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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921107026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892110702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892110702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-07
- Monat1892-11
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Ganz anders aber liegen die Dinge, wenn es sich in einem von Gefahren umlauerten Staate um eine Reform derjenigen Einrichtungen handelt, von denen die äußere Sicherheit dieses Staates abhängt, und die daher von den Gegnern mit Argus augen überwacht werden. Werden in einem solchen Falle, um Stimmung für die Reform zu machen, die bestehenden Einrichtungen öffentlich herabgesetzt, so wird dadurch die Sicherheit des Staates gefährdet, und für den Falt des Scheiterns der Resvrm sogar die Gefahr eines Krieges ganz wesentlich näher gerückt. Ueberall ist es daher üblich, und auck bei uns ist cs üblich gewesen, die Gründe, welche eine durchgreifende militairische Reform wünschenswerth oder notwendig erscheinen lassen, nicht aus offenem Markte auSzuposaunen und besonders die den bestehenden militairischen Ein richtungen anhaftenden Mängel nicht dem AuS- lande in die Ohren zu schreien, sondern sie in einer parlamentarischen Commission vertraulich zu erörtern. Jetzt ist VaS bei uns ganz anders geworden. Während uns die StimmungSmacher für die Militairvvrlage auf der einen Seite versichern, die uns von außen drohende Gefahr sei weit größer, als man sich'S träumen lasse, schildern sie uns andererseits in Artikeln des Militairwochenblatles und in Broschüren, die begierig im Auslande übersetzt und ge- esen werden, den Zustand unserer jetzigen Heeres- cinrichtunaen als einen höchst unzulänglichen, ja als einen solchen, der unsere Niederlage unausbleiblich zur Folge haben werde, wenn der Reichstag nicht in den sauren Apfel der Militairvvrlage beiße. Heißt daS nicht, unsere Feinde geradezu zu einem Angifse herausfordern für den Fall, daß der Reichstag zur Annahme der Vorlage sich nicht entschließen kann? Heißt da- nicht, den Teufel herbei- rufcn, der das unartige Kind fressen soll, wenn cs sich durch einen Popanz nicht einschüchtern lassen will? Und was noch mehr befremdet und aufregt, ist der unbegreifliche Umstand, daß derselbe Reichskanzler, der den Entwurf hütet wie ein kostvareS Geheimniß und auf Schntzmaßregcln gegen indiScrete Ausplaudercien sinnt, solche, unsere jetzigen mili- tairischcn Einrichtungen herabsetzende Artikel und Broschüren ruhig und sorglos in die Welt hinausgehen läßt, als ob die Möglichkeit einer Ablehnung der Vorlage gar nicht vorhanden wäre und gar kein Ausland epistirte, daS ans solche zum Mindeste» indiscrele Schwarzmalereien die gefährlichsten Pläne aufbauen könnte! Aber schlimmer noch als diese Sck'warz- malereien sind öffentliche Auslassungen wie die des Majors Keim, der aus Seite 2l seiner schon jüngst erwähnten Broschüre schreibt: „Wenn von Krieg und Frieden die Rede ist, dann wird überall betont, baß es sich natürlich nur um Verthetdigung gegen An- griffe handeln könnte. Ein unbefangenes Gemüth könnte aus Grund dieser Versicherungen beinahe zu der Bermuthung kommen, daß ja jeder Krieg vollkommen ausgeschloffen sei, denn wenn sich Alles nur vertheidigen will, so fehlt die Haupjache im Kriege — der Angreifer! Ja