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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921111029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892111102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892111102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
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Reklame» iwter dem Redaction«ftrtch «ge» spalten) 50 vor den Famllieaaachrichte» (6 gespalten) 40 >4- Größer« Schriften laut unser»» Pr»«, derzelchatb. Tabellarischer und Zissernia» »ach höherem Tarif. Extra-Beiläge» (gesalzt), a»r «V de» Morgen-Ausgabe, ohne PostbesSrdenma 60.—, mit Postbesorderuag 70.-^ Iianahmeschluß für Inserate: Ab«»d-AuSgabe: Bormtttag» 10 Uhr. Marge a-AuSgabe: Nachmittag» 4Uhr. Sonn- und Festtag» früh '/F Uhr. , Bei deu Filiale» und Annahmestelle» ja«»» halbe Stund« früher. Inserat» si»d stets a» dt. «tteNttd» za richte». Druck »nd iverlag voa E. Pol» tu Leipzig 86. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Ausschreibung. Die Herstellung von ca. 460 lausende Meter Tbonrohrschlkusten, 35 bis 50 cm wett, soll in 2 Loosen getrennt in Accord vergeben werden. Bezügliche Angebote mit der Aufschrift: „Herstellung von Thonrohrschlcuftcu in der Znckclvaiisciirr strafte zu Ltcbcrt- wottwilz, Loos l." oder „HrrstcUung vo» Thoiirohrschlruftc» in Vcr Taiichacr- und Hanplftraftc z» Liebe» twolkwift, LooS II." sind portofrei und versiegelt bis zum 17. November 1892 Nachmittags 6 Uhr an den Unterzeichnete» Gemeinderath ein- zureichcn. Angebothefte nebst Bedingungen können ebendaselbst gegen Er- legung von 3 für jedes Loos entnommc» werden. Nähere Aus kunst ertheilt der Unterzeichnete Gemeindevorstand. Die Auswahl unter den Bewerbern und eventuell Ablehnung fämnttlicher Angebote bleibt Vorbehalten. Liebertwolkwitz, am 10. November 1892. Ter «cmciiidcrath. Dyck, Gem.-Vorsl. Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. November. In der gestrigen Sitzung des preußischen Abgeord netenhauses, die zum größeren Thcil von einer ziemlich nichtssagenden Rede des Ministerpräsidenten über die Steuer- Vorlagen auSgesüllt wurde, ereignete sich zum Schlüsse ein kleiner Zwischenfall, der trotz seiner Kleinheit ein unzweideu tiges Zeichen der Zeit ist. Man hatte sich um die Frage gestritten, wie lange ein Abgeordneter wohl brauche, bis er die Sleuer- rcformvorlagcn lüber ein Kilo bedruckten Papieres!) durch- gearbeitct und sich überdies aus eine Rede zur General- diScussion vorbereitet baben könnte. Der Präsident meinte, bis Mittwoch nächster Woche, die Nationalliberalen und Frei' conservativen wollten volle acht Tage Spielraum babe», also bis Donnerstag, das Centruin bis Freitag und die Frei sinnigen sogar bis zum Montag der übernächsten Woche. Als Letzter, der, anscheinend im Namen seiner Fraction, zu einer Erklärung das Wort nahm, erhob sich der conser- vative Gras Limburg-Stirum und 'trat dem Borschlag Hobrecht bei, daß man am Donnerstag die erste Lesung beginnen möge. Der FractionSsührcr hatte gesprochen, der Präsident ließ äbstimmen — und nun erhob sich die konservative Fraction (Alle bis auf ein halbes Dutzend) und stimmte mit dem Centrum für den Freitag! Warum? Darum! Die preußischen Conservativen sind >a seit einigen Tagen an der Programmberatbung und die Reichstagsfraction ist noch nicht wieder da. Was konnte Herrn von Hammerstein bindern, die Session sofort wieder auf das ultramontan-conservatioe Einvernehmen zu stempeln? Die Mehrheit der Partei steht aus seiner Seite. Die Centrums- fraction des preußischen Abgeordnetenhauses weiß nun, auf