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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921027028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892102702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892102702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-10
- Tag1892-10-27
- Monat1892-10
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Diese Bemerkung ist richtig, und weil sie cs ist, rückt sie das Verschleierte, Widerspruchsvolle und Hinterhältige in dem Tbcile der Begründung, der vo» der zweijährigen Dienstzeit bandelt, in unangenehm Helle Beleuchtung. „Die zweijährige Dienstzeit ist ei» Segen in militairischer, siiianzicllcr und rolkSwirthschaftlicher Hinsicht", so ungefähr lässt Graf Eaprivi seinen dermatigen Haupt- und Leib-Ossiciöscn schreiben; auch seine „Begründung" stellt diese Dienst- reit als militairische Nothwcndigkcit hin, und dennoch fehlt sogar die Sicherheit dafür, daß wir die zweijährige Dienstzeit auch nur für die fünf Jahre, aus die sich die Bor lage bezieht, gesetzlich haben werden. Bon allen Blättern, die einer Erweiterung der allgemeinen Wehrpflicht nicht grund sätzlich widerstreben und andererseits nickt principicllc Gegner der zweijährigen Dienstzeit sind, wird dieser Punct vor alle» anderen bervorgehoben. Wir haben gestern die Möglichkeit zurückgcwiesen, daß die Regierung die Unklarheit in Bezug auf die Dienstdaucr geflissentlich walten lasse, um die Con- servativen zu gewinnen. Die erwähnte Auslassung des „NcichS- boten" widerspricht zwar einigermaßen dieser unserer relativ guten Meinung, nichtsdestoweniger halten wir daran fest. Denn was wäre gegenüber einer Borlage mit solchen Mchrforderungcn und ohne gesicherte Abkürzung der Dienstzeit mit den 66 Eonscrvativcn unter den 399 Reichstagsabgeordncten gewon nen? 66 Stimmen und vielleicht keine einzige darüber. Selbst die „Post", die die Unsicherheit binfichttich der ibr gleichfalls unerläßlich erscheinenden zweijährigen Dienstzeit noch gar nicht bemängelt, spricht ihre Bedenken mit einem Nachdruck aus, wie nur irgend ein nationalliberalcS Blatt. ES ist zwar, wie auS bester Quelle verlautet, vollkommen zutreffend, wenn ein mitteldeutsches Blatt erzählt, daß der Kanzler sich in Bezug auf das Schicksal der Borlagc einem unbegrenzten Optimismus hingebe. Ob diese ebenso be- ncidenSwerthe wie nach Lage der Dinge unbegreifliche Ge- uiiithSstimmung aber auch nur die Berathung im Bundes- rath überdauert, stcbt dahin. Ter BundeSratb kann nickst wohl anders, als die Frage der Deckung derMcbrbcdürsnissc als Borsrage oder doch parallel mit der HcereSfrage zu behandeln. Und in diesem Puncte verschlechtern sich die Aussichten mit jedem Tage. Der Kamps gegen die Erhöhung der Tabaksteuer und der Tabalwlle hat aus der ganzen Linie begonnen, die süd deutschen Tabakpflanzer, die bisher einer Slcuercrhökung nicht abgeneigt waren, falls mit ibr eine entsprechend höhere Zollerhebung verbunden wäre, wenden sich jetzt gegen jede Mehrbelastung ihres Products und zwar, wie cS scheint, in Uebercinstimmung mit den betreffenden Landesregierungen. Dazu kommt »och die Meldung, daß der Reinertrag der württembergischen StaatSbabncn für l^9l/92 um 3 400 ooo ./S gegen den Boranschlag zurückgeblieben ist — ein Umstand, der die würctembergische Regierung ganz gewiß nicht geneigter machen wird, die Gefahr der Erhöhung der Matricular- deiträge herauszubeschwörcn. Zu den verunglücktestcn Versuchen, Stimmung für die Militairvorlage