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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921128020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892112802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892112802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-28
- Monat1892-11
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2 I AbormemeutsprelS En her Hauptexpedition oder den im Stadt« Bezirk und den Bororten errichtete» Aus» oabestellen ab geholt: vierteljährlich ^«4L0. bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5 50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,abrlich 6.—. Direkte tägliche Lreuzbandjeuduag tnS Ausland: monaUich ^ 3.— DieMorgen-BuSgabe erjcheint täglich '/,7Uhr, di» Abeud-Ausgabr Wochentag- b Uhr. Ne-action und Expedition: IohannrSgafir 8. Die Expedition ist Wochentag- uaunterbrochra geossnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Filiale«: vtt» »lt«« « e-rtim. <«l?retz Hahn). Uaiversität-'trabe 1, Louis Lösche. Nathariuenstr. 14. pari, und Sönigtplah 7. Abend-Ausgabe MWger TUckatt Anzeiger. Organ für Politik,Localgeschichte,HaitdelsH>6eWftsverkchr. Jnsertionspreis Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclamea unter dem RedactionSstrich (4go« spalten) 50»j. vor den Fomilieanochrichtr» («gespalten) 40/^. Gröbere Schriften laut unjeram Preis- Verzeichnis. 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Eben deshalb hat es die unabhängige Presse auch entschieden getadelt, daß von den Civil- und den Militair-Officiösen solche Dinge, die in jene Commission gehören, in die Oeffentlickkeit getragen worden sind, obgleich vorauSzusebcn war, daß dadurch in weilen Kreisen Unmuth und Verstimmung erregt werden würde. Trotzdem fahren diese Officiösen fort, dem Reichskanzler und seine vorsichtigen Darlegungen dadurch zu übertrumpfen, daß sie für die Borlage Gründe aufführen, die von der öffentlichen Erörterung ausgeschlossen sein sollte», weil sie Berstiminung im AuSlandc erzeugen müssen. Co äußert sich einer dieser Officiösen über die von Rußland drohende Gefahr in den „Münchener Neuest. Nachr." folgendermaßen: „Wie Rußland sich zum Kriege gegen den Westen militairisch vorbereitet, hat der Reichskanzler noch einmal des Näheren Largeleat, was er aber noch nicht erwähnte, ist die Thatjache, daß Ruß. land bei Vernachlässigung aller inneren Bedürfnisse, zu deren Tcckung, wenn man es so nennen kann, nur die eigene entwerthete Balula dient, einen KriegSschatz von 604 Millionen Gold- Rubel zufammengebracht hat, der noch täglich vermehrt wird. Und diese ungeheure Kriegsbereitschaft an Truppen und Geld liegt in den Händen des Zaren, der, wie man sagt, friedlich gesinnt ist. Sicher ist er das, aber wenn jener fanatische Kreis von Generalen und Staatsmännern, die die wahre» yäupter der russischen Gesellschaft sind, wenn dieser Kreis die Stunde zum Angriffe gekommen glaubt, was von dem Abschluß der Umwajsnung der Infanterie abhängt, der für 1834 in Aussicht geno.nmen ist, dann «ritt bei anhaltendem Widerstand des Zaren der berühmte Spruch über die russische Verfassung in Kraft." AehnlicheS ist ja im Laufe der letzten Jahre öfter in den Zeitungen zu lesen gewesen, ohne daß daraus eine Gefahr snr uns entsprungen wäre. Jetzt aber, wo der Reichstag mit der Militairvorlage sich beschäftigt, ist eine größere Zurückhaltung gerade für die Officiösen geboten, deren Aus assungen im Auslände mit größter Aufmerksamkeit verfolgt r»d direct der deutschen Reichöregierung in die Schube geschoben werden. Diese kann aber unmöglich