welche Unterstützung sie zählen kann, wenn sie an dcn neuen Cultusminister mit einem Wunschzettel hcrantritt. Die Militairvorlage beschäftigt die Ausschüsse dcS BundeSratbes noch immer — das ist das Neueste, waö die RcichSofficiösen über den wichtigen Gesetzentwurf zu melden wissen. Die „Bcrl. Polit. Nachr.", die jetzt den Reigen dieser Osficiösen führe», polemisiren nämlich heftig gegen die Er finder und Verbreiter der Meldung, die Vorlage sei bereits aus den Ausschüssen an daö Plenum zurückgelanzt, von diesem aber von der Tagesordnung seiner letzten Sitzung abgesctzt worden, und fahren dann fort: „Dem Urheber dieser unwahren Meldung schwebte offenbar das beschleunigte Geschästsverfahren gewisser oppositioneller Politiker vor, welche mit der Be- resp. Verurtheilung von Regierungsvorlagen schon sertig sind, wenn sie nur Len Namen derselbe» gelesen haben. Er übersah, daß der Bundcsrath, seiner hohen Stellung und Bedeutung im Reiche entsprechend, alle seine Obliegen heiten mit peinlichster Pflichttreue und Gründlichkeit nach ein gehendster Prüfung erledigt, und dieser Umstand allein schon hätte genügen sollen, um darzulhun, das; der Bundesrath noch gar nicht m der Lage gewesen sein konnte, im Plenum Stellung zu der Militairvorlage zu nehme». Wir könne» übcrdem auf das Bestimm teste versichern, daß die vorhin gekennzeichnete Mittheilung das Pdantasiestück eines um Stofs verlegenen Reporters ist, der aus dem Umstande, daß auf der Tagesordnung der letzten Plenarsitzung des Bundcsrathes auch Berichte der Ausschüsse für Heer- und Flottcnwejen sich befanden, ganz willkürlich combinirte, cs habe sich hierbei um die Militairvorlage gehandelt. Da nun aus dem osficielle» Bericht über di- sraglichc Bundesrathssitzung hervorgcht, daß über die Militairvorlage überhaupt nicht verhandelt worden ist, so combinirte die Phantasie des Reporters sich daraus die weitere unwahre Meldung, die Borlage sei von der Tagesordnung der Plenarsitzung des Bundcsraths abgesctzt worden. Wir wiederholen, daß sowohl jene wie diese Bersion zeder thatsäch- lichen Unterlage entbehrt und daß die Behandlung der Militair- vorlage den Bereich der Bundesrathsausschüsse bis zur Stunde noch nicht überschritten hat." Am meisten überrascht von dieser Meldung werden Die jenigen sein, die den osficiösen Versicherungen geglaubt haben, die Militairvorlage werde, nachdem über die Grundzüge schon längst Uebercinslimmung zwischen allen Bundesregierungen erzielt worden sei, rasch und olme Anstoß im Bundesratbe und seine» Ausschüssen erledigt werden. Die letzteren halten eS, wie man jetzt siebt, trotz jener Uebercinslimmung über die Grundzüge für nöthig. mit „peinlichster Pflichttreue und Gründlichkeit" alle Einzelheiten der Vorlage und ihrer Begrün- Lungzu prüfen; sie erachten also auch dieMöglichkeit nicht für aus geschlossen, daß die Nothwendigkeit von Veränderungen sich herausstellt. Nun wird eS klar, warum der Herr Reichs kanzler über die „Indiskretion" der „Köln. Zlg." so un gehalten ist. Um so unerklärlicher wird eS freilich, warum die zünftigen Ossiciöscn schon vor jener Indiskretion in die Lage versetzt wurden, über den Inhalt der Vorlage und ihre Begründung anö der Schule zu schwatzen. In Paris dauert der A n a r ch i st c n - S ch r e ck e n fcrt und wird dieser durch zahlreiche Drohbriefe, welche dem Vorsitzenden der Caunauxer Gesellschaft, Baron Reifte, dem mit der Untersuchung des Verbrechens in der Rue des bons EnsantS betrauten Commissar Dies zngeken, noch ge nährt. Wie weit die Einschüchterung der bürgerlichen Kreise geht, erhellt aus der