zu machen, gehört u. A. ein langer Artikel im „Hamb. Eorr." über „russische Prcßmanöver in Berlin", der zunächst auf das Bestreben Rußlands, überall Hader und Streit zu erregen, binwcist und da»» zum Beweise, daß von russischer Seite auch in Berlin Kuckuckseier gelegt Werden, die daS deutsche Bolk den Russen zur Freude und Ebre selbst auSbrllten solle, Mittbeilungen über die von Maximilian Harden berausgegebene Wochenschrift „Die Zukunft" macht. ES beiße über dieses Blatt: „Dieses Blair wurde noch vor seinem Erscheinen von der „Now. Wr." sehr siimpalhüch begrüßt, weit dessen Herausgeber sich zur Ausgabe gestellt habe, gegenüber de» schändlichen Verleumdungen Rußlands' durch die Leuljche Presse über das Zarenreich die Wahrheit und nur diese zu verbreiten. War es schon einiger maßen befremdend, zugleich aber kennzeichnend, daß nur ei» russisches, der zarischcn Regierung zudem sehr nahestehendes Organ über die Tendenzen einer »eil er scheinenden deutschen Zeilichrist sich »»iierrickstct erwies, so ist es »och ausfallender, das;, nachdem der erste Rußland betreffende Artikel in Nr. 3 der „Zukunft" erschien, wieder die „Now. Wr." deren Lob in allen Tonarten singt, ja den „jungen talentvollen" Herausgeber als einen WabrheilSapvstel herausstreictit, der Heine'jche (steistesjchärse mit der claffijchen Sprache eines Schiller und Goethe verbinde. Ter betr. Artikel trägt die Ueberschrist „Pobedonoszew" und hat den Zweck, die Welt glauben zu machen, daß der Lbcrprocurcur des sogen. Heilige» Spnod ein stiller, braver Gelehrter sei, dem nichts seiner liege, als die Verfolgung und Bedrückung Andersgläubiger. Er beschäftige sich nur mit Le» Angelegenheiten des ShnödS, kümmere sich gar nicht um Politik oder die helcrodoxen Bekennt nisse, was ihm übrigens durch das Gesetz und die Satzungen seiner Kirche untersagt sei, und habe auch gar keinen Einfluß aus den Zaren, kurz, Herr Pobedonoszew ist an allen in Rußland geschehenden Tinge» unschuldig wie ein Waisenknabe, und wen» dort Inden „ver- bräunt und Protestanten geschunden" würden, trage nicht er die Reisig- u»d Ruthcnbiindet zusammen. Man habe ihn zum „schwarzen Mann" gemacht, dem alle Schuld zugewälzt werde. Tie deutsche Presse in ihrer Mehrheit Hetze zui» Kricgc mit Rußland und sei vo» England bezahlt, Ivo das Großcapital der Roth, schilds und der englischen Börse überhaupt seit Jahren rincil »»blutige», aber erbitterten Krieg wider Rußland führe. Auch kcnnan, der „amcrilanlsche Reporter", sei von dort bezahlt. Eng land liege dem Lettischen Kaiser zu Fußen, damit dieser mit seine» Kanonen für die indischen und sonstigen Interessen Albions eintretc. Falls es zum Kriege komnien >olrte, müßte», sofern es »och eine Gerechtigkeit gebe, alle die seigen Hetzbrüder aus ossenem Markte von der Volksmenge gelyncht werden." Daß Rußland Kuckuckscicr in daS deutsche Nest legt, ist auS der Zeit des sel. Schneider eine allbekannte Thalsache, und nicht minder bekannt ist cö leider, daß sich deutsche Schriftsteller finden, die sich ein besonderes Berdienst dadurch zu erwerben glauben, wenn sie daS „verleumdete" Ausland „retten" und aus Kosten des Inlandes herauöstreichcii. Das „friedliche" Frankreich hat derartige Bcrthcidiger in zwei deut schen Parteilagcrn. Zweifellos ist es ei» Berdienst, so undeutschcS und uiipatriotischeS Gcbahrc» an den Pranger zu stelle» und die deutschen Leser vor derartigen Schriften zu warne». Aber zu einer Stimmiingsmacherci für eine Militairvorlage eignen sich