wünschen, daß der Zar ihr zutraue, sie mache für die Militair- Vorlage Stimmung durch die Behauptung, der Zar sei nicht das „wahre Haupt" der russischen Gesellschaft und nicht der Herr über Krieg und Frieden. Und um so weniger kann der Reichskanzler dicS wünschen, als der Zar soeben durch das Ersuchen, den bisher durch den General Schweinitz bekleideten deutschen Botschafterposten in Ruß land dem General Werder, dem vertrauten Freunde Alexanders lll., zu übertragen, seiner persönliche» Friedensliebe entschiedenen Ausdruck gegeben hat. Es ist geradezu ein Spielen mit dem Feuer, wenn unsere Ossiciösen einen solchen Beweis persönlicher Friedensliebe mit einer Kränkung beantworten In den ver traulichen Beratbungen der Commission ist Gelegenheit für Erörterungen aller Art, und Graf Caprivi wird sich diese Gelegenheit sicherlich nicht entgehen lassen. Aber je größeres Gewicht er mit Recht auf die Wirkung dieser vertraulichen Erörterungen legt, um so energischer sollte er sichs verbitten, daß ihm ungeschickte Hände das Concept verderben. Unter den zahlreichen merkwürdigen Behauptungen, die der Reichskanzler Graf von Caprivi in seiner anspruchs losen Weise ausstrllte, war eine der auffallendsten diejenige, in welcher er versicherte, daß beut zu Tage in Deutschland alle Parteien national seien. Eine überaus drastische Illustration zu diesem unfreiwilligen Scherzwort bietet die Stellungnahme der ultramontanen Presse zur ReichstagS- ersatzwahl im Wahlkreis Stuhm - Marienwerder dar. Als hier einige deutsche Katholiken ihrer Unzufriedenheit über die polnische Candidatur des Herrn v. DonimirSki Ausdruck gaben, wurden sie von der „Germania" ibrer „traurigen Haltung" wegen gerüffelt. Das ging selbst der gut klerikalen „Ermlänk. Ztg." zu weit, und sic machte daher das Berliner Blatt ans einige Gründe aufnierksain, welcke die „traurige Haltung" der keulscke» Katholiken veranlaßt hahen. Die ge nannte Zeitung scbricb u. A.: „Einer davon ist zum Beispiel die Hetze, welche in polnischeil Blätter» gegen die hvchwiirdigstcn Bischöfe von Ermland und Kulm, sowie gegen katholische Pfarrer deutscher Ab» slammung und Zunge in der rücksichtslosesten Form de. trieben wurde. Ferner erinnern wir an die durchaus ablehnende Haltung der polnische» Presse gegenüber dem antisocialislischen katholischen Botksverein und dem Danziger Katholikentag. End lich sollte der verehrte Einsender doch einmal an die letzte Reichs- tigswahi im Wahlkreise Allensiein.Rössel, einer Hochburg der Erntriiinsvartei, denken, wo derjclbc Herr v. Parczewski, welcher jetzt in Stuhm-Marienwerder für Tonimirski agilirt, bei seinen Wahlrede» in der rücksichtslosesten Weise gegen den doch auch katholischen Eeiitrilmsinaiin Rarkowski Stimmung machte. Die damals von polnischer Seite unters Bolk geworfenen Wahlaufrufe spotten jeder Beschreibung." Dadurch läßt sich die „Germania" natürlich in keiner Weise beirren. Tein leitenden Organ einer internationalen Rcligionspartei ist die Glaubensgemeinschaft gleichbedeutend mit der Gemeinschaft der politischen Interessen. „Die Rück sicht auf unsere gemeinsamen Interessen verlangt ein gemeinschaftliches Handeln" — dieses Dictum eines angeblich deutschen Katholiken des Wahlkreises soll die Parole für alle dortigen Katholiken dculschcr Zunge sein. Daß hiermit die Sonkerbestrebungen einer fremde» Nationalität gefördert werken, bekümmert die „Germania" ebensowenig wie der Umstand, daß die „gcmein- saincn Interessen" außerhalb Deutschlands in Rom liegen und znsaiuineiigesaßl werten in jener Macht, die gegen den Dreibund wühlt, Frankreich