jedem eine andere, von den Dutzenden der Reptilien Dutzende verschiedener Antworte», alle einander widersprechend. Und das ganze Geschmuse und Fragen und Antworten »ine jämmerliche, plumpe Komödie. Denn sür Jeden, der Augen hatte zu sehen und den Willen, seine Augen z« öffnen, stand e» von Anfang an fest, daß es sich um einen General-Angriff und -Ansturm Moloch's handelte, «m einen Entscheidungskamps sür den Militarismus, — daß der Moloch, um nicht Alles zu verlieren, zu seiner Selbsterhaltung Alles ge- Winnen mußte — Alle-, den letzte» Blutstropfen deS Volks, so daß es sich „weißblutel" »ud „iveißgeblulet" — saigim ä blaue, wie Bismarck eS in seiner barbarische» Eognac-Rede lallend auküudigte — und iveißgeblulet, ausgeblulet, blut- und kraftlos und widcrslauds- unsühig m Moloch's Armen liegt und ihm nicht mehr zu ent rinnen vermag." Dies nur einige Stimmen ans dem Chor der Miß vergnügten. Sic genügen aber icdcnsalls zu dcni Beweise, daß jeder Tag, der noch bis zur Veröffentlichung der Grund züge der Vorlage vergeht, die AnSstchlcn derselben vermindert und einen Verlust sür die Popularität der Männer deS neuen EurseS bedeutet. Die Bedenken, die von affen Seiten gegen eine abermalige wesentliche Berstärkung der Militairlastcn gellend geinachl werte», suchen die »Bert. Polil. Rachr." durch folgende Ausführungen zu zerstreuen: „Daß der Militairetat seit der Errichtung des deulschen Reiches stetig gewachsen ist, darf als bekannt vorauSgeietzt weiden. Von 250 Millionen Mark zur Zeit des Pa»schg»a»lums ist dos Ordiiinriiiiu des Militairetat» gestiegen im Jahre 1877, ans 310 Millionen. >880 8l aus 328. 1885 86 -ms 3:38, ,802 03 aus 427 Millionen Mark. I» derieibe» Zeit bat sich aber auch die Bevölke rung Deutschlands erheblich vermehrt. Sie betrug 1870 40,8, 1875 42,07, 1880 45,2, 1885 46,0 und beträgt 1802 03 rund 50,5 Millionen Köpfe. 'Allerdings ist das Auwachsc» des Militairctals s> ärkcr als die Zlliiahme der Bevölkerung; wc»» man aber die Zeit des Pauschquantums, welche ihrer Besonderheit wegen sich zur Ver gleichung nicht wohl eignet, außer Betracht läßt, ist der Unterschied nicht allzu erheblich. Einem Wachst!»»» der Bevölkerung um über 18 Proccnt fleht eine Vermehrung des Ordinär»»»- des zrccrcs- etatS um nicht volle .34 Proecut gegenüber; der Unterschied dürste durch die Vermehrung der Sieuerkrast mehr als ausgeglichen sei». Man würde aber auch in der Annahme seht gehe», daß der Militairetat im Vergleich zu anderen Ansgabe- clats, und insbesondere z» denen, welche der Förderung von Enltnr und Wissenschaft gewidmet sind, besonders stark angewachscn sei. So zeigt u. A. der preußische CnltuSetat folgende Ent wicklung: 1870 l8,8. 1875 43,8, 1880 40,1, 1885 52,7,1802 03 101,4 Millionen Mark. Während also das Ordinär»»» de« Militairetat» von 1875 ab um nicht voll 34 Procent sich erhöhte, wnchsin dem gleiche» Zeiträume der dauernde Answand snrdaS Cultus- ui»iisteriuttiuinI32Proc., also umdaSTreisache. Noch größer ist der Ilnlerichitd, wenn inan dis 1870 zurückgeht. Eitlem Steigen de» Militairetat» um 70 Procent steht ei» Anwachsen des Cutlusetats »m nahezu 440 Procent oder um inehr als das Sechssn che gegen- über. Selbst absolut bleibt der Mehraufwand Preußens sür Kirche, Schule, Kunst »ud Wissenschaft »nr sehr wenig hinter dem jnr Heereszwecke zurück. Ten» wenn von >875 bis jetzt die dauernde» HeereSa»»gaben sür Preußen um rund 65 Millionen stiege», so wuchs gleichzeitig der EullnSctat um 