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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.11.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921126018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892112601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892112601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-26
- Monat1892-11
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Tage-ordnung: Verlangte Gutachten ». über di« beabsichtigte Errichtung einer zweiten Schneider- Innung in Leipzig, d. über La« Gesuch der Fleischer-Innung zu Leipzig-Lindenau- Plagwitz, die Ausdehnung ihre« Bezirks aus Alt-Leipzig betr.» o. über den beantragten Erlaß ortlstatutarischer Vorschriften, die allwüchentlichr und beziehentlich Arettag» zu bewirkende Au«zahiung de« Arbeitslokues de». Hierauf ntchtSsfentltch« Sitzung. Leipzig, 86. November 1898. D. A. Oehlrr, vors. Herzog, S. Lekauutmachuug. Mit Benehmiaung der Vorgesetzten Ktrchenbehörde soll die Zahl der weltlichen Mitglieder des diesigen Kirchenvorstande« um zwei vermehrt werden. Die Zuwahl der beiden Mitglieder soll dergestalt erfolgen, daß ein- aus dt« Dauer von 5 Jahren (btt Ende Mat 1897) und »in« auf die Dauer von zwei Jahren (bis Ende Mat 1894) gewählt wird und da« Loos darüber entscheidet, wer von ihnen zuerst au«zuscheiden haben wird. Tie Wahl wird am 1. Adventsonntage, den 87. November, von Borm. 11 bt« Nachm. 1 Nhr in der Sakristei der Kirche statifinden und hat durch persönlich abzugebende Stimmzettel zu geschehen, was den in die Wahlliste rtngetragenen Stimmberechtigten mit der Bitte um zahlreich« Betheiligung an der Wahl hiermit bekannt gemacht wird, zugleich unter Hinweis darauf, daß nach dem Gesetze alle stimmberechtigten Htrmeindeqlleder wählbar sind, die da« 30. Lebensjahr vollendet haben, und daß die Wähler ihr Augenmerk auf Männer »on gutem «nie, bewährtem christlichen Sinne, kirchlicher Einsicht un« Erfahrung zu richten haben. Leipzig-Gohlis, am 19. November 1893. Ter Wahlausschuß. De. W. Seydel, Pastor, Vorsitzender. Aocialdemokratische Wahrheitsliebe. I». 6. Dreiste Bekundung undeukscher Sinnesart ist zwar in Deutschland immer noch nicht eine seltene Erscheinung, was aber da« officielle Organ der deutschen Socialdemolratie, der „Vorwärts", wäbrend der letzten Wochen an Be schimpfung der nationalen Ebre und der nationalen Helden zu Tage gefördert hat, läßt ähnliche Leistungen der Ultra» montanen, Welsen und sonstigen Particularisten weit hinter sich. BiSmarck'S sattsam bekannte Aeußerung über die „Cbamade" und die „Fanfare" batte Herrn Liebknecht in einen förmlichen Taumel versetzt. Kein Tag verging, an dem nicht der „Vorwärts" die „Fälschung" der Einser Depesche in einer Weise behandelte, die jedem Deutschen, der eine Spur von patriotischem Empfinden und historischem Sinn sein Eigen nannte, die Rothe de« Zorn« in» Gesicht trieb „Mit BiSmarck", so schrieb der „BorwärtS", „fällt auch eure ganze Reichsherrlichkeit, die große nationale Tbal sinkt zu einem betrügerischen Verbrechen an der eigenen Ration herab, der greise Heldenkaiser erscheint willenlos, gelenkt vom Kanzler wie von Kammerdienern, und alle die großen Schlagworte eurer GesckichtSmacher und Professoren haben kein größeres Gewicht, als die Reclame irgend einer „Goldenen 110" oder eines Bandwurmdoctors. Das ist der großeDienst, den Bismarck uns wider Willen erwiesen hat; er hat die Bourgeoisie, die herrschenden Classen in einen Schmutz gezogen, aus dem sie nicht heran können. Dem Proletariat, der Soeialdemokrati ist die Wiedergeburt de« deutschen Vaterland« Vorbehalten." Das war dir