kräftigt, mit Rußland liebäugelt und sowohl in den Reichslandcn als auch in den vormals polnischen Provinze» Preußens der Bcrsöhnunz enlgcgen- arbeitel. In der Sitzung des Clubs der vereinigten deutschen Linken in Wien am Sonnabend hatten sich die Mitglieder dieser Partei fast vollzäblig eingefunden. Man sah mit großer Spannung den Mitlbeilungc» entgegen, welche man von Seilen der Obinannschaft erwartete. Zur Sitzung war auch Minister Gras Kuenburg erschienen, welcher nach Er öffnung derselben erklärte, daß er bereits am 24. d. dein Minister-Präsidenten sein DemissionS-Gesuch überreicht habe. Die Mittheilnng dieser Demission wurde vom Club mit großer Genngtbuung aiisgenomiiieii. Man erfubr auch, daß Gras Kuenburg am Freitag vom Kaiser in Audienz empfangen wurde. Nach einer kurzen DiScussiion wurde dem Grafen Kuenburg der einstimmige Tank und der Obmannschaft das volle Vertrauen ausgesprochen und ibr anheim gestellt, die weiteren Verhandlungen mit der Regierung zu Ende zu sichren. Bis dahin bleiben die Sitzungen des Clubs snSpendirt, der von der Obmannschaft erst wieder einberufcn werden wird, wenn diese auf die von ihr gestellten Forderungen von Seiten der Regie rung eine Antwort erhallen haben wird. Die Stimmung ist »ach wie vor eine hochgradig erregte, allein inan ist darüber einig, daß eine entschiedene Haltung angesichts der neu- geschaffenen Situation allein die Partei in ihrer Stellung erkalten könne. Wie verlautet, ist die Ten»ssion dcS Grasen Kuenburg in Folge der Rede dcS Prinzen Schwarzenberg und der Antwort des Grafen Taasfc aus dieselbe mit der Be gründung erfolgt, Gras Kuenburg glaube nicht länger im Amte bleiben zu töiiiicn, nachdem der Minister-Präsident die genannte Erklärung, die von so großer politischer Bedentung, namentlich für die Vereinigte deutsche Linke, war, abgegeben habe, ohne ihn hiervon zu verständigen. — Von gestern, Sonntag, wird aus Wien gemeldet, daß der Tag vorübcrgegangen ist, ohne daß Graf Taasfc die Unterhandlungen mit der Linien fort gesetzt hätte, deren Forderungen er »i seinen Organen als 3)!ontaß den 28. November 1892. unberechtigt l'instellen hißt- Ond-st-n^'^^.^''^dcun'chcn 86. Jahrganz Kr 'en.schciden7en Steste die ^al.n^ der Regierung.',ncbrhc.t und Wunsche Mittel sinnt, diesem auch M ' ' H der reactio- Rcchnnng zu tragen obne aff dw ^ näreii und siidllawnchen GiUsp ; p»ß die Linke jede Hauptschwierigkeil kur er sich selbst balbe Lösung oder Zweideut,gleit r,e Linke und seine letzte Rede deSavouirc.,. muß-c.^ wenn^ , versöhnen will. In einem ^ , wurde die parla- dei» anä, Gras Kuenburg bcw , scharrte für mentarische Krise erörtert. Gras Kuenburg d-nar den Fall der Ablehnung der. Vorschläge ^ s . aus seinem Rücktritt, Flnanzminntcr ^ ^ dpnnct im auf Seite der Gegner der Ministcrrath nur von einem Fackn,iniltcr l Tie Beschlüsse des M,»„t-rrawö ^nlzieken s i l^ mutbung. Hen.e dürfte Gras Taaffe d-n Fuhren, der d.n^^ seinerseits Vorschläge zur ^sunß d , ^ parlamentarischen Kreisen sicbl man ^ offenen Bruch den wahrscheinlich,len AuSgang der Kl, Zum Panamaskandal wird beute auS Paris gemeldet, der Abgeordnete Dekabaye, Vertreter von CH>n°n hale erklär! er werde die Arbeiten dcS Parlamentär,scheu Unter suchungö-AuSschusseS überwachen, bis volles Licht m die Ai NL'it Ara'cht sc, De.abaye erhielt seitens deS Abg. >-anölcroi, lehnte .ftdoch d'esiUe al. > zwischen suchen sich einige repnbt.lanischc Blatter. „Natura unk Paris" voran, an Telabaye zu rachen, indem ste ihm eine Art von Gelcilschein. in der Form ES Auszuges ciaciicn Händel mit den Gerichten, mit