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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921001028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892100102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892100102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-10
- Tag1892-10-01
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Die „freisinnigen", die conser- vativen und die „freiwillig gouvenicnientalcn" Blätter er wähnen die Nachricht kaum und finden kein Wort der Abwehr gegen die Bezeichnungen, mit denen da« ultrainontane Blatt jenes Gesetz belegt. Ei» Schluß auf das parlamentarische Schicksal deS ultramontanen Antrags läßt sich aus dieser „Toleranz" der freisinnigen, konservativen und ossiciösen Presse allerdings nicht ziehen, aber eü wird nicht über raschen können, weil die nitramontane Presse auS dieser „Toleranz" die Berechtigung zu immer dreisteren For derunzen herleitet. Daß bei diesen Forderungen die größte Jnconseguenz zu Tage tritt, und daß von derselbe» Seite, welche die Verfolgung der Jesuiten als die „größte Schmach deS Jahrhunderts" bezeichnet, die Anschwärzung »nd Ber- solgung der Gegner mit der größten Rücksichtslosigkeit be trieben wird, war zu erwarten. Trotzdem wäre cö eine Unter lassungssünde, wenn man nicht auf die Beweise der Berfolgungs sucht, jener bezeichnendsten Eigenschaft des KlcrikaliS»iuS,die ihm, sobald er Oberwasser zu haben glaubt, sofort ans allen Poren bricht,Hinweisen wollte. So wurde bekanntlich vor einigen Tagen in Düren ein BiSmarck-Dcnkmal entbüllt — beiläufig bemerkt, durchaus ohne tendenziöse Nebenabsichten, denn es ist bereits das Modell zu einem Moltke Denkmal ebenfalls angesertigt. Diese Feierlichkeit benutzte die „Germania", um die Nichtbestätigung deS jüngst in Düren gewählten, dem Eentrum unerwünschten Bürgermeisters wie folgt anzuregen: „Soweit ist die Unverfrorenheit der Dürener BiSmärcker mit dem Bürgermeister Werners an der Spitze bereits gestiegen, dag sie Regierungsvertreter zur Einhüllung eines Deukiiials des MauneS eiuzuiaden sich herausnebmen, welcher der Regierung Opposition und Schwierigkeiten macht, wo und wie er nur kan», ja gegen den LanLerherrn selbst sroudirt. Hoffentlich werden diesen „reichstreucn" Männern auch die verdienten Auszeichnungen zu Theit." Dieser Wink ist ohne Wirkung geblieben; einige Tage später muß das Blatt schmerzlich bewegt berichten: „Die Wiederwahl des Herr» Bürgermeisters Werners hat, wie verlautet, die landesherrliche Bestätigung erhalten. Er war gegen die Stimme» der zur Ceiilrumsparlct gehörigen Stadtver ordneten gewühlt worden. Wir sagten neulich Ichon, daß wir eine starke Regierung haben, die auch eine» BiSmärcker als Bürgermeister in Düren ertragen kann." Besonders lehrreich dürste diese Auslassung für den Reichs kanzler Grafen Caprivi und seinen Nachfolger an der Spitze de- preußischen Ministeriums sein. Es erhellt daraus, was der Klerikalismus außer der Beseitigung des Jesuiten- gesctzeS, einem preußischen VolkSschulgesenc nach Muster de« Zedtiy'schen und anderen gesetzlichen „Unformen" noch in Bezug auf die Verwaltungspraxis fordert, bevor er sich für befriedigt erklärt. Ebarakteristischerweise verwahrt sich die ultramvntane Presse in demselben Augenblicke, in dem sie eine» neuen An turm gegen das Jesuitcngcsctz ankündigt, abermals gegen den „Verdacht", daß das Ecntrui» aus alle Fälle für die M ili