solche Prcßerzcugnissc wahrlich nicht. Sie bekämpft man nicht mit Soldaten und Kanonen, sondern mit Feder, Tinte und Drucker schwärze, uöthigenfallS auch mit AnSwcisuiigömaßrcgclii. Mil letzteren versteht man ja in Preußen sehr gut umzugehen. Fehlt cS aber der Regierung au geschickten Federn, so wird sie diesem Mangel nicht durch eine Erhöhung der Friedens Präsenzstärke abhclfcn. In der französischen Hauptstadt siebt gegenwärtig der Schiedsspruch des Ministerpräsidenten Lonbct im Vordergrund dcS öffentlichen Interesses. Der Schieds spruch lautet: „1) Ealvignac wird wieder als Arbeiter der Gesellschaft ausgenommen, für die Dauer seiner AmtStbätig- kcit atö Bürgermeister wird ihm indes; ein Urlaub bewilligt. 2) Die Gesellschaft wird alle Arbeiter wieder cuifiicbmcn, welche den Ausstand erklärt batten, ausgenommen bleiben die wegen Ausschreitungen Bcrurthciltcn. 3) Tircctor Humblol verbleibt in seiner Stellung. Letzterer behält sich indeß vor, gegebenenfalls seine Entlassung cin;»- rcichcn." Man sollle nun glauben, der Streit zwi schen der BcrgwcrkSgcscllschast und de» Bergarbeitern in Earmaux sei bcigclcgt, da beide Thcilc erklärt batten, den Vorschlag, betreffend die Einsetzung eines Schiedsgerichts, an- zuncbiiicii. Aber weil gefehlt! Nach soeben einlaiisciidcn tele graphischen Nachrichten verweigerte nacl, sünsstündiger Berathung der Ausschuß der AuSständischen ein stimmig die Unterwerfung unter den Schieds spruch Loubet'S, und eine Versammlung der Bergarbeiter selbst sanctionirte diesen Beschluß und beschloß weiter die Fortsetzung dcS Streiks. Es war auch kaum etwas Anderes zu erwarten,da sick jetzt bcrausstcllt.daß dicStreikcntc» den Antrag aus Einsetzung eines Schiedsgerichts von vornbercin so verstanden hatten, daß damit alle ihre Forderungen erfüllt werden würden. Man halte namentlich aus die Begnadigung der wegen begangener Ausschreitungen veriirthciltcn Berg leute gerechnet. UcberdicS hatten auch die radicalcn Depu tieren Elemcneean, Pcllctan und Millcraud, indem sic nach Earmaur schrieben, daß de» Arbeitern Gerechtigkeit nicht zu Thcil geworden sei, für ibreu Thcil dazu bcigctrageu, daß eine lcidcuschastSlose Beurtbcilung dcS Schiedsspruches nicht möglich war. Man wird nunmehr abzuwarlcn habe», wie die Dinge weiter verlausen werden. Die bisherige schwächliche Hal tung der französischen Regierung in dieser und anderen Frage», bei denen cS sich um die Wahrung der össcntlichcu Autorität handelt, läßt srcitich nichts Günstiges erwarten. — Eine soeben eingehende telegraphische Nachricht lautet: Paris, 27. Oetober. Tie Morgenblätter sprechen im Allgemeinen zu dem Schiedsspruch Loubet'S ihre Zustimmung ans und erkläre», nachdem der Richteripruch nun- iiiebr gefallen sei, seien die Bergwerksgeiellichaslen und Arbeiter zur Ausführung desselben verpslichtct. Tie radikalen und joeialislffchen Blätter verleugne» zwar ihre Unzufriedenheit mit dem Schlcdsjpruchc nicht, aber sie wagen nicht sür die Fortsetzung des Streiks einzu- trelcn. Es ist eine alle Erfahrung, daß die „Siegesbot schaften" der Franz ose» darauf berechnet sind, mehr der Eitelkeit der „großen Nation" zu huldige», als der Wahrheit die Ehre zu geben. Dies zeigt sich wieder reckt deutlich bei den Meldungen über die Erfolge dcS Oberste» Dodd'ö in Tahvmcy. Der „Boss. Ztg." wird darüber gemeldet: Paris, 26. Oetober. Tie ersten aus Tahomey cingelroffene» Briese über das Gefecht bei Toglia lassen erkenne», daß die französischen Truppen sich dort vor