au, den Weg geben Atißer den schon bekannten sieben Verurtheilnngen wegen Verleumdung, die er von, 12. Januar t834 b,S za»> 15 Februar 1332 in Tours davontrug und deren letzte ihm c>nc fünftägige Gesängnißstrase au,erlegte. w>rd ,etzt noch eine andere Gesch.chtc erzählt, d.e etwas sond-rba klingt, wenn ihr Held als Kampe der Redl.ckkc.t vor dem Lande anskritt. Zn Beginn >873 übernahm Herr Telahaye die Leitung deS reaclionairen Journal „d Indre-et-hoire mit 600,» Frcs. Iabresgehalt. Außer diesem entnahm er der Casse des Blattes fortwährend andere Betrage, ,o daß er ihr schon am 31. Mai 1830, wie vor dem Appcllhofe zu OrleanS (estgcstellt wurde, 1232 Fic«. und b.» zum 30. Apc.l 188i, 27 440 FrcS. schuldete. Ein Actionair erhob gegen die GesckaftS- gcbabrnngDelabaye'S Klage beim Handelsgericht zu Tours und dieses stellte die Thalsache fest, daß der Gerant sich widerrecht lich die Summe von 27 440 Frcö. angeeignct hatte. Der Handel hätte für Telahaye sehr bedenklich werden können, wenn* ihm die politischen Freunde nicht als Netter zu Hilse geeilt wären und außer dem schon genannten Betrage noch 5000 Frcö. als Schadenersatz in die Casse der Acticngcsellschasl beigcsteucrt hätte» Der Appellbos von Orleans, vor den der Handel dann gebracht wurde, verwarf dir Bcrnfnng Telabaye'S, vcrurlbcille ihn in die Kosten und bestätigte in den Erwägungszründen den angcsührlcn Sachverhalt. Herr Telahaye war in Tourö als Boulangist gegen einen bewährten Republikaner, Ioubert, gewählt worden, nachdem er Boulangcr und Naguct seinen Landsleuten auf dem Bautet vom 17. März 1833 vorgestcllt hatte, das durch die klerikalen Versicherungen deö „brav' göiiöial" Aus sehen erregte und vierzehn Tage vor dem „Aprilscherz" deS nach Brüssel auskncisenden Boulangcr die^AUianz mit den Reactionären besiegelte. Seitdem ist der Stern Dclahaye's wieder verblichen und seine Mitbürger von Cbinon wählten ibn im Iiffi d. I. nicht mehr in den Generalralb. Daraus mochte Telahaye schließen, sie halten auch nicht Lust, ihn nächstes Iabr als Abgeordneten zu behalten, und wahrschein lich glaubte er durch die Uebcrnabme der Hauptrolle in dein Panamaskaiidal seine schwindende Popularität wieder aus- zufrischcn. Wir batten jüngst einer etwas eigentliümlich abgesaßten Petersburger Correspondenz zu gedenke», welche die Köln. Ztg " über den Eindruck, den die Ernennung des Generals von Werder zum deutschen Botschafter in der russischen Hauptstadt hervorgebracht, veröffentlichte. Jetzt läßt das gedachte Blatt sich von eben daher berichten, baß die Ernennung des Generals von Werder, so sehr sic die vornehme russische Welt erfreut, doch auch gewisse Kreise in Petersburg recht stark und nicht ganz angenehm überrascht hat. DaS zeigt sich auck im Gebahreu verschiedener russischer Blätter, die sich bisher noch jeder selbstständigen Besprechung darüber enthielten Die stark Ueberraschten" sind diejenige», die als Nach folger' deS hochangesehenen Doyen des diplomatischen C-'rpS in Petersburg, Generals von Schweinitz, einen Neuling in russtschen Verhältnissen erhofften, der sich erst den Boten hätte erobern müssen. Keinesfalls aber rechneten sic auf einen an allerhöchster Stelle so sehr beliebten Diplomaten, wie eö General v. Werder unumstößlich ist. So glaubten den» die zahlreichen russischen Franzosenfreunde bereits, daß nach Neubesetzung des dculschen Botschafter- Postens eS der französischen Botschaft in Petersburg leicht werden würde, ein gewisses Uebcrgewicht zu erreichen. Sie fußten darauf, der Kaiser gewöhne sich schwer an fremde Gesichter, und rieben