tairvorlage zu haben sei. Die „ztötn. BvlkSztg." z. B. antwortet auf derartige Unterstellungen mit derbem Hohne: „lieber ungelegte Eier wird fleißig weiter gegackert. Das Eentrum wird für die Mililair-Borlage stimmen, das gilt manchen Leute» ohne Weiteres als ausgemacht, und nachdem liberale Blätter es versichert haben, glaubt es auch die „öffentliche Meinung". Andere Parteien pflegen sich ihr Unheil über eine Vortage vorzubehaltcn, bis sie dieselbe kennen, und demgemäß wird auch behauptet, die Stellung der Parteien sei noch durchaus unbestimmt, obschon ihre Presse lebhaft gegen die Militair-Borlage kämpft; denn daS, was sie bekämpft, sind unverbürgte Zeitungeangaben. Aber da» Eentrum ist ja von vornherein entschlossen, btindlingS Alle« mit Haut und Haar herunierzuwürge». Zwar verwahrt sich die gesanimte Eentrumspressc gegen die unaclicuerliche Erhöhung der Militair- und Steuerlast, von der in diese» Zeitniigsangaben die Rede ist; aber das Hai ersahrniigSgeiiiüß nichts auf sich Das Eentrum timt oft das Gegeittl'eil von dem, waS seine Presse wünscht, und da anerkannte Führer erklärt Haie», eS werde nur das ats unbedingt nothwendlg Rachgewicjciie bewillige», so ist ausgemacht, daß cS Alles bewilligen wird; denn es enticheidet ja darüber, was cs als unbedingt »othwendig anerkennen null. Zwar wird sich jeder vcrnünfligc Mensch, und wäre es ein Freisinniger, grundsätzlich ans den Standpunct stellen: was mir a!S unbedingt »vlhwendig »ach- gewiescn wird, werde ich bewillige». Aber bei anderen Leuten be- deutet das de» Vorbehalt, nichts als »vlhwendig anzuerkennen, beim Eentrum dagegen: Alles." Auch die polnische Presse, die anfangs eine entgegen kommende Haltung der erwarteten Vorlage gegenüber ent nahm, schlägt jetzt, nachdem die „Germania" mit einer PreiS- forderung hervorgctrete» ist, einen anderen Ton an. So er klärt der „Goniec Wielk": „Ten Pole» stehe nicht frei, die Deutschen im deutsche» Patriolis> »ins zu übertrefsen; den Polen stehe nicht frei, Geld und Btut für die Macht de» großen Deulschlands zu bewillige», wie dies im Reichstage I)r. von Koinicrowsti sagte; de» Polen siche lischt frei, die bewilligten Gelder mit der ausdrückliche» Bedingung zu geben, daß dies gegen Frankreich erforderlich sei, wie dies in der Eominisfton der Abgeordnete Hrktor von kwitecki sagte; de» Polen stehe ferner nicht irei, da» Eeniruiii und die Evnservativen in allen Ausgaben für die Flotte zu übertrefsen, wie das der Abgeordnete v. koscielski rieth." Jede Bemerkung zu diesen Auslassungen wäre überflüssig. Die Angaben darüber, ob Herr Liebknecht aus Frank reich ausgewiesen worden ist, sind bekannttich einander wider sprechend. Thatsache ist, käst er vom Gasthos in Lyon bis zur Schweizer Grenze von Pvlizeibcamlen „begleitet" wurde. Worum e- sich bei der ganzen Angelegenheit namentlich handelt, daS sind die A c n st er » nge >,, welche Liebknecht zu einem Reporter de« „GauloiS" gethan hat. Herr Lieb knecht erwiderte aus die erste Frage: „Ich hatte den Frieden noch auf lange Zeit hinaus für gesichert, und dies, weil gar kein Zweisel darüber walte» kann, baß e>» europäischer Krieg mit de» Millionen Menschen, die sich daran be- thcitigen würden, allzu gefährlich, entsetzlich, vernichtend wäre . . . Bismarck wäre allerdings im Stande gewesen, den Krieg zu ent- fesseln (!), aber Kaiser Wilhelm ist friedfertig und Herr von Eaprivi ebenfalls. Ich darf wohl so