Wirklichkeit liegt die Sache durchaus anders, und jede» Herrscher, jeden Staatsmann und jeden Feldherrn würde eine schwere Verant wortung treffen, wenn sie nicht bereits im Frieden dafür sorgten, die Wehrkraft ihres Landes auf eine solche Höhe zu bringen, daß ein politisch ausgezwuugener Krieg nicht oertheidigungsweise, sondern angrtsfsweise geführt werden kann. Wir wollen uns nicht vertheidigen, indem wir in Geduld abwarten, bis der Gegner auf uns einschlägt, sondern wir wollen unL wehren, und der wehrt sich am besten, der zuerst zu schlägt. Dieser Punct muß unbedingt klipp und klar bei der ganzen Frage über den Zweck der Wehrkraft Berücksichtigung finden, sonst sind durchaus falsche Schlüffe über Stärke und Organisation einer Wehrkraft, die ihren Zweck voll und ganz erfüllen soll, unver meidlich." Es ist ja zweifellos, daß der verdiente Militairschriftstellcr mit diesen Auslassungen weder im Jnlande noch im Anslande den Verdacht Hervorrufen wollte, die neue Militairvvrlage solle einen Angriffskrieg vorbcreiten. Aber ebenso zweifellos ist cs uns, daß man ans seiner herben Kritik unsrer jetzigen militairischen Einrichtungen und aus seiner vorstehenden Aus lassung in Frankreich sowohl, als auch in Rußland herausliest, die neue Militairvvrlage solle einen derartigen Krieg vorbcreiten, den die jetzigen Einrichtungen zum Kummer unserer kriegs lustigen Truppcnführcr unmöglich machten. Gegen diese Form der Bcrtheidigung der Militairvvrlage, gegen diese zwei schneidigen, in ihren Folgen ganz unberechenbaren Zwangs- versuchc, den Reichstag zur Annahme dieses Entwurfes zu nöthigcn, richtet sich daher der einmütbige Protest der Presse aller Parteien. Auch im Reichstage selbst muß und wird diese gefährliche StimmungSmacherci zur Sprache gebracht wcrven. Wenn bei dieser Gelegenheit der Herr Reichskanzler Dinge zu börcn bekommt, die seinem Borgängcr in der Zeit der schärfsten Conflicte erspart worden sind, so kann er dafür die Presse nicht verantwortlich machen. Nicht sie züchtet den Beunruhigung«- und Mißmuthsbacillus, der bereits im ganzen Reiche einen fieberhaften Zustand berbeigcführt hat, welcher kaum noch einer Steigerung fähig ist. Der ungarische Ministerpräsident Graf Szaparh ist gestern in Wien eingetroffen und vom Kaiser in längerer Audienz empfangen worden. Man wird demnach nun wohl bald hören, welchem Auögang die ungarische Minister» krisiS zustrebt. Die politische Lage ist gegenwärtig ge spannter, als sie es bcini Rücktritt TiSza's war. Damals stand nur ein Personenwechsel bevor, heute aber besteht »ach den neuesten Nachrichten eine verschärfte Parteikrisis, über deren mutbmaßliche Lösung augenblicklich noch große Unklar heit herrscht. Für die fakultative Civilehe, für die sich daS Cabinet entschieden hat, scheint der Kaiser gewonnen zu sein. Andererseits verlautet aber auch, es sei eine ablehnende Antwort eingelaufen. Innerhalb der liberalen Partei besteht Coloman Tiöza auf der Ein sührung der obligatorischen Civilehe. In der am Mittwoch stattfindcnden Versammlung der liberalen Partei wird eS sich nun zeigen müssen, ob Tisza'S Anhang groß genug ist, um die Parteikrisis derart zuzuspitzen, daß daö Cabinct Szapary unmöglich gemacht wird. Die wirkliche und entscheidende Ursache der Krisis, welche derselben auch den vollen Ernst verleiht, der ihr innewohnt, ist die kirchen- politischc