sich schon vergnügt die Hände. Die auf ganz persönlichen Wunsch des Zaren erfolgte Ernennung des GeiieralS v. Werder hat ihnen mithin einen argen Strich durch die Rechnung ge macht, zumal sic bei all ihren, Aerger dem jüngst aethanen Ausspruch eines Blattes recht geben müssen: „Wenn Jemand, so ist General von Werder der rechte Mann auf dem rechten Fleck, um gute Beziehungen zwischen Rußland und Tenlsch- land zu fördern." Man darj auch gespannt aus den Wider hall sein, den die Ernennung am Seincstrand finden wird. Die Pariser Blätter thun ja so wie so schon ein wenig eifersüchtig, beispielsweise über den Besuch des russischen Thronfolgers in Wien und des Großfürsten Wladimir in Potsdam. Die zur Erhebung der Verhältnisse der fremden Staats angehörigen in Rußland eingesetzte Commission bat nach einer Mittheilnng aus St. Petersburg ihre Nachweisungen zusainmcngcstelll und eS liegen in dieser Beziehung folgende Angaben vor: In dem Zeiträume >872—1882 betrug der Zustrom fremder Staatsangehöriger nach Rußland 3 458 000, wovon auf die österreichischen und deutschen Staatsan gehörigen 6 100 000 entfallen. Von den Eingewandertcn kalten sich 7/» nur zeitweilig in Rußland auf, wogegen >, sich seß haft macht. Von den im Zeiträume 1872—t882 nach Ruß land eingewanderten österreichischen und deutschen StaatSan- gchörigen sind 4 865 000 nach ihrer Heimalh zurückgckchrt, wogegen l 235 000 sich dauernd »»cdergclasscn habe». Gegen wärtig betragt die Zahl der sick in Rußland aushallenren fremden StaalSangcbörigen 5 Millionen, an welcher Ziffer vorwiegend Fremde deutscher Nationalität participiren. Kür die Stärke der deutschfeindlichen Stimmung in der russischen Geschäftswelt ist der Umstand charakteristisch, daß in dem Petersburger Vereine für die Hebung der heimischen Industrie der Gekaute angeregl wurde, es solle die Cnt- ziehung der industriellen Etablissements in dem Grenzortc Sosnowic« (Königreich Polen) aus deutschen Händen ge gebenen Falls selbst im Wege staatlicher Enteignung angcftrebt werden. Im Jahre 1877 stand eS bekanntlich eine Zeit lang an der unteren Donau um den Erfolg der russischen Truppen sehr schleck,t und die Türken unler LSman Pascha hatten beinahe ihren Gegnern eine vernichtende Niederlage bereilct. Daß die Russen den Sieg doch noch davon trugen, das hatten sie ihren Verbündeten, den Rumänen, in hervorragendem Maße zu verdanken Seit jener Zeit bat sich bekanntlich in der politischen Stellung der beiden Länder, Rußland und Rumänien, zu einander viel verändert. AuS der damaligen Waffenbrüderschaft ist, wenn auch nicht offene Feind- Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Vottschall. 48s R»chdr»<l »erdotea. (Fortsetzung.) Der Trank au- der Tonne batte schon manchen Tänzer ersrisckt, doch erst in der großen Pause deS TanzeS machte der Bierkrug die Runvr; da csing'S lärmend her . . ein Schwatzen. Schreien und Liebkosen, das kein Ende nehmen wollte. Die Anwesenheit der GutSberrschaft übte keinen Zwang au« . .. man kümmerte sich nickt um sie. Tie Liebes erklärungen der Knechte waren unverblümt genug und auch die Erwiderungen der Mägde wenig salonfäbig. Basilio er hielt seine Püffe von Beiden, denn er kugclle sich höchst un geschickt zwischen die Liebespaare herum Hier ertönte lauter Gesang, dort gericthrn die Burschen in Händel; Sc! impf- und Zankworte ertönten. An Frau Rispori, welche fchwer- müthig in daS Getümmel sah, schmiegten sich dir beiden Knaben; sie merkten, daß der Mutter nicht wohl nrn'S Herz war. Diese gedachte mit innerer Beängstigung des Vaters, der sich gleich, nachdem