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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921202020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892120202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892120202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-02
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l»t», in tt. . L»kn k»«lr. xen et«. ßolci^ol- iebr «le er, eie. ütel. Irsitaob, 3rS8»«n. 1»1tS- »t, lermanv Uebuiijx «»lldei- !M >N8- !r8 niclit. !u icom- k. «r) ent- lrlsins kvitlLU- . 6k»w- «teotisr, er nock t.50ks. kort« krikate. oelecker, ) "»8 aies, «1er mit >8, ,edr balteock >, 8ovis 18 Oolck- -resiien. »1 5.50. 4,50. rsetioeil )süriere, 0 ?f. l1»K» — ixsln — !t. krei» 2nd«KSr Ile I II. l. 7 mm, 4 »O t>t. WlöoNNkmentAprelA I» der Hauptexvedttton oder de» im Stadt bezirk und de» Borortea errichteten An», aavestelle» abgrholt: vierteljährlich >14.50, bet iweimaltaer täglicher Zustellung in« Hau« » ü.SO. Durch dt« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich- vierteliährlich 6.—. Direkte täglich« Kreuzbandseadnag int Autlaud: monatlich »t S — Die Morgen-Au-gab« «rschetnl täglich'/,? Uhr, di« Abeud-AuSgab« Wochentag» b Uhr. Ne-action und LrveLitiou: JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abend» 7 Uhr. Abend-Ausgabe. Filialen: Ott» »lemm» Tortt«. (Alfred Hahn), Uaiversität-stroße 1, LoutS LSsche, Kathariueustr. 14, part. und -önigSplotz 7. chMtr.TllgMM Anzeiger. Organ für Politik, LocalgesWte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Jnsertion-pret- Die «gespaltene Petitzeile DO Pfg.^ Reklamen unter demRrdactionSstrtch (4ae- spalten) 50-4, vor den Familirnaachrtchk» (6 gespalten) 40^. GrSgere Schriften laut unserem PrrtS- verzeichnib- Tabellarij-tzer und Ziffernsa» »ach höherem Tarif. Extra-v ei ln ge» (gefalzt), nur mit de» Morgen»Antgabe. ohne PostbefSrdernng >« 60.—, mit Postbesorderung 70.—. ÄnnahMschluß fir Inserate: Nbend-AuSgabe: BormittagS 10 Uhr: Morgen-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn, und Festtags früh '/»9 Uhr. V«i den Filialen und Annahmestellen je «in« halb« Stund« früher. Inferat« find stets °» die ExpeVIti»» za richten. Druck nnd Verlag von E. Pol» in tzetpzhh 818. Kreitag den 2. December 1892. 88. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Sprechverkehr mit Löthen (Anhalt) nnd Dessau. Zwischen der Stadt-Fernsprecheinrichtung in Leipzig und Len Stadt-Fernsprecheinrichtungen in Eöthen (Anhalt) und Dessau ist der Sprechverkehr eröffnet. Die Gebühr für das gewöhnliche Gespräch bis zur Dauer von 3 Minuten beträgt 1 Mark. Leipzig, 2. December I8S2. Ter kaiserliche Ober-Poftdireetor. Walter. Sparkasse Liebertwolkwih. Unter Garantie der Gemeinde. Reserven: «20,22« Mark 88 Psge. Sparverkehr vom 1. Januar bis 30. November 1892. 8678 Einzahlungen im Betrage von 1,071,991 25 6669 Rückzahlungen. . . 850,239 - 91 . Verzinsung der Einlagen mit 2 Expeditionszeit: Montags und Donnerstags. Die ZwclggcjchäftSfttlle Stötteritz expedirt jeden Donners tag. Nachmittags von 5—7 Uhr, und die ZweiageschästSstellc Paunsdorf jeden Montag und Donnerstag» Nachmittags von 3—6 Uhr. Sparcafirn-Vermaltung. Dyck. Der Weite Tag der Etatsdedatte im Reichstage. L Berlin, 1. December. In der heutigen Fortsetzung der Etatsdebatte ergriff zuerst der natioualliberale Abgeordnete vr. Buhl das Wort. Gleich seinen Borrednern ging er alsbald zur Militairvorlage aber, aber, und dies verlieh seinen Erklärungen eine über den behandelten Gegenstand hinanSgehende Bedeutung, um vor Allem zu betonen, daß Militairsorderungen unter dem neuen Cur» ander« zu beurtheilen seien, als unter dem alten, da der große Factor des unbedingten Vertrauens