Frage. In letzter Linie bandelt es sich, wie die „Neue Freie Presse" betont, darum, daß alle politischen Kreise Ungarns, allen voran die gut katholischen, darüber erbittert und in ihrer Empsindlichkelt tief verletzt sind, daß man in Nom schon seit langer Zeit die Tendenz verfolgt, sich in die inneren Angelegenheiten Ungarns einzumengen und diese Einmischung für die internationalen Zwecke der römischen Politik zu verwcrthcu. Tie ungarische Geschichte ist erfüllt von solchen Einmischungen der päpstlichen Curie, und immer waren es hervorragende kathoiische Ungarn, die sich an die Spitze der Bewegung gegen Rom gestellt haben, um dessen Aspirationen bezüglich der inneren Politik des Landes abzuwehren und zurückzuweiscn. Man klagt die Regierung an, daß sie nicht im Stande gewesen sei, von den inneren Angelegenheiten des Landes die Jntriguen der Curie fcrn- zuhalten, deren Motiv in der Abneigung der Curie gegen den Dreibund zu suchen ist, daber mit rein politischen Zwecken und keineswegs mit religiösen Fragen zusammenhängt. W°n» m-» dl- Reform des Wahlrechtes m pje Viel- tzW r>.-LLS»-L»LML LS Ein zweiter Antrag wollte jeden -vurger - n «kL der s-.n-n Stimmzettel e,^ Ein weiterer Antrag knüpfte «" die O . > ö Bürger gemeinen Stimmrechtes für alle ^ ^ mindestens ,cit muß Est. vierter Antrag bezweckte, das allgen.e.ne St.mm- FeV.«!^. L>.ra^vo^!i7Jnte«"ff?n"VLretnng nach dem Prmcip der Dreitbeilung: Arbeit, Capital und Jn- telliaen; - einzusübren. Alle diese Anträge wurden nnt be trächtlicher Mehrheit abgelehnt. ^g-nommen wurde d aeacn der auf dem Prmcip des sogenannten Hau» Aa » düwat> lrechtes beruhenve Antrag, aber auch da« Eraebniß dieser Abstimmung war msosern ein negatives, als die von der Fassung verlangte Zweidrittelmehrhei ch Ministerpräsident Becrnaert d.e M.tthe.lung , dag die Reg- rung den Berathungcn des AuS,chus,es und d >' 2rgcbn> ,e der Abstimmungen Rechnung tragen und euien neu Wablaesetzentwurf ausarbeiten werde, für den sie eine Zwcidrtttelmehrheit zu finden hoffe, .^.^^ltffchdabn offenbar um die schon mehr,ach erwähnte Verb »,düng des HausstandSwahlrechteS mit dem Befähigungsnachweis, für welche die Lütticher Liberalen ihre Unterstützung in Aussicht gestellt haben. Dem Ergebnisse der Abstimmungen des Rc- visionsauSschusseö ist. übrigens keine allzu große Bedeutung beizumessen. Am gestrigen Sonntag fanden in Italien die allgemeinen Pa rl a m en lsw a hlen statt. Das Resultat ist bis jetzt nur sehr unvollständig bekannt. Es scheinen überwiegend, wie ja auch bestimmt vorausgesagt worden war. die min ist er, eklen Candidaten gewählt zu sein. D,e Munster und d.e Parteiführer hatten keine Gegenkandidaten, mit Ausnahme der Minister Pellaux und Bonacci, die jedoch auck gewählt sind. Mailand wählte den früheren Minister Colombo, drei andere Conservativc und zwei radicalc Negierungssreunde. In Rom ist unter anderm der Jrredentist Barzila, gewählt. Keinem Zweifel unterliegt, daß in Palermo auch Criöpi gewählt wurde. Daß CriSpi vor den Wahlen keine Rede gehalten, sondern dieselbe sich bis nach den Wahlen Vorbehalten bat, das hat seinen Grund darin, daß er nicht Stellung nehmen wollte, um sich nach keiner Seite hin zu verpflichten und zu binden und um ganz freie Hand zu bebakten. Man weiß, daß er Herrn Giolitli nur als seinen Platzhalter betrachtet und gleich Zanardelli die Räumung des Platzes