von uns im Morgcnblatt bereits ge meldeten Thatsache, daß die Bewohner deö Hauses, in dem daS Bureau der Carmanxcr Gesellschaft sich befindet, vom Haus besitzer dessen schleunigste Entfernung verlangt und so viel erreicht haben, daß Baron Reille vor der Hand nicht mehr in daS Bureau kommen, sondern in seiner Privatwohnung die geschäftlichen Angelegenheiten erledigen wird. Inzwischen glaubte die Pariser Polizei einen erfreulichen Fang in der Ermittelung und Verhaftung eines der Urheber des letzten DynainitatlcntateS gemacht zu haben. Ein Kürschncrgehilfe Namens Nabe, und zwar ausLeipzig gebürtig, sollte der Äiiffe- thäler gewesen sein. Daö reichte bin, um einer gewissen Sorte von Pariser Blättern sofort cinlcuchlend zu machen, daß die Deut schen die Urheber des Attentats seien. Man habedeulschcKanonen in Dahoniey gefunden; es sei nicht unmöglich, daß sich in den Händen der Dynainiteurs deutsche Bomben befänden. Man möge sich darum vorsehen und nicht eventuell Franzosen für ein Verbrechen der Deutschen strafen. Das Blatt, welches diesen Wahnwitz in seine Spalten ausnahm, trägt allerdings dcn bezeichnenden Namen „Rappel". Lange gedauert bat allerdings der süße Wahn nicht, denn nach einer soeben cin- laufcnden Depesche ist der verhaftete Anarchist Victor Rabe wieder freigelassen worden, da die Beschuldigungen gegen ikn als nicht stichhaltig sich er wies. DaS Ministerium Loubet ist übrigens auch aus der neuesten heiklen Lage mit ziemlich unversehrter Haut hervor gegangen; ohne Zweifel, weil die französischen Volksvertreter in ihrer Majorität selbst von dein allgemeinen Schrecken ersaßt sind und, wie es scheint, nicht recht wissen, waS zu geschehen haben würde, wenn sie das Ministerium fallen ließen. Loubet hat in der gestrigen Sitzung der Deputirten- kammer abermals ein Vertrauensvotum ertrotzt. Wir geben über die betreffenden Verhandlungen noch folgendes ausführ lichere Telegramm: Paris, 10. November. Der Ministerpräsident L oubet beantragte den Bericht über den Gesetzentwurf, welcher die Strafen für Preßvergehen, die sich auf Aufreizung zum Mord und zur Plünderung beziehen, erhöht und verschärft, aus nächsten Mittwoch festzusctzen. Bernis «Recht») erwiderte, die bestehenden Gesetze seien vollständig ausreichend, sic hätten nur in Carmaux angcwendct werden sollen. (Lärm aus der Linken, Bcisallsäußcrungcn aus der Rechten). Loubet entgegncte, die Freiheit der Arbeit wäre in Carmaux ge- sichert gewesen, aber kein Arbeiter habe arbeiten wollen, zugleich forderte Loubet die Kammer auf, der Regierung Waffen zu geben gegen die Verbreitung der anarchistischen Theorien. Bilsen (Rechte) machte der Regierung zum Borwurf, daß sie gestern den Socialisten Culine in Freiheit gesetzt habe. (Lärm aus der äußerste» Linke»». Ter Iustizminisler Ricard erwiderte, Culine habe eine zahl- reiche Familie und um Entlassung aus der Hast nachgesucht, übrigens sei auch seine Entlassung aus der Haft nur bedingungsweise erfolgt. Cassagnac erklärte, die Regierung sei unfähig, die öffentliche Meinung zu beruhigen, denn sie hätte sich unter dem Drucke der Ab geordneten von der äußersten Linken nöthigen lassen, die Berurlheiltc» von Carmaux zu begnadigen. Clvmenceau protestirte gegen diese Acußerung. Loubet erklärte, daß er sein Verlangen, die Be- ralbung der Vorlage aus Mittwoch festzusctzen, ausrecht erhalle, und stellte die Vertrauensfrage. (Lebhafte Bewegung.) Ter Antrag Loubet's wurde mit 298 gegen 182 Stimmen angenommen. Die über die Mittwoch Versammlung der liberalen Partei, in welcher Graf Szapary über die Gründe der Demission dcü