Tagesanbruch in ihren Zelten von den Dahomeecn überraschen ließe». Ein Theit des Gefechts fand dreißig Schritte von, Zelte des Befehlshabers statt. Ei» Lieutenant wurde ans seinem Schlaslager mit der blanken Wasse gctödtct. Glücklicherweise behielt die Fremden legion kaltes Blut, war in zwei Mmnten bewaffnet und gesammelt und verwandelte in einen Sieg, was bereits eme Niedermetzelung der sranzösiichc» Truppen zu werden drohte. Nickt immer ist das Glück so zuvorkommend, wie in diesem Falle, und mau wird cS natürlich finden, wen» dieser Bericht über daS Gefecht bei Dogba die Besorgnisse, die in Paris über den Ausgang der Expedition Todd'ü herrschen, verstärkt, da überdies die sür kriegerische Operationen in Dabomcy günstige IabreSzcit zu Ende gebt. UcbrigcnS ist cS Dahomei) nickt allein, ras Kopfschmerzen verursacht, sondern auch To nt in wird iinmcr mehr zum SchmcrzenS- kinde. Tie französische Negierung hat sich nach de» neuesten Nachrichten im Hinblick aus die von dort cingegaugcncn un günstigen Meldungen entschlossen, ein starkes Geschwader nach Ostasicn zu entsenden. Ter Feldzug sür die italienischen Kammcrncu- w ah len findet seitens der französischen Presse eine äußerst einseitige und daher wenig zulrcsscndc Besprechung. Die Kundgebungen der hervorragenderen italienischen Parla mentarier werden nickt »ach ihrem sachlichen Inhalte, sondern lediglich nach dem Grade ibrcr sra»zoscnfrcu»dlichcit Ge sinnung gewürdigt, n»d da kann denn natürlich nickt eben ein die Franzosen zufriedenstellend es Ergebnis; hcranSkommc». Dazu müßten die Italiener gulmüthigcr und naiver sein, als man ihnen seit den mit der sranzösischen Pvtitil Italien gegenüber gemachten Erfabrungen, die noch in allerjüngstri/ Zeit durch die Wiederautsrischung der tunesischen Affaire auss Neue in Erinnerung gebracht worden sind, ver nünftiger Weise zumutt,cn kann. DaS Ministerium Giolitti glaubt Mittel und Wege entdeckt zu haben, wie dem chronischen Deficit der Finanzen erfolgreich abzuhclscn ist. LP cs daS Richtige getroffen bat, wird die Zukunft ent scheiden muffen, jedenfalls ist ibm für sein Bemühen die An erkennung der verschiedensten Parteien zu Thcil geworden. Fraiilreick seinerseits kann aber, wenn cS seiner traditionellen Anssassung und Behandlung der italienischen Dinge treu bleiben will, unmöglich den Bestrebungen des Cabinet« Giolitti, übcrbaupt irgend eines Eabineis, welche- Italien ans den Bahnen der DrcibundSpolitik erhalten will, seine Sympathien zuwenden. Jenseits der Alpen giebt man sich binsicktlich der wahren Motive der sranzösischen Haltung Italien gegenüber keinerlei Täuschung hin, wildern sagt sich, daß der beste Gradmesser sür die Evrrcclhcit dcS eigenen BvrgcbcnS daS Mißfallen der öffentlichen Meinung Frank reichs ist. ES scheint ganz so, als ob in Spanien auS derColum» buSfcicr als Schlußcssecl eine MinistcrkrisiS herauS- koinmen werde. Berschickenc Factoreu haben zusammen- gcwirll, um die Stellung dcS conservativen Ministeriums EanovaS zu schädigen. Zn erster Linie sind daS die Skan dale in der Madrider Stadtverwaltung, deren Chef» Oberbürgermeister Bosch, der Schützling dcS Colonien- Ministcrs Nomero Nobler» ist. Die stärkste» Unregelmäßig keiten sind vvrgckommen, Verschleuderungen städtischer Gelder, Aeeisc-Bcsrciungcn und Begünstigungen, die von der Presse, insbesondere dem „Imparcial", thcilwcise an die Oeffent- lickkeit gebracht wurden. In einer der letzten Sitzunaen des StadtrathcS kam es zu ciucm Tumulte. Ein