Tonart, welche Herr Liebknecht Tag aus Tag ein anschlug, wenn er mit haßerfüllter Seele und diabo lischem Behagen an der Verhetzung der gläubigen Massen die geschichtliche Wabrheit mit Füßen trat und im Schweiße seines Angesichte« sich abmiibt«, immer neue Schmähungen wider den „Depeschenfälscher" zu schleudern, „der zum Staunen der Welt noch nickt auf der Anklagebank sitzt". Aber nicht genug damit! Da« Maß der Erbärmlichkeit sollte erst voll werden, als der Reichskanzler dem schändlichen Gebahren mit Aktenstücken zu Leibe ging und die Ver gleichung de« bisher niemal- veröffentlichten Originale« der Depesche mit der Bismarck'schen Redactton die Verleumder wie ein Blitzstrahl au» heiterem Himmel traf. Dieselben Volk«tribunen. welche sich im Gegensätze zu der „verlogenen und versumpften Bourgeoisie" so gern und so pathetisch als wahrhaftige, selbstlos« Idealisten aufspielen, sie sind zu feig und zu verlogen, um jetzt der geschicht lichen Wahrheit di« Ehr« zu geben; sie halten ihre alte Lüge, mit der sie seil zwei Jahrzehnten „krebsen" geben, ausrecbt. Der Beweis für dies« Behauptung ist im „Vorwärts" und im „Wähler" vom 24. November d. I. ge liefert. Der „Vorwärts" kommt in der bezrichneten Nummer an vier Stellen auf die Emser Depesche zu sprechen. In seinem lediglich resrrirend gehaltenen Parlamentsbericht wird zwar der Wortlaut der ursprünglichen und der redlgirten Emser Depesche nicht mitgetbeilt, doch wird wenigsten- über die Mittbeilung de« Grasen Caprivi gesagt! .Ich ruf» t»S Gedächtniß zurück, daß Kaiser Wilhelm sich am 1L. Juli istTV t» Em« oefan». daß »r vom Graf«» Venedetti an» >eredet wurde, daß der König »ine ausweichende Antwort gab und hm durch seinen Fiügeladjutanieu sagen ließ, wenn er eine Audienz nachsuche in einer eriebiqieii Lache, jo könne ihm dieselbe nicht gc- währt werden. Diese Dinge sind niedergeleai in einem Pro me moria de- Fürsten Aiiion Radzlwill, welche» dem Auswärtigen Amte nicht telegraphisch zuaegangcn ist. Die erste Depesche trügt die Actennummer A 330>, sie rührt von dem Geheimen Rath Abeken her; es heißt darin, daß Seine Majestät der König chrieb, Beiiedetli habe ihn ans der Promenade i» EmS zuletzt ehr dringlich angesproche» wegen der Landidatur der Hohenzollern. Der König habe ihn zuletzt sehr ernst zurück» ewiejen und zuletzt beschlossen, ihn nicht mehr zu mpfangen, Nachdem er die Nachricht von der Zurückziehung der Candidalur der Hohenzollern in Spanien erhalten habe. Der KSntg stellte dem Kanzler anheim, dle neue Forderung Benedettl'S »nd die Antwort de- König» sofort den Gesandten und der Presse mitzutheilen. Darauf formulirte der Kanzler Gras Bismarck eine solche Depesche, welche sich lediglich als eine Ausführung des königlichen Auftrags dar st eilt. Dle Depesche ging noch am Abend de« 18. Juli on alle Gesandtschaften ab. Um der Meinung entgegenzutrelen, als sei der hochselige König nicht seiner eigenen Ansicht gefolgt, verweile Ich auf Vorgänge deS- elben Tages; es findet sich ein Bittet des Königs an Abeken in den Acten, worin er auSspricht, daß er über die neue gu- muthung Grammont-Ollivter'k indtgnirt sei. Darau« zeht hervor, daß der König nicht der schwache Mann war, wie er dargestellt wird, und Europa war damals derselben Meinung wie der König. DaS beweisen damal« bekannt ge» wordene Erklärungen anderer Regierungen, so der eiiglischen und der russischen, deren Wortlaut der Redner verliest. Damall war di» Ansicht allgemein die herrschende, daß nach Zurückziehung der Kandidatur Hohenzollern Frankreich nicht« mehr verlangen könne. Wenn da« trotzdem geschah, so konnte Frankreich nur den Krieg