reden, denn Niemand wird mich der übertriebene» Zärtlichkeit für das aulokratische »nd militairische Regiment zeihen. Nur ein absoluter Herrscher, der sich an Len Widerstand seines BolkeS nicht zu kehre» braucht, dürste eS wagen, den Krieg zu beschließe», und da giebt cS nur eine», den Zaren, welcher — seltsame Ironie — der Verbündete der sranzüsische» Republik ist. Ich weiß wohl, daß die Regierungen sorlsahren werden, zu rüsten, aber diese kriegsvorbercitungen hebe» einander gegenseitig auf und sind beinahe Fcictorcn der Aufrcchierhattung des Friedens." WaS aber, fragte der Reporter des „GauloiS", wenn cö dennoch zu einem Eonslicte käme? „Tann wird das Bolk, da» »„greift, verloren sein, der Angreifer geschlagen, zurückgedrängt werden/ Die Heere sind heute zu stark, al« datz sie gänzlich besiegt, vernichtet werde» könnten. Man kann nicht Millionen Menschen tödlen, und ich bleibe der Ansicht, die Ration, die sich auf der Defensive hätt, werde im Vor»,eit bleibe». Darum ist eS mehr als je nolhwcndig, daß aus eine allgemeine Abrüstung hingewirkt werde. Europa rennt dein Falliment oder her Revolution, vielleicht beide» entgegen. Frankreich entdeckt eine ge Vervollkommnung einer Waste oder Kriegsmaschine; dann cnl- « Tcuischland etwas Anderes und so weiter, bis Elend und ungersnolh eine allgemeine Erschütterung, eine sociale und volilische jstaslrophe derbeigesührt baben ... Eine Ratio», die eivilisirt in will, darf höchstens ei» Milizsnslem habe», wie z. B. die Schweiz, zu predige», werde» wir nicht müde, und wir werden es woht erreichen oder selbst ciniühren." lind die clast lothringische Frage? „Für uns deutsche Socialdemokratc» exislirt diese Frage Hk nicht. Ich habe 1870 gegen die Annexion der beiden rovinze» vrotestirt und Le» Krieg gebrandinarkl. eitdem bin ich nicht anderer Meinung geworden, und so oit sich eine Gelegenheit bietet, drücke ich mich mit der gleichen Ausrichtigkeit und Energie aus wie vor 2L Jahren. Zwi schen de», socialtstischen Frankreich und dem sociaiislilchen Deulsch- land steht keine elsaß-Iolhringische Frage. Wir sind vor Allem revolutionäre Svcialislen und Jnlernalionalisten. Im Programm der deutschen Socialdeinokratie würde Elsaß-Loth ringen zur Schweiz geschlagen, und diese würde ihrerseilS das große Land der Temokralie, das erträumte Ident des SvciaUü. mus und des Protclarials." WaS würden die dcnlschc» Socialistcn im Falle eines Krieges mit Frankreich thun? fragte der „GautoiS"- Rcporicr. „Das würde von dcn Uin ständen abhängc». So viel ist aber schon sicher, daß die ganze deutsche Socialdemvllalte, falls der An griff von der deutschen Regierung ausginge, sich erheben und die Regierung bekämpfen würde, die ein lolches Attcniat begangen hätte. Ich selbst würde zum Gewehr greisen und mei» Leben für die Berlheidigung des sraiizüsischc» Gebiets, des Landes der Revolutions-Idee, einsetzen," Wie aber, wenn Frankreich angrisse? „Sie vergesse», daß ich auch einweuigDeutscherbin. Es wäre ein wahrer Verrath von mir und atte» deutsche» Socialist en, wenn wir unser Land nicht gegen fremde Invasion schützten. . . ." Die letzten Worte scheinen in Frankreich verstimmt zu haben. Man vergißt aber dabei, daß ja Herr Liebknecht die deutsche Abwebr im Jahre >870/7 l für einen deutschen Ueberfall hält und also auch in Zukunft z» gleicher An sicht kommen würde, wenn Frankreich Deutschland zum Kriege zwänge. Nach Berichten ans