Mitglied, Marquis Avenzana, trat so scharf gegen den Ober - Bürgermeister Bosch ans, das; er von diesem zuni Duell gefordert wurde. Anwesende Polizisten zogen die Säbel und bildeten eine Mauer uni den Ober- Bürgermeister. Ans diese Skandalseciie hin erschien in den mcistcn Madrider Blättern ein Ausruf an das Bolk, durch eine energische Kundgebung gegen Bvsch und die Regierung, die ibn duldete, zu protestircn. Nun raffte sich die Re gierung auf, und in der amtlichen „Gaceta" erschien ein Teeret, durch welches der Minister des Inner» eine Inspcctiou der Madrider Muiiicipaliläl durch seinen Untcr- Staatssccrctair Dato verfügte. Das Teeret gleicht in der Sckärsc der Form einer Anklageschrift und erklärt sich a»S dem Drucke der öffentlichen Meinung. Die llnlersuckung ist in vollem Gange. Im Sckooße des EabinetS selbst aber ent- standen Differenzen. Der einflußreiche Nomero Nobledo, welcher an der Spitze einer ihm treu ergebenen Gruppe, der cbei'.ialigcii Rcsormistcn-Fraction, siebt, soll cS auf ein Ver dränge» der rein coiiservaliven Politiker abgesehen haben. Der Reformisten Führer hat bekanntlich schon früher dem Cbcf der Eonscrvativcn, als sich die Reformisten von dem GroS der Partei abtrciintcii, viel zu schassen gemacht. Zu diesen Verlegenheiten sür de» EabinetS Ebes tritt die in Frankreich durch die Aiigclcgcnlicit der deutschen Pathciischaft der Königin Regent,» erzeugte Verstimmung, wovon in Madrid eine üble Rückwirkung ans den in Vorbereitung begriffenen spanisch-französischen Handelsvertrag befürchtet wird. Sollte dcSbatb im Verlause der nächsten Woche am ManzanareS eine partielle oder totale Ministcrkrise auSbrechcn, so Ware daran nichts llcbcrraschcndcö. Deutsches Reich. * Berlin, 26. Oetober. Die „Nationalliberale Eorre- spondcn;" schreibt: In dem in verflossener Rächt gestorbenen Leipziger Professor Windschcid erleidet die deutsche Rechts wissenschaft, insbesondere die Kunde dcS römischen Recht-, Fenllletsn. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. L3j Nachdruck verdaten. (Fortsetzung.) Oswald hatte seinem Bruder zu Hanse getroffen . . . Lothar saß an seinem Schreibtisch und sah kaum ans. Die Feder flog über daS Papier. Nimm Platz, sagte er, laß mich nur daS Capilel vollenden ... cs wird brillant . . . ick bin im Zuge . . . licö inzwischen dort meine neueste kleine Sckrist: „DcrTotlenritt der Epigonen; hier in einem Capitel handelt cS sich um eine bekehrte Heilige — ich arbeite nach guten Mustern!" Ter Doctor blätterte in dem noch nickt ausgeschnittenen Bucke; er sah nur, daß mit Schiller unk Goethe wenig Federlesens gemacht wurde, und daß alle, denen diese „Leute" noch etwas gelten, als klägliche Epigonen verabscheut wnrdcn. Dagegen war jetzt ein Sckwarm von Talenten in die Arena der Literatur hinabgestiegcn, glanzvoll, zukunstsvoll wie noch nie, ein neuer Frühling nach einem Winter von Jahr tausenden. „Der Frühling kommt, eS platzen die Schoten", murmelte Oswald vor sich hin, in dem er daS Buck zuklappte. „Ich habe aber wenig Zeit", sagte er dann. „Nun, der letzte Pinselstrich ist gethan", rief Lothar a»s- springend, die Heilige ist bekehrt, »nd nun konimt'S darauf an, das sündige Weib zu kanonistrc». Dann eilte er an'S Elavier. „Ick habe eine Aufforderung zum Tan; compcnirt, kein Salonstück wie Weber, eine Ans scrkcruiig zum Tanz in der Walpurgisnacht . . . einen nniö.kalischcn Hvllenbrcnghel, ein Herencavriccio." Und er begann diese Phantasie mit ihren nnglanblichcn Fingcrskrüngcii »nd