zur Leitung ver auswärtigen Politik ausgefallen sei. 1)r. Bubl bob diesen Unterschied mit Nachdruck hervor und unterließ auch nicht, zu er klären, daß die Regierung selbst ein Entgegenkommen in der Angelegenheit der Militairvorlage nicht ais Vertrauensvotum ausfassen dürfe. DaS Maß eines möglichen Entgegenkommens bestimmte der Redner nicht im Einzelnen, aber er constatirtc, daß der Entwurf in dem vorliegenden Umfang unannebmbar sei, einmal weil die geforderten Opfer zu große seien, sodann weil die verlangten Recrutcn infolge Mangels an Osficieren gar nicht ausgebildet werden könnten. Völlig im Einklang mit der Auffassung des Redners, daß die Militairvorlagen dieser Regierung mit anderen Augen anzuseben seien, als die ihrer Vorgängerin, stand es, daß 1)r. Buhl erklärte, die Abneigung der Regierung, den Wünschen de« Reichstags in Bezug auf das Beschwerderecht und das militairische Gerichtsverfahren ent gegen zu kommen, könne nur dazu beitragen, die Abneigung des Reichstags zur Genehmigung so kolossaler organischer Neuerungen zu verstärken. Die Versüngung der Armee, insoweit sie ohne die vollen, von der Regierung als nothwendig be- zeichneten Mehrbelastungen herbeizuführen sei, begrüßte Vr. Buhl, weil sie nicht nur dem Heere, sondern auch dem nationalen Erwerbsleben zu Statten käme. Durch die lange Dienst zeit werde der Mann seinem Beruf entfremdet, aber — die Herab setzung der Dienstzeit sei in der Vorlage gar nicht gesetzlich aus gesprochen. Großen Eindruck rief der Redner hervor!» als er „tief betrübt und tief verstimmt" die Verunglimpfung der Landwehr durch das „Militair-Wochenblatt" einem ver nichtenden Urtheile unterzog, und er, der Bayer, an die Verdienste Ider Landwehr ,m Jahre 18l3 erinnerte, die schon allein, abgesehen von dem glorreichen Jahre 1870, die preußische Landwehr vor solchen Angriffen hätte schützen müssen. Wenn für diese Ausführungen über die Militair vorlage der Reichskanzler dein Redner seinen Dank aus sprach, so bekundete Graf Caprivi nur abermals seine ftauncnSwerthe Fähigkeit, aus den Stimmen des Landes nur daö bcrauszuhören, was sei» Ohr angenehm berükrt. Oder batte er von dem naticnalliberalen Wortführer einen Ton erwartet, wie ilm gestern Herr Richter anscklug? DieS würde seine Kenntnis; des öfsentticken Lebens nicht gerade in günstigem Lichte zeigen. Jedenfalls wird Graf Caprivi, wenn er sich nicht schmerzlichen Enttäuschungen aussetzen will, gut tbun, die nationallibcralcBcreitwilligkeit.sür die unveränderte Vorlage zu stimmen, auö der Rechnung zu lassen. Bei der gezeigten Anspruchslosigkeit ist cS fast zu verwundern, daß er sich bei dem Abgeordneten vr. Buhl nicht auch für die Kritik bedankte, die dieser der Behandlung des Welt- auSftellungSprojectS angcdcihen ließ. Vr. Buhl betonte nicht den Slandpuncl der Freunde des ProjectS, er hatte offenbar nur die Fehler im Auge, die unter dem GesichtSpuncte der diplomatischen Geschicklichkeit und der nationalen Würde zu rügen sind. Aus ähnlichen Beweggründen tadelte der national- liderale Redner die armselige Vertretung der deutschen Marine bei der diesjährigen Ftottrnschau in Genua. Deutsch land habe kein Bedürfnis nach prunkvoller Repräsentation, aber dem Charakter der verbündeten Italiener, auf die Aeußerlichkeiten größeren Eindruck machen, hätte man Rechnung tragen sollen. Graf Caprivi erwiderte hierauf matt. Die Zahl der Schiffe mache es ja nicht, das nach Genua gesandte eine deutsche Schiff sei ja recht schön gewesen. Der Kanzler scheint die über jene ärmliche Vertretung in Italien und Frankreich gemachten Glossen nicht zu kennen. Die ohnehin schwachen Hoffnungen der Marineleute haben durch die Erklärungen des Abg. Bubl weitere