58,6 Millionen Mark. Ter Schluß anS vorstehende» Zahlen ergicbt sich von selbst." Wir gestehen, daß sich uns ein Schluß auö de» angc- fübrlcn Zahlen keineswegs von selbst ergicbt. Wir balle» cs durchaus nicht für selbstverständlich, daß der Mililaircial dcö Reiches in dein gleichen Maße wächst, wie der preußische CnltuSetat. Auch ist cs unseres Wissens in Prcnßcu »och keinem CultnSminister eingcsaffcn, seine Mehrforkeruiigcn mit dem Hinweise auf die wachsenden Militairlastcn im Reiche zn begründen. Gerade, weil in den Einzcl- staalen die nölhigcn Ausgaben mit jedem Jabrc wachsen, müssen die verbündeten Regierungen daraus bedacht sein, die Forderungen sür Reichszwecke aus das Maß des absolut Rotbwendigcn zu beschränken. 'Man kann sich daber auch keine verkehrtere Arguiiienlation für neue Militairforderungen denken, als die Zäblengrnppirnng der „Verl. Polit. Rachr ". Bemerkt sei übrigens, daß die „Franks. Ztg." wissen will, man werde das Ccntrum durch die Drohung mit der Rückkehr des Fürsten Bismarck zur Bewilligung der militairische» Mebrsortcrungc» zu zwingen suchen. Diese Idee ist fast ebenso naiv, wie die Argumenlatio» der „Bert. Polit. Rachr ". Den» wer soff den früheren Reichskanzler als „schwarze» Mann" für das Centn»,, benutzen'? Etwa Gras Eaprivi? Ltcr traut vielleicht gar das Frankfurter Dcinokratenblalt dein .Kaiser zu, daß er dem Centn»» mit dem Fürsten Bismarck drohen werde? Der NciebSIag wird in seiner bevorstehenden Session voranssichilich auch mit einer großen Anzahl von Petitionen wegen A l> änder u ng de r B e si i i» in u n gen d cr Ge wer b e ortnnngsuovclle über die Son n t a gSr nb c ini Handelsqcwcrbc angegangen werden. Massenpetitionen in dieser Richtung mit verschiedenen Vorschlägen sind schon in Vorbereitung und scheinen großen Beifall zn sinke». Der Reichstag wirk also wobl Gelegenheit haben, sich mit dem Gegenstand ;» beschäjiigcn. Dagegen ist, wie die „Rational Liberale Corresponttiiz" osäbrl, ein Vergebe» deS BuiidesralbeS sür die nächste ReicbStagssessio» noch nicht in Aussicht gcuoiuiucii. Mau will den Reichstag bei dem ihm ohnehin obliegenden großen Arbeitssloss von allen Gegen läuten sreiballen, die nicht »»bedingt dringlich sind, nnd die Fräste der SonnlagSrnbo isl allerdings noch nicht so geklärt, daß sie jetzt schon wieder zur gesetzgeberischen Revision reis wäre. Zahlreichen Beschwerden über Schädigungen »nd Belästigungen stebl andererseits auch wieder Anerkennung oder Gleichgiltigkeit gegenüber, nur eS läßt sich auch nicht verkennen, daß nianchor Uebelstand, der in der ersten Zeit hrrvorgelretc» ist, durch die den örtlichen Verhältnissen sich besser anpassendcn Verfügungen der Be Hörde» beseiiigl werte» sann, ohne daß die Klutte der Gesetze gcbnng gedreht zu werken brauchte. JctcnjallS wird cs wcckiiiäßig sei», erst »och inebr praUisciic Crsabrnngeu zu ainmeln, cbo die RVtt,we»diglcit eines neuen gesetzgeberische» Eingreifens mit Sicherheit behauptet werde» kan». Ganz sonderbare Verhältnisse bestehen in den czechisch slawische» Provinze» Oesterreichs. Während i» Böhme»'die Regierung cinzclnc Theilnehmcr au der Solol fahrt nach Ranep wegen ihrer dort gehaltene» Reden in An llagcstand wegen Hochoerralhcs versetzen läßt, dauern die Hetzereien gegen den Dreibund »nd der Kamps gegen den Ausgleich inil de» Deutsche» fort. Dabei saßen i» Prag die scndalcn Großgrundbesitzer, an ihrer Spitze der höchste Landes gewallhaber, der Lbersttandmarschall Fürst Lobkowitz, mit de» Jnngcrcchcn a» einem Tische, »in über eine gcmeinsanie Adresse aller czcchischcn Parteien zn bcratl.cn, deren aus gesprochenes Ziel das bobnilschc StaalSrecht ist, — im Grunde nur die Verneinung der bestehenden ReichSvcrsassung nnd des benlige» Oesterreich. 