zuverlässiger Ouclle aus Pest können die Meldungen als zutreffend bezeichnet werde», nach welchen die in dem am 1. Oktober den Delegationen vorzulege»- dcn Reichsblidgct enthaltene Mehrfordernng des östcrreicbisch- »ngarischen KnegSministcrö beiläufig fünf Millionen betragen dürste. Weiter bestätigt sich, tag es in der Absicht der diesmal in die Delegation gewählten Mitglieder der unga rischen Opposition liege, in der Delegation die Frage der Beziehungen Ocstcrreich-Uiigarnö zum Batica» zur Sprache zu bringen. Wahrscheinlich durch die Gennescr Feste angeregt, bei welchen die sraiizösische Escadre des Admirals Ricnnicr Gegenstand spmpathischcr Knntgebunge» seitens der Be völkerung der alten ligurischen HaiitclS-Melropole war, be ginnt die dreib und fei» bliche Partei in Italien sich neuerdings zu rühren. Verschiedene Journale erheben, wie ans Rom gemeldet wirb, ihre Stimmen gegen die Tripel- Allianz nnd gegen die Negierung des Königreiche-, während gleichzeitig die demokratischen Vereine Versammlungen gegen den Dreibund organisircn. An der Spitze der drcibuntseind- liche» Pnblicistik steht der Mailänder „Secoto", der sich wegen der angeblich zu erwartenden neue» Militairlasten gegen die Tripel-Allianz anüspricht und zu einer allgemeinen Protest- Agitation gegen dieselbe ausfordcrt. Der „Secoto" wird durch die „Patria" unterstützt, die ihre Angrisse gegen Oesterreich wendet, für welches allein, nach der Ansicht dieses Bologneser Blattes, der Dreibund geschaffen worden wäre. Man »ins; die drcibundfeindlichc Bewegung in Italien mit der bevor lebenden Wahlcampagne i» Zusammenhang bringe», um ihre ganze Bedeutungslosigkeit würdige» zu können. Ter schwedische Reichstag ist bekanntlich ans den l7. Oktober zu einer außerordentlichen Tagung einbernscii worden. Der König von Schweden hat diese Einberufung durch solgendcn „Offenen Brief" verfügt: „Mit Bekümmerniß haben Wir des geringen Fortgangs Zeuge sein müssen, welchen Unsere iiiiablässlgen Bemühungen für eine bessere Ordnung der Veriheidiglliigsträfie des Reichs bis jetzt bei den vo» so vielen andere» Ausgaben gleichzeitig i» Anspruch genommenen ordentliche» Reichstagen haben gewinnen könne». Wir ballen cS daher für Unsere Königliche Pflicht, einen Vorschlag darüber einer Reichsversamuilniig zugehen zu lassen, wo derselbe ausschließlich Gegenstand der Behandlung sein kann; und cs ist Unsere feste Zuversicht, daß die schon allzu lange ansgeschobenc Entscheidung einer Frage, welche alle vaterlandsliebenden Männer, wie anscinaiidergehend auch sonst ihre Ansichten und Denkweise seien, vereinen muß, dadurch endlich z» einer glücklichen Lösung gebracht werde. Derowegcn rufe» Wir hiermit sämmlliche Mitglieder der beiten Kammer» des Reichstags auf Montag, den l7. deS ilächslkoiniiiciidc» Octobcrs, zu einem außerordentliche» Reichs tag in Stockholm zusammen. Wonach Alle, die cs angeht, gehorsam sich zu richten haben. Zur mehreren Gewißheit haben Wir diefeS mit eigener Hand unterschriebe» und mit Unserem Königlichen Sieget bekräftigen lassen. Stockholm, Schloß, den 20. Scpt. 1802." lieber die Thätigkcit des belgischen GeneralS Brialniont in Kv»sta»li»opcl gelangen jetzt ausführ lichere Mittheilungen in die Lesfentlichkeit, welche bestätigen, daß ^dcr berühmte Ingenieur einer besondere» Einladung des Sultans folgte, als er die Reise nach Konstaiitinopel aiitrat, um dort betreffs wichtiger technischer