Herab stimmung erfahren. Er stellte große Abstriche in Aussicht, einfach weil die Mittel zu größeren Mehrbewilligungen nicht vor handen seien. Gegen den Schluß seiner wirkungsvollen Rede erörterte vr. Buhl mehrere principielle Etatsfragen und bemängelte insbesondere die Einsetzung großer AuSgade- posteu in den außerordentlichen Etat. Graf Caprivi, der ihm sofort entgegnete, berührte außer den bereits gestreiften Puncten auch das Beschwerderecht und das Militairgerickts- versahren. Mit der ersten Angelegenheit sich zu befassen, habe der Bundesrath abgelehnt» weil sie ihn, als eine Commandosache, nichts anginge, die ReichStagSresolution, betr. das Militairgerichtsverfahren, sei vom BundcSrath dem Reichskanzler überwiesen worden, und dieser habe sie in die Hand der preußischen Militärverwaltung gelegt. Tort wird wohl auch sie als „Commandosache" ausgesaßt werden. Der dritte Redner war Herr Liebknecht. Er kündigte selbst an, daß er sich wiederholen wolle, und hat diese Zu sage redlich erfüllt. Neu war vielleicht, daß er für den Fall eines Krieges mit zwei Fronten den sofortigen Anschluß Eng lands und der Türkei an Deutschland, sowie die Rcvolutio- nirung Russisch-Polens und der Ostsceprovinzen garantirtc. Wie aber, wenn Liebknecht sich ebenso als falscher Prophet erweisen sollte, wie er sich heute wieder als schlechter Patriot gezeigt hat? Nachdem der folgende Redner, der Conscrvative von Frege, der Socialdemokratie den Spiegel vorqehalten, kam er auf die verschiedensten Dinge zu sprechen, nur der Militair vorlage erklärte er geflissentlich auSweichcn zu wollen. Mit den zur Militairvorlage gehörigen Stcuererhöhungcn befaßte er sich jedoch ziemlich eingehend, nicht ohne durch zahlreiche anti semitische Spitzen das Thema zu würzen. Die Börse wird ihm natürlich zu gelinde angefatzt, während er den Brannt wein zu hart mitgenommen glaubt. Eine interessante Ein streuung war die denkbar abfälligste Verurtheilung des neuen ReichstagSgebäudeS. Mit einem ExcurS über die Währungs frage schloß Herr v. Frege stilgerecht seine von agrarischem Geiste dnrchhauchte Rede. Morgen wird die Generaldebatte voraussichtlich zu Ende geführt werden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. December. Den vorstehenden Ausführungen unseres Berliner ar-Corre- spondcnten über die gestrige Sitzung ist noch binzuzufügen, daß der Abg. Liebknecht nochmals auf die Emser Depesche zurückkam und abermals den Versuch machte, den Franzosen zu beweisen, sie seien durch eine nachträglich von seinem König gebilligte Fälschung des Fürsten Bismarck zum Kriege ge zwungen worden. Herr Liebknecht sagte nach dem Berichte der „Nat.-Ztg.": „Ich komme jetzt aus die Emser Depesche. Ich habe zuerst die Behauptung ausgestellt, daß Fürst Bismarck die Depesche gefälscht Hütte, und bin deswegen in einen Procest verwickelt worden. Die T Hatsache der Fälschung hat Fürs» Bismarck vor einiger Zeit selbst zugegeben, und auch in den Auszeichnungen aus dem Leben des Grasen Roon, die in der „Deutschen Revue" unlängst er schienen sind, heißt es: „Die Censationsdepesche wurde im Minister- rathe in der Wilhelmstraße redigirt und durch das Wolff'jche Bureau von Ems datirt in die Welt geschickt." So stand die Sache bis zu dem Augenblicke, wo Gras Caprivi vorigen Mittwoch hier seine Rede hielt. Bis dahin hatte man allgemein geglaubt, daß Fürst Bismarck die Depesche nach dem Berichte des Prinzen Radziwill redigirt habe. Jetzt erfahren wir, daß dieser Bericht erst vier Tage später in Berlin eingegangen ist. Aber das neue Aclcii- stück, das Gras Caprivi vorsührte, diejenige Depesche, wonach die Redaction vorgenommen wurde, läßt die Sache vollständig auf dcni alten Fleck und giebt »ach keiner Richtung hin Veranlagung, über den Antheil deS Fürsten Bismarck an der sogenannten Emser Depesche zu einer anderen Auffassung zu kommen, als sie bisher bestanden hat, im Gegentheil, es kann die Summe der Schuld, die schon bisher vorhanden war, nur noch vergrößern. Fürst Bismarck hat nämlich das Wichtigste von der Depesche unterdrückt. Der König von Preußen theilt dem französischen Gesandten mit, er habe jetzt auch erfahren, daß die Hohenzotler'sche Candidatur aus gegeben sei, und dadurch hat er sich freundlich be- wiejen; er zeigt damit, daß die Weigerung, mit Frankreich zu ver kehren, nicht eine endgiltige war. Dagegen läßt die Fassung des Fürsten Bismarck keine andere Deutung zu, als die, daß der König erklärt habe, er würde den französischen Gesandten überhaupt nicht mehr empfangen, d. h. er wolle den diplomatischen B-rkehr mit Frankreich abbrechen, und damit ist etwas gesagt, was der französchen Regierung keine andere Wahl ließ, als eben den Krieg zu er- klaren. Eine Gereiztheit zwischen dem König von Preußen und dem sranzösljchen Gesandten war in der That nicht vor- Händen. Das geht auch aus dem Umstande hervor, daß der König dem Grafen Bcnedetti am nächsten Tage vor seiner Abreise sagen ließ, er werde ihn a»s dem Bahnhof empsangen, und dieser Empfang fand auch wirklich statt. Also am 14. Juli schieden der König von Preußen und Vencdetti im besten Einvernehmen, es hat hier weder einen Beleidiger »och einen Be leidigten gegeben. Wie ist das nun in Einklang zu bringen mit der Emser Depesche des Fürste» Bismarck, welche besagt, daß die Perhandlungen brüsk (?) abgebrochen seien? Als der König nach Berlin kam, war inzwischen die Depesche in die Welt gegangen, und sie ist es in der That gewesen, die den Ausschlag ge- geben hat." Ist auch Herrn Liebknecht gestern im Reichstage auf diese neue grobe Verunglimpfung BiSmarck'S nnd seine« Königs keine Antwort gegeben worden, so wird dies sicher lich in einer der nächsten Sitzungen nicht auSbleibcn. Wir können uns daber vorläufig darauf beschränken, ans unsere Ausführungen im Morgenblatte vom 21. November zu ver weisen und auf Grund derselben 1) die Behauptung alö unwahr rurückziiweisen, daß Fürst BiSmarck die Tbatsache der Fälschung selbst zugegeben habe; er selbst hat sich zu nicht« bekannt, als zu einer Nedaction, die ibm anheimgestellt war und durch die Form der Mitthcilung Abckcn's nothwendig wurde, und 2) die Unterstellung, als habe Fürst BiSmarck in der ver öffentlichten Depesche das „Wichtigste" ausgelassen und dadurch die Ansicht hervorgerufen, der König wolle den diplomatischen Verkehr mit Frankreich abbrechen, als unbegründet zu bc zeichnen, da Fürst BiSmarck in seiner Depesche alles Wesentliche mitgetheilt und nur die scharfen AuS drücke des Königs unterdrückt hat und da nachweislich die französische Regierung in dieser Depesche keine Provocatio« erblickt hat, die zur Kriegserklärung hätte führen müssen. Damit fällt auch die Behauptung Liebknecht'« zusammen, daß die Depesche des Fürsten den Ausschlag gegeben habe. Nur der verblendetste Fanatismus kann, nachdem die echte Emser Depesche und die Vorgänge in Paris nach dem 13. Znli be kannt geworden sind, zu so groben Fälschungen der Wahrheit, wie Herr Liebknecht sie gestern wieder begangen!, sich »ersteigen, und es ist ties zu beklagen, daß die Tribüne de» Reichstags zu solchen Fälschungen, die zugleich Anreizungen ür daö Ausland zur „Revanche" sind, mißbraucht werden darf. Im Wiener Abaeordnetenhause hat gestern die Beratkung über den Dispositionsfonds begonnen, mit dessen Ablehnung die vereinigte deutsche Linke dem Ministerium ibr Mißtrauen bekunden wird. Nach den Abgg. Prade. Bianchini, die