binnen kurzer Zeit von demselben erwartet. Während aber Zanardelli das Cabinet offen und absichtlich als ein demokratisch-liberales gestempelt und demselben seine volle Zufriedenheit und Unter stützung gewährt hat, ist CriSpi stumm geblieben, weil er die Hände frei haben will, im Falle, daß Herr Giolitti und seine College« ihm nicht zu Willen sind. Auch Dänemark soll eine neue Heeres-Organi- sativn erhalten. Der Kriegsminister General Bahnson hat dem Folkerhiiig eine» darauf bezüglichen Gesetzentwurf vvr> gelegt. Danach bleiben Infanterie, Cavallerie und Feld> artillerie von der neuen Organisation fast vollständig un berührt, dagegen sollen in der Festungsartillerie und unter den Genietruppen durchgreifende Aenderungen erfolgen. Die dänische Festungs-Artillerie, welche gegenwärtig nur sechs Linien- und drei Crsatzcompagnien zählt, wird durch das neue Gesetz mehr als verdoppelt, indem sic inZukunft aus zwölf Linien- und acht Crsatzcompagnien bestehen wird, wozu noch die eben falls zu verdoppelnde» Fcstungs-Artilleric-Ablhcilungen der be sonderen Kopenhagen«! Besatzung kommen. Ueberhaupt ist die bedeutende Vermehrung der Artillerie hauptsächlich durch die Vollendung der Befestigungen um Kopen hagen bedingt. Die Stärke der Genietruppen wird um zwei Abtheilungeu vergrößert. Eine dieser neuen Abthei lungen erscheint unumgänglich notbwendig, wenn es im Ernst fälle möglich sein soll, die vielen Signalstationci, in befriedi gender Weise zu besetzen, welche jetzt auf allen strategisch wichtigen Punctcn der weit ausgedehnten dänischen Küste eingerichtet worden sind und welche nicht nur für daö Heer, sondern auch für die Flotte von der größte» Bedeutung sein sollen. Die zweite der beiden neuen Genie - Abtbcilm,gen soll ein Laud-Torpedocorpö bilde». Ferner schlägt der Minister vor, die CadreS der sceländischc» Ersatzbataillone dermaßen zu erweitern, daß cs im Ernstfälle möglich sei, die seelandischen Bataillone zu je acht Compagnien, an statt wie bisher zu je vier, zu forunren. Bezüglich der Ersatz- mannschasten, die bisher nickt zu Ucbungen berufen wurden, fordert die neue Gesetzesvorlage, daß die Mannschaften der zwei jüngsten Jahrgänge entweder jedes zweite Jahr bei allen Abtheilungen oder aber jedes Jahr bei einer Hälfte der Abtheilungeu zu zwölftägigen Uebunzen hcrangezogcn werde», Osficiere und Unterofficiere jedoch für 1? Tage, um während der ersten fünf Tage einen Wicderholungscursuö durchzumachen, bevor die Mannschaften sich einsinden. Gleichzeitig wird vor- gcschlagcn, die materielle Stellung der Ersatzofsiciere und Unterofficiere zu verbessern. Die besondere Kopciihagener „Wehr", welche gegenwärtig zwei Bataillone Infanterie und zwei Compagnien Festuiigsarlillerie zäblt, wird nach dem neuen Projecle auf vier Bataillone und vier Compagnien erhöht. Tie Intendantur soll eine zeitgemäße Vergrößerung erfahren; dasselbe soll betreffs des Saiutätseorps geschehen. Deutsches Reich. —o. Dresden, 7. November. In nationalliberalen Kreisen der Residenz herrscht neuerdings reges Leben, wenn sich dasselbe auch noch nicht bis zu irgend welchen öffentlichen Acten herausgebildet bat. Die Mitglicderzahl des national- liberalen deutschen ReickövereinS giebl durch ihr stetes Wachsen den besten Beweis dafür. Vor einiger Zeit ging man auch mit dem Plane um, ein selbstständiges Blatt mit national- liberaler