oder rin« Demüthigung Deutschland» wollen Deutschland hätte aber «In« solche Demüthigung nicht hinnehmen können. (Beifall.) Zweiten- bringt der „Vorwärts" «inen raisonnirenden Bericht über die NeichStagSsitzung, in welchem e« heißt: „Daß die Rede lang war, so lang, daß un- eine gleich um» Lngliche Auslastung de- Kanzler- nicht bekannt ist, ist, abgesehen von den Mittheilungen über dt« wirkliche (dies Wort ist auch tm „Verwart« gesperrt gedruckt. D. Red.) Emser Depesche und deren durch Bismarck „redlgirten" seiner Zeit der Oeffentlich- keit unterbreiteten Wortlaut, da« einzig BemerkenSwerlh« an dieser parlamentarischen That." Die beiden vorstehenden, dem objectiven und dem subjectivcn ParlamcntSberichl de« „Vorwärts" entnommenen Stellen tbun unwiderleglich dar, daß der Redaction des officiellen Organs der dentschen Socialdcmokratie die geschichtliche Wahrheit bekannt war. Trotzdem heißt eS m einem dritten Artikel über die NeichStagSsitzung: „Bei Betrachtung der auswärtigen Verhältnisse kam der Reichs kanzler auch auf die gefälschte Emser Depesche zu sprechen. Er suchte den Nachweis zu liefern, daß sei» Vorgänger am kritischen Tage —13. Juli 1870 — mehrere Depeschen aus Eins er halten habe, die von demselben nicht gefälscht worden seien. Und die ranzösischc Regierung habe Deutschland um jeden Preis Lemüthigcn wollen. Schade nur, daß gewisse unzweisclhast seststchcnde Tdatsachen hiermit nicht stimme». Erstens die Thatsache, daß auch die bisher be» kannte echte Depesche,derRadziwill'sche Bericht, «inen amt lichen Ebarakter hat und aus dem Cabinet des Königs von Preußen kam. Und zweitens di« Thalsache, daß nach dieser echten Depesche der französijche Gesandte Beuedetii die Erklärung abgegeben hatte, er werde sich bei der erhaltenen Antwort beruhigen. Der „Zwischen- all" der Hohenzollcrn-Candidatur war also erledigt, als Fürst Bismarck seinem eigenen Geständniß nach aus der „Lhainade" eine „Fanfare" machte. Das „Fälschen" ist ja «in hartes, grobes Wort — Fürst Bismarck milderte es, indem er rin anderes Wort fälschte und die „Fälschung" ,,Redaktion" nannte." Der vierte Artikel endlich, der sich mit der Emser Depesche befaßt, lautet: „Die Fälschung der Emser Depesche." Nachdem der deutsche Reichskanzler genötbigl worden ist, die Verwandlung der „Ehainade" in eine „Fanfare" im Reichstag zur Sprache zu bringe» und einen, nichts weniger als gelungenenRechtsertiaungs- versuch zu machen, ist für den Fürsten Bismarck, falls er seinen Charakter nicht freiwillig Preis giebt, die gebieterische Nothwendigkeit erwachsen, seinen Platz im Reichstage einzunehmen und wenigsten» in der kommenden Budget» und Mitltair-Tebatte betreffs seiner „Redaction" der Emser Depesche Red« und Antwort zn stehen. Also heraus aus dem Busch und vor die Klinge, Herr Ab geordneter für Geestemünde-Neuhans a. d. O.!" Gehen wir von dieser Auslassung, welche im Fieberwalm oder in einem Anfall sinnloser Wuth geschrieben zu sein scheint, zum „Wähler" Uber. DaS Leipziger socialdemo kralische Organ darf sich in dem vorliegenden Falle — wir erkennen das bereitwilligst an — einer geschickteren Redaktion als der „Vorwärts" rühmen. In dem augenscheinlichen Bestreben, soweit sein Reichs- tagöbericht in Frage kommt, des biederen Polonius' Behaup tung, daß Kürze de- Witzes Seele sei, zur That werden zn tasten, schreibt der „Wähler": „Außerdem beliebte Herr v. Caprivi, Belobigungen Bismarck s und polemische Aeußerlingeii aegcn denselben cdensoUs abwechseln zu lasten. Besondere Aufmerksamkeit suchte er sich durch die Be> sprechung der bekannten Emser Depesche zu verschaffen, was ihm auch gelang. Aus