gegen die Bewilligung sprachen, und dem ruthcnischcn Abg. RomanSzult, der für die Bewilligung sprach» ergriff unter hochgradiger Spannung de« ganzen Hause« der Obmann der Linken, Abg. von Plener, das Wort. Der Redner verwies darauf, daß die Linke, trotz bitterer Erfah rungen während eine« Jahrzehnts, zu Beginn der Legislatur periode den Boden für gemeinschaftliche Arbeit betreten habe. DaS Verhältnis; zur Regierung war ein künstliches und reich an inneren Widersprüchen. Zu seiner Ansrechterhaltuny war Sclbstverläugnung und Selbstbeschränkuiia der Part« nnd beständiger guter Wille der Negierung nothwendig. Die Liberalen babcn diese Bedingung besser einaehalten als Graf Taafse. (Lebhafter Beisall links.) Die Lässigkeit der Regie rung, insbesondere die widerspruchsvolle Haltung des Justiz ministers in der böhmischen AnSgleichSsrage, bewies, daß e» der Regierung nicht ernst sei mit dem böhmischen Aus gleich. Taaffe's jüngste Rede wurde zufällig an dem selben Tage gehalten, als Wekerle und Caprivi ihre Reden hielten; der Vergleich könne keinen österreichischen Patrioten erfreuen. (Lebhafte Zustimmung links.) Daß der Ministerpräsident gegen den Angriff Schwarzen berg« kein Wort der Erwiderung hatte, sei sehr bedenk lich. Tie Ankündigung der baldigen Ernennung einr« bvbmischen LandSmannminiskerS ohne eine gleichzeitige Be ruhigung über die dadurch berbcigesührte Vclsckncbung de« Gleichgewichts im Cabinct widerspreche den getroffenen Ab machungen. Es war verletzend, daß der Vertrauensmann der Partei vom Cabinet nicht verständigt wurde. Nicht minder verletzend waren Taaffe's Acnßernngcn über Partei ministerien, wahrend die Linke wiederholt erklärt habe, daß sie kein Varleiiiiinisteriui», sondern die Coaluio» der ge mäßigten ( ruppcit anstrebe. „Hat man nicht recht, verletzt zu sein," fragte der Redner, „wenn der Ministerpräsident auf seine (dcö Redners) Hindeutung auf die Nothwendig- kcit der Lösung der Sprachensrage nichts Anderes zu zu antworten wußte, alS: „Gehen Sie nach Hause und denken Sie darüber nach"? «Lebhafter Beifall und Heiter keit.) Taaffe babe in seiner Rede die gemäßigten Deutschen mutbwillig zurückgestoße». Wenn eS zum Conslict kommen sollte, so wird die deutsch-liberale Partei dieselbe Widerstands kraft entfallen wie früher. (Stürmischer Beisall links.) „Wir werden", schließt der Redner, „unserem Volke und unseren Principicn treu bleiben; Sie werden an uns Mäßig keit im Ausdruck, aber Entschiedenheit in Handeln finden. Wir werden gegen den Dispositionsfonds stimmen. UnS liegt daran, durch unser Votum zu markiren, daß wir zu dem Ministerpräsidenten kein Vertrauen haben. (Stürmischer Beifall links und auf den Ga lerien , Zischen der Antisemiten und Jungczechcn.) Die Letzteren schrien zur Galerie hinauf und verlangten deren Räumung. Der Präsident schloß unter großer Bewegung die Sitzung. Heute wird der Jungczcche Herold, dann der Anti semit Schneider sprechen, der erklären wird, daß seine Partei genossen für den Dispositionsfonds stimmen werden. Dann erst wird Graf Taaffe sprechen. Durch die Schwenkung der Antisemiten, die dem Einfluß de« FinanzministcrS Steinbach «4. ?r«i, üdolroo. kl. Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 52) Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) „Nun, mich zu bemitleiden hast Du wahrlich keine Ur sache", versetzte Basilio, indem er seinen gewichtigen Kopf so weit wie möglick, auS den Schultern heraushob und die Hand in die Brusttasche zwischen die Knöpfe seines in allen Farben schillernden SammetrockeS schob. „Nun", meinte Susette, „wir wollen sehen. . Du scheinst mir auch gerade in keiner beneidenSwerthen Lage zu sein." „Doch was will die Alte hier?" „Etwas Gutes gewiß nicht." „Und Du bietest ihr die Hand und traust ihr doch schlechte Absichten zu?" „Da« verstehst Du nicht, Basilio; das geht über Deine Retorten! Wir langweilen uns hier entsetzlich . . und es ist für nnS Alle heilsam, wenn etwas Bewegung ins todte Wasser kommt. Tie Alte mag böse Absichten baden, doch wir werden ihr schon auf die Finger sehen. Ich lese jetzt einen Roman mit blntrothem Umschlag vom Colportcur. Da ist ein Titetkupsen darauf, eine Hexe, welcher die Frau Abraham wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Nun. ich denke, die bringt uns auch irgend ein Romancapitcl ins Haus — und das tbut uns notb! Ach ind gar die arme Frau Baronin — die möchte womöglich auffliegen, weiß Gott wohin! Ich laS neulich einmal, daß eS an der Börse „kriselt"; was das so reckt zu bedeuten bat, weiß ich nickt; aber da« Wort gefällt mir, und ich habe rin dunkle« Gefühl. waS damit gesagt sein soll. Nun. bei unserer Baronin kriselt'» immerfort. Der Baron wird alle Tage sckwächlicker und beugt sich unter der eisernen Hand dcl Grafen: er läßt sich allerdings noch kleine Sünden mit Ankäufen theurer Lachen zu Schulden kommen, kriecht daraus aber kläglich zu Kreuz. Dann hebt er sich wieder auf den Fußspitzen, als wollt' er ein Loch in den Himmel stoßen. Die Baronin ist noch eine schöne Frau — was soll sie mit solch' einem läppischen Mann ansangcn? Umgang haben wir nicht mehr, Fremde kommen selten ins Schloß; wir sind gar zu einsam — und wenn ich Dich nickt hätte, Basilio . Ter Feucrmolch drückte ihr zärtlich die Hände, erfreut durch die Anerkennung seiner Verdienste um ihr einsames Dasein. „Dock wie steht cs denn eigentlich mit Dir und unserer Zukunft? Die Esse in Buderodc raucht ja sckwn lange nickt mehr — und was wird denn da aus unseren Millionen?" Basilio räusperte sich verlegen, denn er konnte ihr diese Millionen jetzt nicht mit derselben Gewißheit wie früher in Aussicht stellen. „Ter Herr RiSpori", sagte er, „ist freilich verhaftet worden; man bat ihn aber nicht ins Gefängniß, sondern in eine Heilanstalt gebracht. Das sagte er schon immer: die großen Erfinder und Entdecker sind stets für wabnsinnig erklärt worden — so ist eS ibm denn jetzt auch ergangen, und auch mir kann da« begegnen; denn auch ich habe ent decken besten." „Dock deshalb haben sie ja den alten RiSpori nicht ein gesperrt, sondern weil er die Scheuern in Brand gesteckt bat." „Unsinn", sagte Basilio achselzuckcnd, „ein tbörichter Vor wand! Es waren ja seine eigenen Scheuern, und damit konnte er ja machen, WaS er wollte. Nein, sie wollen eine Entdeckung bindern, die uns zu den reichsten Leuten der Welt gemacht hatte." „Und damit wär' e« auS, Alles ans, Basilio?" „DaS will ich damit nicht sagen — der junge Herr RiSpori hat mir zwar das Hciligibum vor der Nase zu- geschlosscn; aber mein geheime« Wissen ist mir geblieben." „Ach das wird jetzt gewiß reckt lange dauern, ehe eS sich bezahlt »lackt", versetzte Susette seufzend. „Verzage nicht, Susettcken! Ter junge Herr RiSpori ist freilich ein AlltagSmensch, welcher glaubt, aus einen grünen Zweig ;n kommen, wenn er sür seine Runkelrübe» und Kartoffeln den besten Dünger ausfindig macht. Mit der Lantwirlbschaft sich Gold erwerben wollen, ein beschränkter Standpunkt. Damit verdient man sich höchstens Kupier und Nickel. Doch da ist das Fräulein Nora . . die hat mehr Sinn für geheime Künste und hat sich schon mehrfach mit mir darüber unterhalten. Und daS ist nicht nur die Braut, sondern sic hat auch die Schlüssel zum Geldschrank." „Und Du bosfst, daß sie Euer Werk fortsctzen wird?" „Gewiß", sagte Basilio, „nur Mulk, Snscttchcn! Ick habe dann die Leitung in meiner Hand und wir werden Rcich- thnmer