Cadincts rcserirte, vorliegenden^ Be richte lassen klar erkennen, daß man von allen Seiten bcmübt gewesen ist, die Krisis nicht noch mehr zuzuspitzcn, sondern die Einigkeit der liberalen Partei nach Möglichkeit wieder berzustcllcn. Alle drei Hauptredner, Graf Szapary, Graf Theodor Andrassy und Koloman TiSza, sprachen im versöhnenden, entgegenkommenden Sinne und fanden leb haften Beifall. Wie aus Pest gemeldet wird, verlautet in dortigen politischen Kreisen, daß auch Mitglieder des Mag- natcnhauses, und zwar der zweite Präsident Kronbüter, Schlary, Waitner, Bischof. Constantin Schuster und der Führer der streng katholischen Partei Graf Ferdinand Zichy, Be- rufungen an daS Wiener Hoflager erhalten haben. Die Lösung der Krise erwartet man nicht vor Sonnabend. Der Kaiser empfing gestern Mittag Len Grafen Szapary, sodann Koloman Tisza in einer dreiviertclstündigcn und sodann Koloman Szcll in einer fünfoicrtelstündigen Audienz. Schließlich wurde auch noch der Präsieent de« ungarischen Abgeordnetenhauses, Banffv, empfangen. Tie Audienz für den Finanzministcr vr. Weierle war ans beute Vormittag anberaumt. Die „BudapesterCorrcspondenz" glaubt anncbmen zu sollen, daß nach Lage der Verhältnisse daS ungarische Ministerpräsidium zunächst deni bisherigen Unterrichtsniinister Grasen Csaky oder dem Finaiizniinisler vr. Wekerle und, falls Letzterer die Verbindung der umfang reichen, schwerwiegenden Geschäfte dcS Finanzministeriums mit der aufreibenden Thätigkeit des Ministerpräsidenten un vereinbar finden sollte, dem vormaligen Minister Szell angeboren werden könnte. In Dublin tagt gegenwärtig eine vom StaatSsecretair für Irland, Morlcy, eingesetzte Commission, welche die Frage wegen der ausgewiesenen Pächter untersuchen soll. Es sind daö Pächter, dir von den Besitzern der be" treffenden Grundstücke, weil sie keinen Pachtzins mehr bezahl« wollten, exmittirt wurden. Die Art und Weise, w>« di« Commission verfährt, ist eine recht sonderbare, und eS tritt immer klarer zu Tage, daß, in Gemäßheit eines von Gladstou« den irischen Nationalisten gegebenen Versprechens, dieGrund« besitzer vergewaltigt werden sollen. Gleich in der erste« Sitzung drohte der Vorsitzende Mathew den Journalisten mit Ausweisung auS dem Saal, wenn die Zeitungen kritische Berichte über die Verhandlungen bringen sollten. Telegraphisch wurde bereits gemeldet, daß er deu Vertretern der Grundbesitzer verbot, ein äkrcuzverhör mit den Zeugen anzustellen, worauf jene unter Protest den Saal verließen. Der Vertreter Lord Clanricarde's, Carson, unter dem vorigen Cabinet irischer Generalanwalt, erklärte vorher die ganze Untersuchung für „Posse und Betrug". Dieselbe bezweckt offenbar, den irische» Grundbesitzern die rebellischen Pächter aufzunöthigen, ge rade wie in Frankreich Loubet der BergwerkSgesellschaft in Carmaux die ausständischen Arbeiter wieder aufge zwungen hat. Mit jeder neuen Kabeldepesche auS New-Dork stellt sich der Sieg, den der Candidat der demokratischen Partei, Grover Cleveland, errungen hat, größer heraus. Nach den letzten Nachrichten sind auf Cleveland 290, auf Harrison 128 und auf den Candidaten der liberalen Farmer- partci, Weavcr, 26 Elcctoralstimmen gefallen. Cleveland ist demnach mit nabezu z^wei Drittel aller Elec» toralsrimmen gewählt. ES ist ein Sieg ohne Gleiche», namentlich wenn man auch die gewaltigen Ziffer» in Betracht zieht, die aus den verschiedenen Staaten ge meldet werden. Sogar Staaten, die stets als feste Sitze der Republikaner galten, wie Obio, sind dieses Mal von deren Fabne abgefalle». Die Hauptbedeutung der Wahl am 