Tendenz zu grünte». Obwohl das GrüiiduugS- capital durch Zeichnungen bis zu einer ansebnlichcn Höhe gekrackt worden war, ließ man den Plan in letzter Stunde noch fallen, die AuSführuna desselben für eine spätere Zeit aufschiebend. Für diesen Winter wird der Verein mit einer regeren Thätigkeit an die Oeffentlichkeit treten und durch zeitgemäße Vorträge zu wirken versuchen. Mit dem eisten derselben hat die Partei einen sebr glücklichen Griff gclkan. Der Generalsecrctair der nationalliberaleii Partei (Herr Patzig aus Berlin) wird einen Vortrag über „Die Ge fahr des Ultranioiltanismils seit BiSmarck's Rücktritt" halten. Wie stark das Interesse des Publi cum- für derartige Fragen ist, mag aus dem Umstande Hervorgehen, daß am Tage nach der Veröffentlichung der Einladung di« Eintrittskarten vergriffen waren. * Leipzig, 7.November. Ter diesige Nationalliberale Verein wird während des bevorstehenden Winters eine Reihe von öffentlichen Versammlungen abhaltcn, worin Vorträge über interessante politische Tagcsfragcu ge halten werden sollen. Die erste dieser Versammlungen findet Montag, den 14. November, statt; .in ihr gedenkt Herr Rechtsanwalt Dr. HanS Blum einen Vortrag über die Angelegenheit der Ems er Depeschen, welche von der Fcriilletsn. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall, öl) Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Ich wußte nichts davon", versetzte Teresa, „daß Sie eine solche Hypothek besitzen." „Nun, nun . . . Sie sind mir doch Dank schuldig, ich habe damals Ihre Bitte erfüllt. Von StobitzerS ging ich ins Theater, um Ihre Adresse ru erfahren — auch dort Hcimlichthuerei, man wollte mir keine Auskunft geben; Sic hatten jedenfalls auch dort Ordre ertheilt. Endlich fiel mir ein, daß ja eine Garderobiere in eine», meiner Häuser wohne — Marktstraße Nr. 5, Hintergebäude, im dritten Stock . . . und die gute Frau ist aus meine Nachsicht an gewiesen; sie weiß, ich mache kurzen Proceß mit Micthern, die nicht pünktlich zahlen . .. und so ertheilte sie mir nach einigem Sträuben die gewünschte Auskunft. Und ... hier bin ich! Dock warum in aller Welt verstecken Sie sich vor den Leute»? Man kann dock nickt den Tag über die Nonne spielen, während man Abends als blanker Amor — in der Thal; Sie waren reizend ... solch ein Götterknabe ... oder ein Göttermädchen, wie Sic wollen ..." „Herr Faber, ich verstehe noch immer nicht, warum Sie sich so viele Mühe gegeben haben, mich auszusuckcn." „Nun", sagte der Rentier mit diplomatischer Manier, „man kann dock nicht gleich alle seine Karten auf den Tisch legen. ES genügt Ihnen gewiß, wenn ick Ihnen sage, daß Sie mich anziehen wie ein Magnet. Ich bewundere Sie im Theater; doch das ist gleichsam die gute Stube ... ich möchte Sie auch in Ihrem Boudoir bewundern." „Da bin ich für Niemand zu sprechen, Herr Faber." „Nun, man weiß, man erzählt sich doch .. „WaS erzählt man sich?" „Wie die Welt nun einmal ist... ich habe Sie aber verthcidigt! Dazu haben Sie doch zu viel Geschmack. . . einen jungen Menschen, der nichts ist, nichts hat . . . ein Genie.. da- aber ist doch daS Wenigste, was man sein kann! Nri«, »ein, Fräulrm Teresa, die« Gerede ärgert mich und um ihm ein- für allemal ein Ende zu machen, da tret' ich selbst in die Lücke ... ich liebe Sie, Teresa!" „Und so darf ich dies als einen Heirathsantrag an- sehen?" Das Wort erstarb dem