Probleme zu Ralhe gezogen zu werden. Es handelt sich dabei in des, weniger »>» die Feststellung eines allgemeinen tür kischen Laiitesoerlheitignttgöplaiieo, als vielmcbr um den Schutz der Meerenge», also um eine Frage, deren Be handlung in Rußland nnd England mit kaum minder inter- cssirter eLpannnng verfolgt werden dürste, als a» Ort nnd Stelle selbst, lieber die Krupp sche» Geschütze, mit welchen die Batterie» des Bosporus nnd der Dardanellen armirt sind, hat sich der belgische Sachverständige in höchstem Maße anerkennend ver nehmen lassen, dagegen hält er die Panzerdecknuge» und soiistigen Schutzvorrichtungen der Bei lbeidiguiigswerke, sowie die Offeiisiv- beweglichkeit der Küstciibattcricn nicht für ansreichcnd, um eine seiiitlichc Flotte unter allen Uniftäiidcn an der Er zwingung der Durchfahrt zu hindern. Es gilt für zweifellos, daß General Brialmont, der von früh bis spät nnnnter- hrochcii thäiig ist und eine stauncnswerthe Arbeitskraft ent faltet, mit seine» Plänen und Vorschlägen betreffs einer voll ständigen Umgestaltung der Meerengenspcrrc dnrch- driiigc» werte, zumal da er i» den ottonianischcn OsficicrS- krcisen lebhafte Unterstützung findet Zwischen ihm nnd den ein heimische» Fachmänner» herrscht darin llcbcreiiisttinmung, daß »ainentlich die Festungswerke des Bosporus völlig n»zu- reichciid sind. Im Einzelnen wird von den türkischen Speem- listcn noch betont, daß gewisse Battcricanlagcn an sehr schlecht gewählten Pnnctcii installirt sind, wo sic ihren Berthcidigcrn vcrhängnißvoller werte» könnten, als etwaige» Angreifern. Bester ist man mit de» DardaneUcnwcrkcn zufrieden, die nach Bornahinc einiger Aciiderlingcn und Ergänzungen allen Anforderungen der »lodcrnste» Technik genügen sollen. „General Brialmviit" schreibt die „Indep. beige" — „der durch daS Vertrauen des Sulians beehrt wild, hütet sich natürlich wohl, dasselbe zu vcrrathen, »nd so begreift i»a», wenn er sich nicht aus »äbcre Darlegung eines Themas cinlasse» mag, welche« eine »»gemeine internationale Tragweile besitzt. Jede derartige Kund gebung würde in der Tbat die Türkei bloßstclle» und eine,, lauten Widerhall in ganz Europa, besonders aber in London und St. PeterS- Feiiillston. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall, xf -t-chdruck verboten. Erstes Buch. Erstes Capitel. Die Hügel lagen ringS im grauen Licht; nur ein niattcr Streife» >»> West kündete die berabgesunkene Sonne, nur ein blasser Widerschein leuchtete im Grunde auf, wo der Fluß, dem engen Felstbor entsprungen, mit breiterem Spiegel durch die Wiesen fluthcte. Ueber die sich schließenden Blumen strichen die Falter der Dämmerung mit dem balberloschcnen Farbenschmuck aus graue» Filtigen. Die Mondscheibe hing noch blaß und glänzend über einem nacbtschwarzc» Tannen wald und dir Sterne blinkten und zwinkerten schüchtern zwischen dem Tag, in dessen Glanz sic verschwände», und der Nacht, die ihnen strahlende Herrlichkeit verhieß. klr. Oswald Bingen stand an dem geöffneten Fenster seines StudirzinimerS in einer Villa, die er mit dem Erfolg seiner schriftstellerischen Arbeiten sich angcsckasit: er war Medicincr, hatte trotz seiner Jugend sich eine ansehnliche Praris erworben und verlor sie auch nicht, als er sie mehrere Monate des JahreS durch Stellvertreter auSübcn ließ. Zu dieser Zeit gab er sich in seiner Villa wissenschaftlichen Studien hin, deren Resultate er in volksthümlicken