'Aus demselben Großgrund besitz, der die Vormacht in Böhmen bat, scheidet eine Reibe versöhnlicherer Mitglieder ans nnd an deren Stelle sollen andere 'Abgeordnete gewählt werden, die, wie die Candidalen liste zeigt, „staatsrechtlicher" gesinnt sind, als die anS- acschicdcncn. Die Regierung aber rührt keine Hank, »in die McbrheitSverbällilissc »n böhmische» Landtage dem Ausgleich günstiger zn gestalten, obwohl sic sich zur T urchsükrnng des selben sür verbunden erklärt. Die Tcnlschcn sind, da Gras Taasse »och weniger geneigt zn sei» schemi, de» Landtag aus znlösc», als seinen vollen Eiuslnß aus die feudale Gruppe wirken zu lassen, bezüglich des Ausgleichs anss Trockene gesetzt »nd die gegenwärtigen unleidlichen Zniländc »n Lande droben i»S llngcmcssenc sorlznbcstcbe». An denselben wird auch nichts dadurch geändert, daß die Aliczechcn »nd die Groß grnndbesitzer vorläufig nickst für einen Arreßcnlwnrf stimmten. Der neue StaalSsccrclair für Irland, John Morlcp, wird aller Wahrscheinlichkeit nach bald cinsehen, daß eS sehr schwer, wenn nicht nnmöglich ist, de» von den Iren an ibn gestellten Forderungen zn genügen. Die Iren sind groß iin Fordern, wen» sie etwas erlange» können, nnd der Appetit kommt ihnen gewaltig beim Essen. Die Mehrzahl des Volkes bat eine cigenlbümlichc Vorstellung von de» neuen Acra. Durch die Vergangenheit soll mit einem Mal ein dicker Strich gezogen werden. Was gestern ilnrccht war, soll beule nickst allein sür recht, sondern sür löblich nnd prciSwürdig gelten. Ramcnllich scheint sosorligc Entlassung aller mögliche» 'Arten von Verbrechern eine Forderung zu sein, in der sich da« halbe Land begegnet Eines der ersten Verlangen war die Freilassung des Mörders Eoll, der den PolizeidistrielSitispector Martin in Gweetore vor etwa 3 Jabrcn unigebrachl bat. Der Todtscblag war von der ge meinsten Sone nnd Eoll wurde zu l» Jahren Zuchthaus vernribeill. Jetzt ist ein großer Tbcit der Lssentlichcn Meinung der Insel zn kor Ucberzeugiing gelangt, daß da» 'Verbrechen mit 3 Jabren schon hinlänglich gebüßt sei. John Morien ninß aber, so sehr er zur Milde geneigt sein mag, doch die Gefahr cinsehen, welche die Elnniisck'nng der Re gierung in richterliche UnbeilSiprüche mit sich dringt. DaS leichlglänbigc und bossunngsiclize Volk könnte zu bald zu der Anschauung koinmen, daß der Strafrichter überhaupt ein Amt nietergelcgl habe. Ein andere Forderung, die Mörlen bereits viel z» schassen macht, ist die, die Posten der absetzbare» Rick, tcr mit irische» Rationalisten zu be setze». Die Ernenittingon vollzieht der irische Lordkanzlcr. Da dieser Land »nd Leute gut lennl, dürste er wobl etwa- zaudern, an dem Räderwerk der Justiz so schnell nnd durch greifend zu rütteln Mittlerweile nicbrt sich die Zahl der Ueberfälle und Alwickneilltiigc» aller Art, seitdem der „blutige", aber sehr praktische Valsvur die Sorgen eines irischen Oberseerolairs nietorgelcgt hat. Frcilag Rächt wurde ein Farmer, Daniel Lebaiic in Vallnvouriien bei Macroom, von einer Bande verinnmnitcr »nd bewassnclcr Gesellen in seiner Wobnnng überfallen. Mit dem Revolver in der Hand crllärlen sic Lebane, er würde erschossen werde», wenn er seinen Knecht nicht entließe. Lange