Rentier auf den Lippen. „Ein Heirathsantrag? Sie meinen ... Sie scherzen. .. nun, das gerade nicht! So ernst nimmt man die Dinge beim Theater nicht gleich von Anfang an ... man muß sich doch kennen lernen! Allerdings . . . sieben Häuser, eine prachtvolle Villa, Säulen mit corinthischen Capitalien — ich bin begchrcnswerth. ich weiß. Doch darauf steht ja Ihr Sinn nicht! Dazu sind Sie zu sehr Künstlerin .. . Liebe um Liebe ... mit dem Standesamt hört das Alles auf; auch die Kunst! Verheirathete Künstlerinnen taugen nur noch für die komischen Alten!" „Und so erklär' ich Ihnen, Herr Faber", versetzte Teresa, indem sie sich stolz erhob; „daß ich in Ihrem Antrag nur eine Beleidigung sehen kann und Sie bitten muß, sich zu entfernen und von jetzt ab für immer meine Nähe zu meiden." Auch Faber hatte sich erhoben, drehte den Hut in der Hand, blickte mit seinen Froschaugen noch immer wie fragend auf die Künstlerin ... er wollte seinen Ohren nicht trauen. „Sie meinen .sagte er kleinlaut. „Ich meine, daß Lie von jetzt ab lieber Ihre korin thischen Capitatien bewundern sollen als mich." Und Goethe s Iphigenie und ihren leichten Gartenhut in die Hand nehmend, schritt sie mit einer kurzen Verbeugung an dem Verehrer vorüber, der eine Zeitlang regungslos da stand, wie der marmorne Triton gegenüber dem Gartentcich; nur seine Gesichtsmuskeln erbebten krampfhaft; er konnte sich in die Demüthigung gar nicht finden, die ihm zu Dhcil geworden ... und noch dazu von einer solchen Person. Das sprach er vor sich hin und damit hatte er sich wiedergefunden. Eine solche Person — und er, der Rentier Faber! Den Hut setzte er auf und der gewaltige Stoß, den er ihm dabei gab, zeugte von seiner wiedercrwachten Energie. Für solche Kränkung mußte er Rache baden, und brütend über unheimlichen Planen verließ er den Garten und warf die Gittertbür klirrend binter sich zu. Die bei den Wilden übliche StammeSrache muß doch den Menschen im Blute liegen; auch Faber fühlte die Rothhaut in seiner Brust sich regen und schwang seinen Tomahak gegen die Familie der Stobitzcr, welche denselben Namen trug, wir die feindselige Dame. Er eilte in die Bäckerei, riß an der Klingel, trat, den Hut auf dem Kopfe, in die Küche, wo Frau Stobitzcr mit glühendem Gesicht am Herde waltete, winkte ihr herrisch, ihm in ihr Zimmer zu folgen, und er klärte ihr, daß er die Miethe zum nächsten Ouartal um dreihundert Mark steigern müsse; wollten sie diese MietbS- snnime nickt zahlen^ so müßten sic die Wohnung räumen; auch der frühere Schuldposten müsse dann getilgt werden, sonst werde er ihnen den Backofen auSblascn und sie mit ihren Möbel» auf die Straße werfen. Wenn Frau Stobitzcr hätte erbleichen können, so würde ihr dies jetzt gelungen sein; so aber stand sie nur fassungs lind verständnißlos da, zupfte sich krampfhaft die weiße Schürze zurecht, und sah Herrn Faber wie ein seltenes Meß wunder mit staunenden Blicken an. Aus ihrer Erstarrung aufwachend, sagte sie endlich: „Ich rufe meinen Mann." In solchen Augenblicken Peinlicher Ucberrasckung erinnerte sich fick desselben mit Vorliebe; sie holte ihn heran wie einen Regenschirm, der sonst im Winkel stand, beim Platzregen und spannte ihn gegen das Unwetter auf. Und Herr Stobitzcr erschien mcblbestaubt, in aller Hast wie bei einem plötzlichen Unfall. Doch Faber, welcher der Dame deS HauscS gegenüber noch eine gewisse Galanterie gezeigt, indem er ihr nur die kalte nüchterne Mittheiluna !