sammeln, Rcichthümer.. ." Er fand daS Wort nicht, um die unglaubliche Höhe dieses Erwerbe« auszudrücken; doch Susette küßte cö ihm von den Lippen. „Milliarden", sagte sie verschämt! Ter Fcuermolch er schien ihr wunderbar verschönt durch dicS aus einer Zauber grotte mit Gold und Juwelen auSströmende Licht. „Und diese Nora . . ist sie auch zuverlässig?" fragte sie weiter. „Wie man'S nimmt . versetzte Basilo achselzuckcnd, „eS ist eine Nachtwandlerin .. eine Gcisterseberin, und sie erfährt daher niebr als wir andern Mensche»; doch mil den Geistern ist nicht gut Kirschen essen; cS kommt darauf an, wie sie aufgelegt sind; bei schlechter Laune stipsen sie uns die Kerne ins Gesicht, und was sie beute sagen, widerrufen sie morgen. Darum ist kein Verlaß auf sie und auch auf die Nora nicht; doch ick will sie schon scstbalten." „Ich habe sie von ferne gesehen . . e« ist wohl ein schönes Märchen?'^ „Nun, Susettchen, cS ist nicht mein Geschmack! Du weißt, ich liebe da« Niedliche, Kätzchcnbafte, sich Anschmiegende. Du kennst ja die Sorte. Du brauchst Dick bloS im «piegel zu sehen. Diese Nora aber ist so stolz und hoheitSvoll; sie ist »n klebrigen ganz gut grratben, was ihre körperliche Aus stattung betrifft, schlank und dock keine dürre Stange und hat ein reckt nobles Gesicht . . und Manieren wie eine Fürstin." „Ei. Basilio! Du bast sie Dir sehr genau angesehen; ich könnte eifersüchtig werden." „Dazu bast Tn keinen Grund . . ich liebe daS Fürstliche nicht; ick will selbst Herr sein . ." „Schone Aussichten! Doch daS giebt sich . . sage mir nur . . liebt Cneico denn diese Nora . . wie konnte er sich so rasch trösten?" Eine saftige Birne, welche Susette ihrem Bräutigam darreichtc, sollte ihn ermuthigen, diese Frage recht sorgfältig zu beantworten. „WaS daS Letztere betrifft", versetzte Basilio kauend, „so begreife ick nicht, wie Du Dich darüber wundern kannst. Wenn Du Dich mit einem Andern verlobst, Susette, so tröste ick mich umgehend und nehme die erste Beste, die mir in den Wurf kommt. Das ist erlaubt; die Franzosen haben einen eigenen Namen dafür." „kkoMut nmoiireuxsagte Susette mit überlegener Miene, eine Birne anbeißcnd. „Wir ncnncn's Wahlverwandtschaft", versetzte Basilio, welcher in der Gelehrsamkeit nicht hinter der Geliebten Zurück bleiben und ihr Französisch mit seiner Chemie schlagen wollte; „von zwei verbundenen Elementen in der Retorte wird das eine frei und fühlt sich zu einem dritten nach rechts hingezogen. Da wendet sich das andere augenblicklich nach links und vermischt sich mit einem vierten — doch da« verstehst Du nicht!" Susette hatte für diese Bemerkung nur ein mitleidige« Lächeln. „Enrico hat sich indeß lange genug gesträubt, che au« der Brautschast mit Nora etwas geworden ist. Dock die Mama, die er herzlich liebt, wünschte seine Verlobung mit dein reichen Mädchen, da sonst die Wirthschast zu sehr hinter sich gegangen wäre; denn in ihrer Ungeduld konnten sie'S ja nicht ab- wartcn, bis wir daS Mysterium des großen Hermes entdeckt hatten. Und nun kam dazu die Lcbcnsretlung beim Brand unter erschwerenden Umstanden. DaS Mädchen fühlte sich gleichsam beschämt vor dem ganzen Volke, als cr's so die Leiter hinab in seinen Armen trug — sie war ja im tiefsten NegligS. Wenn die Flammen nach Einem züngeln, da kann man nicht Toilette machen; da fragt man nicht, wie viel Zeugs man an hat und wie eö sitzt — da muß man beraus auS dem Oualm; sie aber glaubte, der Lebensretter müsse gewissermaßen auch ibre Ehre retten — als hätte Liese darunter gelitten, daß er sie auö dem Bette hcran«- gcyolt." „Und Enrico selbst?" „Er denkt wohl nicht so zimperlich . . doch sie hat'S ihm
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