Schriften zu verbreite» suchte. Diese Schriften fanden ein großes Publicum, weil ihr Inhalt ein gediegener und die Darstclliinaswcise klar nnd faßlich war. Bingen vermied jede» schönbcistigen Anflug, alles Au-schmückende oder gar Ueberschwänglickie; er batte sachlichen „Tic" und durchaus keinen Sinn für dichterische oder malerische Stimmungen. Wie er so an dem offenen Fenster stand, sah man dem Ausdruck seiner Züge an, daß er keineswegs dem Reize des landschaftlichen Bilde« und der abendliche» Beleuchtung bin- acgeben war; er suchte offenbar nur eine wobltbncnte Er frischung; aber seine Gedanken unterbrachen nicht die geistige Arbeit, in die sie vertieft waren: da» sah man an den Stirn falten, an dem gespannten Zug um den Mund, an dem gleichsam nach innen gewendeten Blick. Seine Züge waren scharf, aber nicht unedel, die Stirnhügel über de» Augen stark hervorspringcnd, die Haare voll, aber etwas struppig, auf einen starren, widerstandülustige» Sin» deutend. Obgleich I>r. Binge» »och am Anfang der dreißiger Jahre stand, hatte er dock, nichts Jugendliches mehr in seinem Wesen; cS war, als ob der Reiz der Jugendlichkeit durch die ernste Arrest des Denkens aufgczcbrt worden sei. Er war von schlanker Gestalt, doch etwas vorn übergebeugt; in der rechten Hand hielt er »och daS Fangnctz, mit dem er soeben einen vorüberschwebenden DämmerungS- salter für seinen SckmetterlingSkasten cingefaiigeii. Weniger glücklich war er beute >»it dem Faiigncp seiner Gedanke» gewesen. Je weiter er seine Studien ausdcknte über ein Gebiet, über dem noch eine zweifelhafte Beleuchtung schwebte, dasjenige der menschlichen Zurechnungsfähigkeit, desto mehr schien er selbst erschreckt vor den Folgerungen, die sich ihm ergaben und deren umstürzciide Bedeutung er mit allen Hilfsmitteln seines praktischen Verstandes ciiizusckräiike» suchte. Es war ein innerer Kamps in ihm entstanden, der ihn beunruhigte, und je größer die Fülle von That- sachen war, die er aus wohlverbürgtcn Berichten ver schiedener Fachwissenschaften anbäufte, desto mehr drohte ihn eine Beweislast zu bewältigen, gegen die er mit allen Waffen der bisher geltenden Anschauungen und Lchrnicinunacn an kämpfte. Ei» Gefühl innerer Unsicherheit und Unzufrieden beit hatte sich seiner bemächtigt: wie sollte er als Lehrer des Volkes diese Fragen behandeln? Während er so daftand, in Gedanken versunken, klingelte cS unten am Thvrc dreimal nacheinander und die Heftigkeit dieser Anmeldung wurde noch unterstützt durch lärmende Stimmen und ein lautes Poche» und Poltern. Ter schüchterne semmelblonde Famulus des DoctorS und seine derbe ungeschlachte Magd erschienen gleichzeitig, um zu öffnen; der eine ließ seinen SchnicttcrlingSkastcn im Stick, in welchem er eben einige neue Ercmplarc anspicßtc, die andere ihre Bodenkammer, die sie gerade für den kom menden Sonntag zurecht scheuerte; sic machte» sich gegenseitig Vorwürfe, daß sic zu spät gekommen, und versäumten karübrr eine Zeit lang, trotz des wachsenden LärmcnS, das Thor zu öffnen. Endlich ließen sie die Leute vom Dorfe ein, den Schulzen, de» Gastwirth und zwei andere, wechselten einige Worte mit ihnen und folgten da»» in großer Erregtheit den Eindringlingen, als sie die Treppe der Villa hinaus stürmten. Ter Schulze ergriff zuerst das Wort: „Kommen Sic eiligst, Herr Toctvr! Im Gasthaus liegt ein Frauenzimmer im Sterben, ein fremdes, zugereistes Frauenzimmer." „Ein plötzlicher