einem Bündel diplomatischer Acten» stücke verlas der Reichskanzler mehrere Telegramme, die beweisen sollten, daß sein Vorgänger nicht Depeschen ge fälscht habe, wie ihm in der Presse vorgcworfen worden sei. Ter alle Kaiser Wilhelm sei in seinen Entschließungen selbstständig ge. wescn, welche Behauptung die Rechie mit einem Bravo begleiteie. Man wußte eigentlich nicht recht, was dieses Bravo an der Stell« sollte" rc. Zur Entschädigung für diesen im Lapidarsivl gehaltenen „Bericht" wird im Briefkasten eine Persönlichkeit 51 Ii, welche zur guten Stunde wißbegierig wurde, über den Unter schied zwischen der „Ebamade" und der „Fanfare" belehrt Und zwar geschieht das in der Weise, daß die „ecktte" Emser Depesche unv „die BiSmarck'sche Bearbeitung" neben einander abgedruckt werden. Wir brauchen eigentlich wohl nickt ausdrücklich zu bemerken, baß al« „eckte" Depescke da« am l?.Juti in Berlin einaetroffenc Promemoria Radziwill's auSgczeben wird. De« Weiteren macht da» pfijfige Organ eine indirekte Anleihe bei der „Neuen Freien Presse" und cnt nimmt diesem verbüßten Bourgeoisblatte die Ouinteffenz der lügenbasten „Enthüllung", wie sie das Kölner Jesuitenblatt, die „Köln VolkSztg.", zugestutzt hat. Damit ist die Leistung des „Wähler«" aber nickt erschöpft. Zum Unterschiede vom „Vorwärts" besitzt da« Leipziger Äocialistenblatt zwar einen schmalen Rest von Schamgefühl, da« ihm verbietet, die eckte Emser Depesche ganz zu unterschlagen. Es thrilt daher Abeken'- Telegramm — natürlich an versteckter Stelle — mit, leitet dieselbe aber folgendermaßen ei»: „Die heutige» Morgenzeltungen bringen (nach Caprivi) folgende allerechteste (daS Wort ist auch im „Wähler" gesperrt gedruckt. D. Red.) Emser Depesche, die Bismarck durch den Gcheimrath Abeken erhalten haben soll." Heißt das nicht, die Echtheit der vom Grasen Caprivi verlesenen Depesche Abeken'S anzweiseln? Ist das etwas Anderes, als den Reichskanzler be zichtigen, daß er die deutsche Volksvertretung an- geloge» habe? Dem Reichskanzler bleibt nunmehr nichts Anderes übrig, als aufGrund deSH. ll de« Preßgesetze« die social demokratische Presse zur Ausnahme einer that sächlichen Berichtigung zu zwingen. Graf von Caprivi hat gesagt — wir hoffen, daß er auch U sagt und ganze Arbeit macht. Deutsches Reich. SS. Berlin, 25. November. Der politische Eindruck der vorgestrigen Rede des Reichskanzler«, so weit er sich in der nichtgouverncmentalen Presse abspiegelt, ist fast gleich Null. In den Blättern der nationalen Parteien — wir gestatten uns noch immer, diese Einschätzung beiz» behalten — findet man nur insofern Variationen, als die einen die bittre Pille des Urthril«, daß Gras Caprivi mindestens nicht« Neues gesagt habe, überzuckern, die anderen nicht. In dem anderen Theile der Presse erfährt Graf Caprivi da« Schicksal, da« er dort immer erfahren yat: man verweigert ihm die Unterstützung, macht ihm aber Compli- mente. DaS hatte und hat seinen guten Grund. Früher war eS die Furcht vor der Rückkehr de« Fürsten Bis marck, die eine stellenweise bis zur „Unheimlichkeit" freundliche Behandlung seine« Nachfolger« empfahl. Da« ist vorbei. Heute haben die Liebenswürdigkeiten einen positiven Zweck: man möchte Caprivi die Fortführung seine- AmteS erleichtern. Ultramontane, Radikale, Tocialdemokraten, namentlich aber Particularisten, fühlen sich sehr wohl unter seinem Regiment. Ist er nickt der Messias ihrer Erwar jungen, so doch ibr Johannes. Es sei die- nur zur Kenn zeicknung einer Anzahl deutscher Parteien festgestellt. Daß die Stellung des Reichskanzler« durch diese- Wohlwollen eine gesicherte sei, soll nicht behauptet