ihren durch grimmige Dissonanzen tick kurcharbeitenken Tonsolgen mit einer Virtuosität, einem mehr als Riibjiistcin'schen Kraftaufwand zu spielen, welchen Oswald bewundern mnßle. „DaS ist Bravour in der Tbat; dock ick wiederhole Dir, ich habe nickt Zeit." Da brach Lothar Plötzlich ab mitten i» einem Tumult von Tönen, und nachdem er daS rotbc Manschen ans dem Mund der schönen Here durch alle Scalen hatte herunterglcitcn lassen bis in des Basses grollende Tiefen. Oswald blickte den Ärnder an ... Lothar war wie in einem Ehampagnerrausck ... die Züge gerölhet... die Angon funkelnd ... und wie in nervöser Unruhe warf er sick Inn und her aus dom Sopha, wo er neben dem Bruder Platz genommen hatte. „Was gicbt'S denn eigentlich? Ick srcnc mich Deines BesuckS, dock Tn nimmst dabei eine Amtsmiene an ... bist Du vielleicht Modicinalrath geworden? Dann schass' Dir nur einen Stock mit einem größeren goldenen Knopf an, und noch kein Bändchen im Knopfloch? Wetter noch eins! Solch ein ruhiger Beobachter der sich abzappelnten Menschennatnr verdient die höchsten Auszeichnungen; man bat iinmcr daS Ge fühl, als eb cS Dick genirte, daß unser Schädel sich noch aus kein Rumvse hin und her bewegt und nickt in seiner erhabenen Ursprünglichkeit als Knochcngestell Deine Fragen beantwortet. „Wo ist Teresa?" fragte Oswald. „DaS also war'S. Nun, ick bin ein prompte» AnS- kuilstSburcau, sie wohnt Villcnstraße 20, Parterre, mitte» im Garten; sie bat die von Verwandtenliebe und dem Backofen geheizte Häuslichkeit verlassen." „DaS war sehr unklug!" „Im Gegentbcil... was svll eine Künstlerin unter diesen kleinen Leuten, welche Anderen daS tägliche Brvd hacke»? Immerfort erinnert zu werden an Licke Misörc dcS Lebens, an dieses Allcrnothwcndigstc, um den Hunger abzuspciscn ... immerfort diese weißgepuderten Bäckergesellen und Bäcker lehrlinge zu sehen unk den guten Onkel mit dem Vollnionts- gesickl und die liebe Tante, welche alle Reisen zu sprengen droht . . . woher soll da einer Künstlerin der nöthize Auf schwnng kommen?" „Aufschwung... sür die Fatinitza und die Inanita!" „Da hört man de» vornehmen Literatnrprosessor . . . nt doch mehr Naturell, Temperament, LebcnSwabrlieit in einer Fatinitza, als in einer „Iungsran von Orleans" oder wie diese stelzbeinigen Tragödieninngsranen beißen mögen. Dazu braucht man Tlimmnng; i» diesen finstere» Gassen und Maiierlöchcrn, wo sich die Gewerke cingcnistek babc», seblt rie soiinige Heiterkeit der Kunst ... da sitzt tic Nachtigall im Käfig." „Gerade darin liegt ein gesundes Gegengewicht gegen die freizügigen Ausschweifungen der sogenannten Kunst, die doch ans diesen Bübncn nichts ist als eine reglcmentmäßig ein- ercrcirte Lüdcrlickkcit; ick fürchte sehr, das; Du aus bösen Absichten dem Märchen geratben hast, dies bürgerliche Heim zu verlasse», daS ibr einen festen Halt bot im Leben." „Oswald . . . doch ick kenne das . . . immer von oben herab bofmcister», obne Kenntnis; der Verhältnisse! Sie ist a»S diesem bürgerlichen Heim anSgcwandcrt. weil ein bürger licher Ercditgcbcr der ebtlicken Familie sie mit seinen Be suchen bedrohte; er hatte ans ihre Bitte die Mictbe gestundet und wollte kommen, seinen Tank cinzuhcimscn. Bill Du nun zufrieden mit ihr, mit uns?" Oswald erhob sick und ging im Zimmcr auf und ab. „DaS war oi» kleiner Zwischenfall, der Dir scbr gelegen kam; nun ist das Wild auS seinem Schlupfwinkel heraus und wird gestellt . . ." „Waö knmmert'ö Dich? ... Wir sind die Herren unserer Thatcn und cS ist