Zeit waren solche Vor fälle selten geworden. In St. Petersburg scheint das Bedürfnis!, sich an der Türlei nnd Bulgarien z» reiben, wieder stärker hcrvor- zulrelen Rack, einem Telegramm a»S Kvnstanlinopcl richtete die russischo Regierung an die Psortc eine 'Rote, worin sie die Auimerlsaiuleit lenkt ans die crnslon Folgen, die aus den gegen die bestehende» Verträge verstoßenden Beziehungen zwischen der Türkei »nd Bulgarien entstehe» dürsten. Die Rote vernrsachlc in Koiistaiitinopel ei» gewisses Aussehen. Wenn man den vorliegenden Mittbeilnngen Glauben schenken darf, so scheint in der Pa»iir-An gelegen heit durch gegenseitige Rachgiedigkcit, begrüntet in der Unlust, »in eine» so werttstosen Fetzen Landes einen kriegerischen Welldrand zn entzünden, eine diplomatische und sried- lischc 'Austragung größere Wahrscheinlichkeit zn gewinnen. Ebina batte allerdings, wie jetzt bekannt wird, von Kaschgar ans Truppen nach dem ven ibm in Anspruch genonimenen Tbcile des Heckstandcs entsendet, jedoch diese Truppen, um jeden Eonslict zn vermeiden, schon vor dem Eintrcssc» deS Obersten Janow wieder zurückgezogen. Weiter beeilt man sich in Ebina, die Reise des in Berlin beglanbiglcn chinesischen Gesandten »ach Petersburg der Bedeutung zn cnlklcidcn.die man ibr in Deutschland unk Großbritannien beilegte; der Gesandte residirl sür gewöhnlich in Berlin, ist aber auch in Petersburg beglaubigt, nnd cs dürfen daher an die Tbatsache, daß er gerade jetzt sich dertbin vcrsüglc, keine weilcrgcbcndcn Folge- »nngcn gelniipsl werden, als selche, die man etwa aus dem Besuch eines in Petersburg rcsitirenden Gesandten beim russischen Minister des Auswärtigen ziehen würde. Rußland bat nun, »in über die rnssischen bekannten übliche» Be- schwichlignngsvcritichc, die nirgends inebr Glauben finden, binanszngeben, auch seine Truppen ans Pamir abderusen und in ihre Garnisonen in Fergbana znrückvcrjcgt. Die Dipjomale» haben daher jetzt allein das Wort, nnd eö wird vermntblich wieder ein Aetenslück zn Stanke komme», das dem rnssischen Bären gegenüber nicht das Papier wertk ist, aus das cs ge schrieben ist.Eiiiandcrcr diplvmat ischcr Conslict zwischen England und Rußland wird nicht so leicht durch eine Scheinlösung zn beseitigen sei». Lord Roscbcry hat böslich aber entschieden 'Ausllärniigen über die Beschlagnahme canatischer Rob bcniängcr durch russische Kriegsschiffe verlangt, und da eine schwächliche Politik in dieser Angelegen heit das ohnehin nur lose 'Band zwischen England und Canada noch mehr lockern würde, so ist alle 'Aussicht vorhanden, daß F««illetsir. Das höchste Gut. ISj Roman von A. von Gersdorff. Nachdruck vndoten. (Fortsetzung.) Tag auS, Tag ein ging daS Fräulein in dem schwarze», englischen Kleide herum. Nie ins Concert, nie in« Tbcatcr, nur alle Sonntage in die Abendkirche draußen am Hasen, nicht weit von dem Hause des Herrn LcichenbcsorgerS. Der kam übrigens doch ab und zu ins HauS deS Senators In ihren Zimmern hatte sie immerzu etwas zu ändern. Gleich am andern Tage hatte sie nach PeterS geschickt und ganz einfach und ruhig die schönen bunten Mullgeschicklen und Spitzen, die der erste Decorateur der Stadt vor ihrer An kunft aus eigenen Befehl deS Herrn Senators batte a»f- bänaen müssen, wieder von PeterS abnebmen und die schwere, dunkelgrüne Seide, unter der ihre Mutter gestorben war, wieder hinnageln lassen. Hopple, der gutmütbige Mensch, machte natürlich Anstalten, sich bei diesen Gelegenheiten dein alten