er den Kranz forl- geworfen, unmerklich von ihrer Seite gestohlen hatte. Nora näbertr sich ihr und entschuldigte sich, daß sie sich in ihre Ge mächer zuriickziehen müsse: eS sei ihr unmöglich, in diesem Lärm und Trubel noch länger auSzuhalten, und auch zu Enrico sagte sie: „Lieber Freund, ick fühle hier «in so grenzenlose- Un behagen, daß ich fürchten muß, e» spiegelt sich in meinen Zügen und verdirbt Andern die Freude. Und auch wir können uns heute nichts sein; denn Du bist ja der junge Gutsherr und Du mußt Dich ... wie sag' ich doch gleich, volkStbümlich machen. Mir aber graut vor dem Volke; man sollte einen Theil der Menschen noch »um Tbierreich rechnen, ihn auf eine etwas höhere Stufe über den Affen versetzen. Dann erst kommt die große Scheidelinie zwischen Tbicr «uv Mensch ... die Menschheit beginnt erst mir uns ... mit unS, die wir höherer Gefühle und Gedanken fähig sind. Mit jenen Thiermcnschen eine Luft zu atbmcn, ist mir unmöglick; eS sind ja nur menschliche Larven und darunter lauert das Thiergesichl und der Thierleib. Lebe wohl für heute!" Mit herzlichem Händedruck schied Nora. Ter Mond lockte sie zu heimlichem Zwiegespräche mit den Gestirnen; denn groß und voll strahlte er vom Himmel nieder. Frau Locca aber beurlaubte die Tochter mit ganz besonderem Wohl bebagcn; denn wenn sie jetzt Enrico mit ihren Koketterien unigarntc, so war die gefährliche Nebenbuhlerin nicht mehr anwesend, die seinen Sinn ablcnkle. Der Inspeetor brachte ein Hock auf die GutSherrschaften aus und Alle stimmten ein und leerten die Krüge. Da ertönte aus deni Hintergründe der Tenne eine unken- haft heisere, aber vor Erregung zitternde Stimme: „Dank, dank ... und des Himmels Schwefelregen auf dies Sodom und Gomorrha!" Es lehnte dort eine Leiter, die zu den vollgestopften Ge- trcidelagern in die Höbe führte, und auf einer ihrer obersten Sprossen stand der alte RiSpori! Niemand batte gesehen, wie er dort bingekommen ... er mußte sich unbemerkt durch daS Getümmel geschlichen baden. Auch diesen verstimmenden Eindruck suckle der Inspector wieder zu verwischen, indem er das Zeichen »um Wieder beginn der Musik und deS TanzeS gab. Jetzt kümmerte sick Niemand mehr um die unheilkrächzende Stimme, die dort hinten von der Leiter herab ertönt war ... nur Wenige hatten in der schleckten Beleuchtung, welche nicht bis in die ver lorenen Winkel der Tenne reichte, den alten GutSberrn er kannt: dock Alle wußten, daß nur er so thörichtcS Zeug in da« srohr Fest bineinrufen konnte. In der brausenden Lust des TanzeS war dieser Zwischenfall bald vergessen. Erst nach Mitternacht endete da» Fest; der Inspector ver kündete die Polizeistunde; die Musiker packten ihre In strumente zusammen. Arm in Arm schritten die fröhlichen Paare au« der Scheune ... Frau Rispori sah sich nach ihrem Gatten um ... er war verschwunden Von nah und fern fönten noch Lieder. Jauchzen, schallende« Gelächter Die Scheune ward still und dunkel ... der Inspeetor hatte selbst daS AuSlöschen der Lichter überwacht. Auf einem Clrohwägclchcn fuhr Susette nach HauS. Basilio ließ eS sich nicht nehmen, bis an die Grenzmarken von Buderode den Kutscher abznlösen; doch legte er bald wieder die Peitsche in die Hand des kundigen rftihrknechteS, um ungestört sein Liebchen küssen und Herzen zu können. Als sie an der hohen Esse vorbcifuhren, da zeigte Susette mit vielsagendem Lächeln aus dieselbe und Basilio nickle ver stand» ißvoll. „Heule qualml'S natürlich nicht", sagte er, „einmal müssen auch die Geister Ruhe haben; dock wa« sic sonst hier brauen und kochen, daS wird unsere ganze