nnscr gutes Reckt, dem Bornrtbcil zu trotzen. DaS ist überbanpt eine schöne Lebensaufgabe sür uns Jünger einer neuen Zeit! Die alte Sitte wird überall durch löchert und ans allen Poren schwitzt der KraiikbeitSstoss von Iabrtausendcn ans. Wir aber athmcn eine freiere Lust . .. sollen wir unsere Leidenschaft, die freie Tochter vo» Natur und Geist, bei Euch in die Schule geben? Nicmaiid braucht si: mcirc;!; zu lehren: sie geht siegreich den eigenen Weg." „Wenn ich diesen Redensarten daS hochbauschige Gewand auSziebc, so lauert darunter nichts als die dose Absicht der Berfübrnng." „Bersübrnng ... welch ein kläglicher Begriff, fadenscheinig durch uud durch! 'Wir alle sind ja Verführer und Vcrsiikrle zugleich, di, Leidenschaft hier weckt die Lcidcnsckast drühen . . . zwei Feuer-brüiiste werfen sich gegenseitig ihre Brände zu. Vcrführun., ... die alte Geschickte von der Schlange und dem Apfel . . . eine Kinkergeschicktc! Wozu die gute Scklangc, die in re Ideologischen Menagerie seit Urzeiten gefüttert wird? Tie Sacke ill dock sckr einfach: Aram und Eva baden gemeinsam die Ae'ffcl beruntergeschnttelt und sic dann gemeinsam verspeist." „Ich will den großen Geistern und schöne» Seelen", ver setzte Oswald mit Schärfe, „nickt ihre» hol»,, Lelbslgcnnß verkümmern, mögen sie die Schuld zu gleichen Thcilen auf sich nehme», die Schuld in den Augen der Menschen, in ihren eigenen das Verdienst, glücklich zu sein, unbekümmert um die Satzungen der Menschen. Ich bin ein Naturforscher und ich weiß, wo diesen Enge!» ihre Flügel gewachsen sind. Doch hier liegt die Sache anders und ich warne Dich ... ich verbiete Dir . . ." „Welch ei» Ten, Oswald!" riesLotbar, indem er sich mit drohendem Blick aufrichtetc. „Ls»» das Mädchen ill nicht wie die andern^ am wenigsten wie die genialen Frauen, a» denen nichts zu verderben ist, nicht das Genie, weil sie keinS baden, und nickt die Tugend, weil sie keine baden wollen. Dies Mädchen ist eine Tranm- wandleri» mit ererbten »»glückseligen Instinctcn; sie ist eine Kraute und bedarf des Schutzes!" „Ein Arzt freilich sicht überall nur das Spital!" versetzte Lothar höknisch lachend. „Ich sage Dir, eine Kranke, wenn auch ihre Pulse, ihre Körpertemperatur normal sind ; sic hat etwas wie einen visio nären Blick und schon ein leiser Hauch macht ihre Nerven erzittern. Mit einem Wort, sie ist empsänzlich für die Hypnose und Deine Suggestionen können ihr ganzes Leben aus der rockten Balm werfen." „Und wie käme ick zu solchen Eharlatancrien? Ich bin ja doch lein Hcilkünstler!" „Leider nickt . . nickt einmal ein Charlatan der Medici», aber ein Cbarlala» der Lebensknnst, der mit schlimmen Reecplcn hausircn gebt. Du hast die Zanborkrast überreizter Nerven, unk jenes Märchen ist in hohem Maße nervös an- stccknngSfähig. Verträumt wie sic ill, bedarf sie nur der leisesten Bcrübrnng, um i» einen Traumscklas zu fallen. Dann folgt sic willenlos Deinem Willen n»d auch wenn sie wieder ansgewackt ill, bleibt sie ein Werkzeug in Deiner Hank, unk das Räderwerk ikrcS Denkens »nd FnblenS rollt ab nack dem Anstoß, den Du ibr gegeben. DaS ill kein Ent gegenkommen verwandter Naturen, keine freie Erwiderung einer beglückenden Neigung: das ill ein knmpser Zwang einer Nain,gemalt, eine avrannei der i» ihrem Ncrvcngcliäuse vl'ninäcküg ersenszcnkcn Seele: dem ^Irasgcietzbiich ill solche Vergewaltigung unerreichbar, ich aber verbiete sic Dir al- einen Frevel!" (Fortsetzung folgt.)
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