Krankheitssi'll?" „Nein, nein", sagte der Gastwirlh, indem er sich de» Schweiß von der Stirn wischte, „eS handelt sich um Ehr' und Reputation; mein Gastbof hat stets für den ersten in der Gegend gegolten; doch wenn dergleichen passirt, so muß die beste Wirtschaft zum Teufel gehen." „WaS in aller Welt ist denn geschehen? Ihr könnt cö mir unterwegs erzählen." Der Toctor ließ sich von seinem FamuluS Hut und Stock geben. „Vorwärts! So viel sch' ich schon, daß die Sache Eile hat. Kein inneres Leiden — eine Verwundung?" „Ja, Herr Doctor." „Mein Verbandzeug, Mar, und nun auf dem nächsten Fußpfad durch die Kornfelder! Eö sind die Ihrigen, Herr Schulze, doch wir müssen trotz des Strohwisches, der ge wöhnliche Sterbliche schreckt, hindurch — Nvth kennt kein Verbot!" Ter Zug setzte sich in Bewegung, und der Schulze sah mit Mißbehagen diese Wanderung über seine crbgesesfencn Äeckcr an. „Die Lantstreicberin", rief er ärgerlich, „welcher Wind bat sie hierher verschlagen? Habe sie noch nicht ordentlich inS Verhör nehmen können, sie ist schwach und weigert die Auskunft. Zwei Tage lang hat sie sich hier cmgenistet. Den Tag über war sie , in dem benachbarten Städtchen, Abends kehrte sie zurück Und heute hat sie Hand an sich selbst gelegt!" „Ja, und mit einem Dolch", sagte der Gastwirth, „den sic irgendwo entwendet haben muß, oder sie kommt von den italienischen Banditen her. Unsere bürgerlichen Mädchen und gute» Landeskiiidcr haben keine Dolche." „Hat sic sich schwer verwundet?" „Sic blutet stark . . unser Barbier auö dem Städtchen ist bei ihr." „Er war gerade zu Gast bei mir, mein Bier ist ja be rühmt. Er zieht auch Zähne und versteht'-; er meint, die Sache sei ernsthaft." „Ist das Mädchen »och junst?" „Mädchen oder Frau", verletzte der Schulze, „habe zu nächst nichts Standesamtliches hcrauöbringcii könne»; jung ist sie jedenfalls; sie sieht dem Töchtcrchen unseres Herrn Pfarrer« ähnlich, nicht ganz so strohblond, aber eine Blondine, waschecht durch und durch, nnd sanft ist sie, so daß man nicht begreift, wie sie zu der Scbanttbat kommt!" Sie batte» inzwischen den Gasthos erreicht, der zwischen einem städtische» Anwesen und einer ländliche» Dors- schcuke die Mitte hielt; ei» Hecht mit goldenen Flossen war als sein Wahrzeichen auf La« WirthS- bausschild hingcmalt; eine zahlreiche Volksmenge »instand die Eingangöthiir; denn die Kunde einer ungewöhn lichen Begebenheit hatte sich rasch verbreitet und die Neugier des ganze» Dorfes erweckt. Doctor Bingen brach sich Bahn durchs Gedränge und eitle die Stufe» hinaus, inte», er seinen Begleitern wehrte, ibm zu folgen. An der Tbür deS Gemachs empfing ihn der Barbier mit collegialer Höflichkeit; der Arzt war nicht ilnzusricrcil damit, eine» Gehilsc» gleich zur Hand zu haben. „Sie schläft." „Doch nicht aus Erschöpfung?" fragte Doctor Bingen,at er über die Schwelle de« ZimmerS trat. ES war ein kärglich auSgestattetcr Raum; die bunten Bilder einiger berühmten Fürsten n»k Feldherr» schmückten die kahlen Wände; sonst erblickte man nur schlichte Holz- tischc »nd Schemel, eine einfache Lagerstatt mit hochauf- gkbauschtcn Federbetten. Rührend war der Eindruck deS blondlockigen Mädchen« kopscs mit den kindliche» Mienen, der auS dem Kiffen hervor» sab: Fieberhitze auf glühende» Wangen und um den Mund, uni die rosigen lieblichen Lippen eine» bitter» Schmerzensztig
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