werden. Sehr bezeich nend erregt da« Einzige, wa« in der Kanzlrrredc die Nationalen befriedigt hat, den schlecht oder gar nicht verhehlten Unwillen der Andern: die Mittheilungc» über die Emser Depesche. Auf der einen Seite sind es besonders die Strahlen, welche hier wieder auf daS herrliche Bild de- alten Kaisers fallen, die Genugthuung Hervorrufen. Die BiSmarck Hasser wiederum verargen eS dem Reichskanzler, daß er die eifrig verbreitete, wenn auch von ihnen selbst nicht geglaubte Mär von der Fälschung der Emser Depesche au- der Welt geschafft bat. Der „Vorwärts", in dieser Angelegenheit die Autorität der Franzosen, Ultramontanen und des Herrn Richter, zeigt wenigstens einige Perlegcnheit, über die er sich mit neuen Lügen hinwcghilst; die „Freis. Ztg." aber behauptet, freilich ebne die Erbringung eine- Beweiies auch nur zu versuchen, einen „wesentlichen Unterschied zwischen dem veröffentlichten Telegramm und dem nach Berlin übermittelten Bericht über jene Vorgänge". Sie ist offenbar von dem Ehrgeiz geleitet, morgen in der ae- sammlen französischen Presse als Vertheidiger Napoleons, Gramont'S und Ollivier's gepriesen zu werden. Der aus dem Krölcnneide gegen das Glänzende herausgeborene Haß des Herrn Richter gegen den Fürsten BiSmarck schreckt nicht einmal davor zurück, durch Parteinahme für den Feind von 1870 und gegen da« eigene Vaterland von einem Gladstone abzustechen. * Berlin, 25. November. Herr v. Helldorff hat zu Beginn der parlamentarischen Session gleich eine Niederlage erlitte»; er ist, wie schon gemeldet, an« dem Vorstand der ReichStagSsraction ausgeschieben worden. An seine Stelle wurde der bekannte Agrarier Graf Mirbach gewählt Der Vorgang ist deshalb von Bedeutung, weil man bisher der Ansicht war, daß Helldorsf in der konservativen Reichs tagSsraction verhältnißmäßig großen Anhang habe, ja daß diese in ihrer Majorität nicht sowohl in dem Fahr Wasser der »Frenzzeitung" als in dem des unbedingten Hclldoifff'schen GouvernementaliSmuS schwimme. Die Be deutung der jetzigen VorstaudSwahl liegt also hauptsächlich darin, daß Herrn von Helldorff nunmehr auch da« letzte Operationsgebiet verschlossen ist. Von allen seinen Partei- volitischcn Ehrenämtern ist ibm nur der Sitz ini allgemeinen Parteivorstand geblieben, und auch hier bat er durch dieÄbseyung vom Amte eines Präsidenten ein deutliches Mißtrauensvotum erhalten. Es scheint, als ob die Art und Weise der Hell dorff'schen Opposition, und zwar mehr vielleickt ihre formelle al« ihre sachliche Seite, so allgemeinen Wider spruch erregt habe, daß Herr v. Helldorff thalsächlich kalt gestellt ist. Ob er dann auf dem Parteitag im Deccmber noch obendrein auS der Partei überhaupt „hinausfliegen" wird, erscheint angesichts der geringen Gefolgschaft, die sick bisher zu ibm bekannt bat, al« ziemlich bedeutungslos. Jedenfalls ist e« den Gegnern Helldorff's gelungen, ihn politisch zu isoliren. Das ,st ein nicht unwichtige« Symptom für die allgemeine politische Lage und den immer schärfer sich brrausbildenden Gegensatz zwischen den konservativen und den übrigen Bestandtheilcu de« alten CartelS. V. Berlin. 