8. November liegt i»^ dem vollständigen Krach de» Hochschutz- zoll-Svstcms. Der Sieg der Demokraten ist ein unbestrittener ans der ganzen Linie. Zur Mehrheit im Repräsentanteu- hause, die 92 Stimmen beträgt, baben die Demokraten, wie schon gemeldet, nun auch die Mehrheit im Senat und man darf im nächsten Congreß die Einleitung einer ent- schiedencil Zollreform-Politik erwarten. Trotz ßder wahn witzigen Zölle stieg die amerikanische Emsi'hr, während der Erport gefallen ist. Di« Arbeiter, denen da« Paradies verheißen wurde, klagen über da» Sinken de» Einkommen», und die Mac Kinley-Bill hat nicht weniger al» zweihundert- fünfzig Lohnreductioneu und Streikes verschuldet. Die Farmer sehen sich in allen Hoffnungen getäuscht, die Preise der Bedarfsartikel für dcn Mittelstand haben sich vertheuert, das Elend hat sich vcrmebrt und nur einzelne Fabrikanten baben Millionen gewonnen. Die Mac Kinley-Bill ist zum sengenden NessuSbemde geworden; da« amerikanische Volk reißt es vom Leibe und seine Leiden sind eine Warnung für Russen und Franzose», sowie für alle Mac Kinley'S in Europa. Der achte November wird ein Gedenktag der politischen und wirtbsckaftlichen Geschichte sein und wir können unS der frohen Hoffnung nicht erwehren, daß eine Wendung in der ökonomischen Krise bevorslehe. Deutsches Reich. * Leipzig, 1l. November. Wir empfangen folgende Zu schrift : In Angelegenheit der in Leipzig geplanten Katholikeu-Ver- sammlung gestatte ich mir, im Aufträge de» mit dem Zustande kommen der Katholiken - Bcrfammlung beschäftigten Ausschusses, um Ausnahme folgender Berichtigung zu ersuchen. Tie beabsichtigte Katholiken-Bersamnilung ist von vornherein nur als sächsische und nicht als deutsche Katholiken-Bersammlaog geplant und zwar speciell für Leipzig und di« umliegenden SiSdt« FeniHetoi». Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 85s Nachdruck «erboten. lFortsetzung.) Er drückte einen feurigen Kuß auf ihre Lippen — und sie wehrte sich nicht Es war etwas Beherrschendes, Hin reißendes m seinen tiefen Augen, in der stürmischen Leiden schaftlichkeit seines Wesens, und wie ihr blondes Gelock wurde ihre scheue Seele verwirrt, zerrüttet! DaS war da« Leben ... aus einmal fluthete sein voller Strom durch ihre Adern — die Nebel der Träume, in denen sic dumpf und traurig umbcrgeirrt, zerflattertcn. Und doch . . . eS wehrte sich auch etwas in ihr gegen diese Leidenschaft — die mädchenhafte Scheu, die sie im Leben, im Herzen bewahrt, wenn auch ihre Kunst nichts mit ibr gemein hatte — und auch das Bild des sanften, klugen Mannes, der ihr das Leben gerettet, trat malmend vor sie bin und zwischen sie und den entfesselten Sturm ihrer Seele. „Doch zerstreuen Sie mich nicht — zerstreue mich nicht, Lothar! Ich muß heute noch spiele», die „Donna Iuanita", zum ersten Male. Es ist eigentlich die Rolle der Eckart, doch ich soll mit ihr alterniren." „So habt Ihr Eure Seelen verkauft, daß Euch nichts übrig bleibt für Euch selbst, daß Ihr Eure Gefühle schonen müßt, damit sie auSreichcn für den kommenden Theaterabend! Sck,»lachvolle Sklaverei! Auf jeder Begeg nung mit Euch rultt cS ja wie ein Alp — dieser Theaterabend! Text und Lieder, Costüme, Decorationcn — daS schwirrt Euch alles durck den Kopf und Euer Herz bat keinen freien Schlag, alle« verkauft für die Gage an diese Plantagenbesitzer, welche mit Eurer Sklavenarbeit ihr Zuckerrohr bauen und ihren Säckel füllen! Doch ich bin müde dieser Begegnungen unter so dumpfem Truck, wo Eure Gedanken scbon bei der Toilette m dcn Gardcrobckörbcn weilen, die ja bald abgcbolt werden muffen und Eure