Freunde wieder zu nähern, aber Peter« lehnte da« in schroffster Weise ab. Er sagte Hopple ohne weitere Umschweife, daß er ibn eigentlich nie habe leiden können. Nun, daS verstimmt am Ende auch den großmüthigstcn Eharaktrr, und Hopple ließ ab von seinen Hoffnungen. Eine Stunde nach dem Diner trat dann Maria pünctlich in daS jetzt geöffnete und benutzte große Wohn zimmer mit sciiien »»bequemen, alten Möbeln »nd gedunkelten, riesigen Oclbildcrn. Dort fand sie regelmäßig ihre» 'Vater mit einem culturhistoriscken, geschichtlichen oder »alurgeschichl- lichcn Buch in der steifen Evphaccke und ihre Tante »ul einer grausam unnützen Häkelei in der anderen sitzen Ans dem großen, runden Tisch inil der bunten, verblaßten Blumen decke stand eine große Lampe mit blauem Schirm, nnd im Kamin erstarb das Feuer an Nahrungsmangel, weil sich Hopple dafür nicht inleressirte. Nun, sie iittercssirlc sich auch »ich« dafür und ließ eS sterben. Stumm setzte sie sich zn den Beiten an den runden Tisch und beugte sich Abend sür Abend über eine unsäglich künst liche Handarbeit, deren Mühseligkeit nnd dadurch bedingter minimaler Fortschritt eine leichtlebige, heitere Natur schon vom einfachen Zusehen toll gemacht balle. Die flüchtigen Aiigenblitze ihrer zur Stninnibeit vcr urtheilten Tante, kaö energischere, heftigere Rasseln der Nadeln bemerkte sie absolut nicht. Schließlich war eS der Senator, der diesem eigcnlhi'imlüh ruhigen Hinlebe», das ibm doch gerade Kälte angenehm sein sollen, in »»befangener Weise ein Ende machte. „Sag mal, meine Tochter, hast Du kein andere« Kleid als dies?" fragte er eines Abend«, daS tödtticbc Schweigen nnlerbrechend und eine Abhandlung über die Fortpflanzung der Hirschkäfer von sich schiebend. „Das Toilcliengeld, das ich Dir gebe, ist doch so reich, daß Tu Dich nicht derartig ein- zuschränkcn brauchtest." „Ja, Vater, cs ist sehr reich; Du bist sehr gütig gegen mich." Sie beugte sich mit zuckenden Lippen über seine Rechte, die, welk nnd greisenhaft geworden, ans der geöffneten Broschüre lag. „Tn bist jetzt vier Wochen hier, mein Kind, und trägst immer dasselbe schwarze Kleid. Tu bist doch keine Nonne. Hoffentlich bist Dn bei der Eaventish nickt irgend einer ver rückten Secte beigetrcten?" Sie läckelte ibn an. Welch' ein melancholisches Lächeln! „Nein, Vater." „Ich sinke Dick überhaupt sonderbar." „Ich kann eS nicht ändern", »inrmelte sie, daS Haupt senkend sdic rasselnden Nadel» schwiegen), „nianchinal wird man mit den Jahren sonderbar oder verändert sich irgend wie —" „Lieber Himnicl, Tn llmst. '«« gingst Tn ans die Vierzig lcS!" mack'tc sich die Rätbin Luit. „Als Tu hierher kamir, Tora-Maria, batte ick die Ab- sickl. Dich niiler dein Schutze Teiner Tante in Gcscllschailen z» schicken und selbst Geiellschaitcn gebe», wenn es Dir erstens nubt »nangencl'm wäre und zwe.lenS — zweiten» — weit ich de» Wunsch habe, Dich zu verbeirathen!" „O Gott!" „Herr deS HininiclS, sie bekommt Znsällek" Frau Hanicinann sprang entsetzt ans. wobei die R.ipcl» auö der Strickerei suhlen und wie Amor» Pfeile »m sic bcrnm flogen, die Arbeit „rcbbcltc" sich ans, unk das starke Garn schlang sich eiligst um die ruiidc Gestatt der Dame, so das; sie im Moment gar nicht im Stande war, die Ver Wickelung zu lösen nnd sich in die Geschichte zu mische». Momente aber batten auch Tora 'Maria genügt, ihre ganze kalte Fassung wiede» ziigewinnen. „Ich bekomme nie Znsällc, liebe Tante", sagte sie fest, derselben die ausgclöslc Arbeit