25. November. (Telegramm.) Zu dem leichten Unwohlsein de« Kaiser« schreibt der „ReichS- anzriger": Der Kaiser verbrachte eine gute Nacht. Der Er- kältnngSzustand ist beinahe als überwunden anzusehen. Berlin, 25. November. (Telegramm.) Die „Nationalzeitung" sagt zu de», Wablresultat in Friede- derg-Arn«walde Dir Wahl in ArnSwalde ist eine vor treffliche Einleitung zu dein konservativen Parteitag, der nun auch zu der antisemitischen Frage Stellung nehmen soll. — Uebrr die Steuerdebatten im Landtag« schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" an leitender Stelle heut« Abend u. A Ob und inwieweit dir Zweifel und vir in Betreff der Einzelheiten de« Plan« vorgrbrackten Bedenken auf da« Schicksal der Berlage von Einfluß sein können, baden die Debatte» in keiner Weise erkennen lasten. Dies« Klärung dürfte der EommissionSardrit Vorbehalten sein. Nachdem aber wobl mit gutem Erfolg die Behauptung zurück gewiesen ist, der gesammte Reforniplan kranke an einer prononcirt agrarischen Tendenz, darf man Wohl hoffen, daß die CoinmissionSarbeit im Stande sein werde, die bercgten und gewiß nicht leicht zu nehmenden Zweifel zu beheben. Ob die Parteien, welche die Stcuerreforni in der Hauptsache wolle», weise daran thaten , die Lösung der Wahlreckisfrage zur Vorbedingung für die Zustimmung zum Steuergcsctz zn machen, darf billiger Weste bezweifelt werben. Auch hier werden indessen erst die Beschlüsse der Commission und des Hauses entscheiden. — In der Frage deS Gebrauchs der Schußwaffen bat die Militairverwaltung sich nun zu einem gewissen Entgegen kommen gegenüber den Wünschen der Bevölkerung bereit er klärt. Es ist verfügt worden, daß in belebten Straßen die Posten nicht mehr mit scharfen Patronen versehen werden. Damit würde der Wiederkehr der beklagenSwerthen Vorfälle, die besonderen Anlaß zu Beschwerden gegeben, wenigsten- einigermaßen vorgebeugt sein. Inzwischen sollen die Ermittlungen über die Einschränkungen der Wacht posten fortgesetzt werden. Natürlich kann mit dem Verzicht auf die militairischen Posten nickt einfach ans die Bewachung der in Frage koininendcn Gebäude verzichtet werden. Es müßten andere Sicherheit-Maßregeln, SchutzinannSpvsten rc. eingesUbrt werden. Unter dieser Voraussetzung würden wohl auch die Civilbchörden, auf deren Aussagen der KriegSuiinister sich berief, die Einziehung der militairischen Posten unbedenk lich finden. Giebt eö doch jetzt schon eine Anzahl staatlicher Gebäude, die des Schutze« militairischer Posten entbehren. — Im CultuSministerium sind die Entwürfe, betr. die Verbesserung der Lage der BolkSschullehreru.s.w., ausgearbeitet und harren noch der endgiltigcn Beschlußfassung durch daS Staatsministerium. Im letzten Augenblick scheinen sich Schwierigkeiten eingestellt zu haben, die erst gehoben werden müssen. — Der „Relch-anzeiger" schreibt: Es hoben sich, namentlich ln neuester Zeit, vielfach Lonsumvereine und sonstige Gesellschaften gebildet, welch« wesentlich den Ausschank geistiger Getränke oder den Verkauf von Branntwein in, Wege de« Klein handel» an Ihre Mitglieder bezwecken. Ob die preußischen Gerichte, die hierin einen Gewerbebetrieb bisher nicht erblickt haben, von ihrer Praxis abgehen und sich der Rechtsansicht des Dresdner Lber- Landesgericht anschließen möchten, das bei eingetragenen Genossen schaften mit Rücksicht auf deren selbstständige juristische Persönlichkeit die Merkmale eines concessionSpflichttgen Betriebes alS vorhanden erachtet, erscheint fraglich. Jedenfalls aber kann angenommen werden, daß in einer großen Zahl von Fällen die Form eines Consnmvercins oder einer sonstigen Gesellschaft zu den vor gedachten Zwecken nur simulirt ist und ln Wahrheit ei» eoncessions- pslichtiger Schankwirttischaftsbetrieb oder Braniittveinkleinl,anbei des Lagerhalters, Geschäftsführers, Castellaus rc. vorliegt, dessen gesetz widrige» Treiben die Mitglieder häufig noch durch Besorgung eine» billigen Einkauf» der Getränke in seinem Interesse oder in anderer Weise unterstützen. Da solche Gesetzesumgehungen — durch eine nur zum Scheine vorgeschobene Vereinsbildung — an vielen Orten zu einer ernsten