Obre» schon das Beifallklatschen hören, tpcnn Ihr hinter dcn Contissen vcrsckiwindet! Uno dazu der schwüle Nachmittag »nd die neugierige Senne! Ta duslcn die üppigen Rosen umsonst mit ihrem wollüstigen Hauch. Nein, Teresa, die Liebe erschließt sich nur wie eine Nachtviole dem Mond und dcn Sternen ... Du sollst mich zu Dir rufen nach den Aufführungen, wenn nichts Tickt beschäftigt, be ängstigt — wenn Du den Ruhm nicht ersehnt, sondern ge nossen und nichts Dein Her; erfüllt als Liebe, grenzenlose Liebe. Ruse mich heute um Mitternacht . . . gieb mir dcn Gartenschtüsscl .... den Schlüssel deö Hauses ... ich komme!" „Nein, nein!" rief Teresa abwehrend, „das nicht! Ich liebe die träumcrische Nachtviole, aber ich weiß auch, daß die Königin der Nacht, die ihre silbernen Blumcnkroncn erst in der Dämmerung öffnet und um Mitternacht im herrlichsten Glanze strahlt, am Morgen verblüht ist!" „So liebst Du mich nicht?" „Lothar . . . quäle mich nicht! Nur allmählich gewöhnt sich meine Seele ans Licht ... ich trete hervor wie aus einer tiefen Grotte ... der volle Glanz würde mich blenden Und ich darf nicht erblinden; denn ich babe mein Tagwerk und ich muß arbeiten und schassen mein Leben lang." Vergebens bestürmte sic Lothar mit dringlicher Glutk; sie hielt seinen vcrzebrenden Blicken Stand und weigerte ihm eine Begegnung zu mitternächtiger Stunde. Mißvergnügt verließ Lothar die Geliebte und er tröstete sich erst, als ihm ein neues Romancapitel aufgegangcu war, in welchem er den jungfräulichen Zug der blondlockigen Madonna sinnig verwertbcn und einmal die Sturm »nd Wetterbetclichtnng seiner Schilderungen durch ein stimmungsvolles, sanftes Lickt unterbreche» konnte. Teresa hatte ihn angeregt, den Reiz des Contrastes auSzubeuten und so dem Künstler daS volle Genügen gewährt, das sie dem Menschen versagte. Inzwischen hatte sich das Unbeil, das in der Lus! lag, immer drohender gestaltet: der Abend, an welchem Donna Zuanita mit »euer Besetzung in Scene gehen sollte, war für den Ausbruch der Verschwörung bestimmt. Der Johannis berger de« Bankiers Seiler hatte seinem Gast auss beste ge mundet und sie batten beide auch die Posten im ersten Rang mit zuvcrlässiigen Mannschaften besetzt. Es waren seine Herren mit Glacehandschuhen und doch darunter einige Skandal- machcr von Profession, die bisher mit Nachtwächtern und Laternenanzündern sich bernnizubalgen pflegte» und diesmal sich freuten, einen ungefährlichen Spektakel in Scene zu sehen. Andere wolttcn wieder um jede» Preis die Gunst des ein- flußrcichcn Bankiers gewinnen und auch Faber hatte einige Freunde, denen eine bald abgelausene Verfallszeit mäßig ver- instcr Darlehen Skrupel machte — Gcgcngefälligkeitcn oiintcn dcn drohenden Sturm beschwören. Maurermeister Heinrich aber hatte die Billets an die zahlreichen Arbeiter vertheilt, die nach des Tages Last und Mühe einen ver gnügten Abend erwarteten, und gern dafür mit einigen Zisch lauten und mit Fußgepolter quittirtcn. Schon vor dem Beginn der Ouvertüre herrschte im Hause eine Unruhe und schwüle Stimmung, welche selbst dem Unkundigen auffallcu mußte; eS war nicht daS Behagen eines PublicumS, das beliebte Melodien zu hören und lustige Scenen zu sehen erwartet; in allen Zuschauerränmcn waren die Rollen vcrtheilt; man rüstete sich, räuSpcrlc sich und wartete auf das Stichwort. Vor den Prosccniumölampcn gab es Mitwirkcnde, wie hinter denselben; hier »nd dort die selbe Spannung, bei den Geschminkten wie bei den Un geschminkten. Endlich ergriff der Capellmcister den Stab, die Ouvertüre rauschte vorüber, der Vorbang ging auf und