überreichend. „Eö scheint dock', wenn man vom Heiratlicn spricht", riei die Commissionsrälkin, deren Geduld erschöpft w ar, „und ich weiß auch warum, nnd Tein Vater weiß cs, und alle Welt weiß cS — sogar die Dienerschaft." „Wirklich? Run, alle Well ist oft so wcnig wie die Domestiken richtig informirt", war die kochmülbiae Antwort. „So? Weshalb wirst Du den» grün und lla>: ' üllst mit dem Kops säst aus den Tisch?" „Elara!" Ter Senator erhob sich »nd trat wie schlitzend ne.e» seine stolz dastehende Tochter, die ihm in diesem Mouieitt so über raschend ähnlich sab. „Ach wa«! Sic bat da als Backfisch 'mal 'ne Liebelei gehabt mit dem grünen Jungen von den Palla« Rott'enlliiirm's, nnd die scittiuicntale Eavcnkiik — T» hast mir selbst gesagt, daß sie sentimental ist, Jan Will — die bat die roniaittisihe» Grillen Deiner Tochter hübsch gepflegt. Run gebt das Ding da natürlich i» Sack und 'Asche, in ewiger Trauer »m den „ewig Geliebten", von dem sie nicht einmal inebr weiß, wie er anSsicltt — da« wette ich —, rennt alle Sonntag 'Abend in die Hospitatkirchc unter die Sterbenden »nb bekommt Aniälle, wenn inan ibr vom Heiralben oder sonst etwas Veriii'initigcin spricht." So majeslätisch, wie man eine solche energische Rede ballen kann — unter den Bemühungen, s: l> rv» einem Füße »»k Hände umschlingende» -'Inclgatii ;» besceiea, was d>a sel her Eorpntenz nicht ohne einiges Pnßcn ge-chieht —, ' atie cS Frau Hanscmann gethan. Dora Maria saß regnngSloü da, die gcsaltelcn Hände ruhig an! dem Tisch. Ihre großen, dunklen 'Augen rnblen ans der Erregten mit einem halb traurigen, halb spöttischen Blick. Dann legte sie ihre kunstvolle Hanbarbcil vorsichtig zusammen, wie alle Abcnbc, wenn die Uhr zehn schlug, grcnzen- lese Gleichgiltigleit i» jeder Bewegnug. Kein Farbenwechsel in ihrem Gesicht, kein Zittern der schmalen Hände. Hatte sie wirklich irgend eine Bewegung knndgegcl'en bei der Eiiväblinng einer möglichen Heiralb, fragte sich der Senator, während er in bei ihm nngcwobnler Unruhe in dem grolic», iingemntt'lichcn Raum ans und ab schritt. „Geh' zur Ruhe, Clara. Ich möchte mit meiner Tochter allein iprechc»." ., Tck'ö». schön. Ich wünsche Tir viel Glück lei der stolzen Dame. Was mich bclrifft, so bitte ick, ja keine Rücksicht zu nehmen. Ich bi» eine einfache Frau unk in gesunden 'Ver hältnissen mit gesunden Menschen gesund geblieben: >n»n in <-,>r>x>r>- >.i»c>", sagte mein guter Seliger. Aber hier ist etwas faul im Staate Däncniarj." Mit diesem Cckat verschwand die Fra» Rätbin, nnd Hopple, der rniällig in der Nähe ein Tlmrichloß putzte, lcuchlcle ihr diensteifrig voran. „Mein Kind, ist etwa« Wahres an dem, was Deine Dante von dem jungen Pallas sagte ?" Sic sah mil einem scheue» Blick z» ibm aus. Wie alt er anssab! Wie weiß und dünn da« Haar ans seinem ehrwürdigen Haupte! Wie leer und jrcntloS sein Blick! lind sie war eS. ihre cinsacke, ungewollte, unerwünschte Eristenz, die ibn um sein höchste« Gut betrogen hatte. „Ja, mein Vater. Es ist etwa« 'Wahre« daran." Er ging in seiner gebückten Hatinng na.h dem Kamin und versuchte, das Feuer beiter zu macken Jini sror. „Denkst T» noch an ibn? Hoffst Dn neck» ans ibn?" „Ick denke oll an ibn. Ich hoffe nicht mehr ans ibn." „'Weißt Dn, was er ist, was er lha», meine Tochter?" „Alles." Ec kam rem Feuer zurück, das nicht brennen wollte, und setzte sich mil einem leisen '.'lechzen. „Und — »nd Dn, »ng'ücklshcS Weib —"
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