Gesahr für da» Bolkswoht zu werden drohen, sind die Regierungs-Präsidenten d»rch Erlaß des Ministers des Innern ersucht worden, die Aufmerksamkeit der Polizeibehörden aus solche Vereine besonders hinzulenken Durch sorg fältige Ermittelungen Ist überall der Sachverbalt möglichst aufzu- klären und das gesammte Material, fall» der Verdacht der Simu lation sich begründen läßt, zur Strafverfolgung gegen den Lagerhalter und die etwa mitschuldigen Mitglieder den Staatsanwaltschaften zu übergeben. — Der (wie schon kurz gemeldet wurde) verstorbene frühere Potizet-Prüsident von Berlin wirklicher Geheimer Rath v. Madai hat ein Alter von mehr als 80 Jahren erreicht. Er war, so be- berichtet die „M. Z", bis zum Jahre 1866 Landrath des Posenschen Kreises Schroda und wurde nach der Besetzung der freien Stadt Frankfurt durch die preußischen Truvpen als Livil- Commissar dorthin berufen. Nach der Einverleibung Frankfurts wurde er zum Poltzet-Präsidenten daselbst ernannt. Später wurde er als Nachfolger v. Wurmb's nach Berlin versetzt, und hier bat er an der Svitze des Polizei-Präsidiums gestände», bis er 1885 in den Ruhestand trat. Kaiser Wilhelm I., »» dem ihn sein Dienst täglich sühne, wenn der Kaiser in Berlin weilte, entließ ihn damals nur ungern und erst nach Wiederholung seines Eni- lastungsgesuchs. Bei seinem Abschiede erhielt er den Titel als Wirklicher Geheimer Rath. Der Huld Kaiser Wilhelm'» verdankte Madai auch die Ernennung zum Dom-Capitutar zu Branden burg, dessen Senior er im Laufe der Zeit wurde. * Aus Schleswig-Holstein, 23. November, lieber die Gründung eines von uns schon erwähnten dänischen S ch ul verein S wird den „Hamb. Nachr." aus HaderSleben ge schrieben: 58 Unterzeichner, meist Grundbesitzer auf dem Lande, haben unter Führung von Gustav Johannsen einen Aufruf zn einer Versammlung veröffentlicht Sie fordern darin alle „dänischen" Eltern auf, aus alle» Kräften den Rest von Dänisch, der nock in der Volksschule ist, zu vertheidigen, das Dänische im Hause zu fördern und möglichst für Unterweisung der Jugend im Dänischen nach der Confirmation Sorge zu tragen. Der nun zu gründende Verein soll diese Bestrebungen unterstützen und „ein be deutungsvolles Glied werden in dem nationalen Ber- tbeidigungskampf". Man sieht daran« da- offene Ein- acsländniß, daß eS mit der „dänischen" Sache reißend in der Jugend vergab geht. Indem die Herren damit anerkennen, daß die Kenntniß der dänischen Sprache bei der Schuljugend immer mehr verschwindet, gestehen sie auch ein, daß die dänische Literatursprache nickt« mit der westiütischen Mund art, welche die Kinder und da- Volk spricht, zu tbun bat. Der Versuch, durch die „dänische Sprache" die herrschende westjütische VolkPnundart zu verdrängen — denn darauf würde doch der neue Verein sein Bestreben richten müssen —, wird unter diesen Umständen ein Unternebmen sein, dessen Erfolgen die deutsche Schule unv in deren Gefolge die deutsche Kirchensprache mit großer Ruhe entgcgensehcn kann. * LanSsberg a. P. Warthe. 25. Novbr. (Telegramm.) Nack dem soeben eingetroffcnen bisherigen Resultat der ReichStagSersatzwahl im Kreise ArnSwalde-Frirde- berg erhielt Ahlwardt 5541, der Drutschsreistnnige Drawe 252«», der Conservative von Waldow 2270, der Socialist Millarg 898 unv der Nationalliberale Hobrecht 395 Stimmen. E« fehlen noch die Resultaten au« 37 Orten. * Vase«. 24. November Bei den gestrigen Stadtver- ordnetrnwahlen der dritten Abtheilung wurden zwei deutsch« und zwei polnische, bei den heutigen Wahlen der zweiten Abtheilung sech« deutsche Eandidaten gewählt. —
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