>°n dem einmal gefaßten Entschluß machte, behandelte den Bäckermeister selbst wie einen Verbrecher, ließ ihn gar nicht zu Worte kommen, entlud auf ihn seinen ganzen Horn das Bäckerbandwerk,' vas seinm sKn-n Mietbstempel entweihe, ni höchst geringschätziger Weise aus. ging über alle gestotterten Gegenreden zur Tagesordnung über und verließ erhobenen Haupte« da« HauS, sein Haus "" ?w,.nötLire, wie die Pariser respektvoll e.n solches m,t einem Hause behaftetes Lebewesen bezeichnen. d'*, Rache an der Familie — und wenn er alles, was den Namen Stobitzer trägt, hätte vom Erdboden forlieZtn können, so loare ilmi ivo^I Zelvesen. Jetzt galt cs, sich an diesem Geschöpfe zu rücken, an ihm persönlich und auS dem Nebel bin und herwallendcr Ent würfe tauchte endlich etwa« Greifbare« auf, bei dem seine Ge danken mit Wohlgefallen verweilte» »»>> »>-» j^ner fester Gestalt gewann. Er schritt langsam über die Promenade, hin und ber erwägend, wie er am besten seinen Plan auöführen könne, und kehrte dann in einem FrühstückSkcllcr ein, um sich von dieser geistigen Anstrengung zu erkwlen, und während er sich materiellen Genüssen, den Austern und dem Chablis ru- wendetc, jenen Plan wie Lagerobsl in aller Stille auSreifen zu lassen. Doch daS hatte ihm das Schicksal nicht bcschicden; solche GemülbSruhe war ihm nicht vergönnt; er fand Gesell schaft dort, die wie ein Schwungrad daö ganze Getriebe und Räderwerk seiner aus ein bestimmtes Ziel gerichteten Gedanken in Bewegung setzte. Und zwar war diese Gesell schaft an zwei Tischen verthcilt: an dem einen saß Bankier Seiler nnd schenkte dem Fräulein Blau aus einer über- schäumcndcii Champagncrflaschc ein; an dem andere» Tische saßen Fabcr'S hilfreiche Geister, mit denen er die neuen Stadtviertel auS der Erde zauberte. Ter Baumeister Wolf und der Maurermeister Heinrich, Männer ohne jedes künstlerische Interesse, die sich »ur für ein Thcatcrgebäude zu begeistern vermochten, aber für nichts, was darin vorging. Gleichwohl waren sie ibm in diesem Augenblick unschätzbar; eS waren Handlanger für seinen Plan und seine Gctanken hatten sich eben mit ihnen beschäftigt. Als galanter Cavalicr wandte er sich indcß zuerst dem andern Tisch zu, wo das blaue Wunder saß. Diese Dame gehörte allerdings auch der Natter brut an, von der die eine ihm soeben eine» schmerzlichen Stich versetzt; doch er wußte ja, daß das giftige Gezücht auch gegenseitig sich verfolge und zu vertilgen suche. Der Bankier nickte Faber freundlich zu und ruckte ihm eiucn Stuhl zurecht; er kannte den Mann als vollwichtig und bis zu einem gewissen Grade als ebenbürtig. Alle Menschen waren ihm durchsichtig wie GlaS, was ihren wahren Werth betrifft: leine Einschätzungscommission kannte so wie er die Geheimnisse der feuerfesten Gcldschränke. Die große Masse der umhcrwandelnden Nullen, zu denen nicht »ur die Tage löhner, sondern auch die böbercn Beamten gehörten, küm merte ihn weiter nicht. Doch wo die Ziffern ansingcn, da wußte er Bescheid von den Tausenden bis zu den Millionen und Jedem heftete er die rechte Etikette an und danach bcmaß er sein Verhalten und den Grad seines RespccteS. Faber begrüßte er mit einem vertraulichen Lächeln; die Flnanzaugurcu verstehen sich. (Fortsetzung folgt.)
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