nicht lange wäbrle cs, so erschien der muntere gewandte Knabe. Ein Augenblick der Unschlüssigkeit ... sie sah ja reizend aus, diese Teresa Stern — dann aber ein Zischen und Trommeln in allen Rängen; einige Unbefangene geboten Schweigen und versuchten zu applaudireu, doch erst allmälig legte sich der Sturm, um von neuem zu beginnen, als Teresa vaS erste lange Lied voraetragen. Nach dem Act schluß herrschte eine unheimliche Stilles ein paar schüchterne Applandirversuche kamen nicht auf. Große Verwirrung auf der Bühne. Teresa hatte sich in ihre Garderobe zurückgezogen, nicht weinend, nicht jammernd, aber starr, fast versteinert — welch' ein Meduscnangesicht hatte sie von da unten aus dem dunkeln Menschenknäuel an- gcgrinst ... daS erste Mal in ihrem Leben! Sie war es gewöhnt, daß von dort ibr nur Beifall cntgegenrauschte, es war ihr dies zuletzt ganz selbstverständlich erschienen .. . und nun ... ein Ungelhüni, das Rauch und Flammen spie, das sie selbst, ihren Künstlerruf vernichten wollte. Der Direktor ging indeß aufgeregt hinter den Coulissen hin und her, wie ein Bär im Käfig, und der geschiileidige Regisseur tänzelte zur Rechten und zur Linken und äußerte ver schiedene Meinungen über die Ursache des Skandals, für welche der Tireclor nur ein vornebme« Achselzucken balle. „Die Leontine Eckcrtt ist in der Schauspielerlogc — soll augenblicklich hcrabkominc»." Diesen Befehl tc« DirrctorS vermittelte der Regisseur sofort an den Theatcrdiener. „Die hat'S erreicht", sagte er dann, „da» kommt vom Alterniren." „Wenn Sic damit sagen wollen", versetzte der Direktor, „daß der Skandal durch sie veranstaltet worden ist, so werden Sie mir den Beweis nicht schuldig bleiben dürfen; denn einem solchen Mitglied müßte ich augenblicklich kündigen." „Der Leontine Eckcrdt? Haha, lieber die Bude zumachen*, meinte der Regisseur. Da erschien schon Leontine im Mode hut, mit munteren Augen, um die vollen Lippen ein hoff nungsvolles Lächeln. „Fräulein Eckcrdt — Sie müssen sich umkleiden für die Rolle der Donna Iuanita, um augenblicklich einspringen zu können, wenn der Lärm sich noch einmal wiederholt. Die Stern wirft uns sonst die ganze Vorstellung um. Blitz schnell, mein Kind!" Leontine wollte von dannen Hüpfen, doch schon umschloß sie der Kreis der Colleginnen. „DaS ist garstig von Dir", sagte Käthe Blau mit hängender Unterlippe, „Du brauchst Dich vor der Stern doch nickt zu fürchten; warum hast Du durch Deine Anbeter da» Publicum gegen sie aufbetzen lassen?" „DaS verdirbt uns die Stimmung", sagte die erste Balle- tcusc der Operette, indem sic das mit dem Tricot geschnürt« Bein mit der ZwischenactSvravour einer Collegin der große» Oper prüfend von sich streckte. „Wir wollen keinen Skandal", sagte die Iubelgreifia der Gesellschaft, die koiilische Alte, „man lacht nicht mehr, wen» man zischt. Du bist eine Intrigantin, Leontine, eine Spiel verderberin." „Macht mir Platz, Ihr Kinder — ich habe die größt« Eile! DaS aber bethcuere ich, ick weiß von nicht» und die arme Stern thut mir herzlich leid!" Sie stürzte fort in ihre Garderobe. Käthe Blau zuckt« mit den Achseln. „Das kennt man!" Und wenn Käthe Blau etwa« sagte, war's ein Orakel; das „muffige" Mädchen war nicht sehr beliebt; doch man traute ihr vielen Verstand zu; ihre Kritik war gefürchtet, und bis zur letzten gra-grüne» Operettcngrille, die in de» hintersten Reihen mitzirpte und mithüpfte, war daö ganze Personal davon überzeugt, daß Leontine den ver nichtenden Streich gegen ihre Nebcnbublerin geführt. (Fortsetzung folgt.)
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