Zukunft ver golden." Es war eine schöne sternenfunkclnde Sommernacht. . em leise« Roth im Osten stieg ahnungsvoll Uber den Waldhügeln herauf, als könne der Morgen seine Zeit nicht abwarten, und auck ein Hahn in, GnISbof beeilte sick, ibn mit lautem Ruf zu begrüßen. . ein verfrühter Herold deS noch ungeborencn 4ages. Ucber die thauscncktcn Wiesen und ihre sckluinmerndcn Blumen glilt da« Mondlickt und spiegelte seinen sanften schein in den unzähligen Tropfen, deren Lichtdurst erst die hellere Morgensonne stillte. Noch einmal rief der Wächter die Stunde au«; dann legte er sich zur wohlverdienten Ruhe nieder; batte er auck nickt mittanzen dürfen, so war ihm doch der festliche Trunk nicht versagt worden. fessle Stille herrschte ringsum . . da klirrten die Riegel de« Laboratoriums und heraus schlich eine Gestalt, die sich angst ick nach allen Seilen umsah; doch sie sah nicht« als den Lckattcn. den der Mondsckcin an ihre Fersen heftete Es war Rispori — ,n der Hand dielt er eine Kanne. Anfangs n Zögernd und scheu . . dann wurde er immer entschlossener und inulbiger. Etwa« Widerstrebende« in seiner ^eele balle er darnicdergekampft; jetzt schrill er dahin wie vollbttng,"' unvermeidliche Thal Da« Thor der Scheuer war sestverschloffen und wurde von mehreren Fledermäusen bewacht, die daran sestgenaaclt -U-Ab°ude war morsch und b-n"L aValle, Vollauf den Ä"""' und Rispori batte den -men! al, alle« Volk auf den Aeckern war, so erweitert, baß er mit seiner dürren Gestalt sich bindurchzuzwängcn vermochte. So war er schon beim Erntefest eingebrunge», uni seinen Fluch auf das Baucrnvolk zu schleudern. Wiederum schmiegte er sich katzcnartig durch den Mauerriß . . die ausgethürmten Gctreidebündcl ließen ihm noch etwa« Play zu kreier Be wegung. Stahl und Stein in seiner Hand sprühten Funken, die ein glimmender Schwamm ausfing . . rin Guß au« der Kanne breitete nach recklS und links den Strom dcS verderb lichen Erdöls aus . . und bald zuckte die Flamme empor und leckte nach den Aebrenbündeln. Rasch flüchtete Rispori au« der Scheuer und erst vor seinem Laboratorium hielt er Stand, wo er denn bald die au« dem Dach aufprassclnde Flamme erblickte. Grellroth unter dem überwölbenden Rauchqualm brach daS Feuer au« dem Dachfirst, wo e« zuerst da« Nest eines FricdenSwächter« zerstörte; au« dem Rauchgewölkt flog eine Slorchenfamilie bervor, scheu und geängstigt durch die Zer störung ihres häuslichen Glückes ; doch auch vom Nackbardach, von wo sie einen wehmütbigen Blick auf da« verlorene Heim zurückschickte, wurd: sie bald durch das Flugfeuer verscheucht, welche« auf die zweite Scheune hinübergesprungen war. Die Schindeldächer standen bald in lichten Flammen; der Vollmond kämpfte mit seinem matten Schimmer ver geblich gegen das bewältigende Licht, da- mit Tages helle in die Fenster der Dorshauser siel und an den Himmel seinen Widerschein warf. Der Mond mochte auf Wald und Wiese, auf den Wegen und den abgeernteten Feldern noch sein schüchterne- Schattenney zeichnen, indem er die im leisen Nachthauch zitternden Zweige der Eschen und Buchen, der an den Rainen stehenden Obstbäume in dämmerigem Nachbild über den Boden schwanken ließ; doch bald nahm in immer weiterem Umkreis die Flamme da« Recht in Anspruch, in ihren glühenden LicklkreiS Sckalten ein- zuzeichncn, sckwere, tiefe Schatten, die sich scharf abboben von dem grellen Licht, da« über den Hof und da« Dorf aus- gegossen war. Rispori beobachtete das Wach«thum de« Feuer« mit einem fast blödsinnigen Behagen. (Forti»»»»« folgt.)
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